In modernen Gesellschaften sind Kinder vom Tag ihrer Geburt an und sogar bereits davor, z. B. auf Ultraschallbildern, von Medien umgeben und ihnen ausgesetzt. In Österreich herrscht bei Familien mit Kindern inzwischen nahezu Vollausstattung mit TV, Smartphone, Laptop und Internetzugang [3, S. 18]. Medien sind also ubiquitär verfügbar und bestimmen den Alltag der Kinder mit. Das theoretische Konzept der Mediatisierung befasst sich mit der zunehmenden Bedeutung von Medien im Alltag und mit der Frage, wie Medien und mediale Entwicklungen das sozial-kommunikative Verhalten und kommunikativ konstruierte Wirklichkeiten, also unseren Alltag, unsere Kultur, unsere Gesellschaft verändern [4]. Die Sozialwelt von Kindern wird theoretisch mit dem Konzept „Mediatisierte[r] Kindheit“ [10] gefasst, welche sich anhand folgender Phänomene beispielhaft akzentuieren lässt.

Medien als Orientierungsangebote und Statussymbole

Medien fungieren als zentrale Informationsquellen; sie geben Orientierung, bieten Raum für Gespräche mit Eltern, aber mehr noch mit der Peergruppe, und dienen als Vorlagen für die Arbeit an Identitäten. Vor allem die auf verschiedenen Plattformen präsentierten Lieblingsfiguren der Kinder werden zu Vorbildern, die als Wegweiser und Wegbegleiter durch die Sozialisation fungieren [9, S. 348]. Ebenfalls in Zusammenhang mit der kindlichen Identitätsentwicklung stehen Medien in ihrer Funktion als Statussymbole. Sie dienen als Ausdruck der Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft oder zur Abgrenzung gegenüber anderen.

Kommerzialisierung von Kindheit

Eng mit der Orientierungsfunktion verbunden ist die Kommerzialisierung der Kindheit. Firmen schaffen ein verbraucherfreundliches Umfeld mit Medienmarken, die über eine Vielzahl von Plattformen und Produkten vertrieben werden [5, S. 297]. Da Kinder die Kaufentscheidungen ihrer Eltern beeinflussen, werden sie immer jünger als Kunden und Kundinnen angesprochen [5, S. 297]. Das Aufkommen und die Akzeptanz digitaler Medien haben die bereits bestehende Kommerzialisierung der Kindheit vorangetrieben, einschließlich neuer Entwicklungen wie Kidfluencer in sozialen Medien.

Bildungs- und Kompetenzgefälle

Studien zur Mediennutzung von Heranwachsenden stellen immer wieder fest, dass sich der Umgang von Kindern mit digitalen Medien und inwiefern sie von Chancen profitieren bzw. von Risiken betroffen sind, vor allem entlang der formalen Bildungsgrade der Erziehungsberechtigten unterscheidet [6]. So liegt bei der Mediennutzung von Kindern aus bildungsfernen Elternhäusern im Vergleich zu jenen mit bildungsnäherer Herkunft ein größerer Schwerpunkt auf Unterhaltung denn auf Information [2, S. 17]. Auch zeigen die Eltern, je niedriger sie formal gebildet sind, umso weniger Engagement, ihre Kinder bei der digitalen Mediennutzung zu begleiten [2, S. 17]. Damit entstehen ungleiche Chancen für Kinder, wenn es darum geht, die Potenziale digitaler Medien auszuschöpfen und die Risiken zu minimieren.

Zahlen und Fakten zur kindlichen Mediennutzung in Österreich

Um zu zeigen, wie sich die Mediatisierung von Kindheit in konkretem (Medien)handeln manifestiert, lohnt sich ein Blick in aktuelles Studienmaterial. Die repräsentative Oberösterreichische Kinder-Medien-Studie [3] liefert Zahlen, welche auch als Richtwert für Österreich gelten. Die Studie untersucht das kindliche Medienverhalten aus 3 Perspektiven: aus jener der Kinder (6–10 Jahre), der Eltern von Kindern zwischen 3 und 10 Jahren und jener von Pädagoginnen und Pädagogen in Kindergärten und Volksschulen. Die Ergebnisse scheinen zunächst zu überraschen, denn bei den beliebtesten Freizeitbeschäftigungen rangieren Medien mit dem Fernsehen erst auf Platz 4; Computer, Internet & Co. gar erst auf Platz 7. Das Spielen außer Haus und soziale Aktivitäten nehmen den wichtigeren Teil im Freizeitverhalten der Kinder ein [3, S. 15]. Drei Viertel der in der Untersuchung befragten Kinder besitzen elektronische Geräte. Neben dem Smartphone zählen auch Tablets und Spielkonsolen dazu [3, S. 19]. Was das klassische Fernsehen anbelangt, so ist dieses zwar noch das wichtigste Gerät für die Kinder, es ist aber im Jahresvergleich stark rückläufig. Streaming-Dienste und vor allem Clips im Internet (z. B. auf YouTube) holen immer stärker auf. Damit steigt die Bildschirmzeit auf 2 Stunden pro Tag. Das ist der bis dato höchste Wert im Jahresvergleich [3, S. 20, S. 35]. Gleichzeitig wird das Einstiegsalter ins Internet immer niedriger. Gemäß einer Studie von Saferinternet (2020) nutzen schon 0‑ bis 6‑jährige Kinder nach Angaben ihrer Eltern internetfähige Geräte zumindest gelegentlich – und dies ab einem Alter von durchschnittlich 12 Monaten [8]. Dabei entspricht diese Beschäftigung der Entwicklung von Kleinkindern in keinster Weise, sind diese doch auf reale Erfahrungen und Beziehungen angewiesen.

Auch Social Media spielen für Kinder bereits eine Rolle, wobei WhatsApp und YouTube am bedeutendsten sind [3, S. 28]. Bei den meisten Kindern gibt es im Elternhaus Regeln für die Nutzung sozialer Netzwerke [3, S. 30]. In der Schule werden Erlebnisse bzw. der Umgang mit diesen Anwendungen eher selten besprochen [3, S. 31], dennoch wissen die Kinder über Problematiken in sozialen Medien, wie Fake News, Online-Betrug oder Cybermobbing Bescheid [3, S. 31]. Dabei sind sie selbst von diesen Phänomenen noch kaum betroffen [3, S. 46]. Für die Eltern stehen Schulen und Kindergärten in der Verantwortung, unterstützende Informationen, vor allem hinsichtlich der Gefahren und der verantwortungsvollen Nutzung sozialer Medien, zur Verfügung zu stellen [3, S. 99].

Ambivalente Effekte mediatisierter Kindheit

Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Einflüssen digitaler Medien auf Kindheit und Jugend zeichnet ein ambivalentes Bild. Medienwirkungen werden dabei nicht als einseitig gesehen, sondern als Geflecht von unterschiedlichsten Kontextfaktoren. Medien werden als „Kommunikationspotenziale“ [4, S. 34] verstanden, die sich in der Nutzung und in ihren Auswirkungen kontextabhängig auf unterschiedlichste Weise entfalten können. Eröffnen etwa soziale Medien Kindern einerseits die Gelegenheit, sich überregional in Peergruppen auszutauschen und neue Gemeinschaften zu bilden, besteht andererseits die Gefahr des Cybermobbings oder Online-Betrugs. Die Vorteile niederschwelliger Informationsbeschaffung stehen Nachteilen destruktiver Kommunikationsphänomene wie Desinformation oder Hate Speech gegenüber. Ebenso kann das selbstständige Agieren im Internet im Sinne eines Empowerments oder der Selbstwirksamkeit für Entwicklungsaufgaben im Jugendalter genutzt werden und andererseits psychologische und/oder gesundheitliche Belastungen mit sich bringen.

Als Schlüssel für die Hebung der Chancen und Minimierung der Risiken wird häufig der Begriff „Medienkompetenz“ ins Spiel gebracht. Darunter werden unterschiedlichste Fähigkeiten und Bereitschaften subsumiert, die dazu beitragen, Medien in verantwortungsvoller und selbstbestimmter Weise nutzbar zu machen. Mit dem Verfügen über derlei Kompetenzen ist allerdings der sinnvolle Gebrauch der Medien noch nicht sichergestellt. Daher ist es zielführender, auf das konkrete Medienhandeln zu fokussieren, denn „Kompetenzen zu besitzen bedeutet eben noch nicht, diese auch entsprechend zum Einsatz zu bringen“ [7, S. 4]. Das Konzept der Medienperformanz entspricht dem Fokus auf das tatsächliche Medienhandeln bzw. darauf, wie Kompetenz „‚in Erscheinung tritt‘“[1, S. 102]. So sehen Roth-Ebner und Duller Medienperformanz als pädagogische Grundhaltung. Dieser entspricht ein Klima (sei es im Elternhaus oder in institutionellen Kontexten), in welchem die Interessen und Aktivitäten der Heranwachsenden ernst genommen werden und in welchem sich die Erwachsenen für deren Mediennutzung interessieren [7]. Davon ausgehend kann Medienerziehung im Sinne einer unterstützend-reflektierenden Begleitung gelingen.

Konsequenzen: reflektierte Mediennutzung statt Medienapokalypse

Wie die oben erwähnten Nutzungszahlen zeigen, sind digitale Medien längst Teil des kindlichen Alltags geworden. Sie als Bedrohung zu verteufeln, gar zu verbieten, ist pädagogisch nicht sinnvoll. Es ist wichtig, dass Erwachsene die kindliche Mediennutzung ernst nehmen, sich dafür interessieren und Kinder dabei begleiten. Dem hervorgehobenen Stellenwert von Medien in der heutigen Kindheit entsprechend, muss Medienerziehung im Kindergarten und an Schulen Raum bekommen; dies zeigt sich schon vor dem Hintergrund der erwähnten Bildungskluft. Im Sinne einer partizipativ gestaltenden, reflexiven Medienpädagogik heißt das nicht, möglichst viele digitale Anwendungen zu nutzen, sondern Medien, deren Angebote und Auswirkungen auf das soziale Leben gemeinsam zu reflektieren, Kinder in ihrer Individualität, ihrer eigenen Urteilsfähigkeit und Widerstandskraft zu fördern. Dazu braucht es medienpädagogisch kompetente Pädagoginnen und Pädagogen, wofür es wiederum laufend angepasster (Weiter‑)Bildungsmaßnahmen bedarf. Als wichtigste Vorbilder der Heranwachsenden sind aber auch die Eltern (mehr) in medienpädagogische Maßnahmen einzubeziehen.