Im Jahr 2018 wurde das Pilotprojekt zu „fit4SCHOOL – psychotherapeutische Beratung an der Schule“ in Kooperation des Tiroler Landesverbandes für Psychotherapie (TLP) und eines Gymnasiums in Innsbruck gestartet. Es wurde ein niedrigschwelliges, kostenloses und präventives Beratungsangebot für Schüler*innen, Eltern und Lehrer*innen geschaffen, im Sinne der Verbindung von schulinternen Angeboten und der Anbindung an außerschulische Angebote. Aufklärung und Wissensvermittlung sowie der persönliche Kontakt dienen der Entstigmatisierung und Enttabuisierung psychischer Probleme.

Gearbeitet wird nach dem

FormalPara 3-Säulen-Prinzip:
  1. 1.

    Versorgung: Regelmäßig, wöchentlich ist ein(e) Psychotherapeut*in im Anschluss an den Unterricht an der Schule. Das Angebot wird über verschiedene Kanäle (Schulhomepage, Folder, Aushang etc.) angekündigt, Schüler*innen und Lehrer*innen werden aktiv darauf aufmerksam gemacht. Der/die Psychotherapeut*in steht für verschiedene Anliegen im Zusammenhang mit psychischen Problemen zur Verfügung.

  2. 2.

    Vermittlung: Wenn psychotherapeutische Beratungsgespräche nicht ausreichen, soll gemeinsam mit den Betroffenen nach inner- und außerschulischen Lösungen gesucht werden. Eine konstruktive Vernetzung innerhalb des Gesundheitsteams (Schulärzt*innen, Schulpsycholog*innen etc.) an der Schule ist erwünscht.

  3. 3.

    Vorträge: Einmal im Semester werden in Absprache mit der Schulleitung Vorträge für Schüler*innen, Eltern und Lehrer*innen zu relevanten, aktuellen Themen angeboten („Die Entwicklung des Selbst im Kindes- und Jugendalter“, „Digitale Medien“, „Essstörungen“, „Selbst verletzendes Verhalten“, …).

Erste Evaluation

In einer ersten Evaluation am Ende des Schuljahres 2018/19, des ersten Jahres unseres Pilotprojekts, konnten wir erheben, dass bereits 30 Schüler*innen die psychotherapeutische Beratung in Anspruch genommen hatten. Die Anzahl war in den beiden vergangenen Jahren steigend. Im Schnitt kamen die Kinder und Jugendlichen zwei bis drei Mal. Ein Termin fand zunächst allein mit dem/der Schüler*in zur Abklärung der Situation statt. Häufig konnten auch die Eltern eingebunden werden, und es wurde gemeinsam mit dem/der Schüler*in die weitere Vorgehensweise besprochen. In einigen Fällen wurde die psychotherapeutische Beratung auch von den Eltern aufgesucht. Etwa zwei Drittel der Schüler*innen wurden anschließend in unterschiedlichen Kontexten der psychosozialen Hilfelandschaft eingebunden, beispielsweise weitere Beratungen im ambulanten Setting, psychologische Abklärung, Kontaktaufnahme mit der Kinder- und Jugendhilfe, dem Kinderschutz, Psychotherapie, stationäre Aufnahme an der Kinder- und Jugendpsychiatrie etc. In Zusammenarbeit mit der Universitätsklinik Innsbruck wurde eine Begleitforschung und Evaluation durchgeführt, die bereits 2020 bei der Tagung der Gesundheit Österreich GmbH präsentiert wurde. Inzwischen wird psychotherapeutische Beratung bereits an mehreren Schulen in Tirol angeboten. Das Bewusstsein um die Dringlichkeit, mehr für die psychische Gesundheit von Schüler*innen zu sorgen, stieg mit der Dauer der Pandemie deutlich. Es erreichen uns laufend Anfragen, das Konzept an diversen Schulen vorzutragen.

Ausweitung des Projekts und Kooperationen

Die Arbeitsgruppe des TLP hat sich mittlerweile um eine Arbeitsgruppe Schulpsychotherapie im Rahmen des Österreichischen Bundesverbandes für Psychotherapie erweitert. Im Weiteren haben sich Kolleg*innen aus fast allen Bundesländern gefunden, die aktiv an diesem innovativen Projekt und der Erstellung eines Konzepts mitarbeiteten. Das aktuelle Konzept finden Sie auf der Homepage des ÖBVP [1]. Mit Psychotherapeut*innen, die sich für eine Tätigkeit als Schulpsychotherapeut*innen, für die Mitarbeit in der Konzeptweiterentwicklung interessieren oder einfach grundsätzlich mehr wissen wollten, gab es am 13.11.2021 einen interessanten Austausch. Beim „Come together“ in der Urania und hybrid waren knapp 60 Kolleg*innen anwesend.

Ein weiterer Schwerpunkt unserer Arbeitsgruppe ist die Zusammenarbeit und Kooperation mit der Bundesschüler*innenvertretung. Die Bundesschüler*innenvertretung hat das Thema, „Psychische Gesundheit“, als einen von 4 Forderungspunkten an BM Fassmann gerichtet. Ende Oktober haben wir den Bundes- und Landesschulsprecher*innen unser Konzept „fit4SCHOOL – Psychotherapeutische Beratung in der Schule“ im Zuge eines Zoom-Meetings vorgestellt. Über 30 interessierte Schülervertreter*innen (AHS, BHS, Polytechnische Schulen …) haben sich engagiert und interessiert eingebracht und wünschen sich die Umsetzung dieses Konzepts an ihren Schulen. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz, die am 10.11.2021 stattgefunden hat, forderte die Schülervertretung, „fit4SCHOOL“, das wir bei der Pressekonferenz präsentiert hatten, flächendeckend zu organisieren. Wie dringend unsere Schüler*innen psychotherapeutische Unterstützung benötigen, wird nicht zuletzt durch die aktuelle Umfrage der Bundesschüler*innenvertretung mit der Donau Universität Krems dargelegt.

Erste Zwischenergebnisse der aktuellen Umfrage konnten bei einer Pressekonferenz vorgestellt werden. Zusätzlich haben wir die junge Generation bei der Ausarbeitung ihres Informationsplakats „Erste Hilfe für den Kopf“, welches von Michael Scharf präsentiert wurde, unterstützt.

Auch die Kampagne der Bundesjugendvertretung (BJV) „Die Krise im Kopf“ beschäftigt sich mit dem Thema Mental Health. Bei einem gemeinsamen Treffen mit den Verantwortlichen wurde das Konzept vorgestellt und hat großes Interesse geweckt.

Politische Arbeit (Informationsstand Dezember 2021)

Dem grünen Gesundheitssprecher Ralph Schallmeiner konnten wir das Konzept bei einem persönlichen Termin detailliert vorstellen. Mit der Zusage, sich aktiv für eine Umsetzung an mehreren Pilotschulen in ganz Österreich einzusetzen, konnten wir auch diesen Termin sehr erfolgreich abschließen. Den Gesundheitssprecher*innen der anderen Parteien konnten wir „fit4SCHOOL“ im Zuge einer Kinderliga-Frühstück-Veranstaltung näherbringen. Sie waren quer über alle Parteien sehr interessiert, das Konzept auch praktisch umzusetzen.

Auf Landesebene sind die Kolleg*innen der einzelnen Landesverbände engagiert dabei, das Konzept den zuständigen Politiker*innen und Entscheidungsträger*innen näher zu bringen. Unsere Vorarlberger Kollegin, Nicola Mair-Kilga, konnte das Konzept, untermauert mit einer Zahlen-Daten-Fakten-Analyse unserer Kollegin Regina Heidenhofer bei den zuständigen Landespolitikern vorstellen. Das Ergebnis war fulminant und wird hoffentlich beispielgebend. Das Land Vorarlberg will im nächsten Jahr das Konzept „fit4SCHOOL“ umsetzen.

Das allgemeine Interesse an diesem innovativen Projekt ist sehr groß. Leider ist das Interesse beim zuständigen Bildungsministerium enden wollend. Aussagen, wie „… es braucht nicht noch einen Gesundheitsberuf an der Schule“ sind für uns nicht nur unverständlich, sondern in Zeiten wie diesen den Kindern und Jugendlichen gegenüber mehr als unverantwortlich. Kinder und Jugendliche verbringen einen großen Teil ihrer Zeit in der Schule. Wo, wenn nicht dort, ist es möglich und auch notwendig, ihnen entsprechende Unterstützung anzubieten, wie in anderen Ländern auch?

Sowohl Elternvereine als auch engagierte Schüler*innen machen auf die aktuelle Situation der jungen Menschen an den Schulen aufmerksam und berichten, dass aufgrund der weiterhin schwierigen Umstände rund um die Pandemie viele Schüler*innen unter psychischen Problemen leiden. Umfragen zeigen, dass der Leidensdruck einer bedeutenden Anzahl von Schüler*innen inzwischen schon sehr groß geworden ist. Elternvereine, Direktor*innen und Lehrkräfte bemühen sich nach ihren Möglichkeiten, das psychosoziale Angebot an den Schulen auszubauen. Die zuständigen Entscheidungsträger hier in die Pflicht zu nehmen, ist eines unserer zentralen Anliegen.