Nachdem jahrzehntelang die Kinder- und Jugendrehabilitation in Österreich ungeregelt war, was sowohl die Finanzierung, als auch das Angebot betraf (zahlreiche Erwachsenenrehabilitationsbetten standen wenigen Kinderrehabilitationsbetten an Erwachseneneinrichtungen gegenüber), ist in den letzten 15 Jahren doch eine kontinuierliche Entwicklung in Richtung einer umfassenden österreichweiten Versorgung passiert.

Ausgangspunkte und Durchbrüche

Ein wesentlicher Ausgangspunkt war der Österreichische Gesundheitsplan für Kinder 2004, wo die verschiedenen Rehabilitationsformen im Kinder- und Jugendlichenbereich definiert wurden, von der Frührehabilitation über die Phase 3 Rehabilitation bis hin zur ambulanten Rehabilitation. Ein nächster Meilenstein war der Kindergesundheitsdialog 2010, wo eine eigene Arbeitsgruppe 4 für das Thema Rehabilitation für Kinder und Jugendliche eingerichtet wurde. Letztlich wurde von Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) zusammen mit der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ) Indikationsgruppen und Bettenbedarfszahlen ermittelt [2]. Der Abschluss der Arbeitsgruppe 4 hatte auch ein Leistungsprofil für die stationäre Rehabilitation für Kinder und Jugendliche zum Inhalt. Letztlich wurde im Österreichischen Strukturplan für Gesundheit (ÖSG) 2012 der Kinderrehabilitationsplan mit entsprechender Bettenaufteilung und Zuteilung zu den Gesundheitsversorgungszonen aufgenommen.

Ein wesentlicher Durchbruch war auch 2015 die Bund-Länder-Einigung bezüglich der Finanzierung der Kinder- und Jugendrehabilitation. Immerhin spielen zwei Teile hier herein: die angeborenen – und die erworbenen Störungen. Schließlich wurde mit dem zur Verfügung stehenden Geld von 33 Mio. € mit dem ermittelten Bettenbedarf von 325 Betten ein Ausschreibungsverfahren durch den Hauptverband für die 4 Gesundheitsregionen durchgeführt. Das Vergabeverfahren sah vor, gleichzeitig für ganz Österreich ein Konzept umzusetzen. Projekte, die bereits jahrelang in der Warteschleife waren, wurden damit an die Startlinie zurückgestellt. Die Ausschreibung war 2017 abgeschlossen und somit wurde der Beginn für die Umsetzung in den jeweiligen Gesundheitsregionen für die verschiedenen Betreiber ermöglicht ([1]; Abb. 1 und 2: Kinder- und Jugendrehabilitationseinrichtungen in den jeweiligen Gesundheitsregionen nach dem offiziellen Vergabeverfahren durch den Hauptverband). Dann wurden die ersten Einrichtungen in den verschiedenen Behandlungsindikationen in Judendorf Straßengel und St. Veit im Pongau im Leuwaldhof 2018 in Angriff genommen; 2019 wurden weitere Einrichtungen wie Bad Erlach und Rohrbach eröffnet. Ausstehend ist schließlich noch der Standort Wiesing (Mobilisierungs- bzw. psychosoziale Rehabilitation).

Abb. 1
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Kinder- und Jugend Rehabilitationseinrichtungen in Österreich mit Indikationen und Betten. (Quelle: Homepage Sozialversicherungen, [3, 4])

Abb. 2
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Kinder- und Jugend Rehabilitationseinrichtungen in Österreich. a St. Veit im Pongau VAMED/SALK (Salzburger Landeskliniken, Salzburg), b Rohrbach Hospitals (Oberösterreich), c Wildbad Einöd Senecura (Steiermark), d Judendorf-Straßengel Mare-Gruppe (Steiermark), e Bad Erlach Hospitals (Niederösterreich), f Wiesing SeneCura/Dr.Dr.Wagner, Tirol (© Förderverein Kinderreha [5])

Die ÖGKJ mit dem Referat für Rehabilitation hat in Zusammenarbeit mit dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger Rehabilitationsvernetzungstreffen organisiert; 2 Referatssitzungen der Kinder- und Jugendrehabilitation wurden jeweils im Anschluss an die Jahrestagungen der ÖGKJ 2018 in Linz und 2019 in Klagenfurt abgehalten.

Positiver Rückblick

Wenn man nun die Erfahrungen der ersten beiden Jahre der Kinder- und Jugendrehabilitation in Österreich betrachtet, dann ist es klar festzustellen, dass die jeweiligen Betreiber sehr engagierte Teams mit kompetenten Fachkräften sowohl im ärztlichen als auch im pflegerischen und therapeutischen Bereich gewonnen haben.

Es gibt von den Familien, die bereits in den Rehabilitationseinrichtungen waren, eindeutig erste sehr erfreuliche und positive Rückmeldungen. Es ist auch ersichtlich, dass sich die Rehabilitationseinrichtungen untereinander abstimmen, die jeweiligen ärztlichen und therapeutischen Vertreter die Kontakte untereinander suchen. Die Arbeitsgruppen der ÖGKJ mit den verschiedenen Subspezialisierungen sind aktiv geworden und bemühen sich für Gesamtkonzepte in der Versorgung (wie z. B. in der Adipositas, dem Diabetes, aber auch in der Nephrologie), die in die spezifische Rehabilitation eingebunden sind. Die Träger sind engagiert und haben kind- und jugendgerecht mit den Einrichtungen gestartet. Auch Selbsthilfegruppen sind involviert, insbesondere in der Kinderkardiologie das „Kinderherz“, aber auch bei der familienorientierten Rehabilitation im hämatoonkologischen Bereich die Österreichische Kinderkrebshilfe.

Ohne die Initiative für Kinder- und Jugendrehabilitation durch Markus Wieser, der auch teilweise den Außenauftritt und die Koordination der Einrichtungen übernommen hat und auch immer wieder Spendengelder für zusätzliche Unterstützungsleistungen für Familien zur Verfügung stellt und auch vom Hauptverband aus beauftragte Qualitätssicherungsmaßnahmen aus Sicht der Familien und Betroffenen durchführt, wäre die gesamte Entwicklung und der gute Start nicht möglich gewesen. Für den Leuwaldhof in St. Veit im Pongau wurde eine spezielle Qualitätssicherung und Datenakquise vorbildlich eingerichtet.

Kritische Aspekte

Neben diesen positiven Punkten gibt es auch einige kritische Aspekte: Es war ersichtlich, dass sich beim fast gleichzeitigen Start aller Einrichtungen und dem Prinzip des Hochfahrens der Reha Probleme von 0 % auf 100 % entwickeln können: Das Personal Recruiting ist im Fachbereich Kinder- und Jugendheilkunde nicht einfach, sowohl was die medizinische Versorgung, die Ärztinnen und Ärzte, angeht, aber auch die Pflege- und andere Spezialkräfte. Durch die Zusammenfassung von Entwicklungs- und Sozialpädiatrie und Kinder- und Jugendpsychiatrie in Mental Health, durch die Verortung kinder- und jugendpsychiatrischer Versorgung im Mental-health-Bereich sind in der Entwicklung und in der Kommunikation besonders die Österreichische Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie nicht ausreichend involviert gewesen. Hier gilt es, in starker Zusammenarbeit die vorhandenen Ressourcen optimal zu nutzen und Konzepte zu entwickeln. Einzelne Bereiche wie die Rehabilitation der nephrologischen Patienten sind nicht ausreichend berücksichtigt worden. Bei der Mobilisierungsindikation in der Phase C gibt es Qualitätsprobleme im Orthopädiekonzept, im Bereich der hämotoonkologischen familienorientierten Orientierung braucht es die Expertise, die neuropsychologische Versorgung, die familienorientierten Konzepte, die teilweise auch im Ausland in der Katharinenhöhe und in Tannheim praktiziert werden. Naturgemäß ist bei gleichzeitigem Eröffnen der vielen Betten eine gewisse Konkurrenzierung um die Patienten gegeben. Es gehört klar geklärt, welche Patienten welcher Indikationsgruppe wohin zugewiesen werden müssen. Hier ist der Überlappungsbereich für psychosomatische Versorgung gerade im Bereich Diabetes, Adipositas und anderen Krankheiten entsprechend wie es im Bereich der Erwachsenenrehabilitation erfolgt, zu klären. Der Standort Wiesing ist noch nicht ganz umgesetzt und hat eine neue Lokation erfahren, hier benötigt es erst die Vernetzung und Entwicklung am Standort.

To-Do-Liste

Aus der Referatssitzung der ÖGKJ sind zusammenfassend folgende Forderungen erstellt worden:

  1. 1.

    Eine Broschüre sollte erstellt werden mit der Bekanntmachung der Rehabilitationseinrichtungen und Indikationen in Österreich (gegebenenfalls durch die ÖGKJ und den Hauptverband bzw. Österreichische Gesundheitskasse [ÖGK]).

  2. 2.

    Es sollte 2020 wiederum ein Vernetzungstag erfolgen, nachdem alle Rehabilitationseinrichtungen gestartet sind, und dort ein Austausch erfolgen und eine Zwischenbilanz gezogen werden.

  3. 3.

    Ganz wesentlich erscheint es, dass für die Begleitpersonen auch Z‑Diagnosen wie bei der familienorientierten Rehabilitation ermöglicht werden, damit diese vom Arbeitgeber frei bekommen. Dies ist ein wesentlicher Punkt, damit die Rehabilitationseinrichtungen auch genügend Patienten während des Jahres rekrutieren können.

  4. 4.

    Es ist sicherlich sinnvoll, die familienorientierte Rehabilitation auch auf andere Diagnosen auszuweiten, und es wäre möglich, diese indikationsbezogen und durch Chefärzte kontrolliert umzusetzen (z. B. dieselbe Definition für Familienorientierung: lebensbedrohliche Erkrankung, monatelanger Aufenthalt im Krankenhaus, letztlich nicht nur auf Krebserkrankungen im Kindesalter beschränkt).

  5. 5.

    Die Änderungen und Verbreitungen der Rehabilitationskultur sind notwendig, das Angebot wird sicherlich von vielen niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen noch nicht ganz wahrgenommen. Es benötigt einen flachen Zugang. Es sollen bundesweit entsprechende Patienten an alle Einrichtungen zugewiesen werden.

  6. 6.

    Erwartungen an die Rehabilitationseinrichtungen dürfen zu Beginn nicht zu hoch gestellt werden. Ein Miteinander in der gesamten Entwicklung der Rehabilitationsszene in Österreich ist notwendig.

  7. 7.

    Besonders wichtig ist das Treffen mit der Kinder- und Jugendpsychiatrie und den jeweiligen Vertretern und auch der Gesellschaft, um in den Einrichtungen im Mental-health-Bereich gute Konzepte zu setzen.

  8. 8.

    Wesentlich ist auch, das Transitionsthema zu regeln. Die Schnittstelle zum Erwachsenenalter ist gerade bei angeborenen Stoffwechselstörungen und im Mental-health-Bereich, aber auch in der Hämatoonkologie wichtig. Es ist sozialversicherungsrechtlich zu klären, daß auch Auszubildende und junge Erwachsene einen Anspruch auf eine Rehabilitation in einer Kinder- und Jugendlichenrehabilitationseinrichtung erhalten (Wahlrecht).

  9. 9.

    Wichtig ist auch, dass die Überwindung der Sprachbarriere gesichert ist und Übersetzungen möglich sind.

  10. 10.

    Die Qualitätssicherung der Aufgaben der Rehabilitationszentren sollten abgestimmt werden. Es wäre schön, vom Hauptverband (bzw. von der ÖGK) die vorhandene Initiative, die vom Leuwaldhof St. Veit ausgeht, zu nutzen, dass eine gemeinsame Rehabilitationsdokumentation im Kinder- und Jugendlichenbereich in Österreich aufgestellt wird. Eine Initiative bezüglich Qualitätssicherung der Rehabilitationseinrichtungen durch die Initiative Kinderrehabilitation durch Markus Wieser ist im Gange und sinnvoll.

Fazit für die Praxis

Der Anfang ist geschafft, wir können in Österreich einen eigenen hochqualitativen Weg gehen, Dank der Finanzierung und Verteilung der Betten in Österreich. Eine Reihe von Problemen sind gemeinsam mit den jeweiligen Fachspezialisten zu lösen. In Anbetracht dessen, dass wir im Vergleich zu Deutschland im Verhältnis um die Hälfte weniger Kinder- und Jugendbetten aufgestellt haben und hier nur die gewichtigeren Indikationen mit stationärem Rehabilitationsbedarf angeführt haben, gilt es jetzt, diese Betten zu nutzen, den Zugang flach zu halten und alle gemeinsam beizutragen, dieses Angebot zum Wohl der Familien, Patienten und Patientinnen zu nutzen.