Vaskuläre Anomalien stellen im Kindes- und Jugendalter aufgrund ihrer ausgesprochenen Heterogenität und zahlreicher Mischformen sowohl diagnostisch als auch therapeutisch eine besondere Herausforderung dar. Vaskuläre Anomalien werden nach der Klassifikation der International Society for the Study of Vascular Anomalies (aktuell gültige Fassung 2018) eingeteilt, was zu einer Vereinheitlichung von Definitionen und Nomenklatur geführt hat [1]. Dabei sind grundsätzlich vaskuläre Tumoren von vaskulären Malformationen zu unterscheiden.

Die Diagnosestellung beruht in erster Linie auf Anamnese, klinischem Erscheinungsbild und radiologischen Charakteristika [2]. Besonders wichtig ist die Beantwortung der Fragen nach dem erstmaligen Auftreten der Läsion bzw. Läsionen und einer (gegebenenfalls undulierenden) Größenzu bzw. -abnahme. Überlappende radiomorphologische Merkmale erschweren trotz der Verfügbarkeit moderner bildgebender Verfahren oft die exakte Diagnosestellung [2]. Bestehen hinsichtlich der Zuordnung und Diagnose von vaskulären Anomalien nach Ausschöpfung aller bildgebenden Verfahren Zweifel, ist eine Gewebeuntersuchung nach Biopsie indiziert. Bei vaskulären Malformationen stimmen klinisch-radiologische und histopathologische Diagnose jedoch in weniger als 50 % überein [3].

Obwohl die Betreuung von Kindern mit vaskulären Anomalien interdisziplinär erfolgt, nimmt vor allem aufgrund der nun erweiterten medikamentösen Behandlungsoptionen die pädiatrische Hämatoonkologie im Management vaskulärer Anomalien eine zunehmend aktive Rolle ein [4, 5].

Fallbericht 1

Die Erstvorstellung erfolgte wegen einer seit Geburt bestehenden lividen Verfärbung im Bereich des linken Oberschenkels (Abb. 1; Tab. 1). In der klinischen Untersuchung fand sich unter der Haut eine etwa 5 cm große, unscharf begrenzte, derb-knotige Resistenz. Im initialen Blutbild (6. Lebenstag) waren die Thrombozyten normal; vor Behandlungsbeginn waren dreimal diskret erniedrigte Thromboyztenwerte (minimal: 133 G/l) dokumentiert. Die Bestimmung der plasmatischen Gerinnung erfolgte erstmals im 3. Lebensmonat. Es zeigte sich eine leichte Erhöhung des D‑Dimers auf 1,69 mg/l (Normwert: −0,50) bei unauffälliger aktivierter partieller Thromboplastinzeit (aPTT), Prothrombinzeit (PZ), unauffälliger Fibrinogen- und Antithrombin(AT)-Werten. In der Magnetresonanztomografie (MRT) mit Angiografie, die im 2. Lebensmonat durchgeführt wurde, war eine kraniokaudal 7 cm × sagittal 5 cm × axial 1,8 cm messende Infiltration der Subkutis des Oberschenkels ventrolaterodorsal mit fleckigem knotigen Kontrastmittelenhancement und semizirkulärer Infiltration des Musculus rectus femoris und Musculus vastus lateralis sowie Musculus sartorius zu sehen (Abb. 2). Da differenzialdiagnostisch auch ein maligner Weichteiltumor in Betracht gezogen wurde, erfolgte eine Biopsie, deren Ergebnis mit einem kaposiformen Hämangioendotheliom (KHE) vereinbar war. Im Alter von 2,5 Monaten wurde eine Therapie mit Sirolimus (Gesamttagesdosis 0,1 mg/kg und Tag aufgeteilt auf 2 Einzeldosen; Zielspiegel 10–15 ng/ml) begonnen. In den ersten Wochen nach Therapiebeginn wurden deutlich erhöhte Spiegel gemessen, weshalb eine entsprechende Dosisreduktion erfolgte. Im Verlauf konnten dann mit einer sehr niedrigen Sirolimusdosis adäquate Serumspiegel erzielt werden. Allerdings kam es innerhalb von 3 Wochen nach Therapiebeginn zu einer deutlichen Größenzunahme, sodass auch wegen der Gefahr eines Kompartmentsyndroms eine zusätzliche Therapie mit Vincristin (0,025 mg/kg je Einzeldosis) in initial wöchentlichen Abständen eingeleitet wurde. Da die Läsion unter der Therapie kleiner und weicher wurde, konnten die Abstände zwischen den Vincristingaben auf zwei Wochen ausgedehnt und die antiproliferative Therapie nach einer Gesamttherapiedauer von 11 Monaten (19 Vincristingaben) beendet werden. In der MRT-Kontrolle (8. Behandlungsmonat) zeigte sich eine deutliche Befundregredienz. Nachdem sich bei weiteren Kontrolluntersuchungen eine zunehmende Überwärmung der Läsion fand, erfolgte im Alter von 26 Monaten eine neuerliche MRT-Untersuchung. Da die Läsion deutlich an Größe zugenommen und die Ausdehnung der Ausgangsuntersuchung erreicht hatte, musste die Sirolimustherapie wiederaufgenommen werden. Die Therapie wurde während der nun 16 Monate dauernden 2. Therapiephase wegen verschiedener unkomplizierter Infektionen (Varizellen, Harnwegsinfekt, Gingivostomatitis) mehrfach kurzfristig unterbrochen. Daneben wurden gehäuft nicht behandlungspflichtige aphthöse Läsionen im Mundbereich berichtet. Das klinische Leitsymptom der Erkrankungsprogression (Überwärmung) hat sich im Verlauf deutlich gebessert (Abb. 3).

Abb. 1
figure 1

Patientin 1. Unscharf begrenzte, derb-knotige Resistenz mit livider Hautverfärbung im Bereich des linken Oberschenkels bei einem 3 Monate alten weiblichen Säugling

Tab. 1 Zusammenfassende Übersicht der Fallberichte
Abb. 2
figure 2

Patientin 1. Das koronale T2-Magnetresonanztomogramm zeigt eine unscharf begrenzte hyperintense Läsion in der Subkutis und der angrenzenden Muskulatur

Abb. 3
figure 3

Patientin 1. Im Alter von 3,5 Jahren – während der nun 16 Monate dauernden 2. Therapiephase – zeigt sich noch eine landkartenartig begrenzte, zirkuläre, diskret livide Verfärbung; darunter ist eine unscharf begrenzte Induration zu tasten

Fallbericht 2

Bei dieser Patientin wurde bereits in einem pränatalen MRT eine ausgedehnte, überwiegend makrozystische Veränderung mit Punctum maximum inframandibulär beidseits, die bis an den Meatus acusticus externus, die Schädelbasis und die Infratemporalregion heranreichte, beschrieben (Tab. 1). Es fanden sich Ausläufer bis in den Zungengrund sowie den Oro- und Hypopharynx. Ab dem 2. Lebenstag erhielt die Patientin Sirolimus. Die erste postpartale MRT erfolgte am 5. Lebenstag und zeigte eine gemischte groß- und kleinzystische lymphatische Malformation (Abb. 4). Zur Sicherung der Atemwege erfolgt unmittelbar postpartal die gesetzte Intubation und am 16. Lebenstag die Anlage eines Tracheostomas sowie die erstmalige Sklerosierung der großzystischen Areale durch Instillation von OK 432. Die Betreuung erfolgte interdisziplinär durch Kinderchirurgie, pädiatrische Hämato-/onkologie und pädiatrische Pulmonologie. Weitere OK-432-Instillationen wurden im 2. und 5. Lebensmonat durchgeführt. Sirolimus wurde insgesamt ausgezeichnet toleriert. Die Dosen wurden nach Körpergewicht und Serumspiegel entsprechend adaptiert und lagen zwischen 0,035 und 0,0625 mg/kg und Tag. Es traten zwar mehrfach fieberhafte respiratorische Infekte auf, die jedoch nicht über das bei nicht immunsupprimierten Patienten in diesem Alter übliche Ausmaß hinausgingen. Es kam klinisch und radiologisch zu einer deutlichen Größenabnahme der lymphatischen Malformation, die auch in der im Alter von 6 Monaten durchgeführten MRT bestätigt wurde (Abb. 5).

Abb. 4
figure 4

Patientin 2. Im koronalen T2-Magnetresonanztomogramm findet sich eine gemischte mikro-/makrozystische Läsion mit Punctum maximum am Hals rechts, die auch auf die Gegenseite reicht

Abb. 5
figure 5

Patientin 2. Das Magnetresonanztomogramm im Alter von 6 Monaten zeigt eine deutliche Größenreduktion der Läsion

Fallbericht 3

Im Rahmen der 1. Mutter-Kind-Pass-Untersuchung fiel bei der Patientin ein ausladendes Abdomen auf (Tab. 1). Das Hautkolorit war blass, das Abdomen druckdolent, die Leber 3 Querfinger unter dem Rippenbogen tastbar. Die Herzfrequenz lag bei 150/min. Es fanden sich außerdem multiple kutane Hämangiome, jedoch durchwegs in einer Größe von ≤5 mm. In der MRT kamen multiple, die gesamte Leber durchsetzende hyperperfundierte Läsionen zur Darstellung (Abb. 6). Die initiale basale Thyreotropin(TSH)-Konzentration war auf 42,37 mU/l (Normwert: 0,45–10,0) erhöht, während die Konzentrationen an freiem Trijodthyronin (fT3) und freiem Thyroxin (fT4) normwertig waren. In der Echokardiografie fanden sich keine Zeichen einer kardialen Dekompensation. Es wurde umgehend eine perorale Therapie mit Prednisolon (2 mg/kg und Tag), Propranolol (Tag 1: 1 mg/kg und Tag, ab Tag 2: 2 mg/kg und Tag) und Levothyroxin (25 μg) begonnen; Prednisolon wurde 2 Wochen lang volldosiert verabreicht und anschließend über 1 Woche ausgeschlichen. Es erfolgten sonografische Kontrollen, anfangs in 2‑wöchigen, dann in 4‑ bzw. 6‑wöchigen Abständen, wobei rund 2 Monate nach Therapiebeginn die schlechtere Abgrenzbarkeit der Einzelherde für eine beginnende Rückbildung sprach. Die Propranololtherapie wurde in einer Dosis von täglich 1,5 mg/kg für 11 Monate fortgeführt und schließlich nach Dosisreduktion über 4 Wochen knapp ein Jahr nach Beginn beendet. In der MRT-Untersuchung konnten keine Läsionen mehr nachgewiesen werden. Levothyroxin wurde nach einer Therapiedauer von 2 Monaten abgesetzt. Die kutanen Hämangiome waren langsam regredient und bildeten sich ebenfalls vollständig zurück.

Abb. 6
figure 6

Patientin 3. Im axialen T1-Magnetresonanztomogramm mit Kontrastmittel ist nahezu das gesamte Leberparenchym diffus von kleinzystischen Läsionen durch- und ersetzt

Diskussion

Sirolimus und Propranolol haben das medikamentöse Armamentarium für die Behandlung vaskulärer Anomalien beträchtlich erweitert. Trotz der insgesamt sehr guten Verträglichkeit muss der Einsatz dieser Substanzen kritisch gegen potenzielle Nebenwirkungen abgewogen werden. Die 3 vorliegenden Fallberichte illustrieren die Möglichkeiten einer systemischen Behandlung bei verschiedenen vaskulären Anomalien.

Bei KHE findet sich häufig ein Kasabach-Merritt-Phänomen (KMP; Verbrauchskoagulopathie mit ausgeprägter Thrombozytopenie, Hypofibrinogenämie, Erhöhung der D‑Dimere), das den klinisch maßgeblichsten Faktor für die Therapieeinleitung darstellt [6]. Neben einer medikamentösen Therapie kommen operative Verfahren, die allerdings in nur etwa 18 % eine komplette Entfernung erlauben, sowie Embolisation und/oder Sklerosierung in Betracht [7]. Vor der Einführung von Sirolimus wurden medikamentös v. a. Kortikosteroide und Interferon-alpha und bei therapierefraktären Verläufen eine zytostatische Kombinationstherapie eingesetzt [7]. In einer umfassenden Analyse therapeutischer Optionen erwies sich hinsichtlich einer Größenreduktion und Normalisierung der Gerinnungsparameter Sirolimus v. a. gegenüber Kortikosteroiden, aber auch gegenüber Vincristin und Interferon-alpha als eindeutig überlegen [7]. Aufgrund des Nebenwirkungsprofils (spastische Diplegie) gilt der Einsatz von Interferon-alpha heute bei allen vaskulären Anomalien als obsolet. Obwohl die sehr gute Verträglichkeit und der ausgezeichnete Therapieerfolg in zahlreichen Fallberichten und klinischen Studien dokumentiert ist und die Anwendung von Sirolimus bei Kindern mit KHE daher mittlerweile als Erstlinientherapie angesehen werden kann, gibt es einzelne Fallberichte über tödliche Verläufe aufgrund von nicht beherrschbaren Infektionen während der Sirolimus-Therapie, die zu besonderer Vorsicht mahnen [5, 7,8,9]. Die Sirolimus-Therapie wird mit einer Dosis von täglich 2 × 0,8 mg/m2 begonnen, im Verlauf nach Zielspiegeln von 10–15 ng/ml gesteuert [9]. Hinsichtlich Therapiedauer existieren keine Empfehlungen. Sie hängt in erster Linie vom Ansprechen ab und muss individuell festgelegt werden. Eine sorgfältige Überwachung und rasche Therapieeinleitung bei infektiösen Episoden ist essenziell. Daten zur Langzeittoxizität – Sirolimus wird oft über Jahre verabreicht – fehlen bislang noch. Eine Kombination mit Kortikosteroiden oder wie bei unserer Patientin mit Vincristin ist v. a. bei kritischer Lokalsituation oder ausgeprägtem KMP zu erwägen.

Die mitunter noch immer gebräuchliche Bezeichnung Lymphangiom, die ein tumorös-proliferatives Wachstumsverhalten impliziert, ist mittlerweile durch den Begriff lymphatische Malformation ersetzt worden [2]. Radiomorphologisch sind bei einfachen lymphatischen Malformationen mikrozystische von makrozystischen und gemischten Formen zu differenzieren. Bezüglich Unterscheidungskriterien besteht jedoch kein allgemeiner Konsens [3]. Einfache lymphatische Malformationen finden sich meist an der Körperoberfläche, treten aber auch im Körperstamm auf. Sie können beträchtliche Ausmaße annehmen, sind entstellend und können zu einer Reihe von Lokalkomplikationen (Atemwegsobstruktion, Organverlagerung, Einblutung mit konsekutiver Größenzunahme) führen [10, 11]. Sirolimus wird v. a. bei sehr ausgedehnten Formen, Komplikationen, Rückfällen nach Lokaltherapien eingesetzt. Initiale Dosis und Zielspiegel sind gleich wie bei der Therapie des KHE, die Therapiedauer kann mitunter mehrere Jahre betragen [10, 11]. Etwa 90 % der mit Sirolimus behandelten Patienten mit lymphatischen Malformationen zeigen eine teilweise Größenreduktion, wobei die Responsekriterien schlecht definiert sind und meist nur auf einer semiquantitativen Beschreibung beruhen [10, 11].

Hepatische Hämangiome können fokal, multifokal und diffus auftreten [12, 13]. Dabei sind lediglich fokale Hämangiome bereits bei der Geburt nachweisbar, während sich multifokale und diffuse innerhalb der ersten Lebenswochen entwickeln [12, 13]. Finden sich bei multifokalen Hämangiomen noch Leberparenchymbrücken zwischen den Hämangiomen, ist bei der diffusen Form (nahezu) das gesamte Lebergewebe von Hämangiomen er- und durchsetzt [13]. Auch bei hepatischen infantilen Hämangiomen folgt auf Wachstum und Proliferation die Involutions- und Rückbildungsphase. Zu den häufigsten Komplikationen multifokaler und diffuser hepatischer Hämangiome zählen Anämie, Thrombozytopenie, Hypothyreose und obstruktive Cholestase. Herzinsuffizienz durch hohes Shuntvolumen und Leberversagen sind für die hohe Mortalität multifokaler (9 %) und diffuser hepatischer Hämangiome (38 %) hauptverantwortlich [13]. Propranolol hat sich auch in der Behandlung hepatischer infantiler Hämangiome gegenüber anderen medikamentösen Therapien als effektiver erwiesen [14]. Wie auch in der Behandlung nicht hepatischer infantiler Hämangiome liegt die Propranololdosis bei 2 mg/kg und Tag [15]. Ziel der medikamentösen Therapie (Propranolol oder Propranolol/Prednisolon) ist der sofortige Stopp der Proliferationsphase, die Initiierung der Rückbildung der Hämangiome und die Vorbeugung und Beherrschung möglicher oder manifester Komplikationen [15, 16]. Die überwiegende Mehrheit der in der Literatur berichteten Fälle zeigten ein rasches und nachhaltiges Therapieansprechen ohne klinisch relevante Nebenwirkungen innerhalb von wenigen Monaten, weshalb die Therapiedauer in der Regel kürzer und besser einschätzbar ist als bei mit Sirolimus behandelten Patienten [15]. Das Nebenwirkungsprofil von Propranolol ist äußerst günstig. Schwerwiegende Nebenwirkungen (Bradykardie, Hypotonie, Bronchospasmus, Hypoglykämie) stellen eine Ausnahme da, bedürfen mitunter einer Dosisreduktion, jedoch selten einer permanenten Therapieunterbrechung [16].

Fazit für die Praxis

Wirksamkeit und gute Verträglichkeit haben ganz wesentlich zum stark zunehmenden Einsatz von Sirolimus und Propranolol für die Behandlung vaskulärer Anomalien im Kindes- und Jugendalter in den letzten Jahren beigetragen. Besondere Aufmerksamkeit erfordern jedoch schwere, mitunter lebensbedrohliche Nebenwirkungen (Propranolol: kardiovaskulär; Sirolimus: infektiös), die in Einzelfällen berichtet sind.