1 Einleitung

In der Mathematik gilt die Definition der ganzen Zahlen und der Bruchzahlen durch Äquivalenzklassen von Paaren natürlicher Zahlen als Königsweg [8]. Die Rechenoperationen für die jeweils erweiterten Zahlbereiche lassen sich damit auf Operationen in ℕ0 zurückführen und als unabhängig von Repräsentanten nachweisen. Die Beweise, dass die Rechengesetze auch in den erweiterten Bereichen gültig sind, machen keine Mühe.

Für den Mathematikunterricht ist dieser Weg aber nur von geringer Relevanz, weil er nicht an das Vorverständnis der Schülerinnen und Schüler der unteren Sekundarstufe anschließt und weil negative Zahlen und Bruchzahlen in der elementarmathematischen Praxis nicht als Äquivalenzklassen auftreten.

Die üblichen Wege zur Einführung der ganzen Zahlen und der Brüche in der Schule stützen sich auf Anwendungen und auf Zahldarstellungen, insbesondere die Zahlengerade. In der fachdidaktischen Literatur ist dies breit ausgearbeitet [4, 9,10,11,12, 18]. Diese Wege haben aber ihre Grenzen. Z. B. lässt sich aus Sachzusammenhängen nicht schlüssig ableiten, dass (−1) ·(−1) = +1 ist. Diese Beziehung ergibt sich vielmehr durch strukturelle Überlegungen [14]. Auch die Division von Bruchzahlen ist auf diese Weise schwierig herzuleiten.

Es gibt aber noch eine andere mathematische Begründung der ganzen Zahlen und der Bruchzahlen, die Gowers [3] beschrieben hat: Man legt Rechengesetze als Axiome fest und leitet daraus deduktiv die Rechenregeln für die erweiterten Bereiche ab. Das ist sehr elegant, kommt aber in dieser formalen Darstellung für den Unterricht ebenfalls nicht in Frage. Freudenthal [5, 6] hat jedoch einen Weg angedeutet, wie man die axiomatische Begründung elementarisieren kann. Dieser Weg wird im Folgenden ausgearbeitet.

Die Bezeichnung „prä-algebraisch“ für diesen Zugang erklärt sich daraus, dass zwar noch keine Variablen verwendet werden, der algebraische Kontext aber schon durchscheint.

Drei Ideen sind dabei zentral:

Erstens werden die Definitionen der ganzen Zahlen und der Brüche nach historischem Vorbild von der begrifflichen Ebene auf eine Ebene verlagert, mit der die Schülerinnen und Schüler bestens vertraut sind, nämlich auf die Ebene des Rechnens.

Zweitens werden die fünf klassischen Rechengesetze durch weitere von ihnen abgeleitete Regeln ergänzt. Diese reichhaltigere Argumentationsbasis ermöglicht kurze Herleitungen der Rechenregeln für ganze Zahlen und für Brüche.

Drittens werden bei diesen Herleitungen das Permanenzprinzip von Hankel und das Identitätsprinzip von Leibniz benutzt.

Der Beitrag ist wie folgt strukturiert:

Im zweiten Abschnitt werden die Überlegungen von Gowers und Freudenthal kurz referiert. Der dritte Abschnitt befasst sich mit den zusätzlichen Regeln.

Im vierten Abschnitt werden die negativen Zahlen zuerst definiert. Dann werden die Regeln für das Rechnen mit negativen Zahlen hergeleitet. Um zu zeigen, dass die für die Herleitung lediglich postulierten Rechengesetze in den erweiterten Zahlbereichen tatsächlich Gültigkeit haben, ist ein Standpunktswechsel erforderlich: Die Rechenregeln werden zu Definitionen der Addition und Multiplikation gewendet. Zusammen mit den in ℕ0 gültigen Rechengesetzen und Rechenregeln lassen sich dann die Kommutativ- und Assoziativgesetze sowie das Distributivgesetz in ℤ beweisen.

Der fünfte Abschnitt befasst sich analog mit der Erweiterung der natürlichen Zahlen zu den positiven Brüchen.

Abschließend wird der prä-algebraische Zugang zu den ganzen Zahlen im Unterricht kurz skizziert.

Der Beitrag ordnet sich ein in Bemühungen aus jüngerer Zeit, die Mathematikdidaktik wieder stärker mit der Mathematik zu verbinden [1, 17].

2 Die Grundidee dieses prä-algebraischen Zugangs

Timothy Gowers verfolgt mit seinem Bändchen „Mathematik“, das im englischen Original noch den Zusatz „A very short introduction“ trägt, das Ziel, einer breiten Leserschaft das Wesen der Mathematik zu erklären [3]. Eines seiner markanten Beispiele sind die Rechengesetze für natürliche Zahlen, die er wie folgt auflistet [3, S. 42–48]:

  • A 1 Kommutativgesetz der Addition

  • A 2 Assoziativgesetz der Addition

  • A 3 Die Zahl 0 ist das neutrale Element der Addition.

  • M 1 Kommutativgesetz der Multiplikation

  • M 2 Assoziativgesetz der Multiplikation

  • M 3 Die Zahl 1 ist das neutrale Element bei der Multiplikation.

  • D Distributivgesetz

Für die Übergänge zu den ganzen Zahlen bzw. zu den Brüchen fügt Gowers zwei weitere Axiome hinzu:

  • A 4 Für jede Zahl a gibt es eine Zahl b, sodass a+b=0.

  • M 4 Für jede Zahl a außer 0, gibt es eine Zahl c, sodass a·c = 1.

Aus A 1 bis A 4 folgt die Streichungsregel

A 5 Wenn a, b, c drei beliebige Zahlen sind und a+b=a+c gilt, dann ist b=c.

Analog folgt aus M 1 bis M 4 die Streichungsregel:

M 5 Wenn a, b, c drei beliebige Zahlen sind, a nicht 0 ist und a·b=a·c gilt, dann ist b=c.

Aus diesen Axiomen leitet Gowers beispielhaft in sechs Umformungsschritten ab, dass 0 · 0 = 0 ist.

Die Rechenregeln für ganze Zahlen und für Brüche kann man auf die gleiche Weise herleiten.

Beispiel 1

Nach A 4 gibt es zu den natürlichen Zahlen n und m Gegenzahlen (−n) und (−m), sodass n + (−n) = 0 und m + (−m) = 0 gilt. Mit den Gesetzen A 1 und A 2 folgert man

$$ 0=({n}+(-{n}))+({m}+(-{m}))=({n}+{m})+((-{n})+(-{m})){,}$$

woraus sich

$$-({n}+{m})=(-{n})+(-{m})$$

ergibt.

Beispiel 2

Gowers [3, S. 48] leitet aus den Gesetzen formal die Beziehung \(\frac{2}{5}\)+ \(\frac{3}{7}\)= \(\frac{29}{35}\) ab, wobei er Brüche als Produkte von natürlichen Zahlen mit Stammbrüchen schreibt.

Freudenthal lässt sich bei seinem Vorschlag für die Einführung der negativen Zahlen ebenfalls von den Rechengesetzen leiten und bezieht sich dabei auf das Permanenzprinzip von Hermann Hankel, das er der Deutlichkeit halber „algebraisches Permanenzprinzip“ nennt [6, S. 435].

Dieses Prinzip besagt [7, S. 10–11, 19 S. 277–282]:

„Wenn zwei in allgemeinen Zeichen der arithmetica universalis ausgedrückte Formen gleich sind, so sollen sie einander auch gleich bleiben, wenn die Zeichen aufhören, einfache Größen zu bezeichnen, und daher die Operationen einen irgend welchen anderen Inhalt bekommen“.

Für das Rechnen mit negativen Zahlen und Brüchen bedeutet dies, dass die Rechengesetze für natürliche Zahlen auf den neuen Zahlbereich fortgeschrieben werden sollen.

Freudenthal definiert die negative Gegenzahl (−a) der natürlichen Zahl a durch die Gleichung (−a) + a = 0 und leitet an Beispielen Rechenergebnisse ab (1983, 434):

$$(-3)+(-4)=-(3+4)$$

is proved by starting with the definition equations for −a,

$$(-3)+3=0\text{ and }(-4)+4=0{,}$$

adding them formally, while using commutativity and associativity, in order to arrive at the definition equation

$$\begin{array}{l} ((-3)+(-4))+(3+4)=0\\ \text{for }-(3+4). \end{array}$$

Or: Starting with the same definition equations, one proves

$$(-4)\cdot (-3)=4\cdot 3.$$

by multiplying distributively the first with 4 and the second with −3, that is

$$4\cdot (-3)+4\cdot 3=0\text{ and }(-3)\cdot (-4)+(-3)\cdot 4=0{,}$$

and subtracting them from each other.

Im Vergleich zeigt sich, dass die Herleitung der ersten Rechnung ein Spezialfall der obigen axiomatischen Herleitung von −(n + m) = (−n) + (–m) ist.

In Freudenthal [5, S. 224] wird beschrieben, dass bei den Brüchen eine analoge Abstützung der der Rechenregeln auf die Rechengesetze möglich ist wie bei den ganzen Zahlen:

“If this should be our point of departure, that is, that fractions serve to lift the restrictions from division, then \(\frac{7}{3}\) would appear as the solution of the division problem of ‘how much is 7 : 3?’ Once this \(\frac{7}{3}\) has been accepted, it is dealt with in computations as though it were the result of such a division. Mathematically it is more satisfactory to express it by saying:\(\frac{7}{3}\) is understood to be the solution of

(?x) 3x = 7

which is indicated by an x that in computations behaves as though it satisfies the equation.”

Freudenthal verfolgt diese Ansätze aber nicht weiter, sondern wendet sich im Weiteren der Begründung der Rechenregeln für negative Zahlen und Brüche aus realen und mathematischen Kontexten zu ([6], chapter 5, S. 157–158, S. 161 ff., chapter 15).

Wie im Folgenden gezeigt wird, ist es aber möglich, diese axiomatische Begründung der negativen Zahlen und der Brüche so zu elementarisieren, dass direkt an die Kenntnisse im Rechnen angeknüpft werden kann. Dies wird erleichtert durch eine Erweiterung der Argumentationsbasis, die im folgenden Abschnitt zunächst beschrieben werden soll.

Es wird sich zeigen, dass man bei beiden Zahlbereichserweiterungen analog vorgehen kann.

3 Strichrechenregel, Punktrechenregel, Strichrechenquartette, Punkrechenquartette

Die Zugrundelegung minimaler Axiomensysteme ist für die Mathematik ein großer Vorteil. Im Hinblick auf den Unterricht stellt sich die Situation aber anders dar. Da das Kommutativgesetz und das Assoziativgesetz der Addition explizit nur für zwei bzw. drei Elemente formuliert werden und die Umkehroperation Subtraktion gar keine Erwähnung findet, ist es günstig, weitere beweisbare Regeln als Erweiterungen dieser Gesetze hinzunehmen.

3.1 Strichrechenregel

  • In einer Kette von Strichrechnungen können die einzelnen Posten vertauscht und beliebig zu Teilrechnungen zusammengefasst werden.

  • Zwei Additionen der Kette können zu einer einzigen Addition mit der Summe der beiden Summanden zusammengefasst werden. Umgekehrt kann eine Addition entsprechend in zwei Additionen aufgespalten werden.

  • Analog können zwei Subtraktionen der Kette zu einer einzigen Subtraktion mit der Summe der Subtrahenden zusammengefasst werden. Umgekehrt kann eine Subtraktion in zwei Subtraktionen aufgespalten werden.

3.2 Punktrechenregel

  • In einer Kette von Punktrechnungen können die einzelnen Posten vertauscht und beliebig zu Teilrechnungen zusammengefasst werden.

  • Zwei Multiplikationen der Kette können zu einer einzigen Multiplikation mit dem Produkt der beiden Faktoren zusammengefasst werden. Umgekehrt kann eine Multiplikation in zwei Multiplikationen aufgespalten werden, wenn sich der Faktor in ein Produkt von Faktoren zerlegen lässt.

  • Analog können zwei Divisionen der Kette zu einer einzigen Division mit dem Produkt der Divisoren zusammengefasst werden. Umgekehrt kann eine Division in zwei Divisionen aufgespalten werden, wenn sich der Divisor in ein Produkt von Faktoren zerlegen lässt.

Bei der Herleitung dieser Regeln aus den von Gowers formulierten Gesetzen müssten Subtraktionen additiv und Divisionen multiplikativ umschrieben werden. Dafür wäre ein hoher Aufwand erforderlich. Einfacher ist die operative Begründung der Rechengesetze und der Strich- und Punktrechenregel mit Hilfe von Plättchen und Punktfeldern ([16], Kap. I.1.2). Operative Beweise sind generell die für die Elementarmathematik adäquate Form der Begründung [15].

Zur Vertiefung der Beziehungen zwischen Addition und Subtraktion sind Strichrechenquartette sehr nützlich. Demselben Zweck dienen Punktrechenquartette bei der Multiplikation und Division. Die Abb. 1a,b zeigen Beispiele. Bei Summen mit gleichen Summanden bzw. Produkten mit gleichen Faktoren schrumpft das Quartett jeweils auf ein Duett.

Abb. 1
figure 1

a Strichrechenquartett, b Punktrechenquartett

Jede Gleichung eines Quartetts bestimmt die anderen drei Gleichungen.

4 Die algebraische Grundlage des vom Rechnen ausgehenden Zugangs den ganzen Zahlen

Die Erweiterung der natürlichen Zahlen zu den ganzen Zahlen ist Vorbild für die Erweiterung der natürlichen Zahlen zu den Brüchen und wird daher zuerst und ausführlicher behandelt als letztere.

4.1 Die rechnerische Definition der negativen Zahlen

Den europäischen Mathematikern im Mittelalter, die sich an das Operieren mit negativen Zahlen herangetastet haben, war wohlbewusst, dass es sich bei diesen Zahlen um künstlich eingeführte Objekte handelt. Michael Stifel sprach in seinem „Vollständigen Lehrgang der Arithmetik“ (1544) von „fingierten“, „absurden“ und „abstrakten“ Zahlen und führte sie am Beispiel der Subtraktionsaufgabe 8–10 wie folgt ein ([13], Buch III, Kapitel 5):

„Wenn nämlich die Zahl, die abzuziehen ist, größer wäre als die Zahl, die man abzieht […], dann könnte ich schließlich eine wirkliche Zahl [als Ergebnis] hinsetzen. Und wenn jene Zahl, von der abgezogen werden muss, gleich der Zahl wäre, die abgezogen wird […], dann bliebe 0 übrig, also nichts (und dies steht in der Mitte zwischen echten und absurden Zahlen). Wenn jedoch die abzuziehende Zahl größer ist als jene, von der abgezogen wird, dann bliebe eine Zahl unter 0 übrig, also unter nichts, und so muss man [bei 8–10] offenbar 0–2 schreiben. So ziehe ich in ähnlicher Weise nachher 0–5 von 0–2 ab und erhalte 0 + 3, nämlich eine Zahl über 0, also eine echte Zahl.“

Hermann Hankel argumentierte einige Jahrhunderte später in ähnlicher Weise [7, S. 5]:

„Es liegt auf der Hand, dass es, wenn b > c ist, keine Zahl x in der Reihe 1, 2, 3, … gibt, welche die Aufgabe c − b löst: die Subtraktion ist dann unmöglich. Nichts hindert uns jedoch, dass wir in diesem Fall die Differenz c − b als ein Zeichen ansehen, welches die Aufgabe löst und mit welchem genauso zu operieren ist, als wenn es eine numerische Zahl aus der Reihe 1, 2, 3, … wäre. […] schreibt man nun statt 0 − a einfach −a, so kann c − b = −a gesetzt werden.“

Nach diesem Vorbild der alten Meister legen wir folgende Definition der negativen Zahlen zugrunde:

Definition:

Zu jeder natürlichen Zahl n wird die Gegenzahl (−n) bestimmt als Lösung der Subtraktionsaufgabe 0 − n. Es wird also gesetzt 0 n=(−n).

(−n) ist durch diese Festlegung eindeutig bestimmt.

Ihre volle Wirkung entfaltet diese Definition erst in Verbindung mit dem Identitätsprinzip von Gottfried Wilhelm Leibniz. Dieses Prinzip besagt in unserem Kontext, dass in Gleichungen Zahlen durch Terme ersetzt werden können, deren Ergebnis sie sind, und dass sich Terme mit dem gleichen Ergebnis in Gleichungen wechselseitig vertreten können. Das Identitätsprinzip gehört in der Algebra zum selbstverständlichen Handwerkszeug.

Nach dem Identitätsprinzip kann man (−n) in Rechnungen durch 0 − n ersetzen, wo immer das sinnvoll erscheint.

n heißt umgekehrt auch Gegenzahl zu (−n). Manchmal wird n auch positive Gegenzahl von (−n) genannt und der Deutlichkeit halber als (+n) oder nur +n geschrieben.

Das Plus- und Minuszeichen werden hier als Vorzeichen benutzt. Wohl zu unterscheiden ist davon die Nutzung dieser Zeichen als Rechenzeichen. Der Zusammenhang macht jeweils klar, ob + bzw. − als Vorzeichen oder als Rechenzeichen gemeint sind. Wenn eine negative Zahl alleine steht, darf man die Klammer weglassen, weil es dann keine Missverständnisse gibt.

Durch Hinzunahme der Gegenzahlen wird die Menge ℕ0 der natürlichen Zahlen einschließlich Null erweitert zur Menge ℤ der ganzen Zahlen. ℤ umfasst somit die Menge ℕ der natürlichen Zahlen (der positiven ganzen Zahlen), die Null und die Menge der negativen ganzen Zahlen.

Wie sich in den folgenden Abschnitten zeigen wird, reichen das Permanenzprinzip und das Identitätsprinzip aus, um aus den Rechengesetzen, den zusätzlichen Regeln und der obigen Definition die Ergebnisse von Summen, Differenzen, Produkten und Quotienten ganzer Zahlen eindeutig festlegen zu können.

Freudenthal [5, S. 233–234] merkt zu dieser Herleitung einschränkend an:

“[…] it shows that if is possible to extend the number notion from natural numbers to integers, such that the usual laws remain valid, the result is essentially unique. There is at most one extension like that. It is the same with fractions […].”

Ob die Rechengesetze im erweiterten Bereich auch wirklich gültig sind, muss daher eigens bewiesen werden (s. dazu den Abschnitt 4.5).

4.2 Grundlegende Beziehungen

Das Permanenzprinzip schießt ein, dass alle Produkte mit dem Faktor 0 das Ergebnis 0 haben, und dass 1 das neutrale Element der Multiplikation und Division bleibt.

Weiter folgt nach diesem Prinzip aus der Definition 0 n= (−n) für eine beliebige natürliche Zahl n das Strichrechenquartett

$$0-n=(-n)$$
(1)
$$n+(-n)=0$$
(2)
$$(-n)+n=0$$
(3)
$$0-(-n)=n$$
(4)

Die Gl. 4 ist besonders wichtig. Sie besagt:

Die Subtraktion einer negativen Zahl von ergibt die positive Gegenzahl.

Aus (1)–(4) folgt:

Wenn zwei ganze Zahlen die Summe 0 haben, ist jede die Gegenzahl der anderen.

Zur Vereinfachung des Textes verzichten wir im Folgenden auf Allquantoren.

n, m sind in diesem Abschnitt immer Variable für beliebige natürliche Zahlen.

4.3 Strichrechnungen mit ganzen Zahlen

Es gilt:

Jede Subtraktionsaufgabe nm hat ineine Lösung.

Beweis:

Für n=m gilt nm= 0.

Für n>m hat nm in ℕ eine Lösung.

Für n<m wird m in n+ (mn) zerlegt, und es wird nach der Strichrechenregel schrittweise subtrahiert

$$n-{m}={n}-({n}+({m}-{n}))={n}-{n}-({m}-{n})=0-({m}-{n})=-({m}-{n}).$$

Bei Strichrechnungen mit ganzen Zahlen sind folgende Fälle zu unterscheiden.

  • 4.3.1 Summe zweier positiver Zahlen

  • 4.3.2 Summe einer positiven und einer negativen Zahl

  • 4.3.3 Summe einer negativen und einer positiven Zahl

  • 4.3.4 Summe zweier negativer Zahlen

  • 4.3.5 Differenz zweier positiver Zahlen

  • 4.3.6 Differenz einer positiven und einer negativen Zahl

  • 4.3.7 Differenz einer negativen und einer positiven Zahl

  • 4.3.8 Differenz zweier negativen Zahlen

Zu 4.3.1

ℕ ist bez. der Addition abgeschlossen.

Zu 4.3.2

(−m) lässt sich nach Definition durch 0 m ersetzen. Also gilt nach der Strichrechenregel

$$n+(-m)=n+0-m=n-m.$$

Regel

Die Addition einer negativen Zahl ist äquivalent zur Subtraktion der positiven Gegenzahl.

Zu 4.3.3 und 4.3.4

Analog erhält man mit der Strichrechenregel

$$(-m)+n=0-m+n=n-m$$

und

$$(-n)+(-m)=(0-n)+(0-m)=0-(n+m)=-(n+m){,}$$

Zu 4.3.5

Dieser Fall wurde bereits oben behandelt.

Zu 4.3.6

Durch Einfügung einer Null und unter Beachtung von (4) ergibt sich mit der Strichrechenregel

$$n-(-m)=n+0-(-m)=n+m.$$

Regel

Die Subtraktion einer negativen Zahl ist äquivalent zur Addition der Gegenzahl.

Zu 4.3.7 und 4.3.8

Analog erhält man

$$(-n)-m=0-n-m=0-(n+m)=-(n+m).$$

Weiter ergibt sich

$$(-n)-(-m)=(-n)+0-(-m)=(-n)+m.$$

Regel

Die Subtraktion einer negativen Zahl ist äquivalent zur Addition der positiven Gegenzahl.

Insgesamt haben wir: Die Addition und die Subtraktion sind inunbeschränkt ausführbar.

4.4 Punktrechnungen mit ganzen Zahlen

Wir betrachten zuerst die folgenden speziellen Produkte:

  • 4.4.1 Produkt einer positiven Zahl mit (−1)

  • 4.4.2 Produkt einer negativen Zahl mit (−1)

Zu 4.4.1

Aus n · 0 = 0 und (1 + (−1)) = 0, einem Spezialfall von (2), ergibt sich die

Beziehung n · (1 + (−1)) = 0.

Daraus folgt mit Hilfe des Distributivgesetzes

$$\begin{array}{c} n\cdot 1+n\cdot \left(-1\right)=0\,\text{ und weiter}\\ n+n\cdot \left(-1\right)=0. \end{array}$$

n· (−1) ist die somit die negative Gegenzahl zu n.

Aus dem Kommutativgesetz folgt n· (−1) = (−1) n. Damit haben wir

$$n\cdot (-1)=-n=(-1)\cdot n$$
(5)

Regel

Die Multiplikation einer positiven Zahl mit (−1) ergibt die negative Gegenzahl.

Zu 4.4.2

Aus (−n) · 0 = 0 und (1 + (−1)) = 0 erhält man analog zu 3.4.1 als Gegenstück zu (5)

$$(-n)\cdot (-1)=n=(-1)\cdot (-n)$$
(6)

Regel

Die Multiplikation einer negativen Zahl mit (−1) ergibt die positive Gegenzahl.

Insgesamt gilt:

Die Multiplikation einer ganzen Zahl mit (−1) von rechts oder links kehrt das Vorzeichen um.

Speziell gilt:

$$(-1)\cdot (-1)=1.$$
(7)

Für die Multiplikation ganzer Zahlen sind folgende Fälle zu betrachten:

  • 4.4.3 Produkt zweier positiver Zahlen

  • 4.4.4 Produkt einer positiven und einer negativen Zahl

  • 4.4.5 Produkt zweier negativer Zahlen

Zu 4.4.3

ℕ ist abgeschlossen gegenüber der Multiplikation.

Zu 4.4.4

Unter Anwendung von (5) und des Assoziativgesetzes der Multiplikation erhalten wir

$$n\cdot (-m)=n\cdot ((-1)\cdot m)=(n\cdot (-1))\cdot m=((-1)\cdot n)\cdot m=(-1)\cdot (n\cdot m)=-(n\cdot m)$$

und

$$(-n)\cdot m=((-1)\cdot n)\cdot m=(-1)\cdot (n\cdot m)=-(n\cdot m).$$

Regel

Plus mal minus ergibt minus.

Zu 4.4.5

Aus (5), (6) und (7) ergibt sich mit dem Kommutativ- und dem Assoziativgesetz der Multiplikation

$$(-n)\cdot (-m)=((-1)\cdot n)\cdot ((-1)\cdot m)=(-1)\cdot (-1)\cdot n\cdot m=1\cdot n\cdot m=n\cdot m.$$

Regel

Minus mal minus ergibt plus.

Insgesamt bedeutet dies:

Die Multiplikation ist inunbeschränkt ausführbar.

Die Division hingegen ist in ℤ nicht unbeschränkt ausführbar. Wenn aber n durch m im Bereich der natürlichen Zahlen teilbar ist, also n:m=r und n=r·m gelten,erhalten wir mit den Multiplikationsregeln die Beziehungen

$$r\cdot (-m)=(-n)$$
$$(-r)\cdot m=(-n)$$
$$(-r)\cdot (-m)=n$$

und durch Umkehrung ergeben sich daraus die Regeln

$$(-n)\colon (-m)=r=n\colon m.$$
$$(-n)\colon m=-r=-(n\colon m)$$
$$n\colon (-m)=-r=-(n\colon m).$$

4.5 Gültigkeit der Rechengesetze in ℤ

Die ganzen Zahlen entstehen, indem zu jeder natürlichen Zahl n die Gegenzahl (−n) als Lösung der Gleichung 0 − n kreiert wird. Formal wird auch der 0 eine Gegenzahl 0 − 0 = (−0) zugeordnet. Aus dem Gleichheitsprinzip ergibt sich 0 = 0 − 0 = (−0). Die Null ist also ihre eigene Gegenzahl.

In den Rechnungen von Abschnitt 4.3 werden die Addition und die Multiplikation in ℤ auf die Addition und Subtraktion sowie auf die Multiplikation in ℕ0 zurückgeführt. Vom logischen Standpunkt aus wird durch die Rechenregeln eigentlich erst definiert, wie ganze Zahlen zu addieren und zu multiplizieren sind. Wir halten dies in folgenden Definitionen fest, wobei zur Unterscheidung die Addition in ℤ durch \(\oplus\) und die Multiplikation in ℤ durch \(\odot\) bezeichnet wird.

4.5.1 Definition der Addition und der Multiplikation in

Für die Addition in ℤ wird mit Hilfe einer Fallunterscheidung festgelegt:

$$m\oplus n\colon =m+n{,}\text{ f{\"u}r }m{,}n\geq 0$$
(9.1)
$$\begin{aligned} &m\oplus \left(-n\right)\colon =m-n{,}\;\text{ f{\"u}r }m\geq n\geq 1\\ &m\oplus (-n)\colon =-(n-m){,}\text{ f{\"u}r }n> m\geq 0 \end{aligned}$$
(9.2)
$$(-n)\oplus m\colon =m\oplus (-n){,}\text{ f{\"u}r }n> m\geq 0$$
(9.3)
$$(-m)\oplus (-n)\colon =-(m+n){,}\text{ f{\"u}r }m{,}n\geq 1$$
(9.4)

(9.2) besagt für m=n ≥ 1, dass m \(\oplus\) (−m) = 0 gilt.

Strukturell gesehen ist (−m) das Inverse von m bezüglich der Addition in ℤ. Für das Nullelement 0 hatten wir schon festgelegt (−0) = 0.

Man sieht bzw. rechnet leicht nach, dass aus diesen Definitionen folgende Beziehung folgt:

$$Das\,\textit{Inverse}\,\textit{einer}\,\textit{Summe}\,von\,zwei\,\textit{Zahlen}\,ist\,\textit{gleich}\,der\,\textit{Summe}\,der\,\textit{Inversen}\,\textit{dieser}\,\textit{Zahlen}.$$
(10)

Für später halten wir folgende für n ≥ 1 gültigen speziellen Beziehungen fest:

$$(-n)\oplus 1=-(n-1)$$
(11.1)
$$n\oplus (-1)=n-1$$
(11.2)

Definition der Multiplikation in ℤ:

$$m\odot n=m\cdot n{,}\text{ f{\"u}r }m{,}n\geq 0$$
(12.1)
$$m\odot (-n)=-m\cdot n{,}\text{ f{\"u}r }m\geq 0{,}n\geq 1$$
(12.2)
$$(-m)\odot n=-m\cdot n{,}\text{ f{\"u}r }n\geq 0{,}m\geq 1$$
(12.3)
$$(-m)\odot (-n)=m\cdot n{,}\text{ f{\"u}r }m\geq 1{,}n\geq 1.$$
(12.4)

Aus dieser Definition folgt unmittelbar:

$$Die\,\textit{Multiplikation}\,\textit{einer}\,\textit{ganzen}\,Zahl\,mit\,(-1)\,\textit{liefert}\,\textit{deren}\,\textit{Gegenzahl}.$$
(13)

4.5.2 Begründung der Rechengesetze in

Das Kommutativgesetz der Addition ergibt sich direkt aus der Definition (9) und den in ℕ0 gültigen Gesetzen.

Zur Begründung des Assoziativgesetzes a \(\oplus\) (b \(\oplus\) c) für beliebige a, b, c \(\in\) ℤ müssen wir etwas weiter ausholen.

Für c = 0 gilt das Gesetz trivialerweise. Wir können uns also auf c ≠ 0 beschränken.

Zunächst beweisen wir durch vollständige Induktion

$$a\oplus (b\oplus k)=(a\oplus b)\oplus k{,}\text{ f{\"u}r alle }a{,}b\in Z{,}k\in N.$$
(14)

k = 1: Gemäß der Definition der Addition müssen verschiedene Fälle unterschieden werden.

Die Bezüge zu (9), (11) und den Gesetzen in ℕ0 sind bei den folgenden Rechnungen offensichtlich.

$$\begin{aligned} & m{,}n\geq 0\colon && m\oplus n=m+n\\ &&&m\oplus (n\oplus 1)=m+(n+1)=(m+n)+1=(m\oplus n)\oplus 1\\ & m\geq n\geq 1\colon && m\oplus \left(-n\right)=m-n\\ &&&m\oplus ((-n)+1)=m\oplus (-\left(n-1\right))=m-(n-1)=m-n+1\\&&&=(m-n)\oplus 1\\ & n> m\geq 0\colon && m\oplus (-n)=-(n-m)\\ &&& m\oplus ((-n)\oplus 1)=m\oplus (-(n-1))=-(n-1-m)=-(n-m-1)\\&&&=-(n-m)\oplus 1\\ & m{,}n\geq 1\colon && (-m)\oplus (-n)=-(m+n)\\ &&& (-m)\oplus ((-n)\oplus 1)=(-m)\oplus (-(n-1))=-(m+n-1)\\&&&=-(m+n)\oplus 1 \end{aligned}$$

Damit ist der Induktionsbeginn abgeschlossen.

Sei nun a \(\oplus\) (b \(\oplus\) k) = (a \(\oplus\) b\(\oplus\) k, für a, b \(\in\) ℤ und ein k \(\in\) ℕ bewiesen.

Unter mehrfacher Benutzung des für k = 1 Bewiesenen erhalten wir daraus a \(\oplus\) (b \(\oplus\) (k + 1)) = a \(\oplus\) ((b \(\oplus\) k) \(\oplus\)1) = (a \(\oplus\) (b \(\oplus\) k)) \(\oplus\)1 = ((a \(\oplus\) b) \(\oplus\) k) \(\oplus\)1 = (a \(\oplus\) b) \(\oplus\) (k + 1).

Damit ist die Beziehung (14) bewiesen.

Durch Inversenbildung von (14) folgt mit Hilfe von (10), dass auch a \(\oplus\) (b \(\oplus\) (−k)) = (a \(\oplus\) b) \(\oplus\) (−k), für alle a, b \(\in\) ℤ, k \(\in\) ℕ gilt.

Damit ist die Gültigkeit des Assoziativgesetzes der Multiplikation allgemein gesichert.

Durch vollständige Induktion mit (10) als Induktionsbeginn beweist man noch

$$Die\,\textit{Inverse}\,\textit{einer}\,\textit{Summe}\,\textit{ganzer}\,\textit{Zahlen}\,ist\,die\,\textit{Summe}\,der\,\textit{Inversen}\,\textit{dieser}\,\textit{Zahlen}.$$
(15)

Anmerkung

In der Didaktik hat die Nutzung von Plättchen zur Darstellung natürlicher Zahlen und des Operierens mit Plättchen eine lange Tradition, die bis in die Zeit der Pythagoreer zurückreicht („Arithmetik der Spielsteine“, [2, S. 34–41]). Wenn man positive ganze Zahlen durch schwarze Plättchen und negative ganze Zahlen durch rote Plättchen darstellt und noch die Regel hinzunimmt, dass ein schwarzes Plättchen und ein rotes sich gegenseitig annullieren, ist es möglich, Strichrechnungen mit ganzen Zahlen durch das Hinzufügen und Wegnehmen von Plättchen zu simulieren [6, S. 439]. Das Kommutativ- und das Assoziativgesetz sind unmittelbar ersichtlich. Bei der Darstellung von Produkten negativer Zahlen hat das Modell aber seine Grenzen ([16], Kap. III).

Das Kommutativgesetz der Multiplikation folgt unmittelbar aus der Definition (12) und der Gültigkeit dieses Gesetzes in ℕ0. Da das Vorzeichen eines Produkts von drei ganzen Zahlen nur von der Anzahl der negativen Zahlen, nicht von deren Position im Produkt abhängt, folgt die Gültigkeit des Assoziativgesetzes der Multiplikation in ℤ aus der Gültigkeit dieses Gesetzes in ℕ0, wie an einem Beispiel angedeutet sei.

$$((-k)\odot m)\odot (-n)=(-k\cdot m)\odot (-n)=(k\cdot m)\cdot n=k\cdot (m\cdot n)=(-k)\odot (-m\cdot n)=(-k)\odot (m\odot (-n))$$

Zum Beweis des Distributivgesetzes a\(\odot\)(b \(\oplus\) c) = a\(\odot\)b \(\oplus\) a\(\odot\)c, für alle a, b, c \(\in\) ℤ sind für a,k \(\in\)0 ebenfalls verschiedene Fälle zu betrachten, wobei erneut die Rechengesetze in ℕ0 vorausgesetzt und Umformungen nach Definition 9 vorgenommen werden.

Für a = 0 ist die Aussage trivial. Für a=k \(\in\) ℕ erhalten wir:

$$\begin{aligned} &m{,}n\geq 0\colon &&k\odot (m\oplus n)=k\cdot (m+n)=k\cdot m+k\cdot n=k\odot m\oplus k\odot n\\ &m\geq n\geq 1\colon &&k\odot (m\oplus (-n))=k\cdot (m-n)=k\cdot m-k\cdot n=k\cdot m\oplus (-k\cdot n)\\&&&=k\odot m\oplus k\cdot (-n)\\ &n> m\geq 0\colon &&k\odot (m\oplus \left(-n\right))=k\odot (-(n-m))=-(k\cdot (n-m))\\&&&=-(k\cdot n-k\cdot m)=k\odot m\oplus k\odot (-n)\\ &m{,}n\geq 1\colon &&k\odot ((-m)\oplus (-n))=k\cdot (-(m+n))=-k\cdot (m+n)\\&&&=-(k\cdot m+k\cdot n)=k\odot (-m)\oplus k\odot (-n) \end{aligned}$$

Aus (10) und (13) folgt

$$(-1)\oplus (d+e)=(-1)\odot d\oplus (-1)\odot e{,}\text{ f{\"u}r beliebige }d{,}e\in Z.$$
(16)

Aus (16), dem Fall a=k \(\in\) ℕ und dem multiplikativen Assoziativgesetz folgt für a= (−k), k \(\in\) ℕ,

$$\begin{aligned} (-k)\odot (b\oplus c)&=(-1)\odot k\odot (b\oplus c)=(-1)\odot (k\odot a\oplus k\odot b)\\ &=(-1)\odot k\odot a\oplus (-1)\odot k\odot b)=(-k)\odot a\oplus (-k)\odot b. \end{aligned}$$

Damit ist die Gültigkeit der Kommutativ- und Assoziativgesetze der Addition und der Multiplikation sowie des Distributivgesetzes in ℤ bewiesen. Benutzt wurden dabei wohlgemerkt nur die Definitionen der Rechenoperationen in ℤ sowie die Rechengesetze und abgeleiteten Regeln in ℕ0.

Aus a \(\oplus\) b = c ergibt sich durch Addition des Inversen von a und mit Hilfe des Kommutativ- und Assoziativgesetzes der Addition (−1) · a \(\oplus\) a \(\oplus\) b = c \(\oplus\) (−1) · a = b.

b ist also durch c und a eindeutig bestimmt. Man kann b = c \(\oplus\) (−1) · a formal als b = c \(\ominus\)a schreiben und hat damit eine Subtraktion (Zeichen \(\ominus\)) eingeführt. Damit sind auch Strichrechenquartette in ℤ legitimiert.

Auch Punktrechenquartette kann man übertragen, da sich diese Quartette von Quartetten mit natürlichen Zahlen nur durch Vorzeichen unterscheiden.

5 Die algebraische Grundlage des vom Rechnen ausgehenden Zugangs zu den Brüchen

Die Erweiterung der natürlichen Zahlen zu den Brüchen erfolgt analog zu Abschnitt 4. Aus guten Gründen wird aber mit den Rechenregeln für Punktrechnungen begonnen.

5.1 Die rechnerische Definition der Brüche

Anders als die negativen Zahlen wurden die Brüche schon von den alten Ägyptern an als Zahlen akzeptiert und vielfach verwendet. Adam Ries sprach in seinem zweiten Rechenbuch von 1522 ohne Umschweife vom Zähler und Nenner einer „gebrochenen Zahl“ und gab ohne Begründung Rechenregeln für Brüche an.

Michael Stifel behandelte die Brüche schon etwas ausführlicher ([13], Buch 1).

„Wenn bei einer Division einer Zahl durch eine Zahl ein Rest bleibt (wenn man z. B. 15 durch 4 teilt, bleibt ein Rest von 3), so entsteht ein Bruch. Was nämlich übrig bleibt, wird zum Zähler und der Divisor wird zum Nenner des Bruchs.

Ebenso, wenn eine kleinere Zahl durch eine größere geteilt werden soll, dann entsteht ein Bruch, so dass 3 durch 4 geteilt \(\frac{3}{4}\) macht.

[…]

Die Nenner von Brüchen haben eine große Ähnlichkeit mit wirklichen Benennungen von Zahlen.“

Bei der Herleitung der Rechenregeln bezog sich Stifel auf das VII. Buch von Euklids Elementen.

Hermann Hankel gelangte zu den gebrochenen Zahlen wieder durch strukturelle Überlegungen [7, S. 8]:

„Die Division besteht in der Aufgabe, aus einer Gleichung x·a=b das x zu bestimmen, wenn a, b ganze Zahlen sind. Es leuchtet ein, dass es nicht immer möglich ist, das x, sowie es bis jetzt zulässig ist, als ganze Zahl zu bestimmen. Soll also die Division unter jeder Bedingung möglich gemacht werden, so müssen wir unser Zahlgebiet erweitern und in dasselbe neue Zahlen aufnehmen, welche durch x=\(\frac{b}{a}\) bezeichnet werden, so dass \(\frac{b}{a}\) durch \(\frac{b}{a}\)· a=b ihre Definition erhält.“

Wir modifizieren den Zugang der alten Meister zu den Brüchen um eine Nuance aus folgendem Grund: Bei den negativen Zahlen sind wir vom neutralen Element 0 der Addition ausgegangen und haben das additive Inverse (−n) von n als Lösung der Subtraktion 0 n definiert. Analog gehen wir jetzt vom neutralen Element 1 der Multiplikation aus und definieren zunächst das multiplikative Inverse von n.

Definition

Zu jeder natürlichen Zahl n wird der Stammbruch \(\frac{1}{n}\) als Lösung der Divisionsaufgabe 1 : n definiert, d. h. es wird 1 : n=\(\frac{1}{n}\) gesetzt.

Die Stammbrüche werden als kleinere Zahleneinheiten betrachtet, von denen man genauso Vielfache bilden kann wie von der 1 und natürlichen Zahlen.

Für die Herleitung der Rechenregeln für Brüche legen wir erneut das Permanenzprinzip und das Identitätsprinzip zugrunde. Wieder werden die Rechengesetze zunächst nur angenommen. Ob sie im erweiterten Bereich wirklich gelten, muss eigens bewiesen werden, macht aber anders als bei den ganzen Zahlen keine Mühe (s. Abschnitt 5.5).

Durch Ersetzung von 1 : n durch \(\frac{1}{n}\) und Einfügung der Zahl 1 erhalten wir für beliebige natürliche Zahlen n und m mit Hilfe der Punktrechenregel

$$m\colon n=\left(m\cdot 1\right)\colon n=m\cdot \left(1\colon n\right)=m\cdot \frac{1}{n}.$$

Zu dem gleichen Ergebnis gelangt man mit Hilfe des Distributivgesetzes:

$$m\colon n=\left(1+.....+1\right)\colon n=\left(\frac{1}{n}+\ldots +\frac{1}{n}\right)=m\frac{1}{n}$$

m · \(\frac{1}{n}\) wird abgekürzt zu \(\frac{m}{n}\) und heißt Bruch mit dem Nenner n und dem Zähler m.

In Rechnungen können sich m:n und \(\frac{m}{n}\) nach dem Identitätsprinzip gegenseitig vertreten.

Brüche ermöglichen es also, Divisionen mit natürlichen Zahlen genauso unbeschränkt auszuführen, wie es negative Zahlen ermöglichen, Subtraktionen von natürlichen Zahlen unbeschränkt auszuführen.

5.2 Grundlegende Beziehungen

Abb. 2 zeigt das Punktrechenquartett zu m:n=\(\frac{m}{n}\).

Abb. 2
figure 2

Punktrechenquartett

Für n = 1gilt speziell m : 1 = \(\frac{m}{1}\). Jede natürliche Zahl ist also gleich einem Bruch mit dem Nenner 1.

Da m:m= 1 ist, haben wir auch \(\frac{m}{m}\) = 1 für eine beliebige natürliche Zahl m. Bereits an dieser Stelle sieht man, dass die Darstellung von Zahlen durch Brüche nicht eindeutig ist.

Puristen beharren auf einer strikten Trennung zwischen Bruch und Bruchzahl. Aber im Hinblick auf die Schule gibt es gute Gründe, dies nicht zu tun. Freudenthal schreibt am Beginn seines Kapitels „Fractions“ [6, S. 133–134]:

“It is not a slip of the pen—‘fractions’ rather than ‘positive rational numbers’—in the title of the chapter. It looks old-fashioned, this terminology. To the present view rational numbers are the proper mathematical objects. […] Nevertheless, I put the word ‘fractions’ into the title, and I did it intentionally. Fractions are the phenomenological source of the rational number—a source that never dries up. ‘Fraction’ […] is the word by which the rational number enters.”

Vom linguistischen Standpunkt ist die Verkürzung der ausführlichen Beschreibung „die durch den Bruch \(\frac{7}{3}\) dargestellt Bruchzahl“ zur Kurzform „der Bruch \(\frac{7}{3}\)“ eine Metonymie. Auch in der Mathematik werden Metonymien häufig verwendet, weil sie die Sprache ohne Bedeutungsverlust vereinfachen. Die durch einen Bruch dargestellte Zahl nennt man in der Elementarmathematik oft auch den „Wert“ des Bruches.

Ob bei dem Wort „Bruch“ jeweils das Zeichen oder die Bruchzahl gemeint ist, geht aus dem Kontext hervor. Zu beachten ist, dass die Regeln für das Rechnen mit Bruchzahlen für Brüche als Zeichen formuliert werden. Eine Bruchzahl hat weder einen Zähler, noch einen Nenner.

Im Übrigen sind verschiedene Bezeichnungen für ein und dieselbe Zahl nichts Besonderes.

Beispiele

0,25 = \(\frac{25}{100}\)= 25 %, 1000 mm = 1 m.

Zur Menge ℕ0 der natürlichen Zahlen einschließlich 0 werden die durch Brüche dargestellten Zahlen hinzugenommen. Man erhält die Menge ℚ0+ der positiven Bruchzahlen einschließlich der 0.

5.3 Punktrechnungen mit Brüchen

Die Rechenregeln für Brüche lassen sich mühelos herleiten, da keine Fallunterscheidungen nötig sind.

5.3.1 Multiplikation von Brüchen

Das Ergebnis einer Multiplikation zweier Brüche ergibt sich mit Hilfe der Punktrechenregel unmittelbar aus der Definition:

$$\frac{a}{b}\cdot \frac{c}{d}=\left(a\colon b\right)\cdot \left(c\colon d\right)=a\cdot c\colon b\colon d=\left(a\cdot c\right)\colon \left(b\cdot d\right)=\frac{a\cdot c}{b\cdot d}$$

Dies wird festgehalten in der Multiplikationsregel

$$\frac{a}{b}\cdot \frac{c}{d}=\frac{a\cdot c}{b\cdot d}.$$
(17)

Die Beziehung \(\frac{c}{c}\)= 1 führt mit der Multiplikationsregel zur wichtigen Beziehung

$$\frac{a}{b}=\frac{a}{b}\cdot1 =\frac{a}{b}\cdot \frac{c}{c}=\frac{a\cdot c}{b\cdot c}$$
(18)

Ein Bruch ändert also seinen Wert nicht, wenn Zähler und Nenner mit der gleichen natürlichen Zahl multipliziert werden (Erweitern) oder durch die gleiche Zahl dividiert werden (Kürzen.)

Die Erweiterung ist eines Bruches ist somit als eine Multiplikation des Bruches mit 1, das Kürzen eine Division des Bruches durch 1 zu verstehen. Beide Male verändert sich der Wert des Bruches nicht.

Dass die Ersetzung von Brüchen durch erweiterte Brüche bei der Multiplikation am Ergebnis nur die Form aber nicht den Wert ändert, kann man auch nachrechnen, braucht es aber nicht, da es von vorneherein klar ist.

Aus der Multiplikationsregel folgt speziell

$$\frac{a}{b}\cdot \frac{b}{a}=\frac{a\cdot b}{b\cdot a}=\frac{1}{1}=1.$$
(19)

\(\frac{b}{a}\) heißt der Kehrwert von \(\frac{a}{b}\) und umgekehrt \(\frac{a}{b}\) der Kehrwert von \(\frac{b}{a}\).

Diese Beziehung besagt:

$$Das\,\textit{Produkt}\,\textit{eines}\,\textit{Bruches}\,mit\,\textit{seinem}\,\textit{Kehrwert}\,ist\,1.$$
(20)

5.3.2 Division von Brüchen

Abb. 3 zeigt das Punktrechenquartett zu einem Bruch und seinem Kehrwert.

Abb. 3
figure 3

Punktrechenquartett zu einem Bruch und seinem Kehrwert

Die beiden letzten Gleichungen des Punktrechenquartetts besagen:

Wenn durch einen Bruch dividiert wird, erhält man den Kehrwert des Bruches.

Die Division eines Bruches durch einen Bruch lässt sich damit sofort auf eine Multiplikation zurückführen. Man braucht nur das neutrale Element 1 einzufügen und die Punktrechenregel anzuwenden und erhält die Divisionsregel

$$\frac{a}{b}\colon \frac{c}{d}=\left(\frac{a}{b}\cdot 1\right)\colon \frac{c}{d}=\frac{a}{b}\cdot \left(1\colon \frac{c}{d}\right)=\frac{a}{b}\cdot \frac{d}{c}.$$
(21)

Auch bei der Division ändert die Ersetzung eines Bruches durch einen erweiterten Bruch nichts am Wert des Ergebnisses.

5.4 Strichrechnungen von Brüchen

Da Brüche mit dem gleichen Nenner Vielfache des gleichen Stammbruchs sind, können diese genauso addiert und subtrahiert werden wie Vielfache einer natürlichen Zahl. Man hat also

$$\frac{a}{m}+\frac{b}{m}=a\cdot \frac{1}{m}+b\cdot \frac{1}{m}=\left(a+b\right)\cdot \frac{1}{m}=\frac{a+b}{m}$$
(22)

und

$$\frac{a}{m}-\frac{b}{m}=a\cdot \frac{1}{m}-b\cdot \frac{1}{m}=\left(a+b\right)\cdot \frac{1}{m}=\frac{a-b}{m}$$
(23)

Die Subtraktion ab ist im Bereich ℕ0 nur ausführbar, wenn ab.

Zur Bestimmung der Summe und der Differenz zweier Brüche \(\frac{a}{b}\) und \(\frac{c}{d}\)mit verschiedenen Nennern macht man die Brüche zuerst gleichnamig. Das Produkt b·d=d·b der beiden Nenner ist ein gemeinsamer Nenner der beiden Brüche. Man erhält damit:

$$\begin{aligned}\frac{a}{b}+\frac{c}{d}&=\frac{a\cdot d}{b\cdot d}+\frac{c\cdot b}{d\cdot b}=a\cdot d\cdot \frac{1}{b\cdot d}+c\cdot b\cdot \frac{1}{d\cdot b}\\ &=a\cdot d\cdot \frac{1}{b\cdot d}+c\cdot b\cdot \frac{1}{b\cdot d}=\left(a\cdot d+c\cdot b\right)\cdot \frac{1}{b\cdot d}\\ &=\frac{a\cdot d+c\cdot b}{b\cdot d}. \end{aligned}$$
(24)
$$\begin{aligned} \frac{a}{b}-\frac{c}{d}&= \frac{a\cdot d}{b\cdot d}- \frac{c\cdot b}{d\cdot b}=a\cdot d\cdot \frac{1}{b\cdot d}-c\cdot b\cdot \frac{1}{d\cdot b}\\ &=a\cdot d\cdot \frac{1}{b\cdot d}-c\cdot b\cdot \frac{1}{b\cdot d}=\left(a\cdot d-c\cdot b\right)\cdot \frac{1}{b\cdot d}\\ &=\frac{a\cdot d-c\cdot b}{b\cdot d}. \end{aligned}$$
(25)

Die Subtraktion im Zähler von \(\frac{a\cdot d-c\cdot b}{b\cdot b}\) ist im Bereich ℕ0 nur ausführbar, wenn a·dc·b.

Wenn \(a\cdot d-c\cdot b\)= 0, also a·d=c·b gilt, bezeichnen die Brüche \(\frac{a}{b}\) und \(\frac{c}{d}\) die gleiche Zahl.

Wenn a·d>c·b gilt, bezeichnet \(\frac{a}{b}\) eine größere Zahl als \(\frac{c}{d}\) .

Diese Rechnung zeigt also auch, dass man durch Erweitern Brüche der Größe nach vergleichen kann.

Jeder Bruch lässt sich durch Kürzen des Zählers a und des Nenners b durch den ggT (a, b) in einen Bruch überführen, bei dem Zähler und Nenner teilerfremd sind.

Aus dem Fundamentalsatz der Zahlentheorie folgt, dass zwei vollständig gekürzte Brüche \(\frac{a}{b}\) und \(\frac{c}{d}\) genau dann die gleiche Zahl bezeichnen, wenn a=c und b=d gilt. Dann folgt nämlich aus a·d=c·b, dass alle Primfaktoren von a in der Primfaktorzerlegung von c auftreten müssen und umgekehrt alle Primfaktoren von c in a, was a=c und ebenso b=d impliziert.

Man gelangt somit zu einer eindeutigen Darstellung von Bruchzahlen durch Brüche, wenn man sich auf vollständig gekürzte Brüche beschränkt.

5.5 Gültigkeit der Rechengesetze in ℚ0 +

Brüche mit Zähler n \(\in \mathbb{N}\)0 und dem Nenner 1 werden mit n identifiziert, Brüche mit dem gleichen Nenner und Zähler mit dem Bruch \(\frac{1}{1}\)= 1.

Wie in 3.5 bei den ganzen Zahlen wenden wir die in 4.2 bis 4.5 abgeleiteten Rechenregeln für Brüche in Definitionen.

Definition der Multiplikation von Brüchen:

$$\frac{a}{b}\odot \frac{c}{d}=\frac{a\cdot c}{b\cdot d}\,\text{f{\"u}r}\,a{,}c\ \in N_{0}{,}\mathrm{b}{,}\mathrm{d}\in \mathbb{N}$$
(26)

Definition der Addition von Brüchen:

$$\frac{a}{b}\oplus \frac{c}{d}\colon =\frac{a\cdot d+c\cdot b}{b\cdot d}{,}a{,}c\in N_{0}{,}b{,}d\in \mathbb{N}$$
(27)

Die Rechenoperationen in ℚ0+ werden somit auf Rechenoperationen in ℕ zurückgeführt. Die Gültigkeit der Rechengesetze in ℕ0 überträgt sich auf ℚ0+, wie genauso wie bei dem Zugang über Äquivalenzklassen leicht nachzurechnen ist.

Auf die Bildung von Äquivalenzklassen und das Rechnen mit Klassen wird jedoch verzichtet. Als Ersatz dienen die folgenden Überlegungen:

Aus (26) und der Festlegung \(\frac{c}{c}\) = \(\frac{1}{1}\) = 1 für alle c \(\in\) ℕ folgt, dass sich die durch einen Bruch dargestellte Bruchzahl bei einer Erweiterung oder Kürzung nicht ändert, denn es gilt.

$$\frac{a}{b}=\frac{a\cdot 1}{b\cdot 1}=\frac{a}{b}\odot \frac{1}{1}=\frac{a}{b}\odot \frac{c}{c}=\frac{a\cdot c}{b\cdot c}.$$

Brüche mit dem gleichen Nenner sind gleich, wenn die Zähler gleich sind. Sie sind verschieden, wenn die Zähler verschieden sind. Zu a > c gibt es nämlich ein e > 0 mit a = c + e und aus (27) folgt \(\frac{c}{b}\oplus\) \(\frac{e}{b}\): = \(\frac{c+e}{b}\)= \(\frac{a}{b}\). Wegen e ≠ 0 ist also auch \(\frac{c}{b}\)\(\frac{a}{b}.\)

Um herauszufinden, ob zwei Brüche die gleiche Zahl darstellen, braucht man sie also nur gleichnamig zu machen.

Dass zwei vollständig gekürzte Brüche mit verschiedenen Nennern oder Zählern verschiedene Zahlen darstellen, ergibt sich, wie oben angemerkt, aus der Primfaktorzerlegung.

Die Division lässt sich formal als Multiplikation mit dem Kehrwert beschreiben. Daher kann man Punktrechenquartette unbeschränkt bilden.

5.6 Erweiterung zu den rationalen Zahlen

Der Übergang von ℚ0+ zu ℚ erfolgt analog zum Übergang von ℕ0 zu ℤ. Zu jedem positiven Bruch \(\frac{a}{b}\) wird die negative Gegenzahl −\(\frac{a}{b}\) definiert. Alle weiteren Überlegungen können übertragen werden.

6 Umsetzung der prä-algebraischen Zugänge im Unterricht

Wie die in den Abschnitt 4 und 5 dargestellte algebraische Hintergrundtheorien für den Unterricht elementarisiert werden kann, lässt sich in einem Satz beschreiben: Die formalen Definitionen der negativen Zahlen und der Brüche werden durch operative Definitionen ersetzt, formale Beweise der Rechenregeln durch operative Beweise. Dies rechtfertigt die Bezeichnung „prä-algebraischer“ Zugang.

In Wittmann [15] werden operative Beweise dadurch charakterisiert, dass Erkenntnis stiftende mathematische Operationen, die bestimmte Wirkungen haben, nicht an durch Variable symbolisch beschriebenen Objekten, sondern an speziellen Objekten bzw. an Darstellungen dieser Objekte so vorgenommen werden, dass deren Anwendbarkeit auf eine Klasse von Objekten deutlich wird. Entscheidend sind also die Operationen. Daher die Bezeichnung „operative Beweise“.

Die operative Definition der negativen Zahlen lautet:

Zu jeder natürlichen Zahl wird die negative Gegenzahl als Lösung einer Subtraktionsaufgabe festgelegt:

$$0-1=\left(-1\right){,}0-2=\left(-2\right){,}\ldots {,}0-10=\left(-10\right){,}\ldots {,}0-3481=\left(-3481\right){,} usw.$$

An Beispielen wird im Unterricht gezeigt, wie man durch strikte Befolgung des Permanenzprinzips zu jeder natürlichen Zahl und ihrer negativen Gegenzahl ein Strichrechenquartett bilden kann.

An Rechenbeispielen werden diejenigen Operationen erarbeitet, die zur Lösung von Rechenaufgaben mit ganzen Zahlen unter Benutzung der Rechengesetze und der abgeleiteten Regeln führen. Hier muss wieder deutlich werden, dass es nicht auf die speziell gewählten Beispiele, sondern auf die Operationen und deren Wirkungen ankommt.

Beispiel 1:

Die Aufgaben

$$70+\left(-50\right)=....$$
$$125+\left(-400\right)=\ldots$$

stehen stellvertretend für Additionsaufgaben, bei denen zu einer natürlichen Zahl eine negative Zahl zu addieren ist. Zur Ermittlung der Ergebnisse werden die operative Definition der negativen Zahlen und die Strichrechenregel benutzt:

$$70+\left(-50\right)=70+0-50=70-50=20$$
$$125+\left(-400\right)=125+0-400=125-400=125-125-275=0-275=\left(-275\right).$$

Beispiel 2:

Für Aufgaben vom Typ

$$70-\left(-50\right)=$$
$$125-\left(-400\right)=$$

wird auf Strichrechenquartette zurückgegriffen, aus denen man 0 − (−50) = 50 und 0 − (−400) = 400 erhält. Durch Einfügung der 0 ergibt sich

$$70-\left(-50\right)=70+0-\left(-50\right)=70+50=120$$
$$125-\left(-400\right)=125+0-\left(-400\right)=125+400=525.$$

Die Schüler sehen an diesen Beispielen, dass man bei Aufgaben eines bestimmten Typs analog verfahren kann und erkennen dabei allgemeine Regeln.

Die prä-algebraische Einführung in die Bruchrechnung erfolgt analog.

In Wittmann ([16], Kapitel III, IV) wird der prä-algebraische Zugang zu den ganzen Zahlen und zu den Brüchen für den Unterricht im Detail ausgearbeitet. Die im vorliegenden Beitrag beschriebene Hintergrundtheorie ist dafür handlungsleitend. Die strukturelle Analogie zwischen Strichrechnungen und Punktrechnungen erweist sich als starke Lernhilfe.

Dass dieser prä-algebraische Zugang nicht nur schlüssig an die rechnerischen Vorkenntnisse der Schüler anschließt, sondern auch die Algebra vorbereitet, geht allein schon daraus hervor, dass von den Rechengesetzen ausgiebig Gebrauch gemacht wird. Es ist daher nur natürlich, dass der Band Wittmann [16] mit einem Kapitel „Einführung in die Algebra“ schließt, in dem gezeigt wird, wie sich operative Beweise in formale Beweise überführen lassen.

Dies sei an einem Beispiel erläutert.

Zur Wiederholung der Subtraktion im 5. Schuljahr eignet sich folgende produktive Übung:

Vorgegeben werden jeweils Paare von Additionsaufgaben mit dem gleichen zweiten Summanden. Man erzeugt daraus jeweils ein Paar von Subtraktionsaufgaben, indem man zuerst die Ergebnisse der beiden Aufgaben und dann deren erste Summanden voneinander subtrahiert.

Beispiel:

Vorgegeben

$$149+81=230$$
$$76+81=157$$

Abgeleitet:

$$230-157=......$$
$$149-76=......$$

Es zeigt sich, dass die beiden abgeleiteten Subtraktionsaufgaben immer das gleiche Ergebnis haben, wie immer die Zahlen gewählt werden.

Begründung des Musters:

Man ersetzt in der erste Subtraktionsaufgabe den Minuenden 230 durch 149 + 81 und den Subtrahenden 157 durch 76 + 81 und formt nach der Strichregel um:

$$230-157=\left(149+81\right)-\left(76+81\right)=149+81-76-81=149+81-81-76=149+0-76=149-76.$$

Dabei annullieren sich +81 und −81.

In dieser Weise kann man mit jeder solchen Aufgabe verfahren. Immer kommt der zweite Summand in einmal mit +, das zweite Mal mit − vor, sodass nur die Differenz der ersten Summanden übrigbleibt.

Man beachte, dass bereits in diesem frühen Stadium Ersetzungen nach dem Gleichheitsprinzip vorgenommen werden.

Im 5. Schuljahr muss natürlich darauf geachtet werden, dass die abgeleiteten Subtraktionen nicht in den Bereich der negativen Zahlen führen. Daher wird der erste Summand der ersten Additionsaufgabe größer gewählt als der erste Summand der zweiten Aufgabe. Wenn die ganzen Zahlen eingeführt sind, kann auf diese Einschränkung verzichtet werden. Das Muster besteht weiter. Die Wiederaufnahme dieser Übung in diesem erweiterten Zahlenbereich ist lehrreich und kann sich auf Vorwissen stützen.

Mit Hilfe von Variablen kann man die Struktur allgemein beschreiben und begründen.

Vorgegeben:

$$a+b=c$$
$$d+b=e$$

Abgeleitet:

$$c-e=....$$
$$a-d=.....$$

Begründung der gleichen Ergebnisse:

$$c-e=\left(a+b\right)-\left(d+b\right)=a+b-d-b=a+b-b-d=a+0-d=a-d.$$

Wenn die Gleichungslehre zur Verfügung steht, kann man diese Beziehung noch schneller und effizienter herleiten.

Man sieht an diesem Beispiel, wie sich mathematisches Wissen fachlich-aufbauend entwickeln lässt. Jede Stufe liefert das Vorverständnis für die nächste, und es wird deutlich, wie viel ökonomischer fortgeschrittene Verfahren sind.

Die Algebra hat sich im Laufe der Geschichte nur sehr langsam entwickelt. Dies ist ein gewichtiges Argument für die langsame und stetige Entwicklung des algebraischen Denkens im Unterricht, wobei man früh beginnen sollte. Heinrich Winter hat die „algebraische Durchdringung der Arithmetik“ in der Grundschule bereits in den 1980er-Jahren gefordert. Im Mathe 2000 – Curriculum wird diese Forderung konsequent umgesetzt. Die Strichrechenquartette z. B. tauchen schon im ersten Schuljahr im Übungsformat „Immer vier Aufgaben“ auf, mit dem das Einsminuseins auf das Einspluseins gestützt wird. Im zweiten Schuljahr treten unter dem gleichen Namen Punktrechenquartette auf, mit denen die Beziehungen zwischen dem Einmaleins und seiner Umkehrung verdeutlicht werden. In den späteren Schuljahren tritt das Übungsformat „Immer vier Aufgaben“ bei Strich- und Punktrechnungen in größeren Zahlenräumen wiederholt auf. Strich- und Punktrechenquartette sind somit gut vorbereitet.

Abschließend sei angemerkt, dass die Einführung der komplexen Zahlen nach dem gleichen Muster erfolgen kann. Die imaginäre Einheit i und ihre Gegenzahl −i werden durch die Gleichung i2 = −1 definiert. Mit den neuen Termen a+bi wird nach den bekannten Gesetzen gerechnet. Wenn die negativen Zahlen und die Brüche im vorhergehenden Unterricht als künstliche Objekte eingeführt wurden, ist die Einführung der komplexen Zahlen keine große Sache mehr. Gerade die komplexen Zahlen sind ein fulminantes Beispiel dafür, dass eine aus rein strukturellen Überlegungen geschaffene Struktur später ungeahnte Anwendungen finden kann. Diese Einsicht gehört zur mathematischen Grundbildung.