Zusammenfassung
Die Mathematische Gesellschaft der DDR (MGDDR) ist seit 1991 Geschichte. Die MGDDR spaltete sich 1962 auf Betreiben der Sozialistischen Einheitspartei (SED) der DDR von der Deutschen Mathematiker-Vereinigung (DMV) ab und beschloss 1990 den Zusammenschluss mit der DMV. Die Geschichte der MGDDR ist spannend, angefangen von der Vorgeschichte, ihren Aktivitäten in der DDR-Zeit bis zur Neupositionierung nach der Wende. Und die MGDDR hat ihre Spuren in der DMV hinterlassen. Etliche Ansätze und Aktivitäten der MGDDR wurden von der DMV fortgeführt und weiterentwickelt. Aus der Literatur sind bisher nur Darstellungen einzelner Aspekte der MGDDR bekannt. Dieser Artikel unternimmt den Versuch einer Gesamtdarstellung der Geschichte der MGDDR und soll die Ausführungen in [1] und [2] ergänzen und erweitern. Die MGDDR war ein Ergebnis des Kalten Krieges und – wesentlich stärker als bisher der Öffentlichkeit bekannt – ein Produkt der Wissenschaftspolitik von Partei und Staat der DDR. Der politische Einfluss wird in diesem Artikel durch Unterlagen belegt, die in verschiedenen Archiven gefunden wurden. Von besonderer Bedeutung bei der Recherche war das Archivgut der Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv(SAPMO), wo seit 1990 die Unterlagen der SED, staatlicher Stellen und Massenorganisatioen der DDR systematisch aufbereitet und verfügbar gemacht worden sind. Die Mathematiker der DDR standen der Vereinnahmung durch Partei und Staat mehrheitlich kritisch gegenüber. Dies gilt insbesondere für die Zeit vor dem Mauerbau. Nach dem Mauerbau und den Einschränkungen des Reiseverkehrs war für die meisten Mathematiker der DDR die Gründung einer eigenen Fachgesellschaft alternativlos. Diese erfolgte am 8. Juni 1962. Nach dem Mauerbau war für die Mathematiker in der DDR wissenschaftlicher Austausch ohne Einbeziehung der MGDDR nahezu unmöglich. Für die Arbeit der MGDDR standen aber immer mathematische Ziele im Zentrum und die MGDDR war dabei – trotz einiger Behinderungen – durchaus erfolgreich. Nach der Wende positionierte sich die MGDDR neu und beschloss auf dem Mathematiker-Kongress der DDR im September 1990 den Zusammenschluss mit der DMV. Der vorliegende Artikel umfasst die Vorgeschichte der MGDDR bis zu deren Gründung am 08.06.1962. In zwei weiteren Publikationen soll die Arbeit der MGDDR bis zur Wende und dem Zusammenschluss mit der DMV dargestellt werden.
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1 Einführung
Die geplante mehrteilige Publikation soll verschiedene Aspekte der Geschichte der MGDDR beleuchten
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die Entstehung und die Geschichte der MGDDR im Kontext der Wissenschaftspolitik der SED und der staatlichen Institutionen,
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die innovativen Ansätze und Leistungen der DDR-Mathematiker in der MGDDR,
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der Transformationsprozess der MGDDR nach der Wende und der Zusammenschluss mit der DMV.
Der erste Teil beschäftigt sich mit der Einflussnahme von Partei- und Staatsführung auf die Mathematiker in der DDR bis zur Gründung der MGDDR.
Das Ende des Naziregimes war auch das Ende der in Deutschland tätigen wissenschaftlichen Gesellschaften in Deutschland und machte einen Neustart erforderlich, um das wissenschaftliche Leben wieder in Gang zu bringen. Dazu mussten zügig Organisationsformen gefunden werden. Die MGDDR wurde erst 1962 gegründet. Um diese späte Gründung zu verstehen, zitieren wir die Meinungen einiger wichtiger Personen zu diesem Themenfeld und werfen einen Blick auf verschiedene wissenschaftliche und wissenschaftspolitische Entwicklungen vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis 1962.
Vorbemerkungen zu den Kurzbiographien und zur Schreibweise: Kurzbiographien wurden ausschließlich für die im Text genannten DDR-Mathematiker eingefügt, um die unterschiedlichen Standpunkte und Entwicklungen der Mathematiker in der DDR zu verdeutlichen. Sie wurden aus verschiednen Quellen, u. a. aus Wikipedia und relevanten Web-Seiten von Universitäten zusammengestellt. Auf Grund der großen Anzahl von Zitaten sind Notation und Schreibweise im Text nicht einheitlich. Die Zitate übernehmen die dort verwendete Notationen und Schreibweisen einschließlich der Schreibfehler. Im Text wird für bestimmte Terme wie Mathematiker oder Professor/Professoren die damals übliche maskuline Form verwendet.
2 Die Rahmenbedingungen für das mathematische Leben in der DDR
Die erste Generation der Mathematik-Professoren in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) nach dem Krieg war überwiegend bürgerlicher Herkunft und – gerade nach den Erfahrungen aus der NS-Zeit – der Wissenschaftsfreiheit und der Autonomie des akademischen Betriebs verhaftet. Allerdings erfuhren die organisatorischen Strukturen für Wissenschaft und Bildung in der SBZ und später der DDR nach 1945 eine radikale Umgestaltung und veränderten zunehmend auch die Situation in den mathematischen Fakultäten und Hochschulen.
Auf Befehl Nr. 17 der Sowjetischen Militäradministration (SMAD) wurde im August 1945 in der SBZ die Deutsche Zentralverwaltung für Volksbildung (DZfV) gegründet. Erster Präsident der DZfV, wurde der Alt-Kommunist Paul Wandel. Zum Aufgabenbereich der DZfV zählte auch die Wissenschaftspolitik. Die Hauptabteilung Wissenschaft wurde bis 1946 von dem parteilosen Internisten Theodor Brugsch geleitet. Von 1946 bis zur Gründung der DDR war dann der Physiker Robert Rompe für den Bereich Wissenschaften zuständig. R. Rompe, Alt-Kommunist und Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime, war wohl der einflussreichste Physiker nach 1945 in der SBZ. Er spielte auch bei der Gründung der ersten wissenschaftlichen Fachgesellschaft der DDR, Die Physikalische Gesellschaft (in) der DDR, eine entscheidende Rolle. Die Änderungen nach 1945, die in der Literatur auch unter den Namen Erste Hochschulreform zusammengefasst werden, begannen unter Führung der SMAD mit der Entnazifizierung des Lehrkörpers und dem damit einhergehenden Umbau der Personalstruktur an den sechs Universitäten in der SBZ sowie der Technischen Hochschule Dresden und der Bergakademie Freiberg. Grundlage war der SMAD Befehl Nr. 50: Vorbereitung der Hochschulen auf den Beginn des Unterrichts vom 04.09.1945. Es liegen unterschiedliche Zahlen über das Ausmaß der entlassenen Hochschullehrer vor. Ilko-Sascha Kowalczuk, [3], gibt einen detaillierten Überblick über die Folgen der Entnazifizierungswelle an den oben genannten Institutionen. An der Friedrich-Schiller-Universität Jena, die als erste Universität in der SBZ nach 1945 wiedereröffnet wurde, wird die Zahl der entlassenen Professoren und Dozenten mit 98 (43,2 %) angegeben. An der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, die auf Befehl Nr. 4 des Obersten Chefs der SMAD vom 08.01.1946 Wiederaufnahme des Unterrichtsbetriebes an der Universität Berlin neueröffnet wurde, wurden in Folge der Entnazifizierungswelle 349 (43,1 %) der 810 Professoren und Dozenten entlassen. Durch Kriegsverlute und eigene Abgänge betrug der Verlust an der Universität Berlin insgesamt etwa 80 %. Ähnlich werden die personellen Verluste auch an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und den Universitäten Leipzig, Rostock und Greifswald beziffert. Auch Norman M. Naimark gibt den Verlust an Lehrpersonal in den sechs Universitäten der SBZ in dieser Größenordnung an, [4].
Die Entwicklung der Universitäten Berlin und Jena nach 1945 wird im Band 6 der Geschichte der Humboldt-Universität zu Berlin (HU), [5], und der Friedrich-Schiller-Universität Jena [6] beschrieben. Die Bände enthalten Kapitel zur Mathematik an der HU, [7], [8], und Jena, [9]. Die Entwicklungen in der Nachkriegszeit in der Mathematik in Leipzig sind in [10] dargestellt.
In die mathematischen Fakultäten in den vier Besatzungszonen kehrten viele Mathematiker zurück, die während des NS-Regimes außerhalb der Universitäten und Hochschulen, vor allem in der Luftfahrt, gearbeitet hatten, u. a. die Berliner Professoren Kurt SchröderFootnote 1, Heinrich GrellFootnote 2, der Hallenser Professor Herbert GrötschFootnote 3, und der Rostocker Professor Rudolf KochendörfferFootnote 4. Ein wesentliches Ziel der Arbeit der DZfV war die Heranbildung einer neuen Intelligenz. Die Verordnung „Grundlegende Hinweise über die Zulassung zum Studium an Universitäten und Hochschulen“ vom 30.09.1945 formuliert als Ziel: „Die Heranbildung einer neuen demokratischen Intelligenz ist das Gebot der Stunde“, [14]. Insbesondere wurden SED-Mitglieder und Arbeiter-und-Bauern Kinder bevorzugt zum Studium zugelassen. Der Anteil der SED-Mitglieder in der Studentenschaft in Leipzig betrug im Februar 1947 55,6 %, in Halle 50,0 %. Die Zahlen sind dem Buch von I.-S. Kowalczuk, [15], entnommen, das auch Tabellen zur Entwicklung der Parteizugehörigkeiten der Studenten in der SBZ enthält. 1946 wurden in der SBZ Vorstudienanstalten für Arbeiter und Bauern etabliert, die 1949 in den Rang von Arbeiter-und Bauern Fakultäten erhoben wurden.
Auch im Wissenschaftsbereich setzte die SED ihren Führungsanspruch mehr und mehr durch. Erinnert sei an die berühmt-berüchtigte Direktive, die Walter Ulbricht 1945 ausgegeben hatte: „Es muß demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben.“, siehe Wolfgang Leonhard, [16]. Die Hochschulpolitik der KPD bzw. nach deren Vereinigung mit der SPD am 21./22.04.1946 der SED nahm aber erst allmählich konkrete Formen an. Das lag wesentlich auch an der geringen Zahl von Wissenschaftlern in ihren Reihen. Ab 1946 begann die SED mit dem Aufbau parteiinterner Strukturen zur Steuerung und Kontrolle des Wissenschaftsbetriebs. Verantwortliche Sekretäre des ZK der SED für die Wissenschaftspolitik waren bis 1949 paritätisch Anton Ackermann und Otto Meier, von 1949 bis 1955 Fred Oelßner und ab 1955 bis 1989 Kurt Hager. Bis 1949 lag die Wissenschaftspolitik in Händen der Abteilungen Werbung und Schulung und Kultur und Erziehung, ab 1950 der Abteilung Kultur. Ende 1952 wurde die Wissenschaftspolitik aufgewertet. Die Abteilung Wissenschaften und Hochschulen wurde zu einer eigenständigen Struktureinheit. 1954 wurde vorübergehend die Abteilungen Wissenschaften und Parteipropaganda zur Abteilung Wissenschaft und Propaganda zusammengelegt, 1957 wurden diese wieder separiert. Die Abteilung wurde von 1952–1995 von Kurt Hager geleitet, Nachfolger wurde Johannes Hörnig (bis 1989). Zusätzlich konstituierte sich im Mai 1947 der Ausschuß für Hochschulfragen beim Zentralkomitee der SED, [17], der eigentlich die Inhalte der Hochschulpolitik der SED festlegen sollte, aber über den Status eines Debattierklubs nicht hinauskam und kein Entscheidungsorgan war, [18]. Nach 1948 sind keine Dokumente über weitere Aktivitäten des Ausschusses vorhanden. Ein Ziel der SED bei der Umgestaltung des Hochschulsystems war es, den historischen und dialektischen Materialismus in den Universitäten zu etablieren. Man erhoffte einen Dominoeffekt. So formulierte A. Ackermann, der dem Ausschuss vorstand 1948: „Aus der Zeit, da Rom das Zentrum der zivilisierten Welt bildete, stammt die Redewendung: Alle Wege führen nach Rom. In unserer Zeit muss es heißen: Alle Wege führen zum dialektischen Materialimus“, [19].
Im wesentlichen blieb die Autonomie der Universitäten in SBZ und den ersten Jahren der DDR noch bestehen, siehe etwa Andreas Malycha [20]. Der Wissenschaftsbetrieb in den Universitäten und den Instituten in der SBZ und der DDR bis 1951/52 daher noch in überwiegend traditioneller Form.
Die zweite Hochschulreform wurde mit der Entschließung „Die nächsten Aufgaben in den Universitäten und Hochschulen“, (19.01.1951), und der „Verordnung über die Neuorganisation des Hochschulwesens“, (22.02.1952), eingeleitet. Wesentliche Inhalte waren
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die Einführung des obligatorischen gesellschaftswissenschaftliche Grundstudiums (mit den Fächern Marxismus-Leninismus, Politische Ökonomie und dialektischer und historischer Materialismus) und des Russisch-Unterrichts,
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der Übergang zum 10-Monats-Studienjahr nach sowjetischen Modell, der das traditionelle deutsche Modell des Semesterstudiums ablöste,
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die Umbildung der Universitätsleitungen durch die Schaffung zusätzlicher Prorektorate Gesellschaftswissenschaftliches Grundstudium, Forschungsangelegenheiten, wissenschaftliche Asprirantur (Schaffung bezahlter Promotionsstellen, um die Entwicklung des wissenschaftlichen Nachwuchses zu beschleunigen) und Studentenangelegenheiten.
Zudem wurde 1951 die Hauptabteilung Wissenschaft aus dem Ministerium für Volksbildung herausgelöst und fungierte dann als Staatssekretariat für Hochschulwesen. Erster Staatssekretär war Gerhard Harig (22.04.1951 bis 26.04.1957), vom 26.04.1957–1962 Wilhelm Girnus. 1958 wurde die Zuständigkeit des Staatssekretariats auf das Fachschulwesen ausgeweitet und in Staatssekretariat für Hoch- und Fachschulwesen umbenannt. Auf W. Girnus folgte Ernst-Joachim Gießmann, der 1967 nach der Aufwertung des Staatssekreriats zum Ministerium für Hoch-und Fachschulwesen zu dessen ersten Minister befördert wurde. 1970 wurde Hans-Joachim Böhme sein Nachfolger, der das Amt bis 1989 bekleidete.
Formal trugen die staatlichen Stellen in der SBZ (anfangs zunächst unter der Leitung und Kontrolle der SMAD) und der DDR die Hauptverantwortung für die Hochschulpolitik. Wichtige Entscheidungen bedurften aber immer der Zustimmung der verantwortlichen Stellen im ZK der SED, siehe etwa [21].
In [20] heißt es: „Im Zuge des „planmäßigen Aufbau des Sozialimus“ [gemeint ist der auf der II. Parteikonferenz der SED (09.–12.07.1952) von Walter Ulbricht verkündete „planmäßige Aufbaus des Sozialismus in der DDR“] setzte eine organisierte Politisierung der Wissenschaften ein, das heißt deren Steuerung entsprechend politischer Zielsezungen mit den Mitteln DDR-spezifischer Steuerungsmethoden (verbindliche Ideologie, Autorität, politische Kampagnen und Kontrolle).“
Das äußerte sich u. a.
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in der weiteren Ideologisierung der Universitäten und Hochschulen, die 1958 vom Staatssekretariat unter der Losung „Die Umformung der Universitäten zu sozialistischen Hochschulen in den Mathematischen Instituten“ auch für die Mathematik vorangetrieben wurde,
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in der Kontrolle des wissenschaftlichen Lebens durch regelmäßige Berichte zur Bewertung der Situation in den Fakultäten, die auch die Beurteilung der Professoren und des wissenschaftlichen Nachwuchses umfasste. Daraus wurden explizite Vorgaben für die Personalpolitik der Universitäten und Hochschulen abgeleitet: Berufungen, Umberufungen, Abberufungen, gezielte Förderung von Parteikadern,
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in der Verstärkung der Parteiarbeit an den Universitäten und Hochschulen, Gesprächsrunden mit Genossen unter dem wissenschaftlichen Personal im ZK der SED,
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im Ausbau der Beziehungen zu den sozialistischen Bruderstaaten,
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in der Kontrolle der Kontakte und der Dienstreisen in die Bundesrepublik und der zunehmenden Abgrenzung zur Bundesrepublik,
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in der Erstellung von Forschungsplänen und Einbindung der wissenschaftlichen Institutionen in die langfristigen Entwicklungspläne der DDR-Wirtschaft, in der Konzentration des Forschungspotentials in den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen an ausgewählten Standorten und Gründung neuer fächerspezifischer Hochschulen,
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im Aufbau neuer Strukturen zur Steuerung von Forschung und Ausbildung (1953 Gründung wissenschaftlicher Beiräte, 1957 Bildung des Forschungsrates der DDR),
Im Zuge der Reformen im Wissenschaftsbereich wurde in der SBZ auch die außeruniversitäre Forschung neu organisiert. Die Deutsche Akademie der Wisenschaften (DAW) wurde mit dem SMAD-Befehl Nr. 187 als Nachfolger der Preußischen Akademie der Wissenschaften am 1. Juli 1946 wiedereröffnet. Dort wurden – wie auch bei der Akademie der Wissenschaften der UdSSR – eigene Forschngsinstitute aufgebaut (SMAD-Befehl Nr. 309 vom 18.10.1946). Auf Initiative von Hermann Ludwig SchmidFootnote 5 wurde noch 1946 das Forschungsinstitut für Mathematik der DAW unter der Leitung von Erhard SchmidtFootnote 6 gegründet, das sich bis zum Ende der DDR zum wichtigsten mathematischen Forschungsinstitut der DDR entwickelte.
3 Die Neugründung der DMV nach 1945
Aus Sicht der überwiegenden Mehrheit der Mathematiker in den vier Besatzungszonen bot die Deutsche Mathematiker-Vereinigung (DMV) den Rahmen für den Neuanfang des wissenschaftlichen Lebens in der Mathematik in Deutschland. Zunächst schien sich die Wiederbelebung des mathematischen Austausches nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs von der politischen Entwicklung und der Blockbildung entkoppeln zu können. Die Abspaltung der DDR-Mathematiker von der DMV, die Gründung und Entwicklung einer eigenen mathematischen Gesellschaft vollzog sich im politischen Klima des Kalten Krieges und der Verankerung der DDR und der Bundesrepublik in verschiedenen Bündnissystemen fast zwangsläufig.
Die DMV wurde als mathematische Gesellschaft nach dem Krieg wiederbelebt, genau genommen neu gegründet. Vom 23.–27.09.1946 fand in Tübingen auf Initiative von Erich Kamke ein mathematischer Kongress mit 150 Teilnehmern statt. Es war eine der ersten wissenschaftlichen Tagungen in Deutschland nach dem Ende des zweiten Weltkriegs. Sie ist zwar in den Annalen der DMV als erste Jahrestagung nach Ende des Krieges verzeichnet [25], was de facto zwar zutrifft, aber formal keine Jahrestagung war. Erst 1947 wurde in Tübingen die Deutsche Mathematiker-Vereinigung in der französisch besetzten Zone gegründet, die die Nachfolge der DMV antrat. Die DMV dehnte sich dann auf alle Besatzungszonen aus, auch auf die SBZ. 1948 wurde die Neugründung der DMV dann auch formal abgeschlossen, siehe auch [26]. Erhard Schmidt, der 1927/28 sowie 1935/36 auch Vorsitzender der DMV war, befürwortete in einem Briefwechsel mit Heinrich BrandtFootnote 7 (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg), nach dem Krieg einer der Herausgeber der Jahresberichte der DMV, vehement die Ausdehnung der DMV auf die SBZ. Das ist dem Brief von Hans-Jürgen Hoehnke, einem Mitarbeiter des Karl-Weierstraß-Instituts der Akademie der Wissenschaften der DDR, zu entnehmen [27], siehe Abb. 1.
Wie aus dem Schreiben hervorgeht, hatten die Mathematiker in der DDR unterschiedliche Vorstellungen zur Einbindung in die DMV. Als Alternative zur Ausdehnung der DMV auf alle Besatzungszonen wurde auch die Gründung einer eigenständigen mathematischen Gesellschaft in der SBZ nach der Satzung der DMV ins Gespräch gebracht. E. Schmidt sprach sich mit dem Hinweis auf unvorhersehbare Hindernisse bei der Gründung einer eigenen mathematischen Gesellschaft eindeutig für den Beitritt der Mathematiker der SBZ zur DMV aus. Noch deutlicher formuliert E. Schmidt seine Einstellung zur DMV anlässlich der Feier zu seinem 75. Geburtstag 1951: „Sie ist eine der Klammern …, welche die deutsche Kultur zusammenhalten“, [28].
Die Mathematik-Professoren in der SBZ und den ersten Jahren der DDR waren fast ausnahmslos bereits vor 1945 Mitglieder der DMV. Mehrheitlich galten die Mathematiker als unpolitisch wie exemplarisch aus einer Beurteilung von H. Brandt hervorgeht: „Brandt habe sich vor 1945 „von der NSDAP und deren Gliederungen“ ferngegehalten und sei auch „heute […] nicht politisch organisiert“. Er sei „unpolitisch eingestellt“, es lasse sich auch „nicht Nachteiliges“ über ihn sagen, er lege „den heutigen Bestrebungen“ zwar „keine Hemmungen in den Weg“, als „bürgerlich gesinnter Mann“ könne er zu einer aktiven Förderung aber nicht beitragen“, [29]. Die Professoren in Ost und West sahen die DMV als ihre fachliche Heimat an, auch die späteren Protagonisten der MGDDR K. Schröder und H. Grell. Es ist davon auszugehen, dass auch die neue von der Nazizeit unbelastete Führungsspitze der DMV um E. Kamke dazu beigetragen hat, dass sich die DMV auch in der SBZ und später der DDR etablieren konnte. E. Kamke setzte sich gegen Wilhelm Süss durch, der von 1937–1945 die Geschicke der DMV leitete. E. Kamke stemmte sich vehement gegen die Besetzung der neuen DMV-Spitze mit Mathematikern, die im Dritten Reich eine Führungsposition innehatten, siehe [30].Auch die zweite wichtige mathematische Fachgesellschaft im deutschsprachigen Raum, die 1922 von Richard von Mises und Ludwig Prandtl gegründete Gesellschaft für angewandte Mathematik und Mechanik, heute Gesellschaft für Angewandte Mathematik und Mechanik (GAMM), wurde für viele Mathematiker aus der DDR zur fachlichen Heimat. Wie die DMV wurde auch die GAMM nach 1945 wiederbelebt. Es waren wiederum Einzelpersonen, in dem Fall Theodor Pöschl und Karl Klotter mit Unterstützung von L. Prandtl, die die Wiederbelebung der GAMM initiierten. Die von ihnen organisierte Tagung zu Fragen der angewandten Mathematik vom 10.–12.04.1947 in Karlsruhe führte zunächst zur Neugründung der GAMM im amerikanischen Sektor, die sich dann auf alle Besatzungszonen ausdehnte.
4 Wissenschaftliche Fachgesellschaften in der SBZ und DDR
Eine generelle Vorbemerkung zur Situation wissenschaftlicher Gesellschaften in Deutschland nach Ende des Naziregimes. Mit dem Kontrollratsgesetz Nr. 2 „Auflösung und Liquidierung der Naziorganisationen“ vom 10.10.1945 (in Kraft getreten am 12.10.1945) wurden 62 Organisationen aufgelöst und für ungesetzlich erklärt. Zu den verbotenen Organisationen zählte auch der NSD-Dozentenbund. Wissenschaftliche Gesellschaften wie die DMV waren aber nicht betroffen, [31]. Allerdings wurden die Rahmenbedingungen für einen Neustart der Arbeit der wissenschaftlichen Fachgesellschaften in den vier Besatzungszonen nicht einheitlich geregelt. Zuständig war jeweils die Besatzungsmacht, was zu Neugründungen von wissenschaftlichen Gesellschaften in einzelnen Besatzungszonen führte, denen sich wie im Fall der mathematischen Fachgesellschaften Mitglieder aus den anderen Besatzungszonen angeschlossen haben. Meist wurden die wissenschaftlichen Gesellschaften zunächst in den westlichen Besatzungszonen reaktiviert. Anders als in der Mathematik kam es aber in anderen Wissenschaften in der SBZ und der DDR schon in den 40er und 50er Jahren zur Gründung eigenständiger Fachgesellschaften, siehe auch [32]. Es ist deshalb die Annahme naheliegend, dass neben den Besatzungsbehörden bzw. staatlichen Institutionen den Führungspersönlichkeiten in den verschiedenen wissenschaftlichen Fächern eine besondere Rolle zukam – ähnlich der Rolle von E. Schmidt in der Mathematik. Drei Beispiele sollen das belegen.
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Die Physikalische Gesellschaft (in) der DDR In der Physik waren Friedrich Möglich und Robert Rompe die Initiatoren zur Gründung einer eigenständigen physikalischen Gesellschaft. Nach dem Krieg bildeten sich zunächst in den westlichen Besatzungszonen regionale physikalische Gesellschaften. 1950 erfolgte der Zusammenschluss dieser regionalen Gesellschaftlichen zum Verband Deutscher Physikalischer Gesellschaften (VDPG), dem zunächst auch viele Physiker der DDR angehörten. Die Initiative von Max von Laue, Walther Bothe und anderen, diese zu einer physikalischen Gesellschaft für ganz Deutschland zu machen, scheiterte allerdings, [33]. D. Hoffmann verweist in seinem Artikel über die Physikalische Gesellschaft der DDR (PGDDR), [34], auf die politische Brisanz der Gründung einer eigenen wissenschaftlichen Gesellschaft und zitiert aus einer Aktennotiz des Staatssekretariats vom 4. Oktober 1951: „ daß diese Tagung [gemeint ist die für 1952 geplante Physikertagung in West-Berlin], nach Meinung des Herrn Professor Möglich durchaus geeignet wäre, nochmals Physiker aus der Deutschen Demokratischen Republik abzuziehen. Er machte deshalb den Vorschlag, ernstlich zu erwägen, aus diesen und anderen Gründen möglichst rasch eine physikalische Gesellschaft in der Deutschen Demokratischen Republik ins Leben zu rufen. Diese Gesellschaft könnte veranlassen, daß eine gemeinsame Veranstaltung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft im Westen woanders oder gar in der Deutschen Demokratischen Republik stattfindet. Die Gefahr eines personellen Abzugs aus der Deutschen Demokratischen Republik sei dann nicht mehr gegeben“, [34]. Für diesen Vorschlag gab es im Frühjahr 1952 durch Beschluss des Sekretariats des Zentralkomitees (ZK) der SED grünes Licht. Die Physikalische Gesellschaft der DDR, die zunächst unter dem Namen Physikalische Gesellschaft in der DDR firmierte, wurde dann am 14.09.1952 in Halle gegründet. Im Entwurf des Beschlusses heißt es: „Die Gründung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft geht ohne Verbindung mit dem westdeutschen Verband Deutscher Physikalischer Gesellschaften, der Dachorganisation der regionalen physikalischen Gesellschaften, vor sich. Spätere wissenschaftliche, nicht organisatorische Zusammenarbeit wird nur auf gleichberechtigter Basis durchgeführt“, [35].
Bereits 1952 wurden in diesem Zusammenhang vom ZK der SED Rahmenbedingungen für die Gründung und Bestätigung wissenschaftlicher Fachgesellschaften festgelegt. Diese beinhalten die Notwendigkeit der Bestätigung des Statuts durch die Regierung der DDR und die Benennung eines Ständigen Sekreträrs, der von der Regierung benannt wird. Zudem werden den Fachgesellschaften finanzielle Mittel aus dem Staatshaushalt sowie Räumlichkeiten für die Sekretariate zur Verfügung gestellt, [36].
D. Hoffmann zitiert aus einem internen Dokument des ZK der SED deren Einschätzung, dass die Gründung der Physikalischen Gesellschaft der DDR „einmal die Entfaltung der Initiative der Wissenschaftler zuläßt, zum anderen aber auch die Möglichkeit einer Kontrolle bietet“, [34]. An der Gründungsveranstaltung der Gesellschaft nahmen etwa 40 Physiker aus der DDR teil. Bei etlichen Physikern der DDR gab es massive Vorbehalte gegen die neue Gesellschaft, so dass Anfang 1953 die PGDDR nur ca. 100 Mitglieder zählte. Von 1970 bis 1990 stieg die Mitgliederzahl von 806 auf 1971. Das wurde auch durch eine Schwerpunktverlagerung von den Ortsverbänden auf Fachverbände befördert. Zunächst bildeten Ortsverbände in den Universitätsstädten das organisatorische Rückgrat der PGDDR. Deren Arbeit konzentrierte sich vorwiegend auf die Organisation von Kolloqiua und Vorträgen. Im Lauf der Zeit rückten dann zunehmend Fachverbände und Arbeitsgruppen in den Mittelpunkt der Tätigkeit der PGDDR, Näheres siehe [34].
Die Gründung der PGDDR diente zugleich als Prototyp für die Gründung weiterer wissenschaftlicher Fachgesellschaften in der DDR, später auch für die MGDDR.
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Die Chemische Gesellschaft (in) der DDR Bereits im November 1946 organisierte Erich Thilo, kommissarischer Direktor des Chemischen Instituts der Universität Berlin, eine erste Tagung der Chemieprofessoren in der SBZ. Am 17.12.1947 ergriff E. Thilo, der spätere erste Vorsitzende der Gesellschaft, mit dem „Rundschreiben Nr. 1 – betreffend Gründung einer wissenschaftlichen Chemischen Gesellschaft im sowjetisch-besetzten Sektor Berlins und der sowjetisch-besetzten Zone Deutschland“ die Initiative zur Gründung einer eigenständigen chemischen Gesellschaft. Der Antrag wurde von E. Thilo am 24. März 1948 bei der Zentralkommandatur der SMAD eingereicht. Die Gründung zog sich aber noch bis zum 11. Mai 1953 hin. R. Kießling verweist auf die „Beschlußvorlage zur Gründung der Chemischen Gesellschaft“ des ZK der SED vom 02.02.1953“, [37], die die Genehmigung zur Gründung der Chemischen Gesellschaft enthält. Wesentliche Passagen betreffen u. a. die Beziehungen zu chemischen Gesellschaften der Bundesrepublik: „Die Gründung der Chemischen Gesellschaft geht ohne Verbindung mit den entsprechenden westdeutschen Gesellschaften vor sich. Spätere wissenschaftliche, nicht organisatorische Zusammenarbeit wird nur auf gleichberechtigter Basis durchgeführt“, [37], siehe auch [38].
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Die Biologische Gesellschaft (in) der DDR Als drittes Beispiel sei hier noch auf die Biologische Gesellschaft (in) der DDR verwiesen. Die Biologen der DDR orientierten sich während der 50er Jahre mehrheitlich an den biologischen Organisationen, die in der Bundesrepublik beheimatet waren. Otto Schwarz, der spätere erste Präsident der Gesellschaft und Rektor der Friedrich-Schiller-Universität Jena, forderte im Dezember 1957 erstmalig die Gründung einer eigenständigen biologischen Gesellschaft der DDR. Die Gründung der Biologischen Gesellschaft in der DDR erfolgte aber – nach positiven Votum des Wissenschaftlichen Beirats für Biologie – erst am 16.04.1959. [39]
Noch eine kurze Zusammenfassung über die Gründung weiterer wichtiger wissenschaftlicher Gesellschaften in der SBZ und der DDR bis zum Mauerbau.
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Kammer der Technik (Ingenieure) Die Kammer der Technik (KdT) wurde bereits am 02.07.1946 in der SBZ durch den Freien Deutschen Gewerkschaftsbund (FDGB) gegründet. „Die neue Organisation sollte die Entwicklung der Technik fördern, zur Hebung des technischen Bildungsniveaus beitragen sowie an der Gesetzgebung auf technischem Gebiet und an Normung, Typisierung bzw. Rationalisierung mitwirken“, [40] und [41]. Die KdT war Nachfolgerin des durch den Kontrollratsbeschluss verbotenen Vereins Deutscher Ingenieure. Die geplante Ausdehnung auf die anderen Besatungszonen scheiterte.
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Geographische Gesellschaft (in) der DDR Diese wurde am 26.09.1953 gegründet und war der DAW zugeordnet.
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Gesellschaft für Geologische Wissenschaften der DDR Die Gründung der Gesellschaft erfolgte am 07.05.1954. Unter dem Namen Geologische Gesellschaft in der DDR wurden von der Gesellschaft auch Publikationen herausgegeben. Die Gesellschaft war ebenfalls der DAW zugeordnet.
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Meteorologische Gesellschaft (in) der DDR Die Meteorologische Gesellschaft (in) der DDR wurde am 01.03.1957 im Plenarsaal der DAW in Berlin gegründet, siehe [42].
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Historiker-Gesellschaft der DDR Die Deutsche Historiker-Gesellschaft wurde am 18.03.1958 in Leipzig gegründet und benannte sich 1972 in Historiker-Gesellschaft der DDR um.
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Medizinische Fachgesellschaften Der SMAD-Befehl Nr. 124 vom 21. Mai 1947 regelte die Gründung medizinischer Gesellschaften in der SBZ: „In der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands ist die Organisation der wissenschaftlichen medizinischen Gesellschaften ihren Fachrichtungen entsprechend (Chirurgie, Gynäkologie, Innere Medizin) zuzulassen, … die Unterstützung und Kontrolle der Arbeit dieser Gesellschaften ist durch die Abteilungen für das Gesundheitswesen der entsprechenden Abteilungen sicherzustellen“, [43]. Die 66 zentralen und 13 selbstständigen regionalen medizinischen Gesellschaften, die in der SBZ und später in der DDR gegründet wurden, waren in sechs Dachgesellschaften zusammengeschlossen, siehe auch [44].
Einen guten Überblick über die wissenschaftlichen Gesellschaften der DDR liefert das Buch von Andreas Herbst, Winfried Ranke und Jürgen Winkler: So funktionierte die DDR, [45]. Allerdings wird dort nur für einige der obengenannten Gesellschaften deren Vorgeschichte thematisiert.
Die wissenschaftlichen Gesellschaften der DDR waren verschiedenen Trägern zugeordnet, in der SBZ zunächst der SMAD, in der DDR dann dem FDGB, dem Kulturbund, dem Staatssekretariat und der DAW. Diese Entwicklungen zeigen, dass sich die SMAD und die SED der Bedeutung wissenschaftlicher Gesellschaften für die Umsetzung ihrer Wissenschaftspolitik sehr wohl bewusst waren, den Aufbau eigenständiger Gesellschaften vorantrieben und deren Entwicklung zunehmend kontrollierten.
Aber auch auf wissenschaftliche Disziplinen, in denen gesamtdeutsche Gesellschaften das wissenschaftliche Leben organisierten, wurde zunehmend Druck ausgeübt. Neben der DMV gab es mit der Gesellschaft für Psychologie der DDR eine wissenschaftliche Fachgesellschaft, die sich wie die DMV auch erst nach dem Bau der Mauer, am 19.10.1962, von der 1947 wieder gegründeten gesamtdeutschen Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DGPs) abspaltete. Eine weitere gesamtdeutsche wissenschaftliche Gesellschaft, die aber Nischencharakter hatte, war der Hansische Geschichtsverein, [46]. Die 81. Jahresversammlung des Vereins fand noch 1965 in der DDR (Magdeburg) statt.
5 Die Entwicklung der Mathematik in der DDR und die Einflussnahme von Partei und Staat
5.1 Die 50er Jahre
Im Folgenden sollen die Entwicklungen in der Mathematik der DDR näher untersucht werden.
Wie oben dargestellt organisierten sich die Mathematik-Professoren der DDR nach 1945 wieder in der DMV. 1951 hatte die DMV 330 Mitglieder, davon waren etwas weniger als 10 % aus dem Osten Deutschlands. U. a. gehörten auch die einflussreichen E. Schmidt, K. Schröder und Ott-Heinrich KellerFootnote 8, die in der Vorgeschichte der MGDDR eine wichtige Rolle spielten, der DMV an. Der Bericht über die DMV-Jahrestagung vom 19.09.–22.09.1949 in Köln, erschienen in der ersten Nachkriegsausgabe der DMV Jahresberichte, Band 1954, beginnt mit den Worten: „An der Tagung haben 101 Kollegen teilgenommen, darunter auch einige aus dem Ausland und zum ersten Mal seit Kriegsende auch eine große Anzahl von Kollegen aus der russischen Besatzungszone“, [49]. O.-H. Keller, Karl MaruhnFootnote 9, H. L. Schmid und Karl SchröterFootnote 10 waren auch prominente Vortragende der DDR-Mathematiker auf der Kölner Jahrestagung.
Allerdings war die Zusammenarbeit von Mathematikern aus der DDR und der Bundesrepublik schon seit Anfang der 50er Jahre von ideologischen Vorbehalten und bürokratischen Hindernissen geprägt. Als Beispiel sei hier die Konferenz zur Eröffnung der neuen Räumlichkeiten der Mathematischen Institute der Humboldt-Universität erwähnt. Die Tagung wurde vom Staatssekretariat am 10.07.1952 beim ZK der SED, Abteilung Propaganda, beantragt. Dem Antrag lag eine Vorschlagsliste der einzuladenden Mathematiker bei. Im Bericht von Klaus MatthesFootnote 11, später Direktor des Karl-Weierstraß-Instituts der Akademie der Wissenschaften der DDR, und Ludwig BollFootnote 12 an die Universitätsparteileitung heißt es: „… zeigten sich große Schwierigkeiten bei der Erteilung der Aufenthaltsgenehmigungen für die eingeladenen westdeutschen Gäste. … Jedoch waren bis zum Sonnabend, den 10.01.1953, eine Reihe von hervorragenden westdeutschen Mathematikern, darunter die Professoren Kamke, Knopp, Koethe und Nöbling noch ohne Aufenthaltsgenehmigung geblieben. Daraufhin wurden an sie am Sonnabend ein Telegramm verschickt mit dem Inhalt, sie sollten bei sich Interzonenpässe nach Berlin, d. h. nach Westberlin, besorgen und würden die Aufenthaltigungsgenehmigung dann hier bekommen. Am 12.01.1953 telegrafierten daraufhin die Professoren Kamke und Knopp, daß sie an der Tagung nicht teilnehmen würden, da sie die Aufenthaltsgenehmigung noch nicht erhalten hätten, obwohl z. B. Prof. Knopp schon einen Vortrag fest zugesagt hatte“, [50].
Im Bericht wurde die Arbeit der Vorbereitung der Tagung durch das Staatssekretariat scharf kritisiert: „Die schlechte Arbeit des Staatssekretariats sei schon seit langem aufgefallen und hätte sich auch anläßlich der Genehmigungen zur Salzburger Tagung geäußert. Aus seinen [gemeint ist Heinrich Grell] Äußerungen geht hervor, daß sich die Vertreter des Staatssekretariats nicht immer aufrichtig und taktvoll zu unseren Professoren verhalten. Unserer Meinung nach liegt hier eine himmelschreiende Unfähigkeit und Verantwortungslosigkeit bei verschiedenen Leuten vor, wenn nicht mehr, in jedem Falle aber eine Unterschätzung der Bedeutung einer gesamtdeutschen oder gar internationalen Tagung“, [50].
Zunächst wurde die Einflussnahme von Partei und Staatssekretariat auf die DDR-Mathematiker in Form von bürokratischen Hürden und Auflagen etwa bei Reiseanträgen sichtbar. Die Umsetzung der zweiten Hochschulreform war Sache der Universitäten. Das änderte sich 1953. Im Bericht des Staatssekretariats über das zweite 10-Monats-Studienjahr 1952/53 vom 24.08.1953 wird auf die Arbeit der neu gebildeten Wissenschaftlichen Beiräte verwiesen „mit deren Hilfe wir die Hochschulpolitik an den Universiäten durchführen werden“, [51]. In einem späteren Dokument des Staatssekretariats für Hoch- und Fachschulwesen (SHF) wird dessen Erwartungshaltung an Wissenschaftliche Beiräte konkret beschrieben: „Der Beirat soll eigentlich die Aufgabe haben, dem SHF auf der Grundlage der wissenschaftlichen Erkenntnisse Vorschläge zu unterbreiten über den Fortgang der weiteren Arbeit in Forschung, Lehre, Erziehung, usw. Er soll in gewissen Zeitabständen die Situation in gewissen Gebieten analysieren, Fehler und Mängel in der Entwicklung aufzeigen, aber auch positive Beispiele publik machen, und auf Grundlage der Analyse dem SHF vorschlagen, welche Maßnahmen einzuleiten sind, um eine gewünschte Entwicklungsrichtung zu erreichen“, [52]. Erster Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats Mathematik, im Folgenden WBM, wurde K. Schröder.
In der Sitzung des WBM vom 06.03.1954 standen für das erste Halbjahr 1954 Fragen zum Mathematikstudium (Fernstudium, Verlängerung der Studiendauer) im Mittelpunkt. Als Aufgabe umfasste der Halbjahresplan auch die Diskussion der Verbindungen mit westdeutschen Universitäten und den Ausbau der Beziehungen zum befreundeten Ausland. Zu beiden Punkten finden sich aber im Protokoll keine Aussagen. Zu den internationalen Kontakten wird nur auf die Bestätigung der DDR-Delegation für den ICM 1954 in Amsterdam durch den Staatssekretär verwiesen, [53].
Reisen in das nicht-sozialistische Ausland waren – wie oben schon erwähnt – genehmigungspflichtig. Mathematiker der DDR, die zu Dienstreisen ins nicht-sozialistische Ausland reisen durften, waren also schon bereits seit den 50er Jahren handverlesen und die Genehmigung war nicht nur von der fachlichen Leistung abhängig. Es sollte noch gesagt werden, dass die Wissenschaftler nach Dienstreisen in die Bundesrepublik und das westliche Ausland schriftliche Berichte über den Verlauf ihrer Reise einzureichen hatten, die zumindest teilweise auch ihren Weg bis ins ZK fanden und dort ausgewertet wurden, z. B. „In der Anlage übersenden wir Euch einen kurzen Bericht des Genossen Prof. Dr. DallmannFootnote 13 Direktor des Instituts für Mathematik [der Technichen Hochschule für Chemie Leune-Merseburg], über seine Teilnahme an der Jahrestagung der DMV 1959 in Münster: Auch aus einem mündlichen Bericht ging, sogar in etwas stärkerer Form als hier, hervor, daß sich Professor RinowFootnote 14, derzeitiger Vorsitzender, wenig parteilich benommen habe“, [54]. Die persönliche Integrität und kritische Haltung zu den Entwicklungen in der DDR des von H. Dallmann genannten W. Rinow, wird in der Laudatio von Frank TerpeFootnote 15 anlässlich des Gedenkkolloquiums 100 Jahre Willi Rinow gewürdigt. Die Laudatio gibt zudem Einblicke über die Einflussnahme der Greifswalder Universiäts- und Parteileitung auf die mathematische Fakultät, [55]. Mathematische Anwendungen, insbesondere die Entwicklung der Rechentechnik und in der Atomforschung rückten Mitte der 50er Jahre die mathematische Forschung stärker in den Fokus von Partei und Staat. Das führte zu einer verstärkten ideologischen Arbeit in den Parteiorganisationen. Als zentrales Ziel wurde verlangt, die „mathematische Forschungsarbeit in Gang zu bringen“ und an den Erfordernissen der Wirtschaft auszurichten. Um das angestrebte internationale Niveau in der mathematischen Forschung zu erreichen, wurde ein Perspektivplan für die Parteiarbeit an den mathematischen Instituten im Studienjahr 1955/56 erarbeitet, [56]. Dort wird gefordert: „Die mathematische Forschung sollte sich auf bestimmte Schwerpunkte, besonders auf Anwendungsgebiete der Mathematik einschließlich der Rechentechnik, konzentrieren. … Der größte Mangel an unseren wissenschaftlichen Instituten ist das Fehlen einer planmäßigen, auf die Bedürfnisse der Praxis orientierten Forschungsarbeit“, [56]. Einzelmaßnahmen lesen sich mitunter skurril, beispielsweise die Aufforderung, “ Alle Genossen Wissenschaftler müßten sofort Mitglied der DMU werden“, [56]. Der Schreibfehler DMU statt DMV wurde erst nachträglich per Hand korrigiert.
Offenbar war die SED unzufrieden mit der Umsetzung des Perspektivplans. Das betraf insbesondere die Entwicklung der Rechentechnik, die ideologische Situation unter den DDR-Mathematikern und die hohe Abbrecherquote von Mathematik-Studenten. Am 17.01.1956 nahm der Sektor Forschung und Technik im ZK der SED zur Entwicklung der Mathematik in den nächsten fünf Jahren Stellung. In dem Bericht wird auf die Bedeutung der Mathematik zur Lösung militärischer Probleme (Flugdynamik, Ballistik, Flugnavigationen) und der Kernphysik verwiesen und gefordert, insbesondere eine Konzentration der Forschung auf Gebiete der angewandten Mathematik in der DDR vorzunehmen. Zur besseren Koordinierung der Forschung wird vorgeschlagen, dass „für Professoren längere Zusammenkünfte organisiert werden“, [57]. Zwar wird hier definitiv noch nicht die Forderung nach einer eigenen mathematischen Gesellschaft formuliert, es wird aber hier erstmals der Gedanke eines von DMV und GAMM unabhängigen Forums für die DDR-Mathematiker formuliert.
Im Februar 1956 fand in der Abteilung Wissenschaft und Propaganda des ZK der SED eine Beratung mit ausgewählten Genossen Mathematikern statt. Zu der Beratung war kein Professor eingeladen, stattdessen setzte die Partei auf den sozialistischen Nachwuchs. U. a. nahm Johannes KerstanFootnote 16 teil, Im Referat des ZK-Mitarbeiters Sämisch wird die prinzipielle Linie vorgegeben: „ Ich möchte sagen, so wie wir Westdeutschland industriell überholen werden, muß es auch in wissenschaftlicher Hinsicht sein. … Die Mathematik und die Ausbildung von Mathematikern gewinnt im neuen Fünfjahrplan und in Zusammenhang mit unserer Volksarmee eine starke Bedeutung, da diese Disziplin in enger Zusammenarbeit mit der Physik die theoretischen Grundlagen für wichtige Gebiete der Physik und der Verteidigungsindustrie bildet. … Es ist sehr notwendig, den Wissenschaftlern klarzumachen, daß sie in der DDR für eine friedliche Zukunft arbeiten, … Eine solche Überzeugungsarbeit hat insbesondere deshalb große Bedeutung, weil wieder Unklarheiten über die Schaffung der Volksarmee, deren Charakter und Notwendigkeit, auftreten. … Die Wissenschaftler müssen begreifen, daß sie bei uns für eine gute Sache arbeiten, der die Zukunft gehört, damit sie überzeugt an militärisch-wichtigen Gebieten arbeiten“, [58]. In der Beratung wurden 9 Schwerpunkte für den Ausbau des mathematischen Potentials der DDR festgelegt. Dazu gehörten der Aufbau eines Rechenzentrums an der Technischen Hochschule Dresden, die Entwicklung der Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung, die Entwicklung militärisch-relevanter Gebiete, die Konzentration junger sozialistischer Kader in Dresden und Berlin und die Verbesserung des mathematischen Unterrichts an den Oberschulen und Arbeiter-und-Bauern-Fakultäten.
Die Abstimmung von Staatssekretariat und der Abteilung Wissenschaften des ZK in der Mathematik war vor allem in den ersten Jahren nicht pannenfrei. Im März 1957 erinnerte die Abtlg. Wissenschaften des ZK der SED den Staatssekretär eindringlich, die Empfehlungen aus der Beratung umzusetzen und der „Entwicklung der Mathematik in unserer Republik entsprechende Beachtung zu schenken“, [59].
In der Abschrift eines internen Berichts wird der Entwicklungsstand der mathematischen Forschung in der DDR kritisch eingeschätzt: „Die Forschungstätigkeit in der Mathematik ist heute in der DDR weit hinter dem internationalen Niveau zurückgeblieben, stark zersplittert sowohl sachlich als auch räumlich und fehlt auf vielen wichtigen Gebieten fast völlig (z. B. Wahrscheinlichkeitsrechnung, Regeltechnik)“, [60]. Die Abschrift ist nicht datiert und aus der Abschrift ist kein Autor ersichtlich. Aus dem Inhalt des Dokuments geht jedoch hervor, dass dieser Bericht offensichtlich der Abtlg. Wissenschaften des ZK der SED entstammt und vom Sommer 1957 datiert. Dafür spricht der Verweis auf den zu bildenden Kreis für Rechentechnik. Dieser wurde zwei Monate nach der Tagung Maschinelle Rechenanlagen an der Hochschule für Elektrotechnik Ilmenau am 19. August 1957 gegründet, siehe [61]. Das Datum ist für die Geschichte der MGDDR insofern bedeutsam, da dort die Forderung nach einer eigenen mathematischen Fachgesellschaft explizit formuliert wird: „Um alle Forschungskapazitäten auf dem Gebiet der Mathematik voll auszunutzen, ist es notwendig, eine mathematische Gesellschaft zu entwickeln, die alle wissenschaftlich ausgebildeten Kräfte auf dem Gebiet der Mathematik und ihrer Anwendungen umfaßt und eigenes mathematisches Leben entfaltet und eigene Publikationsorgane hat“, [60].
Vom 09.–14.09.1957 fand in Dresden die erste Jahrestagung der DMV in der DDR statt, siehe die Abb. 2 und 3.
Im Vorfeld der Tagung gab es im Staatssekretariat ein Gespräch mit K. Maruhn, dem damaligen DDR-Mitglied im DMV-Präsidium, und Helmut HeinrichFootnote 17, beide zur damaligen Zeit Mathematik-Professoren an der Technischen Hochschule Dresden. Der Anlass waren Fragen zur Finanzierung der DMV-Jahrestagung. In diesem Gespäch wurde auch das Verhältnis des Staatssekretariats zur DMV angesprochen.
In den Unterlagen des DMV-Archivs ist eine Aussage von H. Grell wiedergegeben: „… dass man im Staatssekretariat die vergleichsweise vernünftige Haltung der DMV anerkannt habe“, [62], siehe auch Abb. 4. Nach Differenzen mit der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte äußerte das Staatssekretariat den Wunsch nach mehr Einfluss in der DMV (mehr Parität zwischen Ost und West: 3 statt 2 Vertreter im Präsidium) und stellte eine eventuelle Beteiligung an der Finanzierung der Mitgliedsbeiträge der DMV an der International Mathematical Union (IMU) in Aussicht, [62]. Das war wohl der Versuch der DDR, auf DMV und GAMM mehr Einfluss zu nehmen. Der Wunsch des Staatssekretariats zu direkten Gesprächen mit dem DMV-Präsidium wurde von der DMV mit Hinblick auf die in der Satzung der DMV festgelegten wissenschaflichen Ziele und einer mit den Gesprächen verbundenen Vereinnahmung für politische Zwecke abgelehnt, siehe auch die damalige Satzung der DMV, [63].
Zur paritätischen Vertretung der DDR-Mathematiker in der DMV ist anzumerken, dass im achtköpfigen Präsidium der DMV von 1953–1965 stets zwei Mathematiker aus der DDR vertreten waren:
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1953–1955 H. Grell (Präsidium)
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1953–1957 H. L. Schmid (Präsidium)
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1955–1958 K. Maruhn (Präsidium)
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1957–1959 K. Schröder (Präsidium)
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1958–1961 W. Rinow (1958–1958 DMV Vorsitzender, 1959–1961 Präsidium)
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1960–1965 O.-H. Keller (1960–1961 DMV Vorsitzender, 1961–1965 Präsidium)
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1961–1965 Hans ReichardtFootnote 18 (Präsidium)
Auch in der Delegation der DMV zu den Generalversammlungen der IMU stammte jeweils ein Vertreter der vierköpfigen DMV-Delegation aus der DDR. Hingegen lag der Anteil der Mitglieder der DMV, die aus der DDR stammten, Anfang der 60 Jahre bei etwa 16 % wie aus dem Bericht von Kuno Schmidt (Staatssekretariat) 1962 hervorgeht, auf den später noch im Detail eingegangen wird, [65].
Partei und Staat griffen Ende der 50er Jahre mehr und mehr direkt in die wissenschaftliche Entwicklung und in die Personalpolitik der mathematischen Institute der DDR ein. Vom 07.01.1958 datiert ein Bericht des Staatssekretariats zur Situation in der Mathematik mit dem programmatischen Titel „Die Umformung der Universitäten zu sozialistischen Hochschulen in den Mathematischen Instituten“. Der Referent analysierte die Situation der mathematischen Fakultäten in Berlin, Dresden, Halle, Jena, Greifswald und Rostock und bewertet die mehrheitlich gegenüber der DDR kritische Haltung der dort tätigen Professoren negativ. Auf Aussagen allgemeiner Natur, u. a. über die mangelnde Auswahl der Studenten und die Qualität der Ausbildung der Mathematiklehrer, folgen Einzelbewertungen der Mathematik-Professoren der DDR, die sich auch in persönlichen Diffamierungen wie „…ist allgemein als Intrigant in jeder Hinsicht (auch politisch) bekannt …“ äußern, [66]. Die fachlichen Leistungen traten zugunsten der ideologischen Bewertung mehr und mehr zurück. So wurde der noch 1956 als fachlich international herausragend eingeschätzte Erich KählerFootnote 19 als ideologisch unzuverlässig eingestuft. Negativ werden in den folgenden Analysen das materielle Interesse und die Bevorzugung der gestandenen Professoren erwähnt: „… daß die Wissenschaftler, vor allem die älteren Wissenschaftler, mit den hohen Gehältern gekauft werden“, [68]. In den Unterlagen wird von den damaligen Mathematik-Professoren der DDR einzig K. Schröder als politisch progressiv eingeschätzt. In dem Folgebericht vom 21.03.1958 wird zur Lage unter den Mathematik-Professoren der DDR festgestellt: „Beeinflusst durch das Fachgebiet ist der Mathematiker geneigt, sich den gesellschaftlichen Anforderungen gegenüber indifferent zu verhalten“, [69]. Das äußert sich u. a. darin, daß nur 5 Professoren SED Mitglieder sind (14 %) und „zu denen noch 5 weitere kommen, auf die man sich weitestgehend verlassen kann“, [69]. Das Papier belässt es aber nicht mit allgemeinen Feststellungen, sondern fordert einen personellen Umbruch in den mathematischen Instituten. Die vorgeschlagenen Maßnahmen umfassen wieder die Konzentration des mathematischen Potentials auf bestimmte Institutionen und einen Umbau des Lehrkörpers. Dieses Mal werden jedoch explizit Namen genannt:
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„Spätestens bis zu Ende des Studienjahre 1958/59 müssen nachfolgende Professoren aus dem Hochschuldienst entfernt werden, Prof. Dr. BrödelFootnote 20, Jena, Prof. Dr. EmerslebenFootnote 21, Greifswald, Prof. Dr. HölderFootnote 22, Leipzig, Prof. Dr. WeinelFootnote 23, Jena“, [69].
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„Die Professoren Prof. Dr. ReichertFootnote 24, Berlin, Prof. Dr. SchmidtFootnote 25, Rost., Prof. Dr. MeierFootnote 26, Jena sind weitgehendst von Hochschuldienst zu isolieren und gegebenenfalls in die reine Forschungsarbeit zu übernehmen“, [69].
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Gleichzeitig werden namentliche Vorschläge für eine besondere Förderung (u. a. K. Schröder und H. Grell) und eine Neubesetzung der mathematischen Lehrstühle in den Institituten gemacht.
Der Bericht blieb nicht folgenlos. E. Hölder nahm zum Ende des Studienjahres 1957/1958 einen Ruf von der Universität Mainz an. H. Reichardt wurde 1959 zum Direktor des Instituts für Reine Mathematik der DAW ernannt, behielt auch seine Professur an der Humboldt-Universität zu Berlin und seine dortigen Arbeitsgruppen. Wie aus den Kurzbiographien der betroffenen Mathematiker ersichtlich ist, wurden die Empfehlungen des Staatssekretariats nur teilweise umgesetzt. Noch waren zu diesem Zeitpunkt die Fakultäten der Universitäten und Hochschulen der DDR in der Besetzungspolitik relativ autonom und konnten über die Besetzung weitgehend selbst entscheiden.
Der Götzke Bericht übt deutliche Kritik an dem fehlenden eigenen wissenschaftlichen Leben in der Mathematik, etwa in der Passage „würden von den DDR Professoren die Konferenzen der DMV und GAMM besucht“, [69].
In der Information der Abtlg. Wissenschaften an das Sekretariat des ZK der SED vom 24.01.1959 wird auf den negativen Einfluss des Fehlens einer eigenen mathematischen Fachgesellschaft verwiesen und der DMV ein negativer Einfluss unterstellt: „Um alle Forschungskapazitäten auf dem Gebiet der Mathematik voll ausnutzen zu können, fehlt in der DDR eine eigene Mathematische Gesellschaft. Deshalb sind viele Mathematiker an die westdeutschen mathematischen Vereinigungen gebunden, was sich auf die sozialistische Bewußtseinsbildung unserer Mathematiker hemmend auswirkt“, [70]. Die Abtlg. Wissenschaften sprach sich in dem überarbeiteten Entwurf vom 09.02.1959 explizit für eine eigene wissenschaftliche Fachgesellschaft aus. Darin heißt es: „ Einige Mathematiker bestätigen, daß die Wissenschaftler der DDR meist erst auf Tagungen und Kongressen im Ausland zusammentreffen, in der Republik selbst kommen sie kaum zusammen, um gegenseitig ihre Ergebnisse und Erfahrungen auszutauschen. … Es wäre zu prüfen, und unter den Mathematikern zu diskutieren, zur vollen Ausnutzung aller Forschungskapazitäten auf dem Gebiet der Mathematik, eine eigene Mathematische Gesellschaft in der DDR zu bilden. Gegenwärtig sind unsere Mathematiker in gesamtdeutschen Vereinigungen erfaßt. Abgesehen von der Tatsache, daß sich die Tätigkeit in diesen Vereinigungen hemmend auf die sozialistische Bewußtseinsbildung unserer Mathematiker auswirkt, könnte eine eigene Mathematische Gesellschaft der DDR wesentlich zur Bereicherung des wissenschaftlichen Lebens beitragen. Das würde auch Auswirkungen auf die mathematische Ausbildung an den Oberschulen und der Industrie haben“, [71].
Das Staatssekretariat brachte dann die Gründung einer mathematischen Fachgesellschaft in den Entwurf eines Arbeitsplans des WBM (25.01.1960) ein. Unter Punkt 5.) Mathematische Gesellschaft der DDR wird von der Notwendigkeit der Gründung einer eigenen Fachgesellschaft ausgegangen und erste Schritte zur Umsetzung geplant. „Da die z. Zt. bestehenden Mathematischen Vereinigungen (DMV und GAMM) den komplizierten neuen Aufgaben nicht mehr gerecht werden können, insbesondere die Kontinuität der mathematischen Ausbildung von der Grundschule bis zum jeweiligen Hochschulabschluß zu sichern, ist es erforderlich, eine Mathematische Gesellschaft zu gründen, die alle in Lehre und Forschung tätigen Mathematiker (vom Grundschullehrer bis zum Professor) erfasst. Dies soll keine Konkurrenz zu den oben genannten Gesellschaften sein. Hierzu sind folgende Teilprobleme zu lösen, siehe [72]:
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5.1 Einzelaussprachen und vorbereitende Diskussion
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5.2 Planung kleinerer Fachtagungen in der DDR
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5.3 Herstellung der Verbindungen des wissenschaftlichen Beirates mit: Zentrale Fachkommission Mathematik (Fachschulbereich)
Berufsschulen
Allgemeinbildende Schulen
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5.4 Statut und organisatorische Vorbereitung
Die Gründung der MGDDR nahm damit Fahrt auf. Aus einem weiteren Bericht des Sektors Math.-Nat. des Staatssekretariats geht hervor, dass verschiedene Gremien zur Diskussion über die Gründung einer eigenen mathematischen Gesellschaft eingeladen wurden, speziell der WBM und die Zentrale Fachkommission Mathematik des Ministeriums für Volksbildung. Als wesentliche Gründe für die Gründung einer eigenen Fachgesellschaft werden die folgenden Defizite und Erwartungen an die neue Fachgesellschaft aufgeführt:
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Verhältnis zu DMV und GAMM Die fehlende „Ausstrahlung“ von Ergebnissen der DMV und GAMM in die DDR wird der DMV und GAMM angekreidet. Das betrifft den Transfer von Ergebnissen der Arbeitskreise Lehrerbildung und Ausbildung in der Oberschule der DMV sowie Ausbildung und Einsatz der Diplommathematiker, Maschinelle Rechentechnik, Ökonomische Anwendung der Mathematischen Statistik, Lineares Programmieren und Unternehmensforschung der GAMM.
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Diskontinuität beim Übergang von Schule zum Studium Der Übergang von Schule zum Mathematikstudium muss aus Sicht des Staatseketariats mehr unterstützt werden.
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Der fehlende Mathematiker-Nachwuchs Der wachsende Bedarf an Mathematikern bedarf gezielter Förderung, erwähnt werden u. a. Mathematik-Olympiaden.
In der Diskussionsrunde im WBM (01.04.1960) fand der Vorschlag zur Gründung der MGDDR nicht ungeteilte Zustimmung, insbesondere bei O.-H. Keller: „Stimmte erst zu, lehnte jedoch ab mit der Bemerkung, Prof. Dr. Schröder wolle sich damit eine eigene Mathematische Gesellschaft schaffen“, [73]. Auch Nikolaus Joachim LehmannFootnote 27 äußerte Vorbehalte. Aus allen sonstigen Diskussionsrunden wurde Zustimmung vermeldet. Der Sektor Math-Nat. schätzte die Situation so ein: „Die Meinung des Fachsektors ist folgende: Eine Mathematische Fachgesellschaft ist zu gründen. Diese Gesellschaft sollte alle Mathematiker umfassen und die verschiedensten Interessen und Aufgaben in territorialen und fachlich bedingten Sektionen vertreten (ähnlich der vor kurzem gegründeten Landwirtschaftlichen Gesellschaft). … Bei der Durchsetzung muß jedoch die Diskussion sehr vorsichtig geführt werden. Es wäre falsch, wenn der Eindruck entsteht, wenn diese gegen die DMV und GAMM gegründet wird“, [73].
5.2 Die Jahrestagungen der DMV in Halle (1961) und der GAMM in Freiberg (1960)
Scheinbar widersprüchlich sind die positiven Aussagen des Sektors Math.-Nat. des Staatssekretariats zu den Jahrestagungen der GAMM und der DMV, die 1960 (GAMM) und 1961 (DMV) in der DDR stattfanden. Die Jahrestagung der GAMM in Freiberg wurde auch aus politischer Sicht als überaus erfolgreich eingeschätzt. Das Staatssekretariat reklamierte die Auswahl der Veranstaltungsorte als Ergebnis seiner Arbeit: „Unseren Bemühungen ist es gelungen, daß wechselseitig die Deutsche Mathematiker Vereinigung und die Gesellschaft für Angewandte Mathematik und Mechanik ihre Jahrestagungen in der Deutschen Demokratischen Republik durchführen. 1961 wird die DMV ihre Jahrestagung in Halle durchführen. Das wurde seitens des Fachsektors angeregt, … “, [74]. So schmückt man sich mit fremden Federn, vgl. etwa mit dem Bewerbungsschreiben, Abb. 5.
Das Staatssekretariat hob in einer Einschätzung der Freiberger GAMM Tagung hervor: „daß die Tagung das Ansehen unserer Deutschen Demokratischen Republik bei den westdeutschen Mathematikern wesentlich hob. In geschickter Weise wurde an die Professoren und anderen Gäste die politischen Fragen herangetragen …“, [75].
Für die Jahrestagung der DMV 1961 war Halle als Austragungsort vorgesehen. Der Bau der Mauer bedeutete eine Zäsur für die deutschen Mathematiker. Die DMV-Jahrestagung im September in Halle stand nach dem 13. August 1961 auf der Kippe. Die politische Entwicklung wurde als existentielle Bedrohung für die DMV verstanden. E. Kamke appellierte in seinen Brief an das DMV-Präsidium (siehe Abb. 6) vom 01.09.1961, 3 Wochen vor seinem Tod, eindringlich, daran festzuhalten, dass die DMV die Interessen aller deutschen Mathematiker vertritt und die Jahrestagung in Halle wie geplant durchzuführen, [76].
Die Jahrestagung der DMV fand dann tatsächlich im September 1961 in Halle statt. Der Bau der Mauer wirkte sich aber direkt auf die Beteiligung und den Verlauf der Tagung aus. Die Situation auf der DMV Jahrestagung in Halle 1961 beschreibt Winfried Scharlau folgendermaßen: „Die Jahrestagung der DMV fand in jenem Jahr vom 18. bis 24.09. in Halle in der DDR statt. Es war einige Zeit unklar, ob die Tagung überhaupt abgehalten werden könnte, was viele Westdeutsche zur Absage ihrer Teilnahme veranlasste. Westberliner erhielten schon zu diesem frühen Zeitpunkt keine Einreiseerlaubnis in die DDR mehr. Die Tagung endete mit einem Busausflug in den Harz. Zurück in Halle gingen die Teilnehmer in gedrückter Stimmung auseinander, wie sich ein Teilnehmer erinnert“, [77]. Die Rede des Vertreters des Staatssekretariats auf der Eröffnungsveranstaltung war ein einziger Affront gegenüber den Gästen aus der Bundesrepublik: „… Doch niemand – auch nicht Sie, meine Damen und Herren, die Sie als Mathematiker einen Teil der deutschen Wissenschaftler repräsentieren, …kommt umhin, sich seines Platzes, seiner Rolle und Verantwortung bewußt zu werden, wenn er vor unserem Volke und vor den künftigen Generationen der Wissenschaftler bestehen will. … Es ist eine Tatsache, daß im Westen unserer Heimat dieselben unheilvollen Kräfte, die Deutschland und die Welt in zwei grausame Kriege geführt haben, wiederum die Machtpositionen innehaben und ein drittes Mal versuchen, ihre schon zweimal gescheiterten Pläne erneut zu verwirklichen. Verändert haben sie lediglich einige Losungen, die Methoden ihrer Vorbereitungen wurden einfach aus der Vergangenheit übernommen. … Neu ist, daß die Idee der Nation offen verraten wurde und nur noch hervorgeholt wird, um revanchistische Stimmungen zu schüren; furchtbar aber sind die Mittel, die für die Verwirklichung der alten Pläne eingesetzt werden sollen. Es ist ein gefährliches Versäumnis, daß die friedliebenden Kräfte im Westen unserer Heimat – die Arbeiter und die werktätigen Bauern, die Angestellten und die Mehrheit der Intelligenz – sich noch nicht vereinigt und die Pläne der Militaristen und Rüstungsindustriellen zunichte gemacht haben. … In den Plänen Bonns war Westberlin die Rolle des Zünders zugedacht. Westberlin – seit Jahren mit zahlreichen Agentenorganisationen und Zentrum der psychologischen Kriegsführung und wirtschaftlichen Störtätigkeit gegen die DDR – wurde in den letzten Monaten als Provokationsherd dazu benutzt, um Unruhe in der DDR zu schüren. …“, [78].
Teilnehmer aus der Bundesrepublik verließen unter Protest die Eröffnungsveranstaltung (mündliche Mitteilung von Rolf KlötzlerFootnote 28, der Teilnehmer dieser Jahrestagung und von 1981–1990 Vorsitzender der MGDDR war).
Dass die Tagung überhaupt stattfand, war dem persönlichen Einsatz von O.-H. Keller, dem damaligen Vorsitzenden der DMV und örtlichen Tagungsleiter zu verdanken. So verlegte er sogar die Sitzung des DMV-Präsidiums in seine Privaträume, siehe Abb. 7.
Natürlich war das auch dem Umstand geschuldet, dass das Staatssekretariat offenbar noch keine neue Weisung vom ZK der SED erhalten hatte und noch an der Linie „nicht gegen DMV und GAMM“ festhielt. Das änderte sich schnell. Die in Aussicht genommene GAMM-Tagung 1962 in Weimar konnte schon nicht mehr in der DDR stattfinden.
Friedrich Hirzebruch (Universität Bonn) übernahm nach der Jahrestagung in Halle den Vorsitz der DMV. F. Hirzebruch bemühte sich um den Fortbestand der DMV als gesamtdeutsche Interessenvertretung für die Mathematiker aus Ost und West. Wegen der fast völlig fehlenden Reisemöglichkeit für DDR-Mathematiker in die Bundesrepublik konnten Mathematiker der DDR nicht mehr zu Tagungen in die Bundesrepublik reisen. Das galt auch für die DDR-Vertreter im DMV-Präsidium, West-Berliner durften nicht mehr nach Ost-Berlin. Deshalb wurden am 16.12. und 17.12.1961 getrennte Präsidiumssitzungen der DMV in Ost- und West-Berlin anberaumt, siehe Abb. 8. Wie aus dem Einladungsschreiben hervorgeht, wurde auch bei diesen Präsidiumssitzungen bewusst versucht, die politischen Konflikte zwischen der DDR und der Bundesrepublik herauszuhalten und die Arbeit der DMV als gesamtdeutsche wissenschaftliche Vereinigung der Mathematiker fortzusetzen, [79].
Die Ost-Berliner Sitzung war die letzte Präsidiumssitzung auf dem Gebiet der DDR bis zur Wiedervereinigung. Denn die Würfel waren längst gefallen. Bereits zuvor, am 15.12.1961, fand eine Sitzung des WBM statt, auf der die Gründung einer eigenen mathematischen Fachgesellschaft ein Schwerpunkt war. K. Schmidt, Hauptreferatsleiter Mathematik im Staatssekretriat, Dipl.-Math. und ehemaliger Mitarbeiter an der DAW, begründete die Notwendigkeit mit folgenden Argumenten:
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1.
eigene Vertretungen in internationalen Vereinigungen;
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2.
engere Verbindung zum sozialistischen Ausland;
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3.
Herstellung und Entwicklung eines eigenen mathematischen Lebens in der DDR;
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4.
Mithilfe bei der Ausbildung und Forschung,
siehe [80].
Im Text heißt es weiter: „Der 3. Punkt wurde als besonders wichtig anerkannt und zeigte sich als besonders zugkräftig.“. K. Schmidt betonte zwar nochmals, dass damit „keine Spaltung der GAMM und DMV erzeugt werden soll“, [80]. Allerdings wird auch „auf die enge Verknüpfung der GAMM mit dem Monopolkapital hingewiesen und auf die Tatsache, daß beide Gesellschaften (GAMM und DMV) unsere gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Interessen nicht vertreten können und das auch in der Vergangenheit dokumentiert haben“, [80]. Trotz Kritik von mehreren Mitgliedern wurde unter dem Vorsitz von K. Schröder ein Initiativkomitee gebildet, dass die Gründung einer mathematischen Gesellschaft der DDR vorbereiten sollte. K. Schmidt wurde Sekretär des Komitees. Der letzte Satz des Berichts „Die Gründungsveranstaltung soll Ende März/Anfang April stattfinden“, [80], zeigt, dass der Beschluss reine Formsache war.
5.3 Neue Rahmenbedingungen für die Tätigkeit wissenschaftlicher Gesellschaften und der Bericht zur Lage der Mathematik vom 23.03.1962
Die Abtlg. Wissenschaften des ZK der SED sah nach dem Bau der Mauer die Zeit gekommen, die Bedingungen für die Tätigkeit wissenschaftlicher Gesellschaften in der DDR zu novellieren. Dazu diente der „Entwurf für die Neuorientierung in der Arbeit der wissenschaftlichen Gesellschaften, Vereinigungen und Organisationen“, [81], vom 23.02.1962.
Dort wurde vom Staatssekretariat eine gründliche Analyse der Situation in den verschiedenen wissenschaftlichen Fächern gefordert. Die Gründung eigener Fachgesellschaften wird als alternativlos angesehen: „Es muß begonnen werden, auf den wichtigsten Gebieten – Mathematik, Technik, Germanistik – schrittweise die Gründung neuer Gesellschaften oder ähnlicher wissenschaftlicher Vereinigungen voranzutreiben“, [81]. Die Mitgliedschaft in wissenschaftlichen Gesellschaften, die in der Bundesrepublik beheimatet sind, wird kategorisch abgelehnt: „Die Wissenschaftler unserer Republik, die in westdeutschen und „gesamtdeutschen“ Gesellschaften Mitglied sind, sollten durch die zuständigen staatlichen Organe veranlaßt werden, ihre Tätigkeit in diesen Gesellschaften einzustellen“, [81]. Zudem wird eine Registrierungs- und Genehmigungspflicht vorgeschlagen: „Alle Kollektiv- und Einzelmitgliedschaften von Institutionen bzw. von Bürgern der DDR in wissenschaftlichen Gesellschaften anderer Staaten sollten melde- und genehmigungspflichtig gemacht werden“, [81].
5.4 Der Bericht zur Lage in der Mathematik von 1962 und die Vorbereitung der Gründung der MGDDR
Der Sektor Math.-Nat. des Staatssekretariats beeilte sich, der Aufforderung zur Analyse der Situation in der Mathematik nachzukommen. K. Schmidt zeichnet verantwortlich für den Bericht „Information über die Lage in der Mathematik und die Gründung einer Mathematischen Gesellschaft in der DDR“, [65]. Der Abteilungsleiter Wissenschaften im ZK, J. Hörnig, leitete ihn direkt an den Sekretär des ZK für Wissenschaft, Volksbildung und Kultur, K. Hager, weiter. In seinem Anschreiben formulierte J. Hörnig das so: „In der Anlage übersenden wir Dir eine erste Information über die Lage in der Mathematik, insbesondere unter dem Aspekt der Gründung einer Mathematischen Gesellschaft in der Deutschen Demokratischen Republik und unseres Verhältnisses zur Deutschen Mathematiker Vereinigung und zur Gesellschaft für Angewandte Mathematik und Mechanik“, [65]. Der Bericht stellt fest: „Es gibt eine Reihe von Mängeln auf dem Gesamtgebiet der Mathematik (Forschung, Lehre, Ausbildung des Nachwuchses etc.) im Bereich des Hoch- und Fachschulwesens sowie im Bereich der Volksbildung, die einer drängenden Lösung zugeführt werden müssen“, [65]. Der bewusst kritische Ton des Berichts zielt darauf ab, die Gründung einer Mathematischen Gesellschaft der DDR nochmals zu rechtfertigen, die – wie aus dem obigen Text hervorgeht – eigentlich beschlossene Sache war. Der Bericht beginnt mit einer Analyse der Situation der Mathematik in den Hoch- und Fachschulen, in den allgemeinbildenden Schulen und der Industrie, speziell unter dem Aspekt der Beziehungen zu Mathematikern in der Bundesrepublik. Die Situation im Hochschulbereich wird wie folgt beschrieben:
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„Die Aufgabe der soz. Erziehung der Studenten und des wiss, Nachwuchses wird mit wenigen Ausnahmen … nicht anerkannt“, [65].
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„Ein großer Teil der Professoren hat noch keine klare Vorstellung von der Perspektive der gesellschaftlichen Entwicklung in Deutschland. Sie orientieren sich sehr stark auf das kap. Ausland (einschl. Westdeutschland) und haben die politische Entwicklung nach dem 13. August noch nicht verstanden“, [65].
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„Bis auf wenige Ausnahmen schweben alle Professoren in der Illusion gesamtdeutscher, einheitlicher Wissenschaft, die durch die sogen. gesamtdeutschen Mathematiker-Gesellschaften GAMM und DMV dokumentiert wird. Sie sind sehr eng mit diesen Vereinigungen verknüpft, teils als Mitglieder, teils als Vorstandsmitglieder. Sie meinen, daß es ein großes Entgegenkommen der westdeutschen Mathematiker sei, daß die Mathematiker der DDR in diesen Gesellschaften mitarbeiten können und auch im Vorstand paritätisch vertreten sind. … Das beruht darauf, daß sie über den Charakter der beiden deutschen Staaten keine Klarheit haben und die nationale Frage und deren Lösung nicht begriffen haben“, [65].
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„Man muß feststellen, daß ein großer Teil unserer Professoren sich bei ihren westdeutschen Kollegen anbiedern (z. B. Prof. Keller, Prof. Heinrich, Prof. KneschkeFootnote 29) und bei gewissen Entscheidungen erst die westdeutsche Meinung einholen. So fühlen sich z. B. eine Reihe von republikflüchtigen Professoren noch als „Herren“ unserer mathematischen Institute (Nationalpreisträger Prof. HasseFootnote 30, Prof Hölder [gemeint ist Ernst Hölder], Prof. Kähler, Prof. CollatzFootnote 31), [65].
Während im Hochschulbereich die ideologischen Probleme hervorgehoben wurden, konstatierte der Bericht im Fachschulbereich und den allgemeinbildenden Schulen fachliche Probleme. Die Qualität der Mathematikausbildung an den Fachschulen sowie an den allgemeinbildenden Schulen und die Befähigung der Lehrkräfte wurde im Bericht als ungenügend eingeschätzt.
Bei der Darstellung der Beziehungen zu DMV und GAMM wird einerseits darauf verwiesen, dass die Tagungen dieser Gesellschaften nur alle vier Jahre in der DDR stattfinden und dass das angeblich nur auf Betreiben des Staatssekretariats erfolgte. Das steht offensichtlich im Widerspruch zu der Feststellung im Bericht, dass das DMV-Präsidium zwar paritätisch besetzt sei sowie dass nur 16 % der 550 DMV-Mitglieder aus der DDR stammen. Trotzdem wird behauptet, dass die DDR-Mathematiker in der DMV nicht angemessen vertreten seien. Generell werden DMV und GAMM als „ausgesprochen westdeutsche Vereinigungen“ eingestuft, die die Interessen der Bundesrepublik und des „Monopolkapitals“, [65], vertreten. „Bei der GAMM kann man ebensowenig wie bei der DMV von einer „gesamtdeutschen“ Vereinigung sprechen, im Gegenteil, ist ebenso wie die DMV auch die GAMM eine ausgesprochen westdeutsche Vereinigung, die überdies noch stark mit dem Monopolkapital verknüpft ist“, [65]. K. Schmidt vermerkt aber auch, dass große Teile vor allem der Professoren in den beiden Fachgesellschaften verankert sind. Der Bericht listet die Lager der Befürworter, der Zögerer und der Gegner der Gründung einer Mathematischen Gesellschaft der DDR auf und benennt das Datum der Gründung. Er spricht sich ob des zu erwartenden sehr großen Widerstands in der Professorenschaft vorsichtig für eine vorläufige Tolerierung der Mitgliedschaften in DMV und GAMM aus.
Der Bericht enthält auch persönliche Diffamierungen von Mathematikern aus der DDR und der Bundesrepublik.
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Bei der Einschätzung des wissenschaftlichen Nachwuchses findet sich etwa folgende Passage: „Fast alle Assistenten und Oberassistenten am 1. Mathematischen Institut in Halle werden von Prof. Keller stark beeinflußt. Sie gehen gemeinsam zu Gottesdiensten und besuchen gemeinsam Veranstaltungen einer Sekte in der Prof. Keller verankert ist,“, [65].
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Erstmals wird in dem Bericht auch die politische Haltung vieler Mathematik Professoren der Bundesrepublik eingeschätzt. K. Schmidt teilt die Mathematiker der Bundesrepublik im Abschnitt „Situation unter den westdeutschen Mathematikern an den Universitäten und Hochschulen“ in die Kategorien
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„Mit folgenden Mathematikern kann man Verbindung halten“, [65] und
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„Folgenden Mathematiker sind als negative bzw. feindliche Kräfte aufgefallen“, [65].
und verwendet zur Charakterisierung einzelner Professoren Attribute wie „Revanchist, Faschist, arrogantes Auftreten unseren Wissenschaftlern gegenüber, alter Nazi, aktiver SA-Mann, gefährlicher Gegner“, [65].
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Im Bericht werden falsche Behauptungen aufgestellt, z. B. „Die DMV ist in internationalen Vereinigungen (IMU, IMUK) ausschließlich durch westdeutsche Professoren vertreten, …“, [65].
Die erste Sitzung des Initiativkomitees zur Gründung der MGDDR fand am 04.05.1962 statt. Dazu wurde auch ein Vertreter der Abtlg. Wissenschaften des ZK der SED eingeladen. Als Inhalte der Sitzung waren die Diskussion über das Statut der MGDDR und die organisatorische Vorbereitung der Gründungsversammlung vorgesehen, [83]. Im Protokoll der Sitzung ist vermerkt, dass der Entwurf des Statuts in der vorliegenden Form akzeptiert wurde. Der Bericht merkt an, dass wegen der Reisebestimmungen bei den DDR-Mathematikern Resignation zu verzeichnen ist, was der Gründung der MGDDR förderlich sei. In diesem Zusammenhang muss auf die Vorlage vom 26.03.1962 an das Sekretariat des ZK der SED zur „Entsendung von Wissenschaftlern der Deutschen Demokratischen Republik zu Tagungen und Kongressen in nichtsozialistische Länder und nach Westdeutschland“, [84], verwiesen werden, die den Reiseverkehr praktisch zum Erliegen brachten. Darin heißt es: „Das Sekretariat der SED beschließt: … Bei der Entsendung von Wissenschaftlern der Deutschen Demokratischen Republik zu Tagungen und Kongressen in das nichtsozialistische Ausland und nach Westdeutschland ist nach folgenden Prinzipien zu verfahren: … Vom Besuch der Veranstaltungen ist abzusehen oder der Tagungsbesuch abzubrechen wenn ein selbstständiges Auftreten der DDR nicht gewährleistet ist und Diskriminierungsmaßnahmen erfolgen, die internationale Organisation unter maßgeblichen Einfluß reaktionärer Kräfte steht und die Tagung zu politischen Zwecken gegen die DDR mißbraucht wird, der wissenschaftliche Nutzen gering ist. Bei der Entscheidung über die Teilnahme an Tagungen und Kongressen sowohl internationaler Organisationen als auch nationaler wissenschaftlicher Vereinigungen und Einrichtungen ist neben dem zu erwartenden wissenschaftlichen Nutzeffekt das entscheidende Kriterium, die Politik Bonns und der übrigen NATO-Länder zur Isolierung der Wissenschaft der DDR und zur Diskriminierung der Bürger unseres Staates zu duchkreuzen“, [84].
Damit wurde die Teilnahme an Veranstaltungen von DMV und GAMM einschließlich der Präsidiumssitzungen unmöglich.
Das Staatssekretariat erstellte dann für das Sekretariat des ZK der SED eine Vorlage zu einem Beschluss zur Gründung der Mathematischen Gesellschaft der Deutschen Demokratischen Republik. Eine Zusammenfassung der wesentlichen Inhalte:
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Es wird um Zustimmung des ZK der SED gebeten.
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Die MGDDR soll alle mathematisch tätigen und interessierten Kräfte aus dem Hoch- und Fachschulbereich, der Akademien, der Volksbildung, der Industrie und Verwaltung integrieren.
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Als Aufgaben der MGDDR werden im Wesentlichen die in [80] formulierten benannt.
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Die Verantwortung für das Statut liegt beim Staatsseketariat.
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Die Gesellschaft wird zunächst dem Staatssekretariat „unterstellt“, siehe [85].
In den Unterlagen des Bundesarchivs findet sich im Anschluss an diese Vorlage eine Begründung der Notwendigkeit einer Mathematischen Gesellschaft der DDR, die wohl aus der Feder der Abtlg. Wissenschaften des ZK der SED stammt. Hier wird die harte Linie aus der Vorlage zur Neuausrichtung der wissenschaftlichen Gesellschaften festgeschrieben. Das betrifft insbesondere die Mitgliedschaft von DDR-Mathematikern in der DMV und GAMM und die Vertretung in internationalen Vereinigungen: „ Um das eigene mathematische Leben optimal zu entwickeln, ist eine Mathematische Gesellschaft der Deutschen Demokratischen Republik notwendig, die alle mathematisch tätigen und interessierten Kräfte vereinigt. Bisher waren diese Kräfte in der DDR – insbesondere die Wissenschaftler – Mitglieder sogenannter „gesamtdeutscher“ Gesellschaften, der Gesellschaft für angewandte Mathematik und Mechanik (GAMM) und der Deutschen Mathematiker-Vereinigung (DMV). Diese Mitgliedschaften werden mit der Gründung unserer eigenen Gesellschaft annuliert; das Staatssekretariat für das Hoch- und Fachschulwesen arbeitet für die dazu erforderlichen Aussprachen ein entsprechendes Argumentationsmaterial aus. In besonders begründeten Ausnahmefällen soll für eine Übergangszeit einer Doppelmitgliedschaft (DDR-Gesellschaft und GAMM oder DMV) zugestimmt werden. Wissenschaftliche Beziehungen zwischen der Mathematiker-Gesellschaft und den westdeutschen Gesellschaften sind nur möglich auf der Grundlage von Vereinbarungen, nach denen entsprechend der Politik von Partei und Regierung die Souveränität der DDR akzeptiert wird. Die Vertretung der Mathematiker der DDR in internationalen Vereinigungen und auf internationalen Tagungen durch „gesamtdeutsche“ Gesellschaften ist hinfällig und soll, nachdem die Mathematische Gesellschaft der DDR Arbeitsergebnisse aufzuweisen und sich gefestigt hat, von dieser übernommen werden. Bis dahin wird ein Nationales Komitee der Mathematiker der DDR diese Belange wahrnehmen“, [86].
K. Schmidt übernahm dann die weitere organisatorische Vorbereitung der Gründungsversammlung der MGDDR. Dazu zählten die
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Personelle Besetzung des Vorstandes der MGDDR: Im Wesentlichsen setzte sich der Personenkreis der Vorstandsmitgliedern aus den Mitgliedern des Initiatiativkomitees zusammen. Für K. Schmidt war übergangsweise die Funktion des wissenschaftlichen Sekretäts vorgesehen (nebenamtlich).
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Gästeliste und Einladungen für den anschließenden Empfang: Einladungen zur Gründungsversammlung gingen ausschließlich an Mathematiker aus dem sozialistischen Ausland. Für den anschließenden Empfang finden sich auf den ersten Positionen der Gästeliste die Vertreter der SED, des Staatssekretariats und der DAW.
Die eigentliche Geschichte der MGDDR beginnt am 08.06.1962 und ist Gegenstand des zweiten Teils. Zuvor sollen hier aber zwei weitere Entwicklungen besprochen werden, die eng mit der Gründungsgeschichte der MGDDR zusammenhängen.
5.5 Die DDR-Mathematiker und die IMU
Das erste „Nationalkomitee der Mathematiker der DDR“ wurde im Vorfeld des International Congress of Mathematicians(ICM) 1958 in Edinburgh gegründet. In der Mitteilung des Staatssekretariats vom 21.04.1958 heißt es: „Zur Vorbereitung und Sicherung des unabhängigen und selbstständigen Auftretens der zu entsendenden DDR-Delegation zu o.g. Kongreß [gemeint ist der ICM 1958 in Edinburgh] wurde ein Nationalkomitee gebildet. Ihm gehören an
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Prof. Dr. Schröder, Berlin, 1. Vorsitzender
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Prof. Dr. Grell, Berlin, 2. Vorsitzender
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Dr. Kerstan, Berlin, SED, Sekretär
Seitens des Nationalkomitees wird folgende Delegation vorgeschlagen, der auch die Genossen der Abteilung Wissenschaften des ZK zugestimmt haben. … Die Zusammensetzung der Delegation wurde in der Weise durchgeführt, daß eine würdige Vertretung der DDR zum Internationalen Kongreß gewährleistet ist. Für die aufgeführten Mitglieder liegt in den meisten Fällen eine Bestätigung der Universitätsparteileitung vor. Wo dies noch nicht der Fall ist, wird eine Bestätigung nachgefordert. Werden Einwände geltend gemacht, hat dies ein Zurückziehen der Vorschläge zur Folge…“, [87].
Auf der Generalversammlung (General Assembly) der IMU 1958 in St. Andrews wurden die deutschen Mathematiker noch durch das Nationalkomitee Deutschland vertreten. Wie oben erwähnt gehörte dazu auch der Ost-Berliner K. Schröder, [88].
Die Gründung des ersten Nationalkomitees Mathematik der DDR vollzog sich also wesentlich früher als die Gründung der MGDDR. Allerdings war die Gründung dieses Komitees wohl eher formaler Natur. Es sind keine weitere Aktivitäten dieses Komitees belegt.
Seit 1960 bemühte sich die DAW um Aufnahme in den International Council of Scientific Unions (ICSU). Gegen den Widerstand der Deutschen Forschungsgemeinschaft wurde die DAW auf der Generalversammlung im September 1961 in den ICSU aufgenommen. Das führte auch zu verstärkten Anstrengungen, um die Mitgliedschaft in anderen internationale Vereinigungen zu erreichen, auch in der IMU. Vom 19.01.1962 datiert ein Schreiben des Präsidenten der DAW, Werner Hartke, an den Staatssekretär, das die Mitgliedschaften in der IMU und der „Internationalen Union für Reine und Angewandte Mechanik“ betrifft, [89]. Mit der letzteren Gesellschaft ist wohl die International Union of Theoretical and Applied Mechanics (IUTAM) gemeint. W. Hartke hielt eine Klärung der Mitgliedschaft der DDR in diesen Gesellschaften vor den bevorstehenden Generalversammlungen der IUTAM „im August 1962 in Aachen“Footnote 32, [89],, und der IMU im August 1963 in Stockholm für dringend und schlug dazu eine Besprechung am 06.02.1962 vor, zu der hochrangige Vertreter aus dem Staatssekretariat und der Abtlg. Wissenschaften und auch „einige Mathematiker“ eingeladen wurden. [89]. Bereits am 02.03.1962 stellte dann der Generalsekretär der DAW, Günther Rienäcker, den Antrag auf Aufnahme in die IMU (siehe Abb. 9): „Im Auftrage des Präsidiums der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin habe ich die Ehre, hierdurch den Antrag auf Aufnahme der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin als vertretende Körperschaft der Deutschen Demokratischen Republik gemäß §3 der Statuten in die International Mathematical Union zu stellen“, [90].
Natürlich wurde die DMV – wie auch bei den Vorbereitungen zur Gründung der MGDDR – über den Antrag auf Mitgliedschaft der DDR in der IMU nicht informiert. Die DMV erlangte offizielle Kenntnis vom Antrag der Akademie erst durch eine Information des Executive Board der IMU. Lediglich H. Reichardt, der zu dieser Zeit Mitglied des Präsidiums war, informierte am 26.02.1962 die DMV über die Gründung des Nationalkomitees Mathematik DDR an der DAW und wies auf die damit verbundenen Schwierigkeiten für die Beteiligung von DDR-Mathematikern am Nationalkomitee Deutschland hin. Der Antrag der DDR wurde von der IMU erstmals auf dem 16. Executive Commitee Meeting der IMU vom 24.–26.04.1962 in Rom diskutiert: „The letter from the Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin, asking for separate membership for East Germany was read. It was resolved that a copy of the letter should be sent to the Deutsche Matbematiker Vereinigung for their comments, since the D.M.V. is at present the National Adhering Organization for (all of) Germany. In the meanwhiIe, the letter from East Germany should be acknowledged and Professor Rienäcker should be informed that it is under consideration“, [91].
Der Antrag löste intensive Diskussionen in der DMV über ihre Positionierung zu diesem Antrag und zwischen IMU und DMV aus, die sich bis weit über die Gründung der MGDDR hinzog. DMV und GAMM betrachteten sich weiter als wissenschaftliche Gesellschaften, die die Interessen der Mathematiker der Bundesrepublik und der DDR vertraten. In Zusammenhang mit den Beziehungen zwischen den DDR-Mathematikern und der DMV wird darauf im nächsten Teil näher eingegangen. Zur Entwicklung der internationalen mathematischen Fachgesellschaften in dem jeweiligen politischen Umfeld liegt seit 2022 das umfangreiche Buch Framing Global Mathematics von Norbert Schappacher vor, [92]. Der Autor geht allerdings auf den Beitritt der DMV zur IMU nicht detailliert ein.
5.6 MGDDR und Wissenschaftlicher Beirat Mathematik
Der WBM spielte wie schon dargestellt eine nicht unwichtige Rolle bei der Gründung der MGDDR. Ein wesentlicher Grund für die Installation einer eigenen Fachgesellschaft war neben dem Fehlen eines eigenen wissenschaftlichen Lebens und der fast völlig unmöglich gewordenen Teilnahme an Veranstaltungen in der Bundesrepublik auch die Unzufriedenheit von Partei- und Staatsführung mit der Arbeit des WBM. Wie oben zitiert, war für Staatssekretariat und ZK der SED der WBM das wichtigste Gremiun, um die Entwicklung der mathematischen Forschung und Ausbildung zu beeinflussen. Aber der WBM konnte die in ihn gesetzten Erwartungen nur bedingt erfüllen, was zu mehrfachen personellen Umbesetzungen führte.
Im Bericht des Staatssekretariats von 1960 wird dem WBM Versagen attestiert: „Der Beirat steht nicht auf der Höhe seiner Aufgaben. Es werden zu wenig die Entwicklungsprobleme des Hochschulwesens behandelt. Der Beirat ist ein Gremiun, das über ausgearbeitete Materialien abstimmt ohne sie jedoch selbst zu erarbeiten“, [93]. Als Ursachen werden die personelle Zusammensetzung des WBM, die Schwäche der Parteigruppe des Beirats und die unbefriedigende Arbeit des Vorsitzenden, K. Schröder ausgemacht. Bereits 1958 war der WBM in die Kritik geraten: „Die Aufgaben des V. Parteitages erfordern in der Fachrichtung Mathematik, daß der Wiss. Beirat Mathematik zu einer Körperschaft wird, die aktiv an der Verwirklichung der gefaßten Beschlüsse mithilft. Der bisherige Beirat … ist diesen Aufgaben nicht mehr gewachsen und soll in der vorliegenden Form generell aufgelöst werden“, [94]. Bei der Umbildung wurden politisch unliebsame Vertreter, etwa E. Kähler und W. Brödel aus dem WBMFootnote 33 entfernt, das Gremium personell erweitert und der Anteil der Genossen aufgestockt. Ebenfalls wurde ein Vertreter „aus der Praxis“ (Industrie) in das Gremiun kooptiert. Am 01.02.1959 wurde auf der ersten Sitzung des neu zusammengesetzten WBM die Gründung dreier Arbeitsgemeinschaften (AGs) beschlossen, der AG Studienpläne, der AG Berufsbilder und der AG Schulfragen, [95]. Aber die Situation änderte sich nicht wirklich. Es gab weiterhin Kritik an der Arbeit des Wissenschaftlichen Beirats, speziell zur „Empfehlung zur Ausbildung und zum Einsatz von Mathematiklehrern an unseren polytechnischen Oberschulen“, [96], diesmal vom ZK: „Nach unserer Auffassung kann jedoch diese Empfehlung noch nicht befriedigen. Wir würden vorschlagen, im wissenschaftlichen Beirat den „Plan zur sozialisitischen Entwicklung der Lehrerbildung“ intensiv zu beraten und dann ihre eigene Empfehlung nochmal zu überarbeiten“, [97]. Offensichtlich kamen ZK und Staatssekretariat zum Schluss, dass die beanstandeten Defizite bei der Entwicklung der Mathematik in der DDR, insbesondere des wissenschaftlichen Lebens nur mittels einer eigenen Fachgesellschaft gelöst werden können. Es ist etwas überraschend, dass man trotz der Kritik an der Arbeit des WBM bei der Besetzung des Vorstandes der MGDDR auf dasselbe Führungspersonal, insbesondere auf K. Schröder, zurückgriff, obwohl ja seine Rolle im Beirat und seine Forschungsergebnisse kritisch beurteilt wurden. Man sah trotz der Kritik in K. Schröder die Persönlichkeit unter den Mathematik-Professoren der DDR, die über die nötige Autorität verfügt, um die MGDDR zum Erfolg und auf die Linie von Partei und Staat zu führen.
Notes
Kurt Schröder (1909–1978), der aus einfachen Verhältnissen stammte, promovierte 1933 bei E. Schmidt mit einer Arbeit zum Thema „Einige Sätze aus der Theorie der kontinuierlichen Gruppen linearer Transformationen“. Sein Antrag auf einen Dozentenstipendium wurde wegen „politischer Inaktivität“ abelehnt. Er nahm deshalb eine Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt (DVL) in Berlin-Adlershof auf und war maßgeblich an der Entwicklung numerischer Verfahren in der Strömungsmechanik beteiligt. K. Schröder leistete damit Pionierarbeit für das aktuelle Forschungsgebiet Computational Fluid Dynamics. Nach seiner Habilitation 1939 wurde er 1940 auch Dozent für Mathematik an der damaligen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin. 1946 wurde er dort als Professor berufen und leitete von 1947 bis 1968 als Direktor das II. Mathematische Institut. 1951 wurde K. Schröder erster Prorektor für Forschungsangelegenheiten an der 1949 in Humboldt-Universität zu Berlin umbenannten Universität und Mitglied der Deutschen Akademie der Wissenschaften. 1959 wurde er, obwohl kein Genosse, zum Rektor der HU gewählt. Seit 1950 leitete er zudem das Institut für angewandte Mathematik der DAW, [11] und [12] und seit 1971 das Zentralinstitut für Mathematik und Mechanik der Akademie der Wissenschaften der DDR.
Heinrich Grell (1903–1974) promovierte 1926 bei Emmy Noether mit dem Thema „Beziehungen zwischen den Idealen verschiedener Ringe“. 1930 habilitierte er sich in Jena. Während des zweiten Weltkriegs war er in der Luftfahrt und beim Reichsforschungsrat beschäftigt. 1948 nahm er einen Ruf an die Humboldt-Universität zu Berlin an. 1959 wurde er zudem Geschäftsführender Direktor des Instituts für Reine Mathematik der DAW. 1962 wurde H. Grell Mitglied der Deutschen Akademie der Wissenschaften. Wie K. Schröder war H. Grell nicht Mitglied der SED, vertrat aber offensiv den Kurs der DDR und wurde 1962 Stellvertreter von K. Schröder in der MGDDR.
Herbert Grötsch (1902–1993) studierte von 1922 bis 1926 Mathematik in Jena. Er promovierte 1920 bei Paul Koebe mit der Arbeit „Über konforme Abbildung unendlich vielfach zusammenhängender schlichter Bereiche mit endlich vielen Häufungsrandkomponenten“. Nach seiner Habilitation an der Universität Gießen 1931 arbeitete er dort als Privatdozent. 1935 erfolgte seine Entlassung, weil er die Mitgliedschaft in der SA verweigerte. Nach Fronteinsatz und Erkrankung arbeitete er an der Entwicklung von Strahltriebwerken am Aerodynamischen Institut in Göttingen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war er an der Universität Marburg tätig. 1948 erhielt er einen Ruf als Professor von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, den er bis zu seiner Emeritierung 1967 innehatte. 1959 wurde er Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina.
Rudolf Kochendörffer (1911–1980) studierte Mathematik ab 1930 an der Berliner Universität und promovierte 1936 dort mit der Arbeit „Untersuchungen über eine Vermutung von W. Burnside“. Von 1938 bis 1939 arbeitete er als Assistent an der Universität Göttingen. Ab 1939 bis 1945 wurde er für die Dechiffrierabteilung des Auswärtigen Amtes und nach seiner Einberufung 1942 für die Dechiffriergruppe des Oberkommandos der Heeres dienstverpflichtet. Nach seiner Habilitation wurde er 1948 Dozent, anschließend Professor in Greifswald. 1950 nahm er einen Ruf an die Universität Rostock als Professor an. 1968 kehrte er nach einem Gastaufenthalt in Australien nicht in die DDR zurück. Er wurde zunächst an die Universität Mainz berufen und lehrte ab 1970 bis zu seiner Emeritierung an der Universität Dortmund, siehe auch [13].
Hermann Ludwig Schmid (1908–1956) war zunächst Gymnasiallehrer. Er promovierte bei Helmut Hasse 1934 mit einer Arbeit zum Thema „Über das Reziprozitätsgesetz in relativ-zyklischen algebraischen Funktionenkörpern mit endlichem Konstantenkörper“ und war von 1935–1937 dessen Assistent. Nach seiner Habilitation 1939 in Gießen wurde er 1940 Privatdozent an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin und dort 1946 zum Professor berufen. H. L. Schmid war wesentlich am der Reorganisation der Berliner Mathematik nach dem Ende des NS-Regimes beteiligt, inbesondere an der Gründung des Instituts für Reine Mathematik der DAW, siehe auch das Antragsschreiben zur Gründung eines mathematischen Forschungsinstituts vom 30.08.1946, [22]. Mit Josef Naas gab er zusammen das Mathematische Wörterbuch heraus. 1947 bis 1953 war er Herausgeber des Zentralblatts für Mathematik. H. L. Schmid wechselte 1953 an die Julius-Maximilians-Universität Würzburg.
Erhard Schmidt (1876–1959), der bei David Hilbert mit dem Thema „Entwicklung willkürlicher Funktionen nach Systemen vorgeschriebener Integralgleichungen“ 1905 promovierte. gilt als einer der Begründer der Funktionalanalysis. 1917 nahm er einen Ruf als Nachfolger von Hermann Amandus Schwarz an die Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin an. Er war 1929/30 Rektor der Universität. Bis zu seiner Emeritierung 1950 war E. Schmidt wohl die einflussreichste Persönlichkeit in der mathematischen Professorenschaft der SBZ und der DDR, siehe auch [23] und [24].
Heinrich Brandt (1886–1954) promovierte 1912 mit der Arbeit „Zur Komposition der quaternären quadratischen Formen“ bei Heinrich Weber in Straßburg, war dann zunächst an der Technischen Hochschule Karlsruhe wissenschaftlicher Assistent. Nach seiner Verwundung im Ersten Weltkrieg habilitierte sich H. Brandt 1917 und lehrte von 1921–1930 an der RWTH Aachen. 1930 folgte er einem Ruf an die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Nach 1945 wurde er der erste Dekan der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät. Von 1952 bis 1954 war er Vizepräsident der Leopoldina, siehe [29].
Ott-Heinrich Keller (1906–1990) promovierte 1931 in Frankfurt bei Max Dehn mit der Arbeit „Über die lückenlose Erfüllung des Raumes mit Würfeln“. Danach war er Assistent in Frankfurt und an der Technischen Hochschule Berlin. Dort habilitierte er sich 1933 und wurde 1941 zum Professor ernannt. Im Zweiten Weltkrieg lehrte er Mathematik und Mechanik an der Marineschule Mürwik. 1946 wurde O.-H. Keller Professor in Münster, ab 1947 an der Technischen Hochschule Dresden. Von 1952 bis zu seiner Emeritierung 1971 war er an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg tätig. Fachlich war O.-H. Keller, [47], unumstritten. Wegen seiner kirchlichen Aktivitäten in der Evangelischen Forschungsakademie und der Gemeinde sowie der Unterstützung ähnlich denkender Studenten galt er als politisch unzuverlässig. Bis 1966 blieb O.-H. Keller Mitglied der DMV und war bis dahin auch Mitglied des Präsidiums, siehe auch den Nachruf im DMV-Jahresbericht, [48]. Auch auf seine Schüler hat O.-H. Keller die Idee der Wissenschaftsfreiheit übertragen. O.-H. Keller wurde 1958 Mitglied der Sächsischen Akademie der Wissenschaften und der Leopoldina.
Karl Maruhn (1904–1976) studierte Mathematik und Physik in Leipzig und Tübingen. Er promovierte 1930 bei Leon Lichtenstein mit der Arbeit „Ein Beitrag zur mathematischen Theorie der Gestalt der Himmelskörper“. Nach seiner Arbeit als Lehrer wurde er 1939 an die Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt in Berlin abkommandiert. 1937 habilitierte er sich an der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg, an der er ab 1939 auch als Privatdozent wirkte. Von 1944 bis 1945 war er an der Deutschen Universität Prag tätig. Nach 1945 wurde er zunächst Professor in Jena und erhielt 1949 einen Ruf nach Dresden. Er leitete dort das Institut für Reine Mathematik. 1958 übersiedelte er in die Bundesrepublik und erhielt einen Ruf an die Justus-Liebig-Universität Gießen.
Karl Schröter (1905–1977) studierte an den Universitäten Göttingen, Heidelberg und Frankfurt Mathematik, Physik, Philosophie und Psychologie. Er promovierte 1941 bei Heinrich Scholz mit der Arbeit „Ein allgemeiner Kalkülbegriff“ und habilitierte sich 1943. 1948 erfolgte die Berufung zum Professor an der Humboldt-Universität zu Berlin. 1962 wurde er Mitglied der Deutschen Akademie der Wissenschaften. Von 1962–1966 übte er dort das Amt eines Prorektors aus. K. Schröter gilt als der Begründer der mathematischen Logikerschule in der DDR. 1967 wurde er Direktor des Instituts für Reine Mathematik der DAW.
Klaus Matthes (1931–1998) studierte Mathematik an der Humboldt-Universität zu Berlin (1948–1954) und war dann dort als Assistent tätig. Er promovierte 1958 bei H. Grell und K. Schröder mit einer Arbeit zum Thema „Über eine Verallgemeinerung des Lebegueschen Integralbegriffs“ und habilitierte sich 1963. K. Matthes wirkte von 1964–1968 als Professor an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Seit 1966 wirkte er an den mathematischen Instituten der DAW. Nach deren Umbennung in Akademie der Wissenschaften der DDR (AdW) leitete er ab 1973 als Direktor das mathematische Institut der AdW. Er begründete, gemeinsam mit Johannes Kerstan und Joseph Mecke, die Punktprozess-Schule der DDR. 1974 wurde er Mitglied der Akademie der Wissenschaften der DDR.
Sein Mathematikstudium konnte Ludwig Boll (1911–1984) als Jude und Kommunist nach der Machtergreifung Hitlers zunächst nicht weiterführen. Während der NS-Zeit wurde er mehrfach verhaftet und entging der Deportation in das Vernichtungslager Auschwitz durch Flucht. Nach dem Krieg übersiedelte er in die DDR, um sein Studium abzuschließen. L. Boll war dann Cheflektor für Mathematik im Deutschen Verlag für Wissenschaften und Übersetzer mathematischer Lehrbücher.
Herbert Dallmann (1909–1996) studierte von 1929 bis 1934 an den Universitäten Göttingen, Hannover und Münster in verschiedenen Fachrichtungen. Er promovierte 1940 an der Technischen Hochschule München mit der Arbeit „Abbildung des hyperbolischen Raumes in der Euklidischen Ébene“ und wurde im selben Jahr zur Wehrmacht eingezogen. 1951–1952 war er Direktor der Ingenieurschule Wismar, bis 1954 wirkte er als Professor an der Pädagogischen Hochschule Potsdam. 1954 wurde er dann Professor für höhere Mathematik und Gründungsrektor der Technischen Hochschule für Chemie Leuna-Merseburg. H. Dallmann war von 1982–1971 Vorsitzender der Urania, der DDR-Gesellschaft zur Verbreitung wissenschaftlicher Kenntnisse.
Willi Rinow (1907–1979) studierte ab 1926 an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin Mathematik und Physik unter anderem bei Max Planck, Ludwig Bieberbach und Heinz Hopf, bei dem er 1931 mit der Arbeit „Über Zusammenhänge zwischen der Differentialgeometrie im Großen und im Kleinen“ promovierte. 1937 folgte die Habilitation. Während des Krieges arbeitete W. Rinow als Kryptoanalytiker bei der Wehrmacht. Von 1946 bis 1949 war er zunächst im Oberspreewerk Berlin beschäftigt. 1950 wurde er dann an die Universität Greifswald berufen. 1959 wurde Willi Rinow nebenamtlich Direktor am Institut für Reine Mathematik der DAW und Leiter der Forschungsgruppe Topologie. W. Rinow war 1958–1959 Vorsitzender der DMV. Er wurde 1972 emeritiert.
Frank Terpe (1929–1913) studierte in Greifswald Mathemtik und Physik. 1962 promovierte er mit der Arbeit „Zur deskriptiven Theorie der Integration“ und habiliierte sich 1967, jeweils an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald. Seit 1969 war er bis zu seiner Emeritierung 1993 dort als Professor tätig. Kurzzeitig war er in der Wendezeit (12.04.1990–16.08.1990) Minister für Forschung und Technologie der DDR.
Johannes Kerstan (1926–1997) studierte von 1946 bis 1951 Mathematik an der Universität Leipzig. 1955 promovierte er an der Humboldt-Universität zu Berlin bei K. Schröder mit der Arbeit „Ein mengenalgebraisches Prinzip und seine Anwendung auf Funktionalanalysis und Topologie“. 1960 folgte ebenfalls dort die Habilitation. 1962 wurde er zum Professor an der Friedrich-Schiller-Universität Jena berufen und war maßgeblich an der strukturellen und inhaltlichen Neuausrichtung der Mathematik in Jena beteiligt, [9]. Gemeinsam mit Klaus Matthes leistete er international anerkannte Beiträge zur Wahrscheinlichkeitstheorie u. mathematischen Statistik, insbesondere zu Punktprozessen. J. Kerstan wurde 1977 Mitglied der Akademie der Wissenschaften der DDR.
Helmut Heinrich (1904–1997) studierte Mathematik an der Technischen Hochschule Breslau. 1933 promovierte er unter Werner Schmeidler und Fritz Noether mit dem Thema „Über die Bedeutung der Pfeilstellung eines Tragflügels“ zum Dr.-Ing. 1933 bis 1936 arbeitete er in China als Professor für Mathematik und Darstellende Geometrie, 1937 habilitierte er sich in Breslau und wurde 1938 dort zum Dozenten ernannt. Gegen Ende des Krieges wechselte er als Dozent an die Technischen Hochschule Dresden und wurde dann wissenschaftlicher Mitarbeiter des Junkers-Flugmotorenwerkes in Dessau. Er arbeitete zwangsverpflichtet von 1946 bis 1954 im Flugzeugbau in Kuibyschew (UdSSR). 1954 wurde H. Heinrich an der Technischen Hochschule Dresden zum Professor berufen und übte dort bis zu seiner Emeritierung 1970 leitende Funktionen aus. 1964 wurde er Mitglied der Leopoldina. Von 1962–1965 war er stevllvertretender Vorsitzender der GAMM.
Hans Reichardt (1906–1991) studierte 1925 bis 1931 Mathematik, Physik und Philosophie in Königsberg, Berlin, Hamburg und Marburg. Er promovierte bei Helmut Hasse 1932 mit dem Thema „Arithmetische Theorie der kubischen Körper als Radikalkörper“. 1939 habilitierte er sich an der Universität Leipzig und wurde dort 1940 Dozent. Während des Zweiten Weltkriegs war er weiterhin an der Universität tätig, arbeitete aber gleichzeitig an militärischen Projekten der Marine und der Luftwaffe. H. Reichardt wurde von 1946–1952 zur wissenschaftlichen Arbeit in der Sowjetuion verpflichtet und arbeitet dort auf dem Gebiet der Raketen-Technologie, [64]. Nach seiner Rückkehr wurde er als Professor an der Humboldt-Universität zu Berlin berufen und Mitglied der Deutschen Akademie der Wissenschaften. 1959 wurde H. Reichardt zum Direktor des Instituts für Reine Mathematik der DAW ernannt und war dort für die Arbeitsgruppe Zahlentheorie zuständig. 1971 wurde er emeritiert.
Erich Kähler (1906–2000) studierte von 1924 bis 1928 in Leipzig Mathematik, Astronomie und Physik. Er promovierte 1928 bei Leon Lichtenstein mit der Arbeit „Über die Existenz von Gleichgewichtsfiguren rotierender Flüssigkeiten, die sich aus gewissen Lösungen des n‑Körperproblems“ ableiten. 1930 habilitierte er sich. Nach Studienaufenthalten, u. a. in Rom, wurde er 1936 Professor in Königsberg. 1937 meldete sich E. Hölder zur Marine und kam nach Kriegsende in französische Gefangenschaft. 1948 folgte E. Kähler einem Ruf auf eine Professur an der Universität Leipzig. 1955 wurde er Mitglied der Deutschen Akademie der Wissenschaften. 1957 bat er wegen politischer Differenzen nach dem Abriss der Universitätskirche Leipzig um seine Entlassung und wechselte 1958 an die Technische Universität Berlin. Von 1964 bis zu seiner Emeritierung 1974 wirkte er als Nachfolger von Emil Artin an der Universität Hamburg. Für mehr Informationen zu E. Kähler siehe [67].
Walter Brödel (1911–1997) studierte Mathematik int Tübingen, Göttingen und Leipzig. 1935 promovierte er bei Paul Koebe mit der Arbeit „Über die Deformationsklassen zweidimensionaler Mannigfaltigkeiten“ und wurde dann Assistent. 1941 wechselte W. Brödel an die „Deutsche Forschungsanstalt für Segelflug“. 1949 wurde er an die Friedrich-Schiller-Universität Jena berufen und einer der Direktoren des Mathematischen Instituts, blieb aber Bürger der Bundesrepublik, da er seinen Wohnsitz in Bad Reichenhall beibehielt. Er stand unter Beobachtung der Staatssicherheit. W. Brödel wurde 1961 aufgrund seiner ablehnenden Haltung zu den Entwicklungen in der DDR nach dem Bau der Mauer im Dezember 1961 unter Aberkennung seines Professorentitels fristlos entlassen. 1963 erhielt W. Brödel einen Ruf an die Julius-Maximilians-Universität Würzburg. 1976 wurde er emeritiert, siehe [9].
Otto Emersleben (1898–1975) studierte in Göttingen Mathematik, Physik und Chemie. 1922 promovierte er mit einer Arbeit zum Thema „Gitterpotentiale und Zetafunktionen“. Ab 1950 arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Angewandte Mathematik und Mechanik der Deutschen Akademie der Wissenschaften. Er habilitierte sich 1950 an der Technischen Universität Berlin und wurde dort Privatdozent. 1953 wurde er als Professor für Angewandte Mathematik an die Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald berufen und Direktor des Mathematischen Instituts. Dort arbeitete er bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1963.
Ernst Hölder (1901–1990) studierte an der Universität Leipzig und promovierte 1926 bei Leon Lichtenstein mit der Arbeit „Gleichgewichtsfiguren rotierender Flüssigkeiten mit Oberflächenspannung“. 1929 wurde er Privatdozent am Mathematischen Institut in Leipzig. Von 1939 bis 1945 arbeitet E. Hölder an der Luftfahrtforschungsanstalt in Braunschweig. 1946 wurde er Direktor des Mathematischen Instituts der Universität Leipzig. Er war Mitglied der Sächsischen Akademie der Wissenschaften, der Leopoldina und seit 1955 der Deutschen Akademie der Wissenschaften. Er verließ 1957 Leipzig und nahm wegen der zunehmenden Einflussnahme von Partei und Staat auf die Universität einen Ruf an die Johann-Gutenberg-Universität Mainz an, siehe auch [10].
Ernst Weinel (1906–1979) promovierte 1931 mit der Arbeit „Zur Hydrodynamik der idealisierten Kreiselradströmung“. Von 1941–1944 wurde er zur Wehrmacht eingezogen. 1945 wurde ihm das Direktorat des Instituts für Angewandte Mathematik und Mechanik der Friedrich-Schiller-Universität Jena übertragen, das u. a. die Entwicklung von elektronischen Rechenanlagen zum Ziel hatte. 1952 wurde er zum Profesor ernannt. 1966 wurde E. Weinel emeritiert. Näheres siehe [9].
Hier handelt es sich offensichtlich um Professor Hans Reichardt. Gleichzeitig wird bei den Vorschägen für die Neubesetzung der Professorenstellen am 1. Mathematischen Institut der Humboldt-Universität zu Berlin wieder Prof. Dr. Reichert benannt“ ! Auch bei anderen Namen ist die Liste fehlerhaft, etwa bei Matthies (Matthes), Gocke (Focke).
Adam Schmidt (1908-1990) studierte Mathematik sowie Physik in Jena. Dort promovierte er 1940 mit der Arbeit „Konvergente und asymptotische Darstellungen für die Lösungen linearer Differentialgleichungen, deren Koeffizienten Dirichletsche Reihen oder Exponentialpolynome mit komplexen Exponenten sind“ und habilitierte sich 1951. Er wurde dann wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Luftfahrtforschungsanstalt Braunschweig. Nach der Kapitulation NS-Deutschlands arbeitete er zwei Jahre für die Royal Air Force im Rahmen der nach Großbritannien gebrachten Spezialisten. 1954 erhielt er einen Ruf an die Universität Rostock. 1973 wurde er emeritiert.
Auch hier ist der Name fehlerhaft. Wilhelm Maier (1896–1990) studierte von 1918 bis 1922 in Tübingen, Berlin und Göttingen und arbeitete bis 1926 im Schuldienst. 1927 promovierte W. Maier bei Carl Ludwig Siegel mit der Arbeit „Potenzreihen irrationalen Grenzwertes“. Er habilitierte sich 1929 und wurde nach Gastaufenthalten in den USA 1935 als Dozent an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und von 1937 bis 1946 zum Professor an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald ernannt. Von 1939 bis 1940 und von 1943 bis 1944 hatte er Kriegsdienst zu leisten. Nach seiner Entlassung wegen NSDAP Mitgliedschaft nach dem Ende des Krieges erhielt er 1948 eine Professur in Rostock und 1949 an der Friedrich-Schiller Universität Jena, die er bis zu seiner Emeritierung 1962 innehatte.
Nikolaus Joachim Lehmann (1921–1998) studierte von 1940 bis 1945 Mathematik- und Physik an der Technischen Hochschule Dresden. 1948 promovierte er zum Dr.Ing, 1951 erfolgte die Habilitation. Er erhielt 1952 eine Dozentur und wurde 1953 zum Professor für angewandte Mathematik an der Technischen Hochschule Dresden berufen. 1986 wurde er emeritiert. N. J. Lehmann gilt als Pionier der Rechentechnik in der DDR.
Rolf Klötzler (1931–2021) studierte von 1949 bis 1953 Mathematik an der Universität Leipzig. 1956 promovierte er mit der Arbeit „Beiträge zur Theorie mehrdimensionaler Variationsprobleme mit geknickten Extremalen“. Ab 1959 war er Dozent an der Hochschule für Bauwesen Leipzig, ab 1961 Professor. 1965 erhielt er einen Ruf als Professor an die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. 1971 wurde er auf den Lehrstuhl für Optimierung der Karl-Marx-Universität Leipzig berufen. 1996 wurde er emeritiert.
Alfred Kneschke (1902–1979) studierte an der Technischen Hochschule Dresden und promovierte mit der Arbeit „Anwendung der Theorie der Integralgleichungen auf das Durchschlagsproblem von festen Isolatoren“ 1927 zum Dr.-Ing. Nach seiner Habilitation war er von 1930 an in verschiedenen Institutionen im höheren Schuldienst tätig. Während des Zweiten Weltkieges wurde er zur Wehrmacht eingezogen und wurde als Kryptoanalytiker eingesetzt. Wegen Mitgliedschaft in der NSDAP arbeitete A. Kneschke nach dem Krieg als Elektromonteur. 1951 wurde er als Professor an die Bergakademie Freiberg berufen. Hier leitete er erst das Institut für Technische Mechanik, von 1953 das Institut für Angewandte Mathematik bis zu seiner Emeritierung 1967.
An dieser Stelle sei nur auf seine Zeit in der SBZ und DDR verwiesen: 1946 wurde H. Hasse einer der vier Gründungsprofessoren des Forschungsinstituts für Mathematik der DAW, an dem er bis 1949 arbeitete. Am 23. Mai 1949 wurde Hasse zum Ordinarius für reine Mathematik an der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin ernannt. Nach seiner Entnazifizierung 1948 erhielt H. Hasse 1950 einen Ruf an die Universität Hamburg. 1949 wurd. H. Hasse Mitglied der Deutschen Akademie der Wissenschaften und erhielt 1953 den Nationalpreis der DDR, siehe [82].
Die Einstufung republikflüchtig trifft aus die genannten Personen nicht zu oder ist zumindest zweifelhaft. L. Collatz arbeitete zu keinem Zeitpunkt in der SBZ oder der DDR, H. Hasse, E. Hölder, E. Kähler schieden auf eigenem Wunsch aus dem Hochschuldienst der DDR aus und verließen regulär die DDR.
Tatsächlich fand vom 03.–07.09.1962 an der RWTH Aachen aber nur ein Symposium der IUTAM statt.
E. Hölder und W. Brödel, wurde hier bescheinigt, dass sie „aktiv oder versteckt gegen unseren Staat auftreten“, [69].
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Abtlg. Wissenschaft, Vorschlag für die Neuorientierung in der Arbeit der wissenschaftlichen Gesellschaften, Vereinigungen und Organisationen, 1962, BArch DY 30/83159
Reich, K., Roquette, P.: Helmut Hasse (1898–1979), Mathematiker des Monats März 2016, Berliner Mathematische Gesellschaft (2016). https://www.math.berlin/mathematiker/helmut-hasse.html. Zugegriffen: 24. Apr. 2023
Einladung zur Sitzung des Initiativkomitees, 29.03.1962, BArch DY 30/83417
Vorlage an das Sekretariat des ZK der SED zur Entsendung von Wissenschaftlern der Deutschen Demokratischen Republik zu Tagungen und Kongressn in nichtsozialistische Länder und nach Westdeutschland, 26.03.1962, BArch DY 30/J IV 2/3/804
Staatssekretariat, Vorlage für das Sekretariat des Zentralkomitees der SED zur Gründung der Mathematische Gesellschaft der Deutschen Demokratischen Republik, Mai 1962, BArch DY 30/83159
Abtlg. Wissenschaften des ZK der SED(?), Begründung der MGDDR, Mai 1962, BArch DY 30/83159
Abteilung Math.-Nat. des Staatssekretariats, Kongress der International Mathematical Union vom 24.–21. Aug. 1958 in Edinburgh, 1958, BArch DY 30/83418
Anschreiben Kamke 14.04.1958, IMU Archiv, _SF1_Ser4_1_F16
Hartke, W.: Mitgliedschaft in der Internationalen Mathematischen Union sowie in der Internationalen Union für Reine und Angewandte Mechanik, 19.01.1962, BArch DY 30/83418 (1962)
Rienäcker, Aufnahmeantrag der DAW in die IMU, 02.03.1962, IMU Antrag_SF1_Ser4_1_F16
16. Executive Comitee Meeting der IMU, Rom, 24.–26.04.1962,_SF1_Ser4_1_F16
Schappacher, N.: Framing global mathematics the international mathematical union between theorems and politics, Springer (2022). https://library.oapen.org/handle/20.500.12657/57335. Zugegriffen: 24. Apr. 2023
Bericht des Fachsektors, Staatssekretariat, 1960, BArch DY 30/83415
Götzke, Umbildung Wissenschaftlicher Beirat Mathematik, 11.08.1958, BArch DY 30/83415
Wissenschaftlicher Beirat Mathematik, Bericht 24.03.1959, BArch DY 30/83415
Wissenschaftlicher Beirat Mathematik, Empfehlung zur Ausbildung und zum Einsatz von Mathematiklehrern an unserern polytechnischen Oberschulen, 11.05.1960, BArch DY 30/83415
ZK der SED, Anschreiben zu Empfehlung zur Ausbildung und zum Einsatz von Mathematiklehrern an unserern polytechnischen Oberschulen, 11.05.1960, BArch DY 30/83415
Danksagung
Für diesen Artikel wurden Unterlagen verschiedener Archive ausgewertet. Neben dem schon erwähnten Archiv SAPMO waren das die Archive der DMV und der MGDDR an der Universitätsbibliothek Freiburg, das Archiv der International Mathematical Union, das Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und das Archiv der Max-Planck-Gesellschaft. Die Recherchen wären nicht möglich gewesen ohne die aktive Unterstützung aller genannten Archive. Insbesondere möchten wir uns für die unkomplizierte Genehmigungen bedanken, Kopien der Originaldokumente anzufertigen und als zusätzliche Materialien für den Artikel bereitzustellen.
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Scans von Dokumenten des SAPMO Archiv:
Die Volltexte sollen die verschiedenen Zitate des Artikels, die sich auf Dokumente aus der Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv (SAPMO) beziehen, einordnen und kontextualisieren. Die Dokumente sind zeitlich geordnet. Die Namen der gescannten Dokumente beginnen jeweils mit dem Jahr aus dem die Dokumente stammen, vervollständigt von einem Kurztext, der einen Hinweis auf den Inhalt gibt.
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Sperber, W. Mathematische Gesellschaft der DDR – die Vorgeschichte. Math Semesterber 70, 103–146 (2023). https://doi.org/10.1007/s00591-023-00350-5
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