Zusammenfassung
Der Almagest, das astronomische Hauptwerk des Klaudios Ptolemaios, arbeitet mit teilweise komplexen Bewegungsmodellen für die sieben Himmelskörper, die keine Fixsterne sind. Zwei davon, nämlich die Modelle für Sonne und Mond, können als Paradigmen angesehen werden. Sie werden hier detailliert behandelt, wobei die Bestimmung der Parameter sowie die Bahnen und Geschwindigkeiten besonders berücksichtigt werden.
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1 Einleitung
Klaudios Ptolemaios (im Folgenden Ptolemäus genannt) hat um das Jahr 150 n. Chr. sein großes astronomisches Handbuch verfasst (für die Datierung vgl. [6, S. 1]), das unter dem griechisch-arabischen Namen Almagest bekannt ist. Es blieb bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts das maßgebliche Werk, obwohl die mittelalterlichen Astronomen einzelne Schwächen darin fanden.
Selbst unter Gebildeten findet man heute oft sehr primitive Vorstellungen von Ptolemäus’ Astronomie. Im Folgenden soll diese anhand von Sonne und Mond beleuchtet werden. Genauer gesagt, geht es um die mathematischen Bewegungsmodelle, die im Almagest für diese Himmelskörper entwickelt werden. Die Sonne hat dabei das einfachste Bewegungsmodell unter den sieben damals bekannten Himmelskörpern, die keine Fixsterne sind. Am Beispiel des Mondes hingegen tritt die ganze Komplexität zu Tage, die man dann bei den Planeten (in unterschiedlichem Ausmaß) wiederfindet. So gesehen eignen sich Sonne und Mond gut als Paradigmen. Es gibt jedoch noch einen anderen Grund für diese Auswahl: Beide Himmelskörper werden im Almagest als erste besprochen (Alm. III–VI). Der Grund dafür liegt darin, dass die Theorie der Sonne notwendig für die des Mondes ist, und dass die Position des Mondes grundlegend für die Kenntnis der Stellung der Fixsterne und, in der Folge, der Planeten ist ([6, S. 5]).
Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist eine möglichst einfache Darstellung der besagten Bewegungsmodelle unter weitgehendem Verzicht auf die astronomischen Rohdaten, aus denen Ptolemäus diese Modelle entwickelt hat. Zwar gibt es bereits einschlägige Darstellungen (etwa [1] und [2]). Diese sind jedoch stärker in den astronomischen Kontext eingebettet, als dies für die Entwicklung der Modelle notwendig ist, und deshalb mühsamer zu lesen.
Es gibt aber auch noch andere Gründe. So wird in den genannten Werken das erste Modell des Mondes nicht anhand der geometrischen Konstellation entwickelt, die bei Ptolemäus vorliegt (vgl. Abschn. 4). Das hat zur Folge, dass man ein falsches Ergebnis erhält, wenn man die zugrundeliegenden Daten in die Formeln von [2] einsetzt. Zwar hat [3] die passende Konstellation, verzichtet aber auf Details und verweist dafür auf [1]. In diesem Werk ist aber die Herleitung dieses Modells sehr verkürzt und basiert, wie gesagt, auf einer anderen Konstellation.
Ferner werden hier Ergänzungen zu den genannten Darstellungen in Bezug auf die Geschwindigkeiten von Sonne und Mond geboten (vgl. 3, 17 sowie die Abb. 9 und 13). Im Fall des Mondes wird auch dessen Bahn eingehender als in der Literatur behandelt (vgl. 13, 18 und die Abb. 7, 11 und 12).
Für den vorliegenden Aufsatz wurde die englische Übersetzung [6] des Almagest benutzt. Um die Wiederauffindung der relevanten Stellen im Almagest – auch in anderen Ausgaben wie [5] – zu vereinfachen, wird jedoch in der Regel nicht die einschlägige Seite in [6] zitiert, sondern das entsprechende Buch samt dem in Frage kommenden Abschnitt des Almagest (etwa Alm. I, 8).
Es lässt sich kaum vermeiden, neben der dezimalen Unterteilung auch Ptolemäus’ sexagesimale Unterteilung zu verwenden. So bedeuten etwa 365;14,48 Tage soviel wie \(365+14/60+48/60^{2}\) Tage und \(0{;}59,8,17,13{}^{\circ}\) soviel wie \(0+59/60+8/60^{2}+17/60^{3}+13/60^{4}\) Grad (vgl. Abschn. 3). Auch schreiben wir häufig das Gleichheitszeichen, wenn die Größen nur mit hinreichender Genauigkeit gleich sind.
Da man zu Ptolemäus’ Zeit am Himmel nur Winkel messen konnte, beziehen sich die Begriffe Weg und Geschwindigkeit auf diese. Ein Weg (etwa der Sonne) ist daher der Winkel, um den die Sonne weitergewandert ist, und eine Winkelgeschwindigkeit wird einfach Geschwindigkeit genannt.
Nicht unerwähnt soll bleiben, dass diese Arbeit den Darstellungen des Stoffes in [1, 2] und [3] vieles verdankt.
2 Das Modell für die Sonne
Man muss sich das Universum eingebettet in eine riesige Sphäre denken, die die Fixsternsphäre heißt (Alm. I,3). Der Beobachter befindet sich im Mittelpunkt dieser Sphäre, der zugleich der Erdmittelpunkt ist. Diese Sphäre dreht sich in etwas weniger als 24 Stunden um eine Achse, die wir uns als die Verlängerung der Erdachse vorstellen können. Diese Drehung erfolgt von Ost nach West und heißt die erste Bewegungsrichtung des Himmels. Der Äquator, das ist der Schnittkreis der Ebene des Erdäquators mit der Fixsternsphäre, teilt letzere in eine nördliche und eine südliche Hälfte. Zwar werden Sonne, Mond und Planeten von der täglichen Drehung mitgeführt, sie führen jedoch – im Vergleich zur Fixsternsphäre – zusätzlich eine langsame Bewegung entgegen der ersten Richtung aus. Diese Bewegung in der zweiten Richtung (also von West nach Ost) ist am einfachsten bei der Sonne zu beschreiben (Alm. I, 8).
Die Sonne benötigt ein Jahr, bis sie einen vollen Umlauf in der zweiten Richtung vollendet hat. Diese Bewegung der Sonne findet in einer Ebene statt, die durch den Mittelpunkt der Fixsternsphäre geht und gegen die Ebene des Äquators eine Neigung von \(23{;}51{}^{\circ}\) besitzt. Der Schnittkreis dieser Ebene der Sonne mit der Fixsternsphäre ist ein Großkreis dieser Sphäre und heißt Ekliptik. Die Ekliptik schneidet den Äquator in zwei Punkten, dem Frühlingspunkt und dem Herbstpunkt. Der astronomische Frühling beginnt, wenn die Sonne den Frühlingspunkt erreicht, d. h., wenn Sonne und Frühlingspunkt für den Beobachter zur Deckung gelangen. Die Sonne bewegt sich danach in der nördlichen Hälfte der Fixsternsphäre und tritt mit Erreichen des Herbstpunktes in die südliche Hälfte ein. Der nördlichste Punkt der Sonnenbahn ist die Sommersonnenwende, der südlichste die Wintersonnenwende. Den astronomischen Jahreszeiten entsprechen Sektoren von \(90{}^{\circ}\) auf der Ekliptik, etwa dem Sommer der von der Sommersonnenwende und dem Herbstpunkt begrenzte Sektor.
Die Bewegung der Sonne auf der Ekliptik wird durch ihre (ekliptische) Länge gemessen, das ist der Winkel zwischen dem Frühlingspunkt und dem Sonnenmittelpunkt, gemessen von West nach Ost. So hat die Sommersonnenwende eine Länge von \(90{}^{\circ}\), der Herbstpunkt von \(180{}^{\circ}\). Ziel der Theorie der Sonne ist es, die Länge der Sonne zu einem beliebigen Zeitpunkt berechnen zu können.
Die Griechen wussten mindestens seit Hipparch, der ungefähr dreihundert Jahre vor Ptolemäus lebte, dass die Sonne die Ekliptik nicht mit konstanter Geschwindigkeit durchläuft. So war bekannt, dass sie ihren langsamsten Lauf im Frühling erreicht. Wie soll man dies auf der Basis von gleichförmigen Bewegungen auf Kreisbahnen erklären (Alm. III, 1)? Ptolemäus hat zwei äquivalente Lösungen zur Verfügung, die exzentrische und die epizyklische. Wir beschränken uns hier auf die exzentrische. Bei diesem Modell läuft die Sonne mit konstanter Geschwindigkeit auf einem Kreis, dem Deferenten mit Mittelpunkt \(D\). Die Erde befindet sich außerhalb dieses Mittelpunkts, sodass von ihr aus diese Bewegung ungleichförmig erscheint. Es stellt sich daher die Aufgabe, die Lage der Erde (genauer, des Erdmittelpunktes) zum Mittelpunkt des Deferenten zu bestimmen.
Zu diesem Zweck benützt Ptolemäus das tropische Jahr, das ist die Zeit zwischen zwei Durchläufen der Sonne durch den Frühlingspunkt. Dieser Zeitraum besteht aus 365;14,48 Tagen (Alm. III, 1; vgl. auch [4]). Das bedeutet, dass die Sonne im Mittel \(0{;}59,8,17,13{}^{\circ}\) pro Tag durchläuft. Nun ist der Frühling 94,5 Tage lang, der Sommer 92,5. Demnach beträgt der mittlere Weg der Sonne im Frühling \(93{;}8,33{}^{\circ}\), im Sommer hingegen \(91{;}10,16{}^{\circ}\). Ptolemäus hat demgegenüber die Werte \(93{;}9{}^{\circ}\) bzw. \(91{;}11{}^{\circ}\). Frühling und Sommer zusammen bedeuten einen Durchlauf von \(184{;}20{}^{\circ}\).
Der Einfachheit halber sei der Radius des Deferenten gleich 1. Wie in Abb. 1 sei sein Mittelpunkt \(D\). Das in Abb. 1 wiedergegebene Segment des Deferenten umfasst den Bogen von \(U\), dem Frühlingspunkt, nach \(Z\), dem Herbstpunkt. Wir bezeichnen diesen Bogen mit \(\overset{\frown}{UZ}\). Vom Punkt \(D\) aus gesehen hat die Sonne von \(U\) nach \(Z\) einen Weg von \(184{;}20{}^{\circ}\) zurückgelegt. Der Bogen \(\overset{\frown}{UZ}\) gehört also zu diesem Winkel. Vom Erdmittelpunkt \(T\) aus (dem Punkt des Beobachters) beträgt der Winkel von \(U\) nach \(Z\) hingegen \(180{}^{\circ}\). Da die gleich großen Bögen \(\overset{\frown}{UV}\) und \(\overset{\frown}{YZ}\) zusammen \(4{;}20{}^{\circ}\) entsprechen, gehört zu jedem der beiden ein Winkel von \(2{;}10{}^{\circ}\). Ebenso erscheint der Bogen \(\overset{\frown}{UX}\) von \(D\) aus unter dem Winkel von \(93{;}9{}^{\circ}\). Daher umfasst der Bogen \(\overset{\frown}{WX}\) gerade \(93{;}9{}^{\circ}-90{}^{\circ}-2{;}10{}^{\circ}=0{;}59{}^{\circ}\). Dann ist die Strecke \(\overline{DE}\) gleich \(\sin(\overset{\frown}{UV})=0{,}037806455\). Hingegen ist \(\overline{DF}=\sin(\overset{\frown}{WX})=0{,}017161516\). Das liefert
Da dies sehr nahe bei \(1/24=0{,}041666\ldots\) liegt, nimmt Ptolemäus \(\overline{TD}=1/24\). Das Apogeum, also der von \(T\) aus am weitesten entfernte Punkt (an dem die Sonne, vom Beobachter aus gesehenen, ihre geringste Geschwindigkeit erreicht), liegt in der Fortsetzung der Strecke \(\overline{TD}\) auf dem Deferenten (Punkt A). Dieser hat eine ekliptische Länge \(\lambda\), die durch \(\sin(\lambda)=\overline{DE}/\overline{TD}=0{,}910576781\) gegeben ist. Dies liefert \(\lambda=65{;}35{}^{\circ}\). Ptolemäus hat \(65{;}30{}^{\circ}\) (Alm. III, 4).
Ptolemäus’ Hauptaugenmerk liegt auf der Prosthaphärese. Das ist der Winkel, den man zur mittleren Länge der Sonne addieren bzw. davon subtrahieren muss, um die tatsächliche Länge zu erhalten. Sei dazu \(\varphi\) die mittlere Länge der Sonne (gemessen vom Apogeum), also der Winkel \(\angle SDA\) (vgl. Abb. 2). Dann ist die Prosthaphärese gerade der Winkel \(\psi\), der in diesem Fall von \(\varphi\) subtrahiert werden muss. Die mittelalterlichen Astronomen verwendeten für die Prosthaphärese auch den Begriff der Gleichung der Sonne.
Sei \(Q\) der Fußpunkt des Lotes von \(T\) auf \(\overline{DS}\). Es gilt
Ist wie oben \(1=\overline{DS}\), so hat das rechtwinklige Dreieck \(\Delta TDQ\) die Katheten \(1-\overline{SQ}\) und \(\overline{TQ}\). Ferner ist in diesem Dreieck der Winkel bei \(D\) gerade \(180{}^{\circ}-\varphi\). Wegen \(\overline{TD}=1/24\) gilt \(\overline{TQ}=\sin(\varphi)/24\) und \(\overline{DQ}=-\cos(\varphi)/24=1-\overline{SQ}\). Aus (1) erhalten wir \(\tan(\psi)=\sin(\varphi)/(24+\cos(\varphi)).\) Die Prosthaphärese können wir in jedem Fall mit
angeben (beachte: das Argument dieses Arcustangens ist dem Betrag nach \(<1/23\)). Sie ist von \(\varphi\) zu subtrahieren und hat für \(180{}^{\circ}<\varphi<360{}^{\circ}\) negatives Vorzeichen.
Differenziert man (2) nach \(\varphi\), so erhält man die Abweichung der Geschwindigkeit der Sonne von der mittleren Geschwindigkeit \(c\) (diese wurde oben mit \(0{;}59,8,17,13{}^{\circ}\) pro Tag bestimmt). Insgesamt erhält man als Geschwindigkeit der Sonne
Wenn man den Graphen dieser Funktion von \(\varphi\) zeichnet, erhält man eine sinusartige Kurve.
3 Das erste Modell für den Mond
Der Mond bewegt sich nur wenig aus der Ekliptik heraus (sogenannte Breitenbewegung), nämlich höchstens um \(5{}^{\circ}\). Da die Auswirkung dieser geringen Breite auf die (ekliptische) Länge des Mondes gering ist, bleibt sie im Folgenden ausgeklammert. Deshalb wird bei den hier besprochenen Mondmodellen angenommen, dass sich der Mond in der Ekliptik in die zweite Richtung bewegt.
Beim Mond treffen wir in dieser Hinsicht auf eine ganz andere Situation als bei der Sonne. Zum einen gibt es kein Analogon zum tropischen Jahr. Vielmehr hat der Mond keine feste Umlaufzeit. Anders ausgedrückt, sind die tropischen Monate (gemessen etwa an zwei Durchläufen des Frühlingspunktes) verschieden lang. Es gibt für diesen tropischen Monat nur einen Mittelwert \(M_{t}\) (ausgedrückt durch Tage und deren Bruchteile). Aus dem Mittelwert \(M_{t}\) kann man die mittlere Geschwindigkeit der Längenbewegung berechnen. Sie ist gegeben durch den mittleren Weg \(\omega_{t}\) pro Tag, wobei
Zum anderen braucht der Mond unterschiedlich lange, um zu seiner geringsten Geschwindigkeit zurückzukehren, nämlich einen anomalistischen Monat, für den es ebenfalls nur einen Mittelwert \(M_{a}\) gibt. Daraus kann man den mittleren anomalistischen Weg \(\omega_{a}\) pro Tag angeben als
Beim ersten Modell setzt sich die Bewegung aus zwei Komponenten zusammen: Einerseits bewegt sich der Mond \(L\) auf einem (kleinen) Kreis, dem Epizykel mit dem Mittelpunkt \(C\) und dem Radius \(r\), in die erste Richtung (in Abb. 3 im Uhrzeigersinn). Seine Geschwindigkeit ist dabei \(\omega_{a}\) pro Tag. Andererseits bewegt sich der Mittelpunkt \(C\) des Epizykels auf einem (großen) Kreis mit Radius \(R\), dessen Mittelpunkt \(T\) wieder der Erdmittelpunkt ist. Der Punkt \(C\) bewegt sich dabei in die zweite Richtung (in der Abbildung im Gegenuhrzeigersinn) mit der Geschwindigkeit \(\omega_{t}\) pro Tag. Man nennt \(C\) auch den mittleren Mond und seine (konstante) Geschwindigkeit die mittlere Geschwindigkeit des Mondes.
Ptolemäus hat nun die Aufgabe, das Verhältnis der Radien \(r:R\) zu bestimmen (Alm. IV, 6). Dafür benützt er drei lange zurückliegende, babylonische Beobachtungen von Mondfinsternissen (zwischen März 721 und September 720 vor Christus). Wir bezeichnen die zu den drei Beobachtungen gehörigen Positionen des Mondes auf dem Epizykel mit \(L_{1}\), \(L_{2}\), \(L_{3}\). Zum Bogen \(\overset{\frown}{L_{1}L_{2}}\) auf dem Epizykel gehört der Winkel \(\angle L_{1}CL_{2}=306{;}24{}^{\circ}\), gemessen in der ersten Richtung. Bei dieser Bezeichnung, die wir im folgenden beibehalten, ist \(C\) der Scheitel und die Strecken \(\overline{CL_{1}}\) und \(\overline{CL_{2}}\) sind die Schenkel des Winkels (vgl. Abb. 4). Da dieser Winkel erhaben ist, ersetzen wir ihn durch den supplementären Winkel \(\alpha_{1}=\angle L_{2}CL_{1}=53{;}36{}^{\circ}\). Zum Bogen \(\overset{\frown}{L_{2}L_{3}}\) gehört der Winkel \(\angle L_{2}CL_{3}=150{;}26{}^{\circ}\). Wir setzen \(\alpha_{2}=\angle L_{1}CL_{3}=\angle L_{2}CL_{3}-\angle L_{2}CL_{1}=150{;}26{}^{\circ}-\alpha_{1}=96{;}50{}^{\circ}\). Von \(T\) aus erscheinen die Punkte \(L_{1}\), \(L_{2}\), \(L_{3}\) unter ihren (ekliptischen) Längen, die Bögen \(\overset{\frown}{L_{2}L_{1}}\) und \(\overset{\frown}{L_{2}L_{3}}\) unter den entsprechenden Längendifferenzen. Dabei entspricht \(\overset{\frown}{L_{2}L_{1}}\) die Differenz \(\rho_{1}=3{;}24{}^{\circ}\), die zur Länge von \(L_{1}\) zu addieren ist, um jene von \(L_{2}\) zu erhalten. Hingegen ist die Differenz \(\rho_{2}=0{;}37{}^{\circ}\) von der Länge von \(L_{2}\) zu subtrahieren, um jene von \(L_{3}\) zu erhalten. Wir haben damit eine Konfiguration wie in Abb. 4.
Sei \(U\) der Schnittpunkt der Strecke \(\overline{L_{2}T}\) mit dem Kreis. Ptolemäus arbeitet mit drei Dreiecken, nämlich \(\Delta L_{1}UT\), \(\Delta L_{3}UT\) und \(\Delta L_{1}UL_{3}\). Wir betrachten zunächst \(\Delta L_{1}UT\). Der Winkel \(\angle L_{2}UL_{1}\) ist nach dem Peripheriewinkelsatz gleich \(\alpha_{1}/2\), denn er gehört zum Zentriwinkel \(\alpha_{1}=\angle L_{2}CL_{1}\). Deshalb ist \(\angle L_{1}UT=180{}^{\circ}-\alpha_{1}/2\). Da \(\angle L_{2}TL_{1}=\rho_{1}\), erhalten wir als dritten Winkel in \(\Delta L_{1}UT\) den Winkel \(\angle TL_{1}U=180{}^{\circ}-(180{}^{\circ}-\alpha_{1}/2)-\rho_{1}=\alpha_{1}/2-\rho_{1}\).
Sei \(d=\overline{UT}\) (wir schreiben hier die Strecke für ihre Länge). Nach dem Sinussatz gilt
sodass
Nun zu \(\Delta L_{3}UT\). Da der Winkel \(\angle L_{2}UL_{3}\) – wiederum nach dem Perpheriewinkelsatz – gleich \((\alpha_{1}+\alpha_{2})/2\) und \(\angle UTL_{3}=\rho_{2}\), liefert der Sinussatz das Analogon
zu (4).
Schließlich betrachten wir \(\Delta L_{1}UL_{3}\). Sei \(Q\) der Fußpunkt des Lotes von \(L_{3}\) auf \(\overline{L_{3}U}\). In Abb. 4 wird \(Q\) durch \(\circ\) markiert. Nach dem Peripheriewinkelsatz gilt \(\angle L_{1}UL_{3}=\alpha_{2}/2\), und dieser Winkel ist spitz, weshalb \(Q\) nicht außerhalb von \(\overline{L_{3}U}\) zu liegen kommt. Es gilt nun
d. h., \(\overline{L_{3}Q}=\overline{L_{3}U}\sin(\alpha_{2}/2)\) und \(\overline{QU}=\overline{L_{3}U}\cos(\alpha_{2}/2)\). Nun ist aber \(\overline{L_{1}Q}=\overline{L_{1}U}-\overline{QU}=\overline{L_{1}U}-\overline{L_{3}Q}\cdot\cos(\alpha/2)\), sodass nach dem pythagoreischen Lehrsatz
Andererseits ist \(\overline{L_{1}L_{3}}\) die Sehne zum Zentriwinkel \(\alpha_{2}\). Für diese gilt die leicht zu überprüfende Beziehung
Indem man (7) auf der linken Seite von (6) einsetzt und auf der rechten Seite die Beziehungen (4) und (5) verwendet, erhält man die Gleichung
Mittels (8) kann man \(d/r\) auf offensichtliche Weise durch \(\alpha_{1}\), \(\alpha_{2}\), \(\rho_{1}\) und \(\rho_{2}\) ausdrücken.
Bezeichnen wir den zur Sehne \(\overline{L_{3}U}\) gehörigen Zentriwinkel mit \(\alpha_{3}\), so gilt die Entsprechung von (7), nämlich
Andererseits haben wir auch den Ausdruck (5) für \(\overline{L_{3}U}\), sodass
Da \(\alpha_{3}<180{}^{\circ}\) ist, ist \(\alpha_{3}/2\) ein spitzer Winkel und damit \(\alpha_{3}\) durch (9) völlig bestimmt.
Ptolemäus wendet nun eine Folgerung zum Satz 36 im dritten Buch der Elemente Euklids an. Sie besagt Folgendes: Zieht man vom Punkt \(T\) zum Kreis (mit dem Mittelpunkt \(C\) und dem Radius \(r\)) zwei Strecken \(\overline{TL_{2}}\), \(\overline{TA}\) im Sinne der Abb. 5, so gilt
(Dies würde auch gelten, wenn die Strecke \(\overline{TA}\) nicht durch den Mittelpunkt \(C\) ginge.) Da nun \(\overline{TB}=R-r\), \(\overline{TA}=R+r\) und \(\overline{TU}=d\) ist, erhalten wir
Nun ist \(\overline{UL_{2}}\) die Sehne zum Zentriwinkel \(\alpha_{1}+\alpha_{2}+\alpha_{3}\) (vgl. Abb. 4) und somit
Daher kann man (10) anschreiben als
Da \(d/r\) nach (8) bekannt und \(\alpha_{3}\) durch (9) gegeben ist, lässt sich nun \(R/r\) bestimmen. Ptolemäus setzt \(R\) mit 60 Einheiten fest. Man findet dann, dass \(r=5{;}12,27\) Einheiten beträgt. Ptolemäus hat 5;13 Einheiten, was er zu \(5{;}15=5\frac{1}{4}\) Einheiten rundet.
Er bestätigt diesen Wert auch durch drei eigene Beobachtungen von Mondfinsternissen, die freilich zu einer veränderten geometrischen Konfiguration führen – was eine Anpassung der Methode erfordert.
Wie im Fall der Sonne geht es Ptolemäus um dieProsthaphärese, also den Winlel \(\psi\), den man zur Länge des mittleren Mondes addieren bzw. davon subtrahieren muss, um die tatsächliche Länge zu erhalten (statt dessen ist auch der mittelalterliche Begriff der Gleichung des Mondes in Gebrauch). Aus der Abb. 6 ersieht man, dass \(\psi\) durch
gegeben ist. Dabei ist \(\alpha=n\varphi\).
Dem modernen Betrachter stellt sich natürlich die Frage, welche Bahn der Mond nach dem ersten Modell beschreibt. Fragen dieser Art sind Ptolemäus offensichtlich fremd. Wir können jedoch die besagte Bahn leicht beschreiben. Ist \(\varphi\) der Weg des mittleren Mondes \(C\) (also des Zentrums des Epizykels) in der Zeit \(t\) (gemessen in Tagen und deren Bruchteilen) zurücklegt, so gilt
In derselben Zeit legt \(L\) auf dem Epizykel den Weg \(\omega_{a}\cdot t\) zurück, den wir auch in der Form \(n\varphi\) schreiben können, wobei
Zu beachten ist dabei, dass dieser Weg immer vom Apogeum des Epizykels aus gemessen wird, d. h., vom äußeren Schnittpunkt der Gerade \(TC\) mit dem Epizykel. Dieser Ausgangspunkt ist für Ptolemäus eine natürliche Wahl, da er dieselbe (ekliptische) Länge wie \(C\) hat.
Sei nun \(T\) der Koordinatenursprung in \(\mathbb{R}^{2}\) – dieser Raum stellt für uns die Ebene der Ekliptik dar. Wenn der mittlere Mond \(C\) den Weg \(\varphi\) zurückgelegt hat, gilt \(C=(R\cdot\cos(\varphi),R\cdot\sin(\varphi))\). Da das Apogeum des Epizykels, bezogen auf \(C\), die Koordinaten \((r\cos(\varphi),r\sin(\varphi))\) hat, hat \(L\) in Bezug auf \(C\) die Koordinaten \((r\cos(\varphi-n\varphi),r\sin(\varphi-n\varphi))\) (beachte die geänderte Richtung). Insgesamt gilt
In Abb. 7 ist – in Schritten von \(10{}^{\circ}\) – ein Durchlauf der (kreisförmigen) Bahn von \(C\) durch Circelli \(\circ\) dargestellt. Die deutlich exzentrische Bahn der zugehörigen Punkte \(L\) hingegen ist – hier für den elften Durchlauf – durch ausgefüllte Circelli wiedergegeben.
4 Das zweite Modell für den Mond
Die größtmögliche Prosthaphärese, die beim ersten Modell auftreten kann, beträgt \(5{;}0,2{}^{\circ}\). Ptolemäus hat statt dessen \(5{;}1{}^{\circ}\). Er stellt fest, dass das Modell gut für die Zeit der Vollmonde und Neumonde funktioniert – die Daten für die zugrunde liegenden Mondfinsternisse stammen ja von Vollmonden. Genauer gesagt, bedeutet Vollmond bzw. Neumond, dass der Längenunterschied zwischen Sonne und Mond \(180{}^{\circ}\) bzw. \(0{}^{\circ}\) beträgt. Anders verhält es sich bei den Quadraturen, das sind die genauen Halbmonde. Hier beträgt der Längenunterschied \(90{}^{\circ}\) bzw. \(270{}^{\circ}\). In dieser Situation treten Prosthaphäresen bis zu \(7{;}40{}^{\circ}\) auf, die demnach vom ersten Modell nicht geliefert werden können.
An dieser Stelle kommt die Sonne ins Spiel, denn die Halbmonde hängen ja vom Sonnenstand ab. Dafür benötigt Ptolemäus den synodischen Monat \(M_{s}\), das ist die mittlere Zeit zwischen zwei Neumonden. Die zum synodischen Monat gehörige tägliche Bewegung ist
Man beachte, dass der synodische Monat länger ist als der tropische, da sich die Sonne ebenfalls in die zweite Richtung bewegt. Deshalb gilt \(\omega_{s}<\omega_{t}\). Ist \(t\) die seit dem Neumond verstrichene Zeit (gemessen in Tagen und deren Bruchteilen), so ist \(\omega_{s}\cdot t\) die mittlere Entfernung vom Neumond, die man auch mittlere Elongation nennt. Die Quadraturen entsprechen mittleren Elongationen von \(90{}^{\circ}\) bzw. \(270{}^{\circ}\).
Ptolemäus hat einen Mechanismus ersonnen, bei dem der Mond zur Zeit der Quadraturen näher an die Erde herangezogen wird, damit der Epizykelradius größer erscheint. Dazu setzt er den Deferentenmittelpunkt \(D\) in Bewegung, während der Erdmittelpunkt \(T\) fest bleibt. Nun bewegt sich \(D\) auf einem kleinen Kreis (den die mittelalterlichen Astronomen circulus parvus nannten) um den Punkt \(T\). Der Radius dieses Kreises sei \(r_{0}\). Ist \(R\) der Radius des Deferenten, so gilt jetzt \(r_{0}+R=60\) Einheiten. Der Epizykelmittelpunkt \(C\) bewegt sich weiterhin, von \(T\) aus gesehen, mit der Geschwindigkeit \(\omega_{t}\) pro Tag in die zweite Richtung. Hingegen bewegt sich \(D\) von der Strecke \(\overline{TC}\) weg in die andere (erste) Richtung, und zwar mit der Geschwindigkeit \(2\omega_{s}\) pro Tag, bezogen auf \(\overline{TC}\). Das hat zur Folge, dass sich der Punkt \(C\) mit konstanter Winkelgeschwindigkeit \(\omega_{t}\) pro Tag, jedoch variabler Entfernung \(r\), um \(T\) bewegt, während er mit variabler Geschwindigkeit, aber konstantem Abstand \(R\) um \(D\) rotiert. Ist \(\varphi=\omega_{t}t\) der von \(C\) zurückgelegte Weg bezüglich \(T\), so ist \(m\varphi\) der Winkel \(\angle CTD\), wobei
vgl. Abb. 8a. Der kleine Bogen gehört hier zum Winkel \(\varphi\), der große zum Winkel \(m\varphi\). Die horizontale Linie ist der Ausgangspunkt für die Messung von \(\varphi\).
Ist die mittlere Elongation \(90{}^{\circ}\) (der Weg von \(C\) seit dem Neumond beträgt dann \(90{}^{\circ}\cdot\omega_{t}/\omega_{s}=97{;}16,36{}^{\circ}\)), so ist \(m\varphi=180{}^{\circ}\) der Winkel \(\angle CTD\), das heißt, \(C\), \(T\) und \(D\) liegen auf einer Linie. Allerdings ist nun \(\overline{TC}=R-\overline{TD}=R-r_{0}\) kleiner als der Abstand von 60 Einheiten beim ersten Modell. Somit ist der Epizykelmittelpunkt zur Zeit des Halbmondes tatsächlich näher bei \(T\).
Es stellt sich nun die Frage, wie groß \(r_{0}\) bzw. \(R\) sein müssen, damit der Epizykelradius in dieser Stellung unter einem Winkel von \(\beta=7{;}40{}^{\circ}\) erscheint. Sei dazu \(r_{1}\) der Epizykelradius (wie bisher 5;15 Einheiten). Da \(\overline{TC}=R-r_{0}=60-2r_{0}\) Einheiten ist, erhält man nach Abb. 8b
woraus man \(r_{0}\), da \(\beta\) und \(r_{1}\) gegeben sind, berechnen kann. Dies liefert \(r_{0}=10{;}19,25\) Einheiten, was Ptolemäus zu \(r_{0}=10{;}19\) Einheiten rundet. Der Radius \(R\) des Deferenten beträgt dann 49;41 Einheiten.
Die Prosthaphärese \(\psi\) kann man weiterhin der Abb. 6 entnehmen, wobei \(R\) durch \(r\) und \(r\) durch \(r_{1}\) zu ersetzen ist. Es gilt also
mit \(\alpha=n\varphi\). Die Anwendung dieser Formel erfordert die Kenntnis von \(r\) (vgl. Abb. 8a). Der Winkel \(\angle CTD\) beträgt gerade \(m\varphi\) (vgl. 14). Die Längen \(r_{0}\) von \(\overline{TD}\) und \(R\) von \(\overline{DC}\) sind bekannt. Nach dem Cosinussatz erhalten wir
Wenn wir diese quadratische Gleichung nach \(r\) auflösen, ergibt sich
Für uns kommt nur die positive Wurzel in Frage. Ferner benützen wir \(r_{0}^{2}-r_{0}^{2}\cos(m\varphi)^{2}=r_{0}^{2}\sin(m\varphi)^{2}\). Das liefert
Differenziert man (15) nach \(\varphi\), so erhält man – wie im Fall der Sonne – die Abweichung der Geschwindigkeit der Sonne von der mittleren Geschwindigkeit \(c\) des Mondes. Es gilt \(c=\omega_{t}\) pro Tag. Man hat dann als Geschwindigkeit des Mondes
Der Ausdruck für \(d\psi/d\varphi\) ist recht kompliziert und wurde mit Hilfe eines Computeralgebra-Paketes erstellt. Mit den Abkürzungen \(w=\sqrt{R^{2}-r_{0}^{2}\sin(m\varphi)^{2}}\), \(c_{m}=\cos(m\varphi)\), \(c_{n}=\cos(n\varphi)\), \(s_{m}=\sin(m\varphi)\), \(s_{n}=\sin(n\varphi)\) lautet er
Man erhält damit folgendes Diagramm für die Geschwindigkeit des Mondes während der ersten beiden Umläufe des Epizykelmittelpunktes \(C\) (Abb. 9). Die horizontale Linie deutet die Geschwindigkeit von \(C\) an (d. i. die mittlere Geschwindigkeit des Mondes). Die Skaleneinheit für den Weg von \(C\) ist \(90{}^{\circ}\).
Das Diagramm legt die Vermutung nahe, dass die Geschwindigkeit im Bereich des ersten Umlaufs von \(C\) drei lokale Maxima hat. In der Tat gibt es solche für die Längen \(0{}^{\circ}\), \(145{,}9{}^{\circ}\) und \(225{,}1{}^{\circ}\) von \(C\). Wie man sieht, ist der Verlauf der Geschwindigkeit von \(L\) für die ersten \(360{}^{\circ}\) von \(C\) keineswegs identisch mit jenem für die folgenden \(360{}^{\circ}\).
5 Das dritte Modell für den Mond
Ptolemäus kommt zu der Erkenntnis, dass dieses zweite Modell nun auch für die Quadraturen gut funktioniert, er stellt jedoch für die Oktanten, d. h., wenn der Längenunterschied zwischen Sonne und Mond ein ungerades Vielfaches von \(45{}^{\circ}\) beträgt, immer noch eine Abweichung fest. Diese korrigiert er (anhand zweier Beobachtungen) durch eine Veränderung in der Epizykelbewegung des Mondes. Diese Veränderung wirkt auf uns sonderbar, führt jedoch wirklich zu einer Verbesserung, dem dritten Modell.
Wie bereits gesagt, hat zum Zeitpunkt \(t\) der mittlere Mond \(C\) den Weg \(\varphi=\omega_{t}t\) zurückgelegt. Ferner hat der Mond \(L\) auf dem Epizykel den Winkel \(n\varphi\) zurückgelegt. Der Winkel \(n\varphi\) wird dabei (wie schon in Abschn. 3) vom Apogeum des Epizykels, das ist der äußere Schnittpunkt der Geraden \(TC\) mit dem Epizykel, in der ersten Richtung gemessen (vgl. Abb. 6). Ptolemäus führt jetzt ein mittleres Apogeum ein, das folgendermaßen zustande kommt. Sei \(D^{\prime}\) der Antipodenpunkt von \(D\) auf dem Kreis mit Radius \(r_{0}\) um den Mittelpunkt \(T\) (vgl. Abb. 10). Dann ist das mittlere Apogeum der äußere Schnittpunkt der Geraden \(D^{\prime}C\) mit dem Epizykel. Der Winkel \(n\varphi\) ist jetzt von diesem mittleren Apogeum aus zu messen.
Es gilt \(\angle CTD=m\varphi\). Sei nun \(A\) das Apogeum und \(A^{\prime}\) das mittlere Apogeum (vgl. Abb. 10). Gesucht ist der Winkel \(\beta=\angle ACA^{\prime}\). Es gilt auch \(\beta=\angle D^{\prime}CT\). Wegen des Verhältnisses von \(r\) zu \(r_{0}\) kann \(\beta\), wie man leicht sieht, nicht allzu groß sein (in der Tat gilt \(\beta<14{}^{\circ}\)). Man kann \(\beta\) folgendermaßen angeben. Sei \(s=\overline{D^{\prime}C}\). Wegen \(\angle D^{\prime}TC=180{}^{\circ}-m\varphi\) liefert der Cosinussatz
Ferner gilt \(\sin(\beta)/r_{0}=\sin(m\varphi)/s\), woraus
folgt. Ist \(m\varphi> 180{}^{\circ}\), so kommt \(D^{\prime}\) (im Sinne der Abb. 10) auf die entgegengesetzte Seite zu liegen und \(\beta\) wird negativ. Dies passt jedoch zu unserer Anwendung.
Die Prosthaphärese hat nun die Form (14), wobei \(\alpha=\beta+n\varphi\) (vgl. Abb. 10). Für die Bahn des Mondes sei wieder \(\mathbb{R}^{2}\) die Ebene der Ekliptik und \(T=(0,0)\). Dann hat zum Zeitpunkt \(t\) der mittlere Mond \(C\) die Koordinaten \((r\cos(\varphi),r\sin(\varphi))\). Der Mond \(L\) hingegen hat auf dem Epizykel den Weg \(\alpha\) zurückgelegt, d. h., er hat bezüglich \(C\) die Koordinaten \((r_{1}\cos(\varphi-\alpha),r_{1}\sin(\varphi-\alpha))\). Insgesamt gilt
Man erhält aus dieser Formel sofort die Bahn nach dem zweiten Modell, indem man \(\alpha\) durch \(n\varphi\) ersetzt.
Für einen Umlauf von \(C\) liefert (18) folgendes Bild der Bahn des Mondes (vgl. Abb. 11 und [1, S. 1233]). Eine Skaleneinheit entspricht 10 Einheiten im Sinne von Ptolemäus.
Hier sind zusätzlich die beiden Perigeen eingezeichnet, wobei ein Perigeum der Ort ist, an dem die Entfernung von \(L\) zu \(T\) ein lokales Minimum annimmt. In unserem Kontext heißt das, dass die euklidische Norm \(\|L\|\) des Vektors \(L\) ein lokales Minimum \(l\) hat (vgl. 18). Die beiden Perigeen treten bei den Längen \(93{,}4{}^{\circ}\) bzw. \(295{,}4{}^{\circ}\) von \(L\) auf. Dabei hat \(C\) die Länge \(101{,}1{}^{\circ}\) bzw. \(288{,}4{}^{\circ}\). Zur Verdeutlichung sind auch Kreisbögen mit Mittelpunkt \(T=(0,0)\) und Radius \(l\) in der Umgebung der Perigeen eingezeichnet. Die Bahn von \(L\) wirkt recht unregelmäßig.
Ein regelmäßigeres Bild erhält man, wenn man die Bahn von \(L\) für zehn Umläufe von \(C\) zeichnet (vgl. Abb. 12).
Dieses dritte Mondmodell beschreibt die Längenbewegung des Mondes ziemlich gut, vgl. die Auswertung vieler Mondpositionen zu Ptolemäus’ Zeit in [3]; vgl. auch [7]. Es gibt allerdings einen Punkt, in dem es völlig versagt. In der Nähe der Quadraturen wird der Abstand von \(L\) zu \(T\) fallweise \(R-r_{0}-r_{1}=34{;}7\) Einheiten, während in der Nähe des Vollmondes \(R+r_{0}+r_{1}=65{;}15\) Einheiten möglich sind. Demzufolge würde der Halbmond mitunter fast doppelt so groß erscheinen wie der Vollmond. Ptolemäus sagt darüber nichts, obwohl ihm das kaum entgangen sein kann (vgl. [1, p. 88]).
Die Prosthaphärese \(\psi\) hat nach dem dritten Modell die Form von (15), wobei \(\alpha=\varphi-\beta+n\varphi\). Aufgrund der Definition von \(\beta\) führt die Differentiation von \(\psi\) (nach \(\varphi\)) zu einem sehr komplizierten Ergebnis. Es wird daher auf die Angabe einer entsprechende Formel für die Geschwindigkeit verzichtet. Dennoch ist ein Diagramm der Geschwindigkeit während der ersten beiden Umläufe von \(C\) aufschlussreich (analog zu Abb. 9). Dieses kann auch durch Berechnung von Differenzenquotienten mit hinreichend kleinem Nenner gewonnen werden (Abb. 13). Im Vergleich zu Abb. 9 zeigt der Kurvenverauf hier eine schwächere Tendenz zu Extremen.
Die Abb. 11 und 13 zeigen, dass der Punkt der größten Geschwindigkeit nicht mit einem Perigeum zusammenfällt. Der Punkt der größten Geschwindigkeit liegt, wie Abb. 13 erkennen lässt, im Bereich des ersten Umlaufs bei der Länge \(163{,}1{}^{\circ}\) von \(C\) (d. h., \(160{,}3{}^{\circ}\) von \(L\)).
Literatur
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Petersen, V.M., Schmidt, O.: The determination of the longitude of the apogee of the orbit of the sun according to Hipparchus and Ptolemy. Centaurus 12, 73–96 (1968)
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Toomer, G.J.: Ptolemy’s almagest. Princeton University Press, Princeton (1998)
Van Brummelen, G.: Mathematical tables in ptolemy’s almagest. Simon Fraser University, Burnaby (1993). Dissertation
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Girstmair, K. Sonne und Mond bei Ptolemäus. Math Semesterber 69, 259–276 (2022). https://doi.org/10.1007/s00591-022-00328-9
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