Zusammenfassung
Die Theorie der reellen Zahlen bildet das Fundament der Analysis. Dort begegnen uns die Grenzwerte, implizit und explizit, und offenbaren deutlich ihre Problematik. Diese wird in der Schule überdeckt durch ein Vorgehen, das anschaulich zu sein vorgibt. Der grundlegende „Kunstgriff“, der weitere Kunstgriffe gebiert, ist die alltägliche Zahlengerade, die Punkte und Zahlen identifiziert. Will man fragwürdige Praktiken vermeiden, scheint der Schritt in die Theorie, der mit Vereinbaren, nicht mit Verstehen beginnt, unvermeidlich. Die Probleme der Grenzwerte werden beim Einstieg in die Analysis unübersehbar. Eine Art Kapitulation ist der „propädeutische Grenzwertbegriff“, der in einen unklaren Grenzwertformalismus führt. Dem üblichen Grenzwerteinstieg wird knapp ein arithmetischer Weg gegenübergestellt, der „Nonstandard“ heißt, mathematisch aber längst Standard ist. Die reellen Zahlen \({\mathbb{R}}\) werden zu den hyperreellen Zahlen \({}^{*}{\mathbb{R}}\) erweitert, mit denen die alte Infinitesimalrechnung mathematisch fundiert zurückkehrt. Differentiale \(dx,\,dy\) erhalten ihre Bedeutung zurück. Hier liegt ein mathematischer Stoff vor, der nach Stoffdidaktik ruft.
Notes
Heft 180, Oktober 2013.
Hervorhebung durch mich.
Hervorhebung nicht original.
Ein Gutachter hat an dieser Stelle weitere Klärung über diesen Weg vorgeschlagen, um ihn kenntlicher gegenüber dem geläufigen Grenzwertweg zu machen. Ich danke für diesen Vorschlag und nehme ihn gerne auf.
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Bedürftig, T. Über die Grundproblematik der Grenzwerte. Math Semesterber 65, 277–298 (2018). https://doi.org/10.1007/s00591-018-0220-0
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