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Analysis bei Hegel

  • Philosophische und historische Sicht
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Mathematische Semesterberichte Aims and scope Submit manuscript

Zusammenfassung

Die zweite Auflage von Hegels Wissenschaft der Logik (1832) enthält drei Anmerkungen zur Unendlichkeit des Quantums, worin die verschiedenen Begründungen der Differential- und Integralrechnung behandelt werden. Insofern diese drei Anmerkungen auf eine in der ersten Auflage (1812) zurückgehen, zeigt sich allein darin Hegels fortlaufende Beschäftigung mit diesem Problem. Er gewinnt dabei nicht nur einen Überblick über die verschiedenen Methoden aus der Frühzeit der Analysis, sondern kann auch auf die sich jeweils ergebenden mathematischen und philosophischen Probleme verweisen. Entscheidend für Hegel ist jedoch, dass die wesentlichen Gegenstände der Analysis wie Unendlichkeit und Grenze an sich widersprüchlich sind, so dass sie nicht analytisch, sondern allein durch den Begriff als Einheit der Gegensätze gefasst werden können.

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Abb. 1
Abb. 2
Abb. 3
Abb. 4

Notes

  1. Verlangt wurde „une théorie claire et précise de ce qu′on appelle Infini en Mathématique“ vgl. die Anmmerkung in [GW 7, 369]. Die erste Zahl verweist auf den Band von Hegel, Gesammelte Werke [19], die zweite Zahl auf die Seite. Für das erste Buch der Logik [GW 11] werden die Seitenzahlen nach der Erstausgabe (1812) angegeben [18], so dass auch darin gelesen werden kann.

  2. Mit dem Titel Die Objektive Logik, Die Lehre vom Sein. Das zweite Buch enthält Die Lehre vom Wesen (Nürnberg 1813).

  3. Ein Ergebnis dieser Verselbständigung ist eine autonome, abstrakte Mathematik, die im 19. Jhd. als reine Mathematik betrieben wurde, insbesondere von der Berliner mathematischen Schule, die sich in ihrer Denkweise auch von Hegel inspirieren ließ, vgl. H. Boehme [2].

  4. Vgl. [1, 233a21f, 239b9f].

  5. [GW 11, 219]. Vgl. Ethica I, Prop. 8, Schol. 1 [33, Bd. 2, 7 f.].

  6. [GW 11, 75]. Vgl. Epistola L [33, Bd. 6, 210]

  7. Ethica I, Prop. 15, Schol. [33, Bd. 2, 19].

  8. [33, Bd. 6, 12. Brief, 51 f.] Im Original: Infinitum actu negarunt [32, Bd. 4, 59].

  9. [30, 524], 29. Brief (alte Zählung), Van de Natuur van’t Oneindig. Darin heißt es, „de ruimte, tussen de twee kringen AB gestelt“. Die Figur erscheint ebenso in allen Ausgaben, [3133], jedoch wird seit den Opera Posthuma die Figur beschrieben mit „spatii duobus circulis AB, & CD, interpositi“ [31, 59] vgl. Epistola XII [32, Bd. 4, 59]. Dies ist aber unsinnig, denn A und B sind bereits zwei Kreise entsprechend Fig. 3; d. h. CD ist im Zusammenhang mit dem weiteren Text irrtümlich dazu gekommen, denn dort werden „de grootste ruimte AB, en de kleinste CD“ genannt [30], bzw. „maximum nempe AB, minimum verò CD“ [31], so dass die Buchstaben A und B zuerst für Kreise und danach für Endpunkte von Strecken stehen, was für C und D wohl ebenso gelten sollte.

  10. [32, Bd. 1, 198], vgl. [33, Bd. 4, 71]. Diese Figur erscheint 1663 auch auf dem Titelblatt des Buches, Faksimile in [32, Bd. 1, 125].

  11. Dies entspricht der Kontinuitätsgleichung für inkompressible Strömungen.

  12. [10, Pars II, XXXIII, S. 59], ebenso in [11, 47].

  13. Auch hierbei orientiert sich Spinoza an Descartes, der zunächst die Bewegung der Materie in einem vollkommenen Kreisring beschreibt, „so dass kein Leeres und keine Verdünnung oder Verdichtung nötig ist“ [11, 46].

  14. [32, Bd. 1, 199], vgl. [33, Bd. 4, 71]. Daraus ergibt sich wiederum Fig. 4, die demnach aus Fig. 2 hervorgegangen ist. Die Anmerkung in [GW 11, 428], dass Hegel diese Figuren irrtümlich identifiziert habe, dürfte daher selbst ein Irrtum sein.

  15. [1, 233b25], diese Definition des Aristoteles wäre für Spinoza zeitgemäß.

  16. Entsprechend setzt Spinoza in Ethika voraus, dass aus Bewegung und Ruhe unendlich vieles folgt [33, Bd. 2, 34].

  17. Anzumerken ist, dass Hegel an anderer Stelle die Berechnung einer Fläche mittels der Summationsmethode erwähnt, wodurch für ihn auch direkt ein Zusammenhang mit der unendlichen Reihe gegeben ist [GW 21, 292]. Im Gegensatz dazu ist für Hegel die Integralrechnung ein Kalkül wie die Differentialrechnung und nichts anderes als deren Umkehrung [ebenda].

  18. Nach der Definition des Apollonios (homoimereis grammai), d. h. je zwei Punkte der Linie liegen in Teilen, die einander kongruent sind [29, 105].

  19. A. Moretto in [26, 176]. Er betrachtete darüber hinaus die Totalität der Segmente als das infinitum actu Spinozas, womit er und Hegel bereits das aktual Unendliche G. Cantors antizipiert hätten. Abgesehen davon, dass diese Totalität nicht dem Argument des Spinozas entspricht, ist das wirkliche Unendliche eben nicht mit Cantors transfiniten Mengen zu verwechseln, denn diese sind bestimmt und voneinander unterschieden, während es für Spinoza nur ein infinitum actu gibt, das der Substanz.

  20. Mitteilungen zur Lehre vom Transfiniten (1887), in [5, 391].

  21. Brief an Dedekind (1899) in [5, 443].

  22. Nach Aristoteles (und Spinoza s. o.) beseht eine kontinuierliche Linie nicht aus Punkten. [1, 231a25].

  23. Vgl. dazu die Ausführungen von W. Bonsiepen [3].

  24. [GW 11, 229]; vgl. Principia Buch II, Kap. II, Lemma II [27, 256].

  25. Hegel benutzte nicht nur die Einleitung von Hauff, sondern auch dessen fast 60-seitigen Anhang zur Geschichte der Infinitesimalrechnung, wonach er sich jeweils mit den Methoden von Kepler, Cavalieri, Fermat, Barrow, Newton und Leibniz auseinandersetzte.

  26. D’Alembert, Jean le Rond: Mélanges de literature, d’histoire, et de philosophie. Amsterdam (1767); zitiert nach [4, 248].

  27. D’Alembert und Diderot: Encyclopädia, Vol. 9 (1765), Limite; zitiert nach [16, 91].

  28. GW 7, Anm. S. 369.

  29. Vgl. [25, 18]. In der 2. Auflage der Logik streicht Hegel an dieser Stelle den Namen von L’Huilier [GW 21, 258], daraus lässt sich jedoch im Gegensatz zu M. Wolff kein Bezug auf Cauchy ableiten [35, 215], denn die Methode der Grenzen wurde auch von anderen Autoren benutzt, z. B. Carnot und Lacroix, es genügt daher anzunehmen, dass Hegel die Methode nicht mehr speziell durch einen Namen kennzeichnen wollte.

  30. Vgl. [25, 20], „de donner par là à la solution de ces problèmes toute la rigeur des dèmonstrations des Anciens.“

  31. GW [21], Fußnote S. 262; vgl. [25, 341]

  32. Hegel bezieht sich auf Lagrange, II.P., II.Chap., [25, 190 f.]. Vgl. A. Klaucke [22].

  33. Enzyclopädie, 2. Ausgabe, Berlin 1827, § 270 [GW 20, 268].

  34. Principia, Buch I, Kap. 2, Theorem IV, Kor. 1 [27, 64].

  35. Stekeler-Weithofer verweist auf die merkwürdige Rezeption, „dass Hegel, der alle, auch bewußtseinstheoretische, Hypostasierung unserer Begrifflichkeiten radikal kritisiert, selbst im allgemeinen als apriorischer Metaphysiker verstanden wird“ [34, 216].- Dazu genügt es manchen Kritikern auf Hegels Habilitationsschrift von 1801 zu verweisen: „Philosophische Erörterungen über die Planetenbahnen“, worin Hegel gegen die Titius-Bode-Reihe polemisiert und eine eigene Reihe für die Abstände der bis dahin bekannten 7 Planeten aufstellt. Er behauptet jedoch nicht, es könne keine weiteren Planeten geben, was ihm von Zeitgenossen nach der Entdeckung des Planetoiden Ceres unterstellt wurde. Vgl. den Kommentar von W. Neuser in [17].

  36. Vgl. Cours d’Analyse, Introduction [7, ij] „Quant aux méthodes, j‘ ai cherché à leur donner la rigeur qu’ on exige en géométrie, de manière à ne jamais recourir aux raisons tirées de la généralité de l‘ algèbre.“

  37. So erwähnt Dirksen in [12] weder den Mittelwertsatz im Résumé [8. Leçon; 8, 44] noch den Zwischenwertsatz in seiner Rezension von A.L. Cauchy′s Lehrbuch der algebraischen Analysis. Aus dem Französischen übersetzt von C. L. B. Huzler [13], vgl. [7, Note III].

  38. M. Wolff sieht darin eine Kritik Hegels an Cauchys Theorie der Grenzen [35, 231], doch verweisen bereits A. Moretto [26, 187 f.] und A. Klaucke [22, 143 f.] auf einen gleichlautenden Text von Lacroix als Referenz, vgl. [24, 189 f.].

  39. Darin schreibt er zum Differentialquotienten: Le rapport lui-même pourra converger vers une limite,…, qui sera la dernière raison des differences infiniment petites \(\Delta y\) et \(\Delta x\). Le rapport \(\frac{dy}{dx}\) coïncide avec la dernière raison des quantités infiniment petites \(\Delta y\) et \(\Delta x\) [9, 288].

  40. Mit dem Titel Die subjektive Logik oder Die Lehre vom Begriff.

  41. „Das glänzende Beispiel der synthetischen Methode ist die geometrische Wissenschaft“ [GW 12, 226]. Damit hebt sich Hegel kritisch von Kant ab, für den bereits die Summe \(5 + 7 = 12\) ein synthetischen Satz ist [20, B 49], während Hegel dies als eine Aufgabe sieht, die analytisch zu lösen ist, indem die Glieder der Summe zusammengezählt werden [GW 12, 206].

Literatur

  1. Aristoteles: Physik. Griechisch und deutsch, Hrsg. K. Prantl. Leipzig (1854)

  2. Boehme, H.: Hegel und die Berliner Mathematische Schule. Hegel–Jahrbuch 1989, 273–282

  3. Bonsiepen, W.: Hegels Theorie des qualitativen Quantitätsverhältnisses. In: König, G. (Hrsg.) Konzepte des mathematisch Unendlichen im 19. Jhd. S. 100–129. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen (1990)

  4. Boyer, C.B.: The History of the Calculus. Dover, New York (1949)

  5. Cantor, G.: Gesammelte Abhandlungen mathematischen und philosophischen Inhalts. Hrsg. E. Zermelo, Berlin (1932)

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  12. Dirksen, E.H.: Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik, Nr. 153–160, Besser, Berlin, Sp. 1217–1271 (1827)

  13. Dirksen, E.H.: Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik, Nr. 27–28, Besser, Berlin, Sp. 211–222 (1829)

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  30. Spinoza, B.: De nagelate Schriften. Amsterdam (1677)

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  32. Spinoza, B.: Opera, Hrsg. C. Gebhardt. Heidelberg (1925)

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Boehme, H. Analysis bei Hegel. Math Semesterber 61, 159–181 (2014). https://doi.org/10.1007/s00591-014-0136-2

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