Einleitung

Nach einer Phase relativer politischer, sozialer und wirtschaftlicher Stabilität in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg erlebt unsere Gesellschaft heute ein von Umbrüchen und multiplen Krisen gekennzeichnetes Zeitalter. Große gesellschaftliche Herausforderungen wie der anthropogene Klimawandel, Pandemien, geopolitische Unsicherheiten und die Zunahme sozialer und territorialer Ungleichheiten erfordern einen transformativen Wandel, der nicht nur technologischen Fortschritt und Änderungen der Produktionsweisen umfasst, sondern auch eine Anpassung von Konsumptionsmustern und Lebensstilen (siehe z. B. Schot und Steinmueller 2018).

Der geänderte Kontext macht eine Neuausrichtung der regionalen Innovations- und Wirtschaftspolitik notwendig. Diese muss neue Wege finden, den Übergang zu ökologisch nachhaltigen und sozial inklusiven Wirtschaftsweisen zu unterstützen. Etablierte Politikansätze wie Clusterförderung (Porter 1998) oder intelligente Spezialisierung (Foray et al. 2012) sind jedenfalls unzureichend, um innovationsbasierte territoriale Transformationen zu initiieren bzw. zu beschleunigen (Tödtling und Trippl 2018).

In den vergangenen Jahren hat sich ein neues innovationspolitisches Paradigma herausgebildet, das die Bewältigung drängender gesellschaftlicher Herausforderungen durch die Gestaltung soziotechnischen Wandels als Zielorientierung hat (Schot und Steinmueller 2018). Ansätze zu einer missionsorientieren (Mazzucato 2018) und transformativen Innovationspolitik (Diercks et al. 2019; Schot und Steinmueller 2018) sind Ausdruck dieses neuen Paradigmas. Die Frage, wie sich diese auf die subnationale Politikebene übertragen lassen, ist mittlerweile Gegenstand intensiver wissenschaftlicher Debatten, wie Arbeiten zu regionalen problem-, missions- und herausforderungsorientierten Politikansätzen zeigen (Flanagan et al. 2023; Henderson et al. 2023; Tödtling et al. 2022). Aber auch stärker praxisorientierte Publikationen wie das sogenannte „Partnerships for Regional Innovation (PRI) Playbook“, das jüngst von der Gemeinsamen Forschungsstelle der Europäischen Kommission vorgelegt wurde (Pontikakis et al. 2022), sind zu nennen. Darin werden eine maßgebliche Weiterentwicklung des Ansatzes der intelligenten Spezialisierung vorgeschlagen und Leitlinien für eine regionale transformationsorientierte Innovationspolitik vorgestellt, die ökonomische, ökologische und soziale Zielsetzungen in Einklang bringen soll.

All diese neuen Ansätze betonen die Rolle der regionalen Ebene bei der Bewältigung großer gesellschaftlicher Herausforderungen. Dafür werden verschiedene Gründe angeführt (Uyarra et al. 2023). Zunächst gilt es festzuhalten, dass die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Herausforderungen unserer Zeit ungleich im Raum verteilt sind. Selbst globale Krisen manifestieren sich in verschiedenen geographischen Kontexten unterschiedlich (stark). So sind etwa emissionsintensive Regionen mit anderen Implikationen des Klimawandels und Herausforderungen bei dessen Bekämpfung konfrontiert als beispielsweise eine alpine Tourismusregion. Wichtig dabei ist, dass die spezifische Konfrontation mit Herausforderungen für Regionen eine Quelle von Legitimität für neue Zugänge, Wissens- und Marktkreierung werden kann (Uyarra et al. 2023). Demnach gestaltet sich auch die Suche nach Lösungen geographisch höchst unterschiedlich. Regionen können so je nach konkreter Betroffenheit und Innovationskapazität zu Orten des Lernens und Experimentierens werden und so eine entscheidende Rolle bei der Lösung globaler Krisen spielen, insbesondere wenn es gelingt, Erfolge über die Ursprungsregion hinaus zu exportieren und in anderen Regionen zu re-kontextualisieren und umzusetzen. Darüber hinaus bleibt die regionale Ebene auch bei der konkreten Implementierung von Politikmaßnahmen von herausragender Bedeutung, nicht nur weil dort häufig wichtige Kompetenzen angesiedelt sind (etwa im Verkehrs‑, Planungs- oder Wohnbaubereich), sondern auch weil sich die Auswirkungen von Top-down-Strategien (wie häufig für missionsorientierte Politikansätze charakteristisch) in Regionen (unterschiedlich) entfalten (Uyarra et al. 2023).

Nicht zuletzt aus diesen Gründen ist ein klares analytisches Konzept, das einen Orientierungsrahmen bereitstellt, für eine Neuausrichtung der regionalen Innovations- und Wirtschaftspolitik essenziell. Der vorliegende Artikel schlägt das Konzept der herausforderungsorientierten regionalen Innovationssysteme („challenge-oriented regional innovation systems“, kurz CORIS) als solchen Orientierungsrahmen vor. Aus dem CORIS-Ansatz ergibt sich eine Reihe von Schlussfolgerungen für die Praxis, die in diesem Artikel herausgearbeitet werden sollen.

Der Ansatz herausforderungsorientierter regionaler Innovationssysteme (CORIS)

Der CORIS-Ansatz (Tödtling et al. 2022; Trippl 2023) nimmt eine kritische Bewertung und Modifikation des bekannten Ansatzes der regionalen Innovationssysteme (RIS) (Cooke et al. 1997) vor (siehe Tab. 1). Das RIS-Konzept hat in den vergangenen Jahren maßgeblichen Einfluss auf die Praxis der regionalen Innovationspolitik gehabt und zur Herausbildung systemischer und sogenannter „place-based“ (also regionsspezifischer) Strategien beigetragen (Asheim et al. 2019; Barca et al. 2012). Aus der Perspektive des RIS-Ansatzes dienen Innovationen dem Zweck, regionales Wirtschaftswachstum anzukurbeln und die Wettbewerbsfähigkeit der Region anzuheben. Das Augenmerk gilt dabei der Entwicklung von insbesondere technologischen Innovationen durch die Vernetzung von Unternehmen, Forschungseinrichtungen, staatlichen Stellen und intermediären Organisationen wie etwa Technologietransfereinrichtungen. Das CORIS-Konzept hingegen plädiert dafür, territoriale Nachhaltigkeitsherausforderungen, regionale Probleme und Bedürfnisse als Ausgangspunkt zu nehmen und gesellschaftlich wünschenswerte Innovationen und Wandel (Direktionalität) zu deren Bewältigung zu forcieren. Dafür wird ein erweitertes Innovationsverständnis als wichtig erachtet. Nicht nur technologische Innovationen im Unternehmenssektor, sondern auch soziale und institutionelle Innovationen in verschiedenen Bereichen der Gesellschaft sowie Anwendungsinnovationen finden Berücksichtigung. Dabei sind nicht nur positive Effekte von Innovation zu beachten, sondern auch mögliche negative bzw. unbeabsichtigte Folgen, weil Innovation soziale und ökologische Probleme nicht nur lösen, sondern auch verursachen kann (Coad et al. 2021; Soete 2013). Schließlich geht der CORIS-Ansatz über konventionelle Innovationsakteure (Unternehmen, Hochschulen, Staat, Intermediäre) hinaus und betont die Einbindung „neuer“ Innovationsakteure, wie beispielsweise Nutzer bzw. Anwender oder zivilgesellschaftliche Organisationen (Tödtling et al. 2022; Trippl 2023).

Tab. 1 Konventioneller und herausforderungsorientierter RIS-Ansatz: wesentliche Unterschiede. (Quelle: adaptiert und erweitert nach Tödtling et al. (2022), in eigener Übersetzung. © 2021 The Authors, reprinted by permission of Informa UK Limited, trading as Taylor & Francis Group, http://www.tandfonline.com)

Eine entscheidende Frage ist, auf welcher administrativen Ebene (etwa auf Landkreis‑, Bezirks- oder Bundeslandebene) der CORIS-Ansatz sinnvoll als Orientierung für eine regionale Innovations- und Wirtschaftspolitik dienen kann.Footnote 1 A priori gibt es darauf keine eindeutige Antwort, da dies nicht zuletzt davon abhängig ist, wie Kapazitäten, Befugnisse und Kompetenzen zwischen politischen Ebenen verteilt sind, wie also jeweilige Politiksysteme und deren Grad an (De‑)Zentralisierung ausgestaltet sind. Darüber hinaus hängt die Beantwortung dieser Frage aber auch von der Identifikation des konkreten Problems bzw. der Lösungsstrategie ab. So plädieren Wanzenböck und Frenken (2020) etwa im Sinne des Subsidiaritätsprinzips, das besagt, dass gesellschaftliche Herausforderungen (vorrangig) von jener administrativen Ebene adressiert werden sollten, die am ehesten davon betroffen ist. Allerdings kann eine Strategie auch zum Ziel haben, Lösungen über die (betroffene) Region hinaus in andere Kontexte zu transferieren oder einen Beitrag zur Erreichung nationaler oder supranationaler Ziele zu leisten. Insofern gibt es nicht „die eine“ vordefinierte administrative Ebene, für die das CORIS-Konzept Orientierung bietet. Letztlich kommen je nach Kompetenzverteilung, dem jeweiligen Problem(-framing) und dem Pfad, der bei der Suche nach Lösungen eingeschlagen wird, unterschiedliche subnationale administrative Ebenen infrage.

CORIS als Orientierungsrahmen: Implikationen für die Praxis

Der CORIS-Ansatz identifiziert eine Reihe von Kernprozessen als Handlungsfelder einer transformationsorientierten regionalen Innovations- und Wirtschaftspolitik (Hölscher et al. 2019; Trippl 2023):

  • Identifikation von Herausforderungen und Ressourcen: Konventionelle Ansätze wie Clusterpolitik oder intelligente Spezialisierung sind bemüht, ausgehend von historisch gewachsenen wirtschaftlichen und technologischen Stärken neue Innovationsfelder und Diversifikationspotenziale für die (meist inkrementelle) Weiterentwicklung regionalwirtschaftlicher Strukturen zu identifizieren und zu fördern. Der CORIS-Ansatz hingegen hat territoriale Nachhaltigkeitsherausforderungen als Ausgangspunkt. Der regionalen Innovations- und Wirtschaftspolitik kommt die wichtige Aufgabe zu, diese gemeinsam mit anderen Stakeholdern zu identifizieren, Problemursachen abzustecken und eine Auswahl der wichtigsten regionalen Bedürfnisse bzw. Probleme vorzunehmen. Existierende wirtschaftliche und technologische Stärken und andere, in der Region vorhandene Ressourcen können für deren Lösung bedeutsam sein. Um innovationsbasierte territoriale Transformation zu forcieren, wird es aber häufig darauf ankommen, nicht nur bestehende Ressourcen zu nutzen, sondern auch auszuloten, wie die Ressourcenbasis der Region (bestehend aus natürlichen Ressourcen, infrastrukturellen und materiellen Vermögenswerten, Technologien, Kompetenzen, Qualifikationen, Institutionen) modifiziert werden muss.

  • Entwicklung, Anwendung und Diffusion von Innovation: Dieser Kernprozess umfasst die Entwicklung, das Testen und die Anwendung von innovativen Lösungen für die identifizierten Herausforderungen. Aber auch deren Skalierung in der Region und Diffusion in andere Regionen, die vor ähnlichen Problemen stehen, werden diesem Kernprozess zugeordnet. Dabei sind „Lösungen“ breit zu verstehen und umfassen sowohl technologische als auch soziale oder institutionelle Innovationen bzw. deren Kombination, da Systemtransformationen häufig ein Zusammenspiel unterschiedlicher Innovationstypen erfordern.

  • Loslösung und Exnovation: Der CORIS-Ansatz plädiert aber nicht nur für die Suche nach und Unterstützung von gesellschaftlich wünschenswerten Innovationen. Auch der Ausstieg aus nichtnachhaltigen Industriezweigen (als Paradebeispiel kann hier die Kohleindustrie dienen), Technologien, Institutionen, Netzwerken und Praktiken, also Exnovation (Heyen et al. 2017), sollte aus der CORIS-Perspektive Gegenstand von gezielten politischen Bemühungen sein. In solchen Prozessen besteht die Gefahr, dass am Status quo verhaftete Akteursgruppen mit etablierten Interessen Transformationsaktivitäten blockieren (Baumgartinger-Seiringer 2022). Damit gewinnen Fragen nach der Steuerung von Exnovation (Heyen et al. 2017) an Bedeutung. Aktuelle Debatten rund um den Umgang mit Verhinderungskoalitionen, Politikansätze zur Destabilisierung nichtnachhaltiger Strukturen (Kivimaa und Kern 2016) und die Kompensation der Verlierer von Transformationen im Kontext der Gestaltung eines gerechten Übergangs („just transition“) (Newell und Mulvaney 2013) sind Zeugnis davon. Der Ausstieg aus emissionsintensiven Branchen, Technologien und Praktiken zugunsten umweltfreundlicher Lösungen und „grüner“ wirtschaftlicher Aktivitäten (Trippl et al. 2020) kann neue Chancen eröffnen. Die Nutzung dieser Transformationspotenziale zu unterstützen, wird zum zentralen Ziel der regionalen Innovations- und Wirtschaftspolitik.

  • Orchestrierung: Die drei oben genannten Kernprozesse benötigen die Koordination verschiedener Akteursgruppen, die häufig unterschiedliche Motivationen, aber auch Fähigkeiten aufweisen, innovationsbasierte territoriale Transformationen mitzugestalten. Gerade die Einbindung neuer Innovationsakteure (z. B. Bürgerinitiativen, Umweltorganisationen, Nutzer) kann Interessen- und Weltanschauungskonflikte mit sich bringen. Ein offener Diskussionsprozess über Ziele und Wege von Innovationen mag langwieriger und mühsamer als die Entscheidungsfindung in homogenen Zirkeln sein, bietet aber auch die Chance, mögliche negative Folgen von Innovationen (Coad et al. 2021) besser zu antizipieren und gesellschaftliche Konflikte für kreative und konstruktive Prozesse zu nutzen. Die Praxis der regionalen Innovations- und Wirtschaftspolitik kann aufgrund jahrelanger Erfahrungen mit Netzwerkarbeit (z. B. Clusterinitiativen) und partizipativen Politikentwicklungsprozessen (z. B. intelligente Spezialisierung) eine wesentliche Rolle dabei spielen, gemeinsame Visionen zu entwickeln, Akteure zu mobilisieren, Interessenkonflikte zu moderieren und Widerstände abzubauen (Benner 2020; Sotarauta 2018). Orchestrierung bedeutet aber auch, komplexe Politikkoordinationsprozesse zu meistern. Das betrifft sowohl die Abstimmung mit anderen Politikfeldern, also die Zusammenarbeit der regionalen Innovations- und Wirtschaftspolitik mit Ressorts, die etwa für Arbeitsmarktpolitik, Umweltpolitik oder Raumplanung zuständig sind (horizontale Politikkoordination) wie auch die Koordination mit der nationalen und supranationalen Politikebene (vertikale Politikkoordination). Gerade letzteres gestaltet sich in der Praxis häufig als schwierig (wie etwa Erfahrungen mit der Umsetzung von intelligenter Spezialisierung zeigen), gewinnt aber gegenwärtig angesichts des Europäischen Grünen Deals und ambitionierter missionsorientierter Politikprogramme auf supranationaler und nationaler Ebene noch mehr an Bedeutung (Pontikakis et al. 2022).

Wie sich die oben genannten vier Kernprozesse gestalten lassen, hängt von den spezifischen regionalen ökologischen, sozialen und ökonomischen Bedingungen ab. Regionen unterscheiden sich in Bezug auf ihre Ausstattung mit Ressourcen, Problemen und transformativen Potenzialen stark voneinander. Eine regionale innovationsbasierte Transformationspolitik muss daher regionsspezifisch ausgestaltet werden. Sie kann auch nur gelingen, wenn eine Rekonfiguration des historisch gewachsenen RIS verfolgt wird, damit dieses für die Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen geeignete Innovationen generiert (Isaksen et al. 2022). Dafür ist nicht nur eine Neuausrichtung der regionalen Innovations- und Wirtschaftspolitik erforderlich. Auch andere Akteure des Innovationssystems wie beispielsweise Universitäten müssen neue Aufgaben übernehmen und einen Beitrag zur Lösung territorialer Nachhaltigkeitsprobleme leisten. Das umfasst nicht nur die Bereitstellung einer Evidenzbasis für regionale Transformationen, sondern auch transdisziplinäre Ansätze, in denen Universitätsforscher mit Vertretern der regionalen Innovations- und Wirtschaftspolitik und anderen Stakeholdern in einem Prozess der Kokreation Innovationen und Transformationsstrategien für Regionen entwickeln und implementieren (Trippl et al. 2023). Wie solche Prozesse in der Praxis aussehen können, lässt sich beispielhaft am Projekt „RIS4Danu“ zeigen.

Transformationsorientierte regionale Innovations- und Wirtschaftspolitik in der Praxis: das Projekt „RIS4Danu“

Einsichten, wie sich die konzeptionellen Grundgedanken des CORIS-Ansatzes in die Praxis übertragen lassen, liefert das seit 2022 laufende und von der EU finanzierte Projekt „RIS4Danu“. Dieses hat sich zum Ziel gesetzt, Nachhaltigkeitstransformationen in zehn Regionen in ebenso vielen Ländern des Donauraums zu fördern.

Dabei begreift das Projekt die Nachnutzung von stillgelegten Industriestandorten in diesen Regionen als gezielt herausforderungsorientierte Initiativen, die über den einzelnen Standort hinaus Wirkung in der Region entfalten sollen. Im Zentrum von „RIS4Danu“ steht die Erarbeitung von Revitalisierungsstrategien unter Einbeziehung unterschiedlicher Stakeholder in einem kokreativen Prozess. Mit der neuen Nutzung alter Industrieanlagen (etwa eine ehemalige Uhrenfabrik oder eine Kohlemine) sollen Experimentierräume für transformativen Wandel und Vernetzungsorte für unterschiedliche Stakeholder geschaffen werden.

Orientiert am CORIS-Ansatz folgt das Projekt dabei folgenden Grundprinzipien:

  1. i.

    Herausforderungsorientierung – Direktionalität des Wandels: Die Strategien zur neuen Nutzung stillgelegter Industriestandorte sind darauf ausgerichtet, regionale Nachhaltigkeitsprobleme zu adressieren. Nach deren Identifikation wird gezielt nach technologischen, sozialen und institutionellen Innovations- und Transformationspotenzialen gesucht, die für den angestrebten Wandel in Richtung Nachhaltigkeit und die Rekonfiguration des RIS mobilisiert werden können.

  2. ii.

    Evidenzbasiert und regionsspezifisch: Die Nachnutzungsstrategien orientieren sich an fundierten wissenschaftlichen Analysen von regionsspezifischen Ressourcen und Herausforderungen, die von Universitätsforschern für alle zehn involvierten Regionen durchgeführt wurden.

  3. iii.

    Inklusiver Zugang: Die Erarbeitung der konkreten Nachnutzungsstrategien basiert auf einer breiten Stakeholderbeteiligung. Dabei werden sowohl „traditionelle“ wie auch „neue“ Innovationsakteure proaktiv in den Prozess der Kokreation eingebunden (siehe Abb. 1). Orchestriert wird dieser Prozess durch die Projektträger mit Unterstützung regionaler Partner (wie z. B. Regionalentwicklungsagenturen).

Abb. 1
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Workshop mit Stakeholdern im Zuge des „RIS4Danu“-Projekts. (© Mariana Badínská)

Ein Beispiel, wie diese Prinzipien in die Praxis übersetzt wurden, liefert etwa eine stillgelegte Keramikfabrik in Niederösterreich, für die unter breiter Beteiligung Pläne zur Nachnutzung als „Circular Ceramics Hub“ geschmiedet wurden. Dieses neue Zentrum soll auch einen Forschungs- und Ausbildungscampus für komplexe Materialien miteinbeziehen und sich die günstigen Voraussetzungen für erneuerbare Energien vor Ort zunutze machen. Damit knüpft diese Idee nicht nur an bestehende regionale Ressourcen, Kompetenzen und aufkeimende Entwicklungstendenzen im Bereich der „circular economy“ (Kreislaufwirtschaft) an, sondern adressiert auch folgende regionale Herausforderungen: die hohe Energieintensität der Industrie und Abhängigkeit von fossilen Energieträgern, die Abwanderung junger Menschen aufgrund fehlender Ausbildungs- und Jobmöglichkeiten, den Fachkräftemangel und die hohe Materialintensität und niedrige Recyclingquote im produzierenden Gewerbe.

Während „RIS4Danu“ zunächst auf die herausforderungsorientierten Initiativen an den einzelnen Industriestandorten fokussiert (siehe Abb. 2), sollen solche Nachnutzungsprozesse mittelfristig eine breitere regionale Wirkung entfalten. So eröffnen die herausforderungsorientierten Aktivitäten nicht nur Anknüpfungspunkte für Folgeaktivitäten. Auch neu entstandene Netzwerke, die einhergehende Bewusstseinsbildung, Demonstrations- und Lerneffekte, neue Kopplungseffekte zwischen unterschiedlichen Projekten oder neue Attraktionslogiken (d. h. wie Ressourcen verteilt werden) können dazu beitragen, dass sich regionaler transformativer Wandel kumuliert und verstärkt (Termeer und Dewulf 2019) und so zu einer Neuausrichtung des RIS führt.

Abb. 2
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Besichtigung eines für eine zielgerichtete Wiedereröffnung ausgewählten Industriestandorts in der Banská Bystrica-Region, Slowakei. (© Oliver Ziegler)

Alles in allem liefert das „RIS4Danu“-Projekt somit ein anschauliches Beispiel, wie das CORIS-Konzept als Orientierungshilfe für Praxisinitiativen im Rahmen einer transformativen Innovations- und Wirtschaftspolitik dienen kann und wie regionale Wandlungsprozesse in Einklang mit übergeordneten Zielen und Programmen (wie etwa dem Europäischen Grünen Deal) gebracht werden können.

Ausblick

Dieser Artikel stellt wesentliche Beiträge des CORIS-Ansatzes zu einer Neuorientierung der regionalen Innovations- und Wirtschaftspolitik in Zeiten großer gesellschaftlicher Herausforderungen zur Diskussion. Daraus ergeben sich Folgefragen für die Umsetzung in die alltäglichen Prozesse und Routinen der Praxis der regionalen Innovations- und Wirtschaftspolitik, die an dieser Stelle nicht im Detail ausgeführt werden können. Der CORIS-Ansatz bietet jedenfalls einen Anknüpfungspunkt, um solche Umsetzungsfragen im Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis pragmatisch und in Experimentierprozessen zu adressieren. Das Projekt „RIS4Danu“ zeigt beispielhaft einen solchen Experimentierprozess und mögliche daraus resultierende Transformationspotenziale auf.