Liebe Leserin, lieber Leser,

Circular Economy (CE) bildet ein Leitkonzept nachhaltigen Wirtschaftens, welches darauf abzielt, den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Nutzen von Produkten und Materialien langfristig zu sichern und dabei die ökologischen Grenzen unseres Planeten zu berücksichtigen.

Das Wirtschaften in Kreisläufen hat dabei viele Gesichter und Namen: Circular Economy, Cradle-to-Cradle, Kreislaufwirtschaft, zirkuläre Wirtschaft, zirkuläre Wertschöpfung, Industriesymbiose und viele mehr. Während somit ganz unterschiedliche Begriffe und Ansätze existieren (Kirchherr et al. 2017), geht es im Kern immer darum, in geschlossenen Stoffkreisläufen zu denken und zu handeln, um Wert zu erhalten. Ermöglicht wird dies durch Praktiken, die an unterschiedlichen Stellen im Produktlebenszyklus ansetzen (s. Abb. 1). Diese sog. R‑Strategien (Reike et al. 2018) zielen darauf ab, Ressourceneinsatz durch eine intelligente Gestaltung und Planung zu vermeiden, indem Nutzen auf andere Art und Weise – beispielsweise durch Sharing – bereitgestellt oder der primäre Ressourcenbedarf durch effizientere Produktionsweisen reduziert wird. Weitere Ansätze forcieren die Verlängerung der Lebensdauer von Produkten und Komponenten, etwa durch Wiederverwendung, Reparatur oder Re-Fabrikation. Erst wenn es sich nicht vermeiden lässt, wird ein stoffliches Recycling oder eine thermische Verwertung von Materialien angestrebt.

Abb. 1
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Idealtypischer Produktlebenszyklus und Strategien der Circular Economy (R-Strategien). (Quelle: Prosperkolleg-Projekt 2022)

Dieses Themenheft möchte aufzeigen, dass räumliche Aspekte unter dem Leitbild der Circular Economy eine neue Relevanz bekommen. Die Beiträge nehmen hierzu ganz unterschiedliche räumliche Ebenen in den Blick: Martina Fromhold-Eisebith stellt dar, welchen Beitrag die Circular Economy zu urbaner bzw. regionaler Resilienz leisten kann, während Marius Angstmann, Roman Wolf, Veronika Wolf sowie Thiemo Wolf untersuchen, inwiefern sich der Ansatz der Industriesymbiose in Gewerbegebieten umsetzen lässt. Gleichzeitig werden Erkenntnisse zu verschiedenen Branchen und Stoffströmen innerhalb der Kreislaufwirtschaft und in verschiedenen regionalen Kontexten zusammengeführt: So zeigen Hermann Achenbach, Heicke Gaedeke, Holger Berg, Phillip Bendix und Gerrit Hoeborn in ihrem Beitrag Potenziale und räumliche Auswirkungen der Digitalisierung im Kunststoffrecycling auf. Hans-Christian Busch und Judith Wiemann wiederum analysieren die Rolle lokaler, informeller Akteure im E‑Waste-Recycling in Brasilien. Oliver Klein, Stefan Nier und Christine Tamásy schließlich untersuchen den Wert von Nebenprodukten für die Ernährungswirtschaft.

Einführend zeigen Paula Hild und Christian Schulz in einer kritischen Betrachtung, dass die Circular Economy zwar konzeptionell Potenziale für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung bereitstellt, die Umsetzung in der Praxis jedoch nicht per se nachhaltig ist – eine Diskussion, an die auch das Interview anknüpft. Somit bedarf es einer kritischen Hinterfragung des Leitbilds, aber auch neuer Ansätze und Ideen, um die Vielzahl an Herausforderungen in diesem Themenfeld zu stemmen. Wir hoffen, dass dieses Heft mit seinen vielfältigen Beiträgen aufzeigt, dass auch die Geografie dafür bestens ausgestattet und somit aufgerufen ist, ihren Beitrag dazu zu leisten.

In diesem Sinne wünschen wir eine anregende Lektüre!