Einleitung

In Industrie- und Gewerbegebieten konzentrieren sich verschiedenste Wirtschaftsaktivitäten. Mit Produktion, Handel und dem Angebot von Dienstleistungen in den 62.074 Bestandsgewerbegebieten in Deutschland (BT Drucksache 19/11357 2019, S. 3) geht in der Regel ein hoher Ressourcenverbrauch einher. In Zeiten der Klimakrise stehen Kommunen, Betriebe und damit auch die Infrastruktur der Standorte vor verschiedenen Herausforderungen: Energie- und Verkehrswende, Klimaanpassung, Flächensparziele aber auch steigende Anforderungen an Energie- und Ressourceneffizienz (vgl. Abb. 1).

Abb. 1
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Potenzialfelder für die Weiterentwicklung von Gewerbegebieten. (Quelle: Zero Emission GmbH)

Einen Lösungsansatz für verschiedene dieser Herausforderungen, insbesondere zur Verringerung des Ressourcenverbrauchs, bildet das Modell der Circular Economy. Es setzt auf einen systemischen Wechsel weg von linearem Wirtschaften in Form einer Prozesskette von der Ressourcengewinnung über Verarbeitung, Verwendung zu Deponierung oder thermischer Verwertung (Wilts 2021).

Ein in diesem Kontext diskutiertes Konzept ist das der Industriellen Symbiose. Es zielt auf die Nutzbarmachung lokaler Energie- und Stoffströme in Form der Verwertung von Nebenprodukten durch benachbarte Betriebe ab (Chertow 2000) und ist in der Praxis insbesondere durch den Industriepark Kalundborg, Dänemark, bekannt. Beispiele finden sich auch an fossilen Kraftwerksstandorten oder in Chemieparks (Beckamp 2021).

Die Notwendigkeit zur Steigerung der Ressourcen- und Energieeffizienz sowie Reduktion von Emissionen begrenzt sich jedoch nicht nur auf Industrie- und Chemieparks, sondern gleichermaßen auf heterogene Bestandsgewerbegebiete. Dieser Beitrag knüpft hier an und geht der Frage nach, inwiefern sich die Industrielle Symbiose als ein räumlicher Ansatz der Circular Economy auch zur Weiterentwicklung von Bestandsgewerbegebieten eignet. Es werden exemplarische Fälle symbiotischen Wirtschaftens genannt und Hemmnisse sowie fördernde Faktoren gegenübergestellt. Ziel ist es darzulegen, wie symbiotische Lösungen in Gewerbegebieten ausgestaltet sein können und wie sich diese in der Praxis fördern lassen.

Im folgenden Kapitel werden aktuelle Herausforderungen klassischer Bestandsgewerbegebiete dargestellt. Anschließend wird das Konzept der Industriellen Symbiose vorgestellt. Es werden Beispiele benannt und Ansätze zur Förderung überbetrieblicher Kooperationen in Gewerbegebieten genannt. Schließlich wird ein Fazit gezogen.

Gewerbegebiete in Deutschland

In klassischen Gewerbegebieten wirtschaften bis zu mehrere hundert Betriebe aus unterschiedlichen Branchen. Diese in der planerischen Praxis häufig „vergessenen“, unorganisierten und weitgehend isoliert von benachbarten Quartieren betrachteten Stadträume bleiben planerisch meist sich selbst überlassen (BBSR 2019, S. 4). Es treffen Bedarfe und Motivationen unterschiedlichster gewerblicher Akteure aufeinander, aber auch Herausforderungen, die überbetriebliche Lösungen erfordern (Heimann 2018). Als stark versiegelte Flächen weisen sie Defizite im Bereich der Klimaanpassung auf (Bücken und Kanning 2021). Interaktionen mit dem städtischen Umfeld beschränken sich häufig auf negative Effekte wie Nutzungskonflikte, Verkehrsbelastungen oder Emissionen (vgl. Abb. 2). Die Produktion von Waren und Erbringung von Dienstleistungen geht mit einem hohen Energie- und Ressourcenverbrauch einher, der in diesen Stadträumen konzentriert auftritt.

Abb. 2
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Verkehrssituation und Verdichtung sind zentrale Herausforderungen in Bestandsgebieten. (Foto: Zero Emission GmbH)

Während Gewerbegebiete insbesondere der Unterbringung von „nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben“ dienen (§8 BauNVO), beherbergen Industriegebiete auch Betriebe, die im Dreischichtbetrieb arbeiten und höhere Lärm- oder Schadstoffemissionen verursachen. Die Untersuchung exemplarischer Standorte zeigt, dass je nach Branchenzusammensetzung mehrere hundert MWh Strom bzw. Wärme aufgewendet werden, gleichzeitig zeigen sich diesbezüglich jedoch auch große Unterschiede im Bedarf einzelner Gebiete (vgl. Tab. 1). Im Sinne kommunaler Nachhaltigkeitsbestrebungen gilt es also Lösungen zu finden, die lokalen Potenziale zur Minderung des Energie- und Ressourcenbedarfs in den Blick nehmen.

Tab. 1 Beispielhafte Energiebilanzen von Gewerbegebieten, Daten anonymisiert. (Quelle: Zero Emission GmbH)

Industriesymbiosen als Ansatz der Circular Economy

Die Circular Economy bildet ein zentrales Modell nachhaltigen Wirtschaftens. Als synthetisches Konzept zeichnet sie sich durch die Vielfalt der darunter verstandenen Ansätze und Definitionen aus (Kirchherr et al. 2017; Kasmi et al. 2022) und umfasst eine Vielzahl an Lösungen, welche sich in ihrer Orientierung auf Produktdesign, Produktion, Materialien, Nutzende (Sharing) und Endverwertung (Re-Use/Recycling) unterscheiden und somit an unterschiedlichen Schritten im Lebenszyklus von Produkten ansetzen.

Das Konzept der Industriellen Symbiose beschreibt das Herstellen von Energie- und Stoffströmen in Form einer komplementären Nutzung von Produktionsnebenprodukten wie Abwärme oder Reststoffen durch benachbarte Betriebe (Chertow 2000). Während die grundlegende Idee älter als der Begriff der Circular Economy ist, wird das Konzept in den letzten Jahren jedoch insbesondere als ein Unterbereich dieser verstanden (Cecchin et al. 2020). Industriesymbiosen orientieren sich am biologischen Konzept der Symbiose, dem Zusammenleben mehrerer Arten zum gegenseitigen Nutzen. Werden zuvor ungenutzte Reststoffe und Energieströme verwendet, schont dies Ressourcen und reduziert negative Umwelteffekte. Gleichzeitig bietet die Einsparung von Energie- und Entsorgungskosten auch wirtschaftliche Vorteile. Während bilaterale Kooperationen als „Kernel“ und Grundlage für zukünftige Netzwerke angesehen werden, stellen erst Netzwerke mit drei oder mehr Partnern vollständige Symbiosen dar (Chertow 2007). Auch wird zwischen durch wirtschaftliche Akteure vor Ort vorangetriebenen Netzwerken (bottom-up) und extern geplanten Eco-Industrial-Parks (top-down) unterschieden (Busch und Kühn 2019).

Bekanntestes Beispiel ist der Industriepark Kalundborg, mit dem dortigen wirtschaftszweigübergreifenden Austausch von Energie und Ressourcen: Prozessdampf aus der Energieerzeugung wird durch Unternehmen der Pharmaindustrie genutzt, Nebenprodukte dieser, wie z. B. Schlämme, werden durch lokale Landwirtschaftsbetriebe als Dünger weiterverwertet und Reststoffe der fossilen Energieerzeugung der Grundstoff- und Bauindustrie zugeführt (Chertow 2007).

Neben der allgemeinen Eignung eines Nebenprodukts zur lokalen Weiterverwertung durch ansässige Betriebe, sind Transportfähigkeit, aber auch Entsorgungskosten relevante Faktoren zur Entstehung von Symbiosen. Das Konzept bietet somit breite Anknüpfungspunkte für die geographische Forschung: Einerseits im Hinblick auf Faktoren, welche zur Entstehung beitragen, wie z. B. Nähe oder soziale Netzwerke (Jensen 2016; Hewes und Lyons 2008), andererseits durch die konzeptionelle Nähe zu Clustern (Deutz und Gibbs 2008). Gleichzeitig stellt insbesondere das Konzept der Eco-Industrial-Parks auch einen planerischen Ansatz dar (Williams 2022).

Symbiotische Ansätze in Gewerbegebieten

Im bundesweiten Kontext sind Industrielle Symbiosen in Form multilateraler Verbindungen, insbesondere in Chemieparks (Stoffverbund) oder an fossilen Kraftwerksstandorten (z. B. Gips aus Rauchgasentschwefelungsanlagen) anzutreffen (Beckamp 2021). Diese Standorte verfügen über eine monosektorale Ausrichtung oder Verwandtschaft der Industrien und zeichnen sich durch hohe Energieintensität und das Vorhandensein geeigneter Stoffströme für Symbiosen aus. Demgegenüber steht die heterogene Unternehmensstruktur klassischer Gewerbegebiete als Produktions-, aber auch Dienstleistungsstandorte, welche stoffliche Verbindungen erschwert (vgl. Abb. 3).

Abb. 3
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In Gewerbegebieten sind verschiedenste Branchen wie Produktion, Handwerk und Gastronomie in direkter Nachbarschaft anzutreffen. (Foto: Zero Emission GmbH)

Überbetriebliche Zusammenarbeit in bestehenden Gewerbegebieten beschränkt sich meist auf klassische Geschäftsbeziehungen (Zero Emission GmbH 2016). Kooperationen von Unternehmen mit dem Ziel der Weiterverwertung von Nebenprodukten, wurden bisher wenig systematisch untersucht und beschränken sich auf einzelne Modellvorhaben, als Ursprung des Ansatzes ist hierbei das Modellprojekt „Nachhaltige Gewerbeflächenentwicklung NRW“ zu verstehen. Auch darüber hinaus findet das Konzept der Industriellen Symbiose hierzulande bisher kaum Wahrnehmung in der Praxis (Busch und Kühn 2019).

In der vorliegenden Untersuchung wurden 39 leitfadengestützte Interviews mit Akteuren aus Wirtschaftsförderung, Planung, Gebietsmanagement und Forschung geführt. Die Identifikation von Praxisbeispielen, Erfolgsfaktoren und Hemmnissen für die Etablierung von Symbiosen erfolgte somit in zehn Gesprächen mit an Modellvorhaben Beteiligten, 29 Gesprächen mit Wirtschaftsförderungen und Stadtplanungen verschiedener Regionen sowie im Rahmen zweier Workshops.

Die Ergebnisse zeigen, dass auch Gewerbegebiete Anknüpfungspunkte zu symbiotischem Wirtschaften aufweisen, z. B. durch die betriebsübergreifende Nutzung von Infrastruktur, Flächen oder der Bereitstellung von Wasser und Energie. In den Interviews erfasste Praxisbeispiele umfassen:

  • Betriebsübergreifende Nutzung von Produktionsinfrastruktur (z. B. zwischen Instrumentenbau & Lackiererei)

  • Bereitstellung von Regenwasser für benachbarte Betriebe (z. B. für Waschanlagen)

  • Beheizung angrenzender Wohnbebauung durch Abwärme (z. B. durch Abwärme aus Rechenzentren)

  • Einrichtung eines Car-Sharing Hubs durch ansässige Unternehmen

  • Gemeinsame Beauftragung von Dienstleistungen durch kleinere Betriebe (z. B. Rechnungsstellung)

  • Temporäre Bereitstellung von Lkw-Parkflächen für benachbarte Betriebe (Logistik)

  • Bündelung der Nachfrage (z. B. bei der Anschaffung einer Glasfaseranbindung)

In heterogenen Gewerbegebieten finden sich somit vereinzelte Lösungen wieder, die in ihrer Form als betriebsübergreifende Ansätze als gewerbliche Symbiosen verstanden werden können. Sie entsprechen häufig weniger einem engen, auf den Austausch von Ressourcen und Energie in lokalen Netzwerken abzielenden Verständnis der Industriesymbiose. Je nach Branchenzusammensetzung und lokaler Ausgangslage können diese zwar ebenfalls Komponenten wie den Austausch von Abwärme oder Nebenprodukten enthalten, in vielen Fällen handelt es sich hierbei jedoch um bilaterale Austauschbeziehungen (Kernel). Größere gebietsweite Lösungen umfassen zumeist eher die kooperative Organisation von Dienstleistungen.

In zwei ergänzenden Workshops mit den zuvor befragten Akteuren konnten weitere, branchenunabhängige Potenziale und aus planerischer Sicht relevante Ansätze der betriebsübergreifenden Nutzung von Angeboten, Infrastruktur bzw. Flächen identifiziert werden:

  • Zentrale Parkpaletten zur Qualifizierung bisher zum Parken genutzter Flächen für die Nachverdichtung

  • Synergien im Bereich Erneuerbarer Energien in der Neuentwicklung von Gebieten (z. B. zentrale Erzeugungsanlagen, Wärme- oder Kältenetze)

  • Betriebsübergreifende Angebote (Kinderbetreuung, Jobtickets)

  • Lösungen müssen dabei nicht allein auf das Gebiet an sich beschränkt sein. Die funktionelle Durchmischung der Stadtstrukturen nach dem Leitbild der grünen, gerechten und produktiven Stadt (BMI 2020) bietet Möglichkeiten, Synergien zwischen bisher getrennt betrachteten Nutzungsformen im Sinne einer urbanen Symbiose (Lenhart et al. 2015) zu entwickeln. So eröffnet sich die Chance, Siedlungsstrukturen unter Berücksichtigung von Aspekten der Ressourceneffizienz weiterzuentwickeln, z. B. durch die Nutzung von industrieller Abwärme zur Beheizung von Wohnquartieren.

Förderfaktoren & Hemmnisse

Ein zentrales Management sowie die Vernetzung in Nachbarschaft wirtschaftender Unternehmen wurden in den Interviews als zentrale Ansätze zur Förderung von Symbiosen genannt. Kommunale Gebietsmanager, das Zusammenbringen von Firmen durch Netzwerktreffen innerhalb der Gebiete aber auch die Initiierung von Gewerbetreibendenvereinen und Standortinitiativen stellen zentrale Instrumente dar. Weiterhin wurden Erfolgsfaktoren und Hemmnisse für Symbiosen identifiziert (vgl. Tab. 2), die aufzeigen wo Kommunen oder die Privatwirtschaft ansetzen können, um Symbiosen zu initiieren.

Tab. 2 Hemmnisse und Erfolgsfaktoren für überbetriebliche Kooperation in Gewerbegebieten

Fazit

Die Industrielle Symbiose stellt einen räumlichen Ansatz der Circular Economy dar, der zur Steigerung der Ressourceneffizienz von Wirtschaftsstandorten beitragen kann. Komplexe Industriesymbiosen mit einer Vielzahl stofflicher oder energetischer Verbindungen zwischen lokalen Unternehmen bestehen insbesondere in Chemieparks oder spezialisierten Industrieparks.

Beispiele für symbiotisches Wirtschaften finden sich jedoch in Form überbetrieblicher Kooperationen auch in heterogenen Bestandsgewerbegebieten. Diese beruhen, der lokalen Branchenvielfalt geschuldet, weniger auf stofflichen oder energetischen Verbindungen, sondern umfassen vielfach die gemeinsame Nachfrage nach Angeboten oder die Nutzung gemeinsamer Infrastruktur. Im Kontext symbiotischer Gewerbegebiete ist somit ein breiteres Verständnis von Symbiosen angebracht, welches bilaterale Lösungen ebenso wie Dienstleistungen miteinbezieht und neben möglichen Umwelteffekten wie der Einsparung von Flächen und Ressourcen auch soziale Aspekte berücksichtigt.

Ein zentrales Hemmnis für das Schaffen überbetrieblicher Kooperation ist, dass Gewerbegebiete als Handlungsräume lange Zeit nicht beachtet wurden. Fehlende Kommunikations‑, Organisationsstrukturen und Unterstützungsangebote erschweren die Entwicklung der Gebiete. Hier ansetzend, kann der Aufbau von Standortgemeinschaften und die kontinuierliche Begleitung von Betrieben durch ein lokales Management als zentraler Ansatz verstanden werden, um die Vernetzung von Betrieben zu fördern und die Organisation von überbetrieblichen Aktivitäten voranzutreiben. Die identifizierten Hemmnisse und Erfolgsfaktoren zeigen auf, wo ein solches ansetzen kann. Gemeinsame standortbezogene Problemlagen und Herausforderungen stellen hierbei ein verbindendes Element dar, um erste Kooperationen zum gegenseitigen Vorteil zu initiieren, die eine Grundlage für die weitere Entwicklungen bilden können.