Auf der Grundlage von teilstandardisierten Interviews mit den BetreiberInnen aller neun im Jahr 2019 in Heidelberg vorhandenen Co-Working-Spaces (Tab. 1; Abb. 1), von Ortsbegehungen sowie von einem teilstandardisierten Interview mit der Leitung der Stabsstelle für Kultur- und Kreativwirtschaft der Stadt Heidelberg wird im Folgenden eine Unterscheidung von Co-Working-Spaces hinsichtlich ihrer Funktion als Treffpunkt im Quartier in zwei Typen vorgeschlagen.
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Co-Working-Spaces vom Typ A (Third Space) basieren auf intensiven sozialen Kontakten zwischen ihrer Leitung und den NutzerInnen. Eigeninitiative, ein starker Gemeinschaftsgedanke und die Hilfsbereitschaft unter den NutzerInnen sind wesentliche Kennzeichen. Die BetreiberInnen der Co-Working-Spaces handeln zwar auf Basis ökonomischer Prinzipien, allerdings steht bei ihnen nicht die Gewinnorientierung im Vordergrund, sondern vor allem die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, Entscheidungen zu treffen, Geschäftsmodelle zu entwerfen und über Kombinationen von Ressourcen neue Lösungen zu erarbeiten. In der Konsequenz entstehen recht bunte und teilweise chaotisch wirkende Co-Working-Spaces (Abb. 2). Die materielle Gestaltung der Räume ist dabei nicht willkürlich, sondern transportiert deren Anspruch, Offenheit und Kreativität zu fördern (Wagner und Growe 2020). Die Gestaltung dieser Co-Working-Spaces unterstützt auch die Idee, einen Ort zu schaffen, der weder Arbeits- noch Wohnort ist: einen sogenannten Dritten Ort (Third Space) (Brown 2017). Der Gemeinschaftsgedanke und die grundsätzliche Offenheit dieser Einrichtungen äußern sich auch in einem (im Vergleich zu Typ B) deutlich stärkeren Bezug auf das umgebende Quartier, beispielsweise in Form von öffentlich zugänglichen Cafés. Auch benachbarte KleinunternehmerInnen können von den Co-Working-Spaces profitieren: So fragen die Co-WorkerInnen beispielsweise Backwaren aus benachbarten Bäckereien nach; auch werden SchreinerInnen oder SchneiderInnen für die Anfertigung der Ausstattung herangezogen. Vielfach können auch benachbarte KleinunternehmerInnen in den Co-Working-Spaces Produkte ausstellen. Anzutreffen sind Typ-A-Co-Working-Spaces in Heidelberg in eher von Gentrifizierung betroffenen, innenstadtnahen Stadtvierteln.
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Co-Working-Spaces vom Typ B (High Investment) sind charakterisiert durch kapitalintensive Investitionen. Ihre BetreiberInnen agieren typischerweise explizit gewinnorientiert, was besonders deutlich wird, wenn kommerzielle AnbieterInnen eine vergleichbare Start-up-Atmosphäre an Co-Working-Spaces in verschiedenen Städten zu generieren suchen. Das Angebot eines flexibel nutzbaren, aber auch verlässlichen Arbeitsorts mit einer modernen räumlichen und technischen Ausstattung steht im Vordergrund. Der Co-Working-Space wird primär als ein Arbeitsort verstanden, auch wenn seine innenarchitektonische Gestaltung eine klare Abgrenzung von traditionellen Büroarbeitsplätzen bewirkt (Grazian 2019). Ein klares Anliegen der BetreiberInnen ist das Schaffen von Austauschmöglichkeiten innerhalb des Co-Working-Spaces, beispielsweise im Rahmen von Veranstaltungen und Events. Die Cafés dieser Co-Working-Spaces und Vernetzungsveranstaltungen sind der Öffentlichkeit typischerweise nicht zugänglich. Wenngleich die NutzerInnen des Co-Working-Spaces auch einzelne Produkte (z. B. Backwaren) und Leistungen aus der unmittelbaren Quartiersumgebung nachfragen mögen, impliziert letzterer Aspekt doch auch eine recht klare Trennung des betreffenden Co-Working-Space und seiner NutzerInnen vom umgebenden Stadtteil. Typ-B-Co-Working-Spaces sind beispielsweise in Immobilien zu finden, die überregional vermarktet werden und damit typischerweise in solchen Stadtvierteln lokalisiert, in denen konventionelle Büroflächen zur Verfügung stehen.
Tab. 1 Co-Working-Spaces in Heidelberg. (Quelle: Eigene Erhebung) Die hier vorgeschlagene Unterscheidung von Co-Working-Spaces darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es auch Co-Working-Spaces gibt, die sich nicht ohne Weiteres einem der beiden Typen zuordnen lassen. Hierbei handelt es sich primär um solche Co-Working-Spaces, die angesichts der Bereitstellung von Arbeitsplätzen mit einer gewinnorientierten Perspektive grundsätzlich als Typ B (High Investment) zu klassifizieren wären, die aber aufgrund des starken lokalen Bezugs der BetreiberInnen zugleich die Typ A kennzeichnende starke lokale Einbettung erkennen lassen.
Die Tabelle zeigt, dass es große Unterschiede in den Kosten, insbesondere für die monatliche Nutzung eines Arbeitsplatzes, gibt. Die Höhe dieser Kosten einerseits sowie der von den BetreiberInnen in unterschiedlichem Maße hergestellte Bezug zum Quartier andererseits ermöglichen die Zuordnung zu den Typen A und B. Im Folgenden wird jeweils ein Beispiel der beiden Typen näher beschrieben.
Der Co-Working-Space „Fensterplatz“ (kurz: Fensterplatz; Abb. 3) ist ein Beispiel für Typ A. Seine Räumlichkeiten wurden als klassisches Zwischennutzungsprojekt von einem Leerstand zu einem Co-Working-Space umgewandelt. Der Fensterplatz zeichnet sich durch einen intensiven Austausch der Co-WorkerInnen untereinander aus. Von der Leitung des Co-Working-Space wird den Co-WorkerInnen schnell ein relativ großes Vertrauen entgegengebracht. Die damit einhergehende familiäre Arbeitsatmosphäre spiegelt sich in der Einrichtung wider, die sich gestalterisch an den Anforderungen der jeweils aktuellen NutzerInnen orientiert. Der Co-Working-Space wird von der Eigeninitiative sowie dem Engagement der Leitung und der NutzerInnen getragen. Dementsprechend ist die Einrichtung in ihrem Erscheinungsbild schlicht, aber kreativ gehalten. Die Inanspruchnahme der Räumlichkeiten setzt keine gesonderte Anmeldung voraus. Auch fallen Preise und Kosten für die MieterInnen der eingerichteten Arbeitsplätze niedrig aus, so dass die Eintrittsbarriere für neue NutzerInnengruppen sehr niedrig ist. Die anmietbaren Arbeitsplätze gestatten zwar konzentriertes Arbeiten, doch steht klar der soziale Austausch zwischen NutzerInnen und BesucherInnen im Vordergrund. Zentrale Elemente des Geschäftsmodells des Fensterplatz umfassen den Zugang zu einer „Community“ und die Möglichkeit, die eigene Arbeit und Ideen außenwirksam und sichtbar (auch für AkteurInnen außerhalb der Fensterplatz-Gemeinschaft) zu inszenieren.
Ein Bezug zum Quartier besteht insofern, als durch Veranstaltungen im Fensterplatz (z. B. das sog. Fensterlunch) lokale Vernetzungen – insbesondere von Start-ups und Selbstständigen – angeregt werden; darüber hinaus bietet der Co-Working-Space lokalen Kleinstunternehmen Arbeitsorte an. Die NutzerInnen des Co-Working-Space erwerben zudem vielfach Backwaren im Stadtteil und greifen auf die Kaffeeangebote einer lokalen Rösterei zurück. Der Co-Working-Space fungiert zudem selbst als Café im Quartier. Da seine Flächen ebenso für Ausstellungen und Veranstaltungen genutzt werden, lernen außerdem auch viele Außenstehende den Co-Working-Space kennen. Die Beleuchtung der rund um die Uhr nutzbaren Räumlichkeiten erhöht die Sichtbarkeit und die Attraktivität dieses Standorts im Quartier. Auch aus diesem Grunde fällt dem Fensterplatz eine wichtige Funktion als Treffpunkt im Viertel zu.
Im Vergleich dazu sind die „Design Offices“ ein Beispiel für Co-Working-Spaces vom Typ B (Abb. 4). Als Teil eines deutschlandweit agierenden Corporate-Co-Working-Anbieters präsentieren sie sich mit einer klaren Gewinnorientierung und einer hohen Investition in einem noch jungen Stadtviertel Heidelbergs. Das Konzept ist eher auf etablierte Unternehmen und gut situierte Selbstständige, weniger auf in den Anfängen stehende Start-ups oder junge FreiberuflerInnen ausgerichtet. Ein moderner und gut ausgestatteter Arbeitsort mit festen Öffnungszeiten soll die NutzerInnen binden. Ein ansprechendes Design, das die komplett ausgestatteten Räumlichkeiten zwar kreativ, zugleich aber auch seriös und hochwertig wirken lässt, steht im Vordergrund des Einrichtungskonzepts. Vordringliches Anliegen ist die Kombination eines hochprofessionellen Service mit der Vermittlung einer Start-up-Atmosphäre, die es den NutzerInnen des Co-Working-Space ermöglicht, sich als Teil eines erfolgreichen, modernen Unternehmens zu fühlen. Die Funktion des Co-Working-Space als Treffpunkt beschränkt sich ausschließlich auf den Co-Working-Space selbst. Die sozialen Interaktionen zwischen den NutzerInnen werden durch gemeinsame Aufenthaltsräume, insbesondere durch eine gemeinsame Küche und Sitzplätze zum Kaffeetrinken, sowie durch Veranstaltungen von der Leitung gefördert.
Der Bezug zur lokalen Ökonomie spielt bislang nur eine untergeordnete Rolle, was sich auch darin zeigt, dass die Qualität des Quartiers von der Standortleitung primär mit der guten verkehrlichen Anbindung in Verbindung gebracht wurde. Eine besondere Offenheit und Zugänglichkeit für nichtkommerzielle NutzerInnen aus dem Quartier bestehen nicht. Einschränkend ist allerdings anzumerken, dass das Quartier zum Zeitpunkt der Interviews noch nicht vollständig baulich erschlossen war. Zusammengefasst steht bei den Design Offices ein individuelles konzentriertes Arbeiten im Vordergrund. Ein attraktives Arbeitsumfeld in einem angesehenen Stadtviertel mit der Möglichkeit zur Vernetzung soll den NutzerInnen einen seriösen und repräsentativen, gleichzeitig jedoch auch einen modernen Arbeitsplatz bieten. Ausstattung und Lage der Design Offices schlagen sich jedoch auch erkennbar im Preis für die Inanspruchnahme der Arbeitsplätze nieder.