Stadtgrün und Zivilgesellschaft

An städtischem Grün entzünden sich immer wieder Proteste von Bürgerinnen und Bürgern. Dabei können sich die Vorbehalte gegen Maßnahmen unterschiedlicher Reichweite richten, vom Fällen einzelner Bäume bis hin zur Bebauung größerer innerstädtischer Brachflächen. Prominente Beispiele sind die Inszenierung des Umzugs von „Rosa Rose“, einem Gemeinschaftsgarten in Berlin, der 2009 geräumt werden musste, oder die Demonstrationen im Zusammenhang mit Stuttgart 21, wo Bäume im Schlossgarten versetzt bzw. gefällt werden sollten (vgl. Müller 2011; Baumgarten und Rucht 2013). Diese Proteste deuten darauf hin, dass urbane grüne Infrastrukturen in Deutschland eine zunehmende Wertschätzung erfahren und sich Bürgerinnen und Bürger verstärkt für Stadtgrün einsetzen. Parallel zu diesen aus der Zivilgesellschaft aufkommenden Initiativen haben Politik und Verwaltung das Potenzial erkannt, das engagierte Bürgerinnen und Bürger für den Erhalt von Stadtgrün darstellen, insbesondere in Zeiten hoch verschuldeter Städte und dementsprechend knapper kommunaler Ressourcen (vgl. BMUB 2017).

Stadtgrün dient nicht nur als Lebensraum für Pflanzen und Tiere oder als Strategie im Umgang mit dem Klimawandel, sondern hat auch Einfluss auf das Image von Städten, indem es Identität schafft und eine Steigerung der Lebensqualität bewirkt. Trotz ihrer nachweislich positiven Effekte (vgl. BfN 2017) stehen urbane grüne Infrastrukturen gerade in wachsenden Kommunen jedoch in Konkurrenz mit anderen Projekten und unterliegen überdies einem enormen Nutzungsdruck. Kommen dann noch finanzielle und personelle Engpässe in der kommunalen Verwaltung hinzu, müssen häufig alternative Wege gesucht werden, um urbane Grünflächen in ihrer Qualität und Quantität langfristig zu erhalten.

Vor diesem Hintergrund ist das Ziel des Beitrags, Möglichkeiten und Grenzen zivilgesellschaftlichen Engagements am Beispiel von Grünpatenschaften in der Stadt Bonn zu untersuchen. Diese sind zwar weit weniger spektakulär als die eingangs beschriebenen Fälle „Rosa Rose“ und Stuttgart 21, dafür jedoch ausgesprochen breitenwirksam. Grünpatenschaften zeichnen sich dadurch aus, dass Bürgerinnen und Bürger auf öffentlichen Flächen im Straßenraum, meist sogenannten Baumscheiben, gärtnern. Baumscheiben sind definiert als die „von Asphalt und Pflastersteinen meist freien Flächen um Straßen- und Stadtbäume“ (Reynolds 2009, S. 125), die üblicherweise nur wenige Quadratmeter umfassen. Bürgerinnen und Bürger übernehmen auf diesen Flächen Aufgaben wie Pflanzen, Gießen, Jäten von Unkraut oder Beseitigen von Müll, während baumpflegerische Tätigkeiten weiterhin in der Zuständigkeit der Stadtverwaltung bleiben. Folglich wird die ursprünglich hoheitliche Aufgabe der Pflege öffentlicher Grünflächen in einer Kooperation von Zivilgesellschaft und Stadtverwaltung erfüllt. Viele deutsche Städte, darunter auch Bonn, rufen offiziell dazu auf, solche Grünpatenschaften zu übernehmen (Stadt Bonn o.J.). Im Rahmen dieses Beitrags werden Fragen zur Organisation und Kooperation geklärt, und es wird untersucht, welche Potenziale aber auch Konflikte beim Zusammenwirken von Stadtverwaltung und Bürgerschaft bestehen. Die empirischen Befunde des Beitrags beruhen auf einer Masterarbeit, die 2019 am Geographischen Institut der Universität Bonn geschrieben wurde.

Gesellschaftspolitische Diskurse

Grünpatenschaften lassen sich aufgrund ihrer vielfältigen Anknüpfungspunkte in verschiedene gesellschaftspolitische Diskurse einbetten. Zunächst können sie als Ergebnis neoliberaler Stadtentwicklung betrachtet werden, da angesichts sinkender Steuereinnahmen und vermehrter sozialpolitischer Aufgaben kommunale Handlungsfelder marktbasierten Logiken unterworfen werden. Zunehmende Verschuldung und damit einhergehende Sparzwänge führen dazu, dass sich Kommunen auf die grundsätzlichen und notwendigen Aufgaben konzentrieren müssen und immer weniger Spielraum für optionale Handlungsfelder besteht (Müller et al. 2008). Unterliegt eine Kommune aufgrund ihrer Verschuldung einem sogenannten Nothaushalt, so müssen optionale Aufgaben weitestgehend entfallen (Holtkamp 2009). Aber auch für finanziell besser gestellte Kommunen stellt es eine Schwierigkeit dar, dass städtischen Aufwendungen für Grünflächen üblicherweise keinerlei Einnahmen gegenüberstehen, sodass diese Leistungen hoch defizitär sind (Lippert 2007).

Gleichzeitig stehen Grünpatenschaften im Zusammenhang mit neuen Governanceformen, wie der sogenannten Bürgerkommune. Im Rahmen dieses Leitbilds versuchen Stadtverwaltungen angesichts aktueller Herausforderungen, zivilgesellschaftlichem Engagement und Eigeninitiative mehr Raum zu geben und Synergieeffekte zu nutzen. Lindenberg (2002, S. 78) bezeichnet dies als den Versuch der öffentlichen Hand, „das Steuer in der Hand zu behalten, jedoch andere zum Rudern zu veranlassen“. Dies kann unterschiedliche Formen annehmen und mit verschiedenen Begriffen von Ehrenamt bis Bürgerarbeit belegt werden. Dieser Beitrag folgt der Definition der Enquetekommission „Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements“ (2002, S. 38), die zivilgesellschaftliches Engagement als freiwilliges, nicht auf materiellen Gewinn gerichtetes, gemeinwohlorientiertes und meist kollektiv im öffentlichen Raum ausgeübtes Engagement bezeichnet. Bürgerengagement konzentriert sich in Deutschland stark auf die kommunale Ebene: Rund 80 % des Engagements lassen sich dort verorten (Bogumil und Holtkamp 2010), so auch die hier behandelten Grünpatenschaften.

Neben den top-down gerichteten Versuchen, Bürgerinnen und Bürger stärker in Stadtentwicklung einzubeziehen, sind in den letzten Jahrzehnten auch bottom-up gerichtete Initiativen aus der Zivilgesellschaft entstanden, die sich die Mitgestaltung öffentlicher Räume zum Ziel gesetzt haben und teilweise ganz konkret ihr „Recht auf Stadt“ einfordern. Gärtnern kann in diesem Zusammenhang als gesellschaftliche Raumproduktion durch Stadtbewohnerinnen und -bewohner verstanden werden, die urbane Räume durch verschiedene Arten der Aneignung und Nutzung modifizieren (Sondermann 2017). Während die Bewegung des Do-it-Yourself Urbanism darauf abzielt, mittels kleinräumiger Aktivitäten unbürokratisch Verbesserungen zu schaffen (Douglas 2014) und dementsprechend neben dem Engagement für Stadtgrün auch andere Formen annehmen kann, werden unter dem Begriff des Urban Gardening explizit gärtnerische Aktivitäten in der Stadt gefasst. Mit dem Engagement in Urban Gardening-Projekten geht häufig eine politische Absicht einher, sei es als Protest gegen Ressourcenverbrauch, um ein Zeichen gegen Kommerzialisierung zu setzen oder als Beispiel für eine neue Kultur des sozialen Miteinanders (Rasper 2012; Rosol 2017; von der Haide et al. 2012). Sowohl Do-it-Yourself Urbanism als auch Urban Gardening befinden sich jedoch in einem ständigen Spannungsfeld zwischen der Vereinnahmung durch und dem Protest gegen neoliberale Stadtpolitik und den damit einhergehenden Governanceformen (Douglas 2014; Rosol 2017).

Untersuchungsgebiet und methodischer Zugang

Bonn zählt zu den Modellkommunen in Nordrhein-Westfalen, die eine eigene Nachhaltigkeitsstrategie erarbeitet haben, welche unter anderem die Handlungsfelder Umwelt und Bürgerbeteiligung umfasst, und bietet sich daher für eine Untersuchung der partizipativen Stadtgrünentwicklung besonders an (Stadt Bonn 2018). „Partizipativ“ wird in diesem Beitrag dahingehend verstanden, dass sich Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten verschieben und die Palette der beteiligten Akteure breiter wird (Becker et al. 2014), wobei die konkrete Ausgestaltung sehr unterschiedlich ausfallen kann. Top-down angestoßenes zivilgesellschaftliches Engagement kann demzufolge ebenso ein Bestandteil von Partizipation sein, wie bottom-up initiierter Do-it-Yourself Urbanism oder Urban Gardening.

Die Stadt Bonn gehört mit rund 320.000 Einwohnern zu den 20 größten Städten Deutschlands. Verglichen mit den anderen Großstädten NRWs befindet sich Bonn etwa im Mittelfeld, was das Verhältnis von Vegetations- und Wasserfläche zu Siedlungs- und Verkehrsfläche betrifft (DESTATIS 2018). Allerdings zählt Bonn zu den wachsenden Städten (IT NRW 2014), sodass die vorhandenen Grünflächen einerseits einem zunehmenden Nutzungsdruck unterliegen und andererseits in Konkurrenz zu dringend benötigtem Wohnraum stehen. Das Bonner Amt für Stadtgrün ist derzeit für rund 2600 Parks und Grünanlagen sowie etwa 110.000 Bäume zuständig, zudem für rund 27.000 Flächen des Straßenbegleitgrüns, die entweder von eigenen Mitarbeitern oder von Vergabefirmen gepflegt werden (Stadt Bonn 2017, o.J.). Allerdings hat Bonn seit dem Jahr 2009 keinen ausgeglichenen kommunalen Haushalt mehr erzielt und unterliegt seit dem Jahr 2014 einem Haushaltssicherungskonzept durch die Kommunalaufsicht. Die Verschuldung von derzeit knapp 2 Milliarden Euro schränkt die kommunalen Handlungsspielräume und die Aufgabenerfüllung der Stadt stark ein (Stadt Bonn 2019).

Um die Möglichkeiten und Grenzen zivilgesellschaftlichen Engagements am Beispiel der Bonner Grünpatenschaften näher zu beleuchten, wurde eine Kombination aus quantitativen und qualitativen Methoden angewandt. Basierend auf Geodaten und Kommunalstatistiken der Stadt Bonn wurde die Verteilung registrierter Grünpatenschaften über das Bonner Stadtgebiet und ihre Korrelation mit soziodemographischen Kennzahlen mittels geographischer Informationssysteme und Statistikprogrammen betrachtet. Für die Untersuchung von Motiven, Potenzialen, Konflikten und Bewertungen wurden hingegen 12 qualitative Experteninterviews mit Mitarbeitern des Amts für Stadtgrün, Bezirksgartenmeistern, Vertreterinnen und Vertretern der Kommunalpolitik sowie engagierten Patinnen und Paten geführt. Ergänzend wurden in 12 ausgewählten Straßen unterschiedlicher Stadtbezirke und -teile Kartierungen durchgeführt. Durch die Kombination aus quantitativen und qualitativen Methoden wurde ein möglichst umfassendes Bild des Untersuchungsgegenstands angestrebt. Im folgenden Kapitel werden die Ergebnisse der empirischen Untersuchung vorgestellt und diskutiert.

Ergebnisse

In einem 1. Schritt wurde die räumliche Verteilung der Grünpatenschaften auf Bonner Stadtgebiet untersucht. Von den rund 27.000 Flächen des Verkehrsgrüns, für die potenziell Grünpatenschaften vergeben werden, werden derzeit etwa 900 Beete von rund 630 offiziell angemeldeten Grünpatinnen und -paten gepflegt, was in etwa einem Flächenanteil von 3 % und 1,4 Beeten pro Engagiertem entspricht. Hinzu kommt eine unbekannte Anzahl „stiller Patenschaften“, bei denen sich Bürgerinnen und Bürger um öffentliche Grünflächen kümmern, ohne dies bei der Stadtverwaltung angemeldet zu haben. Im Rahmen eigener Kartierungen wurde festgestellt, dass im Straßenraum häufig nicht erkennbar ist, ob ein Beet offiziell oder „still“ gepflegt wird, und selbst die Unterscheidung in bürgerschaftliche oder städtische Pflege ist ohne Einblick in die Planungsunterlagen nicht immer feststellbar.

Darüber hinaus ergab die Geodatenanalyse, dass die Anzahl angemeldeter Grünpatenschaften in den statistischen Bezirken mit der Anzahl der dort vorhandenen Flächen des Straßenbegleitgrüns korreliert. Je mehr Verkehrsgrünflächen es in einem statistischen Bezirk gibt, desto mehr werden patenschaftlich gepflegt. Des Weiteren korreliert die Anzahl der in einem Bezirk angemeldeten Patenschaften mit der Wohnungs- bzw. Bevölkerungsdichte. Höhere Dichten scheinen sich demnach in einer verstärkten Wertschätzung städtischen Grüns niederzuschlagen. Soziodemographische Faktoren wie Alter, Haushaltsgröße, Anteil Zugewanderter aber auch politisches Wahlverhalten scheinen hingegen nur eine untergeordnete Rolle zu spielen.

Möglichkeiten und Grenzen des Engagements vonseiten der Stadtverwaltung

Im 2. Schritt wurde beleuchtet, welche Hilfestellungen aber auch Vorgaben es für die Patinnen und Paten gibt und aus welcher Motivation heraus Grünpatenschaften beworben werden. Das Bonner Amt für Stadtgrün bietet verschiedene Serviceleistungen an, die die Übernahme einer Grünpatenschaft erleichtern sollen. So werden die Bürgerinnen und Bürger bei Abschluss der Patenschaft individuell und vor Ort beraten sowie auf Anfrage von den Gartenmeistern unterstützt, etwa wenn es darum geht, ein zugewachsenes Baumbeet vorzubereiten. Sofern gewünscht, erhalten die Patinnen und -paten auch ein Schild, das auf ihr Engagement hinweist und gleichzeitig als Information für externe Pflegefirmen und Werbung von potenziellen neuen Grünpaten dient. Abb. 1 zeigt ein solches Schild an einem Baumbeet. Darüber hinaus wurden in der Vergangenheit Grünpatinnen und -paten ins Rathaus eingeladen, und für die Zukunft ist ein Wettbewerb um das schönste und das ökologischste Beet geplant. Auch wenn aufgrund der personellen und finanziellen Lage der Stadt nur kleinere Dienstleistungen angeboten werden können, wird versucht, für Grünpatinnen und -paten möglichst hilfreiche Unterstützung zu leisten.

Abb. 1
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Ein Schild weist auf die Patenschaft für das Grünbeet hin und dient gleichzeitig als Hinweis an Gärtner und Werbung für potenzielle neue Patinnen und Paten

Damit die Verkehrssicherheit im Straßenraum gewahrt bleibt, bestehen umgekehrt auch eine Reihe von Vorgaben für Grünpatinnen und -paten, die das bürgerschaftliche Engagement einschränken. So sind beispielsweise Kletterpflanzen wegen der regelmäßigen Baumkontrollen ebenso verboten wie die Einzäunungen der Beete aus Haftungsgründen und eine Überschreitung von 80 cm Wuchshöhe, damit eine gute Sicht im Straßenraum erhalten bleibt. Diese Maßgaben werden von den angemeldeten Patinnen und Paten in Gesprächen mit der Stadtverwaltung meist verständnisvoll aufgenommen. Die Bezirksgartenmeister beobachten jedoch, dass es in der Praxis immer wieder zu Verstößen gegen diese Regeln kommt, beispielsweise weil der Arbeitsaufwand, die Pflanzen regelmäßig zurückzuschneiden, unterschätzt wird oder aus ästhetischen Gründen, wenn etwa Kletterpflanzen an den Bäumen als besonders schön wahrgenommen werden. Insbesondere wird jedoch von Gartenmeistern und Verwaltung als problematisch bewertet, dass viele stille Patinnen und Paten „irgendwo da quer huschen und was machen“, wie es ein Mitarbeiter ausdrückt, weil sie die oben genannten Vorgaben nicht kennen und dementsprechend auch nicht beachten (können).

Als Motivation der Stadtverwaltung, Grünpatenschaften in Bonn zu bewerben, konnten 2 zentrale Gründe identifiziert werden. Zum einen ist es der Stadtverwaltung wichtig, bürgerschaftliches Engagement anzunehmen, zumal dies dem Ansehen der Verwaltung diene, wie ein Mitarbeiter betont: „Es ist natürlich auch ein Image, dass wir als Verwaltung da flexibel sind“. Zum anderen sehen die Mitarbeitenden der Stadtverwaltung darin die Möglichkeit, Identifikation mit Stadtgrün zu fördern. Im Kontext möglicher Vereinnahmung von bürgerschaftlichem Engagement für neoliberale Stadtentwicklung lässt sich demnach festhalten, dass in Bonn durch mangelnde kommunale Ressourcen Räume für zivilgesellschaftliches Engagement entstehen, die durch Kooperationen von Verwaltung und Zivilgesellschaft ausgefüllt werden können.

Möglichkeiten und Grenzen des Engagements vonseiten der Patinnen und Paten

In einem 3. Schritt wurde die Perspektive der Grünpatinnen und -paten näher untersucht. Dabei wurde festgestellt, dass die Ausgestaltung der Beete sehr unterschiedlich ausfällt, was einerseits von den Vorlieben der jeweiligen Patinnen und Paten abhängig ist und andererseits geprägt von den Bedingungen, die auf den Baumscheiben oder in den Straßen herrschen. So reicht die Spanne von „ökologisch bis gestylt“, wie eine Patin beschreibt, und in innerstädtischen Bereichen werden robustere Bepflanzungen genutzt, während in Wohngebieten auch deutlich kosten- und pflegeintensivere Gestaltungen zu finden sind. Abb. 2 und 3 zeigen 2 sehr unterschiedliche Ausgestaltungen.

Abb. 2
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Gerade in Wohnstraßen sind Grünbeete teilweise sehr aufwendig gestaltet

Abb. 3
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In innerstädtischen Bereichen mit starker Nutzungsmischung ziehen Grünpatinnen und -paten kostengünstigere und robustere Bepflanzungen vor

Laut der befragten Gartenmeister bewegt sich die Gestaltung der Beete von „null-acht-fünfzehn“ über „richtig ordentlich“ bis „effektiv besser“ als das, was die Stadt leisten könne. Das Engagement scheint sowohl nach Auskunft der Verwaltungsmitarbeiter als auch der befragten Patinnen und Paten bei den meisten Personen sehr langfristig angelegt zu sein und wird über viele Jahre hinweg ausgeübt, was den anfänglichen Aufwand der Stadtverwaltung mit Ortstermin und Beratungsgespräch zu rechtfertigen scheint. Dabei wird der konkrete Arbeitsaufwand von den befragten Patinnen und Paten mit rund einer Stunde pro Woche eingeschätzt, kann aber über das Jahr stark variieren. Finanziellen Aufwand haben die Befragten kaum, weil sie von Bekannten oder durch Kooperationen mit dem lokalen Einzelhandel die notwendigen Pflanzen erhalten.

Was die Motivationen der Grünpatinnen und -paten betrifft, stimmen die Vermutungen der Befragten aus Politik und Verwaltung größtenteils mit den tatsächlichen Motiven der Paten überein: An erster Stelle stehen für die meisten Patinnen und Paten Sauberkeit und Ästhetik. Mehrere haben ihr Engagement aus Ärger über ständigen Müll in den Baumscheiben in ihrem Wohnumfeld begonnen. Darüber hinaus ist den Engagierten wichtig, ihr Umfeld nach den persönlichen Vorstellungen gestalten zu können, so beschreibt eine Patin: „Da, wo ich wohne, möchte ich es auch nett haben“. Mehrere Befragte nennen überdies die Freude am Gärtnern als Grund für die Patenschaft, insbesondere wenn sie selbst über keinen Garten verfügen. Ausdrücklich kein Motiv sind hingegen politische Beweggründe, wie sie etwa beim Urban Gardening verfolgt werden. Eher lassen sich die Bonner Grünpatenschaften dem Do-it-Yourself Urbanism zuordnen, da hier kleinteilig und unbürokratisch Verbesserungen im persönlichen Lebensumfeld vorgenommen werden.

Potenziale und Konflikte

Im 4. Schritt wurden mögliche Potenziale und Konflikte aus Sicht der verschiedenen Beteiligten betrachtet. An positiven Effekten können mehrere Patinnen und Paten berichten, dass sich Kommunikation und Verantwortungsbewusstsein in der Nachbarschaft durch die Arbeit auf den öffentlichen Grünflächen verbessern, denn, so erklärt einer der Paten, „man wird dann von Menschen angesprochen, die einen sonst in der Straße nie angesprochen hätten“. Gleichzeitig steigt die Hemmschwelle für das Wegwerfen von Müll und für Vandalismus, wenn Beete erkennbar privat gepflegt werden, wie die Befragten nahezu einstimmig berichten.

Auf der anderen Seite können Grünpatenschaften auch verschiedene Konflikte auslösen, die auf allen Ebenen zwischen Stadtverwaltung, Gartenmeistern und Bürgerschaft ausgetragen werden. Als besonders konfliktträchtig werden stille Patenschaften beschrieben, weil hier kein Informationsaustausch besteht und sich die Konfliktparteien gar nicht persönlich kennen. So kommt es in Bonn häufiger vor, dass Beete stiller Patinnen und Paten von Stadtgärtnern oder Pflegefirmen umgestaltet werden. Darüber hinaus entstehen Konflikte um Vorgaben und Absprachen, wobei die städtischen Mitarbeiter insbesondere bemängeln, dass sich die wenigsten Bürgerinnen und Bürger abmelden würden, wenn sie ihre Patenschaft beenden. Die Bürgerinnen und Bürger untereinander geraten vor allem wegen Müll und mit Hundebesitzern in Konflikte, teilweise sind auch unterschiedliche Gestaltungsvorstellungen Anlass für Streit. Dennoch betonen alle Grünpatinnen und -paten, dass die positiven Effekte für sie deutlich überwiegen.

Bewertung der Grünpatenschaften

In einem letzten Schritt wurden die Interviewpartnerinnen und -partner gebeten, die Bonner Grünpatenschaften aus ihrer Sichtweise zu bewerten. Diese Bewertung fällt sehr unterschiedlich aus: Vonseiten der Stadtverwaltung wird betont, dass es keine nennenswerten finanziellen oder personellen Effekte gebe. Ebenso erklären die befragten Gartenmeister, dass letztlich zu wenige Grünflächen privat gepflegt würden, die Vorgaben nicht von allen präzise genug eingehalten würden und das Identifizieren der Patenschaftsbeete im Straßenraum zu zeitaufwendig sei, um eine Arbeitsentlastung zu erzielen. Dementsprechend werden die Patenschaften von der Bonner Stadtverwaltung und den Bezirksgartenmeistern eher als Zugeständnis an die Bürgerinnen und Bürger gesehen und allenfalls indirekte Effekte wie eine erhöhte Identifikation mit dem Stadtgrün positiv bewertet. Die Berechnung der Stadtverwaltung bezüglich finanzieller Effekte beruht jedoch auf der Pflegepraxis städtischer Gärtner oder externer Firmen, die die Baumscheiben nur im Hinblick auf Verkehrssicherheit und nicht nach ästhetischen Gesichtspunkten pflegen. So beschreibt einer der Gartenmeister, dass je Baumscheibe maximal 1 Stunde Arbeitsaufwand pro Jahr investiert werden könne, während die befragten Grünpatinnen und -paten rund 1 Stunde pro Woche investieren. Die Patinnen und Paten sehen sich selbst daher als wichtige Helfer der Stadt in Zeiten knapper kommunaler Ressourcen und würden sich entsprechende Wertschätzung wünschen. Gleichzeitig ist die Kommunikation zwischen Stadtverwaltung und Engagierten stark verbesserungswürdig. Während Bürgerinnen und Bürger bemängeln – abgesehen vom ersten Ortstermin – überhaupt keine oder nur abweisende Antworten auf Anfragen zu erhalten, betont ein Mitarbeiter des Amts für Stadtgrün, dass man nicht gerade „dankesverwöhnt“ sei und sich Kontakte mit Bürgerinnen und Bürgern fast ausschließlich auf Beschwerden beschränken würden.

Als Verbesserung wird von verschiedenen Seiten eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit gefordert, durch die einerseits neue Patenschaften gewonnen werden könnten und andererseits den bestehenden „der Rücken gestärkt“ würde, etwa wenn es bei Nachbarschaftskonflikten darum geht, ob und was auf den öffentlichen Flächen gepflanzt werden darf. Im Zuge einer verstärkten Öffentlichkeitsarbeit könnten überdies mehr stille Patinnen und Paten über die städtischen Vorgaben informiert werden, was wiederum der Konfliktvermeidung dienen würde.

Fazit und Ausblick

Vor dem Hintergrund der theoretischen Einordnung erscheint fraglich, ob sich Grünpatinnen und -paten in den Diskurs um urbane (Protest‑)Bewegungen einfügen. So erklären zumindest die befragten Patinnen und Paten, explizit keine politischen Motive für ihr Gärtnern zu haben, sondern scheinen sich eher in das Konzept der Neoliberalisierung und der daraus resultierenden Responsibilisierung von Bürgerinnen und Bürgern im Zuge von Sparmaßnahmen einzufügen. Die Befragten haben ihr Engagement hauptsächlich als Selbsthilfemaßnahme gegen vermüllte und trostlose Baumscheiben begonnen, die die Stadt Bonn angesichts ihrer derzeitigen Finanzlage nicht ausreichend pflegen kann. Dementsprechend bezwecken die Grünpatinnen und -paten mit ihrem Engagement hauptsächlich eine Verschönerung des persönlichen Wohnumfelds im Sinne des Do-it-Yourself Urbanism oder verwirklichen ihre Begeisterung für das Gärtnern und sehen ihr Engagement nicht als öffentlichkeitswirksame Protestaktion an.

Das Verhältnis von zivilgesellschaftlichem Engagement und städtischem Verwaltungshandeln im Kontext der Bonner Grünpatenschaften ist insbesondere von den unterschiedlichen Bewertungsmaßstäben der verschiedenen Akteure geprägt. Während Bürgerinnen und Bürger sich Anerkennung und Wertschätzung für ihren meist hohen zeitlichen Aufwand wünschen, wertet die Stadtverwaltung das Konzept als Zugeständnis an die Zivilgesellschaft mit begrenztem Sparpotenzial. Dementsprechend empfiehlt sich eine Verbesserung von Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit seitens der Stadtverwaltung, um gegenseitiges Verständnis und Wertschätzung zu erhöhen. Trotz der Schwierigkeiten und obwohl die Grünpatenschaften finanziell wie personell keine Entlastung für die Stadt darstellen, spricht für die Beibehaltung oder Ausweitung des Patenschaftsmodells, dass es, wenn auch keine monetär messbaren, so doch indirekte Effekte wie die Verbesserung des nachbarschaftlichen Zusammenhalts, die Verschönerung von Straßenzügen und den Rückgang von Müll und Vandalismus auf städtischen Baumbeeten bewirkt.