Grundsatz Statement

Bei Frauen mit in der Schwangerschaft erstmals aufgetretener oder diagnostizierter Glukosetoleranzstörung besteht gegenüber Schwangeren mit normaler Glukosetoleranz ein höheres Risiko für perinatale Morbidität und Mortalität und operative Entbindungen und ein höheres Risiko nach Entbindung einen Diabetes mellitus Typ 2 (T2DM) und kardiovaskuläre Komplikationen zu entwickeln [1, 2]. Frauen mit Gestationsdiabetes (GDM) und strikter metabolischer Kontrolle haben bessere Schwangerschaftsergebnisse als Frauen mit GDM, die nicht behandelt werden [3, 4]. Antenatale Lifestyle-Interventionen (strukturierte Ernährungsempfehlungen und Bewegungsprogramme) führen zu besseren Schwangerschafts-Outcomes [5]. Patientinnen, bei denen sich während der Schwangerschaft ein Typ 1 Diabetes mellitus manifestiert, sowie solche mit einem bereits präkonzeptionell oder zu Schwangerschaftsbeginn bestehenden, aber erst in der Gravidität diagnostizierten anderen Diabetestyp, sollen wie Patientinnen mit präkonzeptionell bekanntem Diabetes mellitus behandelt und überwacht werden (siehe Leitlinie: Gravidität bei vorbestehendem Diabetes). Ein präkonzeptionell bestehender Diabetes mellitus kann angenommen werden, wenn bereits vor der 20. Schwangerschaftswoche die Kriterien für einen manifesten Diabetes mellitus erfüllt sind: Nüchternblutzucker ≥ 126 mg/dl oder Spontanmessung ≥ 200 mg/dl; bzw. 2 h-Wert im oralen Glukosetoleranztest (oGTT) ≥ 200 mg/dl oder HbA1c ≥ 6,5 %. Frauen mit GDM haben postpartal ein deutlich erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines T2DM und sollen deshalb über Präventionsmaßnahmen informiert und lebenslang überwacht werden [6].

Risikoevaluierung und Diagnose (Abb. 1)

Bei Erstvorstellung beim Frauenarzt werden schwangere Frauen bezüglich ihres Risikos für GDM oder Diabetes mellitus eingestuft. Bei Vorliegen eines höheren Risikos (siehe unten) soll die Frau möglichst früh hinsichtlich einer Glukosestoffwechselstörung untersucht werden: Dies kann durch eine Nüchternglukosemessung, eine Spontanglukosemessung, eine HbA1c-Bestimmung und/oder Durchführung eines oGTT erfolgen.

Abb. 1
figure 1

Flussdiagramm Gestationsdiabetes (GDM) – Risikoevaluierung und Diagnose. DM Diabetes mellitus, GDM Gestationsdiabetes, IGT gestörte Glukosetoleranz, IFG gestörte Nüchternglukose, SSW Schwangerschaftswoche, oGTT oraler Glukosetoleranztest, NüBG Nüchternglukose, HbA1c Langzeitzucker, BG Blutglukose

Hohes Risiko für GDM bzw. Risiko für vorbestehende, unerkannte Stoffwechselstörung (Prädiabetes oder Diabetes) besteht bei:

  • GDM in einer früheren Schwangerschaft

  • Prädiabetes in der Anamnese (gestörte Glukosetoleranz und/oder Nüchternglukose > 100 mg/dl)

  • Kongenitale fetale Fehlbildung in einer früheren Schwangerschaft

  • Geburt eines Kindes > 4500 g

  • Intrauteriner Fruchttod (IUFT)

  • Habitueller Abortus (> 3 Fehlgeburten hintereinander)

  • Diabetes-Symptome

  • Adipositas (BMI ≥ 30 kg/m2)

  • Alter über 35 Jahre

  • Metabolisches Syndrom

  • Vaskuläre Erkrankung (Koronare Herzkrankheit (KHK), Insult (cAVK), periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK))

  • Familienanamnese von T2DM bei erstgradigen Verwandten

  • Ethnizität (z. B. arabisch, S‑ und SO-asiatisch, lateinamerikanisch)

Bei Auftreten von diabetes-spezifischen Symptomen oder klinischer Auffälligkeiten (Polydipsie, Polyurie, Glukosurie; Makrosomie) ist ein Test – auch bei unauffälligem Vorbefund und unabhängig von der Schwangerschaftswoche – unmittelbar durchzuführen.

In einer multizentrischen österreichischen Studie waren ein GDM in einer früheren Schwangerschaft, das Auftreten einer Glukosurie, Übergewicht (präkonzeptioneller BMI > 27 kg/m2), ein Alter über 30 Jahre und der Verdacht auf Makrosomie im Ultraschall die besten unabhängigen Prädiktoren für einen GDM [7], wobei das Risiko bei vorangegangenem GDM fast 3‑fach, ansonsten ungefähr 2‑fach erhöht war. Eine multinationale europäische Studie zeigte, dass fast jede 4. adipöse Frau bereits vor der 20. Schwangerschaftswoche erhöhte Blutzuckerwerte im Sinne eines GDMs nach IADPSG/WHO 2013 Kriterien und Parameter des metabolischen Syndroms aufwies [8].

Um geburtshilfliche Komplikationen, wie fetale Malformationen, Makrosomie, IUFT, Schulterdystokie oder sekundäre Sectio zu vermeiden, ist eine Früherkennung vom GDM bereits in der Frühschwangerschaft wünschenswert. Obwohl Frauen, die einen GDM in der zweiten Hälfte der Schwangerschaft entwickeln, bereits in der Frühschwangerschaft deutlich erhöhte Nüchternblutzucker-, sowie HbA1c und C‑Peptid Werte zeigen, bleibt die Analyse von derartigen Surrogaten des Glukosestoffwechsels (Nüchternblutzucker, HbA1c, C‑Peptid, HOMA‑B, HOMA-IR) in der Frühschwangerschaft für die Diagnose eines GDMs nur beschränkt aussagekräftig [9]. Die Erstellung von Prädiktionsmodellen, welche gleichzeitig anamnestische Faktoren und biochemische Variablen untersuchen, könnte zur Früherkennung von GDM führen und die Risiken für unerwünschte geburtshilfliche Outcomes reduzieren [10].

Alle Schwangeren erhalten im Rahmen der 2. Mutter-Kind-Pass-Labor-Vorsorge Untersuchung zwischen der 24.–28. Schwangerschaftswoche einen 75 g oGTT [11,12,13]. Durch die Einführung des oGTTs im Mutter-Kind-Pass konnte in Österreich eine Reduktion der IUFT Fälle bei schwangeren Frauen mit einem erhöhten Risiko für GDM erreicht werden [14]. Bei Frauen mit bereits diagnostiziertem GDM oder Diabetes bzw. wenn der unmittelbar gemessene Nüchternglukosewert (venöse Plasmaglukose) 92 mg/dl oder höher ist, sollte auf den oGTT verzichtet werden. Ausgenommen von der Durchführung eines oGTT sind auch Frauen nach bariatrischer/metabolischer Chirurgie, da das Risiko einer postprandialen Hypoglykämie (Dumping Phänomen) nach der Ingestion der Glukoselösung besonders hoch ist [15]. Nach bariatrischer Operation werden daher regelmäßige Blutzuckerselbstkontrollen zur Diagnose eines GDM herangezogen. Ebenso ist die Verwendung eines kontinuierlichen Glukosemesssystem (CGMS, FGM) in diesem Fall denkbar [15].

Methodik: Diagnostischer 75 g oraler Glukosetoleranztest (oGTT)

Der Test soll bei allen Frauen mit bisher unauffälligen oder unbekannten Blutglukosewerten in der Schwangerschaft zwischen 24–28. Schwangerschaftswoche morgens nach mindestens achtstündiger Nahrungskarenz durchgeführt werden. Eine Änderung der bisherigen Ernährung, eine Reduktion der Kohlenhydrate oder Diäten vor dem Test sollten vermieden werden. Ebenso sollten vor dem Test keine außergewöhnlichen körperlichen Belastungen erbracht werden. Der Testbeginn sollte zwischen 6.00 h und 9.00 h erfolgen, da die Glukosetoleranz tageszeitlichen Änderungen unterliegt. Die Schwangere soll die Glukoselösung (75 g Glukose in 300 ml Wasser) innerhalb von 5 min trinken, während des Testes sitzen (liegende Position vermeiden, keine unnötige körperliche Aktivität) und nicht rauchen. Zur GDM Diagnostik sollen Blutglukosewerte ausschließlich mit einer qualitätsgesicherten Methode in venösem Plasma direkt gemessen werden oder in venösem Vollblut gemessen und mit einem Faktor von 1,11 (+ 11 %) in venöse Plasmawerte umgerechnet werden.

Um möglichst exakte oGTT Resultate zu erhalten ist es erforderlich gewisse Standards zu berücksichtigen [12]. Diese sind wie folgt (abgeleitet nach [12]):

  • Messungen aus venösem Plasma und nicht aus Kapillarblut

  • Messung in einem zertifizierten Labor nach zertifizierten Methoden, um präanalytische Fehler zu minimieren.

  • Am Testtag ist vor dem oGTT die eine Einnahme kontrainsulinärer Medikamente (z. B. Thyroxin, Progesteron, Glukokortikoide, Sympathikomimetika) zu vermeiden.

  • Nach Einleitung der fetalen Lungenreife mittels Glukokortikoiden sollte man bis zur Testdurchführung mindestens fünf Tage zuwarten.

  • Bei Fieber, akuten Erkrankungen oder verordneter Bettruhe ist der Test bis zur vollständigen Genesung zu verschieben.

  • Bei operativen Eingriffen am Magen-Darm-Trakt (z. B. bariatrische Operation) ist die Aussagekraft eines oGTT limitiert. Zudem besteht die Gefahr eines Dumping-Syndroms. In diesem Fall sollte eine Blutzuckerselbstmessung über mehrere Tage erfolgen und Blutzuckerprofile zur Bewertung herangezogen werden.

  • Bei Hyperemesis gravidarum oder stärkerer Schwangerschaftsübelkeit ist der Test um einige Tage zu verschieben.

Die internationale Klassifikation (Tab. 1; [13, 16]) beruht auf Evidenz-basierten (= HAPO-Studie) Blutzuckergrenzwerten [17, 18]. Ab einem pathologischen Wert ist ein GDM diagnostiziert. In einer aktuellen randomisiert kontrollierten Studie, die die HAPO GDM Diagnosekriterien (0–1–2 h: 92–180–153 mg/dl) mit höheren Diagnosekriterien (0–2 h: 99–162 mg/dl) verglich und kindliche und mütterliche Schwangerschaftsoutcomes untersuchte, konnte kein signifikanter Unterschied im Primäroutcome large for gestational age Geburt beobachtet werden [19]. In Sekundäranalysen wurde eine erhöhte Inanspruchnahme medizinischer Leistungen, aufgrund häufigerer GDM Diagnosen bei niedrigeren Grenzwerten, aber auch ein signifikant niedrigeres Risiko für Präeklampsie, Gewichtszunahme und häufigeres Stillen in der Gruppe mit niedrigeren Diagnosekriterien festgestellt.

Tab. 1 Bewertung: oGTT 75 g (nach WHO, IADPSG und ADA Empfehlung [13, 16, 20])

Anhand von Auswertungen der Schwangerschaftsergebnisse an fünf österreichischen Zentren konnte auch ein einfacher Algorithmus und Risiko-Score zur Vorhersage des GDM entwickelt werden, der auf der Messung der Nüchternplasmaglukose beruht und im Einzelfall herangezogen werden kann [21].

Prävention

Die Prävention von GDM wurde in zahlreichen Studien untersucht und dabei an verschiedenen Risikogruppen getestet. Bei Frauen mit Adipositas konnte in den bisherigen großen Studien mit Lebensstilintervention keine Verbesserung im fetalen Outcome (large for gestational age, LGA) oder eine Verbesserung der mütterlichen Stoffwechselsituation oder GDM Prävalenz erreicht werden [22, 23]. In der DALI Studie konnte im Vergleich drei verschiedener Interventionsgruppen (gesunde Ernährung, körperliche Aktivität, Kombination aus beidem) eine signifikante Gewichtsabnahme in der kombinierten Interventionsgruppe im Vergleich zur Kontrolle gezeigt werden, dies hatte aber keinen Einfluss auf die mütterlichen oder kindlichen Outcomes bei Geburt [22, 23]. Bei adipösen Frauen konnte mit Ernährungsmaßnahmen das GDM Risiko, sowie eine kindliche Makrosomie verringert werden. Dies konnte bei körperlicher Aktivität nicht beobachtet werden. Vitamin D Supplementation in der Schwangerschaft führte zwar zu einer signifikanten Reduktion der Nüchternglukose im 3. Trimenon, dies hatte aber klinisch keine Relevanz und konnte die GDM Prävalenz bzw. das Risiko für LGA-Geburten bei adipösen, schwangeren Frauen im Vergleich zu Placebo trotz suffizienter Vitamin D‑Werte nicht reduzieren [24]. Trotz der signifikanten Erhöhung von Vitamin D und einer hohen Suffizienzrate waren durch eine Vitamin D Supplementation in der Schwangerschaft im Vergleich zu Placebogruppe auch die Lipidparameter in den Behandlungsgruppen nicht signifikant unterschiedlich [25]. Eine Supplementation mit Probiotika und Myoinositol konnte das GDM Risiko verringern. Bei adipösen schwangeren Frauen konnte unter Gabe von Metformin keine Reduktion des GDM Risikos und keine Verbesserung des mütterlichen Stoffwechsels oder Geburtsoutcomes erreicht werden [22]. Die bisherigen Studien zeigen, dass der Beginn einer Lebensstilmodifikation vor dem ersten Trimester oder idealerweise bereits bei Kinderwunsch sinnvoll ist. [5, 22]. Eine rezente Metaanalyse zeigt, dass die Implementierung strukturierter antenataler Interventionsprogramme (Ernährung, Bewegung oder beides kombiniert) das Auftreten eines Gestationsdiabetes vermindern und die mütterlichen Schwangerschafts-Outcomes verbessern können, die neonatalen Ergebnisse aber nur durch Diät beeinflusst werden konnten [5].

Therapie (Abb. 2)

Diabetologische/Internistische Betreuung

Erstellung eines individuellen Therapieplans bestehend aus einer Lebensstilmodifikation mit Ernährung, Bewegung und Blutglukoseselbstmessungen:

  1. a)

    Ernährung: Je nach Körpergewicht und körperlicher Aktivität ausgerichteter Diätplan (bei Normalgewicht ca. 24–30 kcal/kg: 40–50 % Kohlenhydrate, 30–35 % Fett und 20 % Eiweiß). Auf schnell resorbierbare Kohlenhydrate sollte verzichtet werden. Eine ballaststoffreiche Ernährung (ca. 30 g/Tag) ist zu empfehlen. Die ausreichende Versorgung mit Mineralstoffen und Vitaminen ist zu berücksichtigen (Eisen, Folsäure, Vitamin D, Kalzium, Vitamin B, Magnesium, Jod). Hier gelten die nationalen Referenzwertempfehlungen für Nahrungszufuhr in der Schwangerschaft (D-A-CH Referenzwerte, www.oege.at) Die täglich empfohlene Proteinzufuhr in der Schwangerschaft entspricht der einer gesunden Schwangerschaft (60–80 g/Tag). Eine Aufteilung der Mahlzeiten auf 3 kleine bis mittlere Hauptmahlzeiten und 2–4 kleine Zwischenmahlzeiten inklusive Abendsnack sollte erfolgen [26]. Für eine DASH- oder Mediterrane Ernährung werden sowohl präventive als auch outcome-orientiert positive Daten bezüglich GDM berichtet [27]. Die Endocrine Society empfiehlt bei Adipositas eine Kalorienrestriktion um etwa ein Drittel, so keine deutliche Gewichtsreduktion (bis maximal 5 kg) und Katabolismus auftritt. Die minimale Aufnahme liegt zwischen 1500 und 2000 kcal/Tag [27]. Bei einer Low Carb-Ernährung mit nur 35–40 % Kalorien aus Kohlenhydraten wird eine ausgleichende Protein- und Fettzufuhr vorwiegend pflanzlichen Ursprungs empfohlen. In einer Sekundäranalyse einer GDM Präventionsstudie konnte in der Ernährungsinterventionsgruppe mit reduzierter Kohlenhydratzufuhr zwar eine niedrigere Gewichtszunahme in der Schwangerschaft aber auch ein Zusammenhang mit vermutlich Lipolyse induzierten, höheren Nüchternglukosewerten, freien Fettsäuren und Ketonkörpern beobachtet werden [28]. Auch im Nabelschnurblut konnten erhöhte freie Fettsäuren festgestellt werden, wobei Langzeitbeobachtungen leider fehlen. Eine Gewichtskontrolle sollte bei jedem Kontrollbesuch erfolgen bzw. selbstständig wöchentlich von der Patientin dokumentiert werden.

    Die Gewichtszunahme in der Schwangerschaft sollte dabei den Empfehlungen des Institute of Medicine folgen (Tab. 2; [29]).

    Abb. 2
    figure 2

    Flussdiagramm Gestationsdiabetes (GDM) – Behandlung. BG Blutglukose, RR Blutdruck, oGTT oraler Glukosetoleranztest

  2. b)

    Schulung in Blutzucker-Selbstmessung. Dokumentation der Glukose-Profile: mindestens 4 Messungen täglich (nüchtern, 1 h postprandial). Bei Beginn einer Insulintherapie sollte die Patientin über die Symptome und Risiko von Hypoglykämien, sowie über das richtige Verhalten in dieser Situation geschult werden. Eine schlechte Adhärenz zu regelmäßigen selbstständigen Blutzuckermessungen steht mit einem erhöhten Präeklampsierisiko in Zusammenhang und war in einer Studie mit Zugehörigkeit zu niedriger sozialer Klasse, nichteuropäischer Herkunft und Diabetes in der Familienanamnese assoziiert [30]. Hingegen konnten bei guter Adhärenz mit guter Blutzuckereinstellung keine Unterschiede zwischen täglich 4 Messungen und Messungen jeden zweiten Tag in mütterlichen und kindlichen Outcomes festgestellt werden [31]. Eine Reduktion der Blutzuckermessungen (Messung alle 2 Tage) kann bei guter Blutzuckereinstellung und fortgeschrittener Schwangerschaft überlegt werden. Sollte eine kontinuierliche Glukosemessung erfolgen sind folgende Blutzuckerwerte anzustreben: Zielbereich 63–140 mg/dl, Zeit im Zielbereich (Time in Range) > 70 %, Zeit unter Zielbereich < 4 %, Zeit über Zielbereich < 25 % [11]

  3. c)

    Bewegung: Bei einer unproblematischen Schwangerschaft ist regelmäßige moderate körperliche Aktivität ein weiterer Bestandteil des Therapiekonzepts. Die Aktivitätszeit sollte dabei mindestens 150 min pro Woche betragen und sollte in den Alltag integriert werden. Bei Ausübung von Sport sollten Sportarten gewählt werden, die mit einer Schwangerschaft vereinbar sind (kein Kontaktsport, Kampfsport, Sportarten mit hoher Sturz- oder Verletzungsgefahr) und dem jeweiligen Trainingszustand entsprechen. Zur GDM-Prävention mittels körperlicher Aktivität vor der Schwangerschaft oder in der Frühschwangerschaft und adäquater oben beschriebener Ernährung (DASH-, mediterrane Ernährung) liegt eine Metaanalyse aus 40 Studien vor [32].

  4. d)

    Therapieziele und pharmakologische Therapie:

    Bei unzureichender Einstellung durch Lebensstilmaßnahmen ist unmittelbar eine medikamentöse Therapie einzuleiten. Insulin sollte gegenüber oralen glukosesenkenden Medikamenten aufgrund der deutlich besseren Studienlage und keiner Plazentagängigkeit bevorzugt eingesetzt werden [11].

Tab. 2 Gewichtszunahme in der Schwangerschaft nach IOM-Empfehlungen [29]

Werden die Grenzwerte zu einem Messzeitpunkt zu 50 % überschritten (Tab. 3), ist eine individuell anzupassende Insulintherapie, zu beginnen. Liegen Nüchternglukosewerte über 110 mg/dl vor ist ein sofortiger Therapiebeginn mit Insulin erforderlich [12]. Der HbA1c Wert ist für die Diagnose eines GDM ungeeignet, kann aber zur Verlaufskontrolle der Metabolik herangezogen werden und soll jedenfalls im Referenzbereich für Gesunde liegen (HbA1c < 6,0 %). Die mütterlichen Blutzuckerprofile müssen auch während der Geburt im Zielbereich liegen (80–130 mg/dl), um neonatale Hypoglykämien und Anpassungsstörungen zu vermindern.

Tab. 3 Blutzuckerzielwerte

Zur weiteren Individualisierung der Therapie dient die fetale Biometrie, die zur Entscheidung, ob eine medikamentöse Therapie begonnen, intensiviert oder gelockert werden muss, herangezogen werden soll [12]. Der fetale Abdomenumfang korreliert mit dem fetalen Insulinspiegel. Liegt eine fetale asymmetrische Wachstumssteigerung vor und liegt die abdominelle Zirkumferenz über der 75. Perzentile des Gestationsalters sind strengere Therapieziele anzustreben. Hierbei sollen Nüchternglukosewerte bei kapillärer Messung < 90 mg/dl und 1 h postprandial < 130 mg/dl erreicht werden. Bei fötaler Wachstumsretardierung sind dementsprechend auch individuell angepasste, höhere mütterliche Glukosegrenzwerte zulässig bzw. ist der Beginn einer Insulintherapie zurückhaltend zu wählen [12].

Regelmäßige Kontrollen sollen individuell den Bedürfnissen der schwangeren Frauen entsprechend im Abstand von wenigen Tagen bis 3 Wochen erfolgen. Dabei ist anhand der Blutglukoseprofile eine Therapieanpassung (Insulindosis) je nach Erfordernis durchzuführen. Der Blutdruck und die Gewichtszunahme sollten kontrolliert und ein Harnbefund erhoben werden.

Auch telemedizinische Visiten können die Betreuungsqualität erhöhen und können vor allem bei Zugangsbeschränkungen aufgrund COVID 19 und zur Reduktion der Patientenzahlen in der Ambulanz als Social Distancing Maßnahme als Alternative überlegt werden. Telemedizinische Visiten bei GDM konnten in einer Metanalyse das Risiko für GDM assoziierte Geburts- und Schwangerschaftskomplikationen im Vergleich zur Standardbetreuung reduzieren [11, 33].

Insulin

Aufgrund der sehr gut dokumentieren Datenlage für Insulin sollte bevorzugt Insulin in der Schwangerschaft verwendet werden. Primär wird NPH-Insulin als Basisinsulin verwendet. Auch andere Langzeitinsuline (Glargin, Glargin U300 oder Detemir) können ohne Bedenken in der Schwangerschaft angewendet werden, jedoch zeigt eine Metaanalyse keine signifikanten Differenzen in Bezug auf mehrere maternale oder neonatale Parameter im Vergleich zu NPH-Insulin [34]. Im Vergleich NPH zu Glargin gibt es keine Unterschiede im Geburtsgewicht, sowie vergleichbares Risiko für neonatale Komplikationen und Malformationen. Ebenso sind die mütterlichen Outcomes Präeklampsie und Schwangerschaftshypertonie vergleichbar selten. Für Insulin Detemir ist das Risiko für LGA oder neonatale Hypoglykämie ebenso vergleichbar mit NPH Insulin [34]. Randomisiert kontrollierte Studien zu Insulin Degludec zeigen wie bereits zuvor publizierte Fallbeschreibungen keinen Hinweis auf maternale oder kindliche Komplikationen in der Schwangerschaft beziehungsweise vergleichbare Resultate wie bei anderen Langzeitinsulinen [35,36,37,38].

Schnellwirksame Insuline werden zur Korrektur postprandialer Spitzen angewendet. Vielfach finden Insulin Lispro oder Aspart Anwendung und sollten gegenüber Humaninsulin auch aufgrund der einfacheren Handhabung vorgezogen werden. Zu Glulisin liegen nur Vigilanzdaten in der Gravidität vor [39], die keine besonderen Auffälligkeiten in der Schwangerschaft zeigen, jedoch sollte es derzeit aufgrund der unzureichenden Datenlage nicht verwendet werden. Die Analoga konnten aber bisher nur teilweise Überlegenheit gegenüber Normalinsulin zeigen [34]. Der Vergleich von Aspart zu Humaninsulin zeigt keine Unterschiede bei Makrosomie oder Häufigkeit von Kaiserschnittgeburten. Lispro verglichen zu Humaninsulin war mit niedrigerer Inzidenz für Ikterus und weniger maternalen Hypoglykämien verbunden, andererseits wurden in der Gruppe mit Lispro höhere Inzidenzen für LGA und höheres Geburtsgewicht berichtet. Ultraschnell-wirksames Insulin Aspart (Fiasp) und ultrarapid Lispro (URLi, Lyumjev) sind in der Schwangerschaft zugelassen. Ultraschnellwirksame Insuline werden rascher resorbiert, sind daher schneller wirksam als bisherige Analoginsuline und werden zur Optimierung postprandialer Hyperglykämien angewendet.

Orale Antidiabetika

Der Sulfonylharnstoff Glibenclamid und das Biguanid Metformin werden in manchen Therapieempfehlungen (z. B. NICE, ADA Guidelines) als mögliche Alternativen oder zusätzlich zu Insulin in der Schwangerschaft genannt. Die Empfehlung wurde aber zuletzt aufgrund ungewisser Langzeitfolgen bei Nachkommen abgeschwächt [11, 12]. Metformin und Glibenclamid sind plazentagängig. Randomisierte kontrollierte Untersuchungen über den Einsatz von Glibenclamid und Metformin [40, 41] bei GDM zeigten keine wesentlichen Unterschiede zwischen der oralen Behandlung und einer Insulintherapie. Bei Verwendung eines dieser Präparate in der Schwangerschaft sollten die Patientinnen in die Therapieentscheidung miteinbezogen und aufgeklärt werden. Die Verabreichung von anderen oralen und subkutanen glukosesenkenden Medikamenten wie Alpha-Glukosidasehemmer, Glitazone, Glinide, GLP-1-Analoga, DPP-4- und SGLT-2-Hemmer wird in der Schwangerschaft nicht empfohlen. Es fehlt neben den Studiendaten zur sicheren Anwendung auch die Zulassung in der Schwangerschaft.

Metformin

An die Gabe von Metformin sollte insbesondere bei übergewichtigen insulinresistenten Frauen als Monotherapie oder in Kombination mit Insulin gedacht werden [26]. Unter Gabe von Metformin ab der 20. Schwangerschaftswoche wurde eine niedrigere Rate schwerer neonataler Hypoglykämien, jedoch eine höhere Frühgeburtenrate beobachtet [40]. Eine rezente Metaanalyse zeigt bei Frauen mit Metformintherapie verglichen zu einer Insulintherapie eine geringere maternale Gewichtszunahme in der Schwangerschaft, weniger Hypoglykämien bei Mutter und Kind sowie ein geringeres Geburtsgewicht [42]. Die Mütter in der Metformingruppe konnten bei der Nachuntersuchung postpartal eher ihr Ausgangsgewicht erreichen als insulinbehandelte Frauen; bezüglich des postpartalen Glukosetoleranzstatus bestanden keine Unterschiede [40]. Ein Grund für einen zögerlichen Einsatz von Metformin ist das Fehlen ausreichender Langzeitdaten zur kindlichen Entwicklung. Die MIG-TOFU Studie zeigte, dass Kinder aus der Metformintherapie-Gruppe in der Schwangerschaft erhöhte subkutane Fettmasse verglichen zur Insulingruppe aufwiesen – die Gesamtkörperfettmasse blieb jedoch vergleichbar [43]. Eine weitere Studie bei Nachkommen von Müttern, die bei PCOS 1700–2000 mg Metformin in der Schwangerschaft erhielten, konnte 4 Jahre nach Entbindung ein deutlich erhöhtes Risiko für Übergewicht und Adipositas im Vergleich zur Placebogruppe feststellen [44]. Bei Frauen mit PCOS und Metformintherapie zu Beginn der Schwangerschaft zur Ovulationsstimulierung wird eine Beendigung der Metformintherapie vor Ende des ersten Trimesters empfohlen [11].

Sulfonylharnstoff

Bei Ablehnung einer notwendigen Insulintherapie stellt eine Therapie mit Glibenclamid eine mögliche, wenn auch hierzulande äußerst selten genutzte Alternative zur Behandlung eines GDM dar. Eine Insulintherapie sollte aber jedenfalls präferiert werden, wenn der GDM bereits vor der 25. Schwangerschaftswoche besteht oder Glukosewerte über 110 mg/dl vorherrschen [26]. Vorteile von Metformin gegenüber Glibenclamid konnten in einer Metaanalyse gezeigt werden – unter Glibenclamidtherapie konnten höhere maternale Gewichtszunahme, sowie vermehrte Raten von fetaler Makrosomie und neonataler Hypoglykämie festgestellt werden [45]. Auch im Vergleich zu Insulin häufte sich unter Glibenclamid das Risiko für Makrosomien, neonatalen Hypoglykämien und höherem Geburtsgewicht [45]. Neugeborene aus Glibenclamid behandelten GDM-Schwangerschaften weisen zudem höheres Risiko für Geburtskomplikationen (Hypoglykämie, Atemnotsyndrom des Neugeborenen (RDS), Intensivstationsaufenthalte, LGA) auf [46]. In einer randomisiert kontrollierten Studie konnte ein höheres Risiko an kumulativ perinatalen Komplikationen (Makrosomie, Hypoglykämie, Hyperbilirubinämie) in der Glibenclamidgruppe im Vergleich zu Insulin festgestellt werden [47]. Zwar konnten keine erhöhten Makrosomieraten im Vergleich Glibenclamid zu Insulin beobachtet werden, jedoch waren die Hypoglykämieraten bei geringen Glibenclamiddosen von durchschnittlich 5,4 mg signifikant höher als unter Insulin. Aufgrund der Datenlage ist die primäre Verwendung von Insulin zur Behandlung von GDM klar zu favorisieren [48]. Eine Anwendung von Sulfonylharnstoffen in der Schwangerschaft wird nicht empfohlen.

Geburtshilfliche Überwachung

Schwangere mit GDM sollten in einem Krankenhaus mit diabetologischer Erfahrung und angeschlossener Neonatologie entbunden werden. Empfohlen werden:

  • Ein- bis dreiwöchentliche klinische Kontrollen

  • bei Hyperglykämie in Frühschwangerschaft: Frühes Organscreening durch Ultraschall zum Ausschluss von Fehlbildungen (v. a. Herz, Niere)

  • Ultraschall (Biometrie, Fruchtwasser, evtl. Doppler), Wachstumskurven (v. a. Wachstumszunahme des Abdomens = asymmetrische Wachstumszunahme; Polyhydramnion) beachten

  • Achten auf erhöhtes Risiko zur Entwicklung einer Schwangerschaftshypertonie, Präeklampsie, Infektionen

  • Idealen Geburtstermin und Geburtsmodus festlegen

Schwangere Frauen, die einen GDM im Laufe der Schwangerschaft entwickeln, zeigen eine herabgesetzte Insulinsensitivität bereits vor der Schwangerschaft [49, 50]. Dies könnte zu oxidativem Stress in der ersten Phase der Schwangerschaft führen und eine Ursache für kongenitale Defekte darstellen [51]. Um große anatomische Fehlbildung zu erkennen, ist für jede schwangere Frau eine Routine Ultraschall-Untersuchung zwischen der 18. und 22. Schwangerschaftswoche empfohlen [52].

Da die mütterliche Hyperglykämie einen direkten Einfluss auf die fetale Hyperglykämie, Hyperinsulinämie und, letztendlich, auf das fetale Wachstum hat [53], sind sonographische fetale Wachstumskontrollen alle 2–4 Wochen empfohlen [54]. Regelmäßig durchgeführte Ultraschallkontrollen führen zu einem besseren neonatalen Outcome und sollen zu einem nicht ultraschall-basierten Management präferiert werden [55]. Hierbei soll das erwartete fetale Gewicht (EFW) durch die Vermessung vom Kopfumfang (KU), Abdomenumfang (AU) und Femurlänge (FL) geschätzt werden [56]. Unter den geburtshilflichen Komplikationen eines GDMs erkennt man die fetale Makrosomie, welche bereits ab der 24. Schwangerschaftswoche sonographisch diagnostiziert werden kann, wenn der Abdomenumfang (AU) eine akzelerierte Wachstumstendenz aufweist [57]. Eine übermäßige Fruchtwassermenge (Polyhydramnion) wird als Hinweis einer diabetischen Fetopathie gesehen, wobei bis dato keine Referenzwerte festgelegt wurden [58]. Die Messung des fetalen subkutanen Fettgewebes könnte als Zusatzparameter für die Evaluation der diabetischen Fetopathie herangezogen werden, dies ist aber heute aufgrund der mäßigen Reproduzierbarkeit der Messwerte noch nicht Teil der Routine Untersuchungen bei GDM Schwangerschaften [59].

Eine Überschreitung des Geburtstermins sollte bei Schwangeren mit insulinpflichtigem GDM vermieden werden.

Ob zwischen Schwangerschaftswoche 38 + 0 und 40 + 0 eine Geburtseinleitung stattfinden soll, soll individuell entschieden werden. Dabei sollen der Insulinbedarf, die Ultraschallbefunde (Kindsgewicht, Doppler, Fruchtwasser), maternale Erkrankungen wie Präeklampsie und die vorausgegangenen Schwangerschaftsverläufe in die Entscheidung miteinbezogen werden [60,61,62]. Eine Einleitung wegen schlechter Blutzucker-Einstellung vor Schwangerschaftswoche 38 + 0 sollte wegen frühgeburtlichkeitsbedingter Morbidität vermieden werden. Vielmehr sollte eine pränatale Optimierung der Blutzucker-Werte erfolgen.

Es ist bekannt, dass das Risiko für eine Schulterdystokie ab einem Geburtsgewicht von 4250 g signifikant ansteigt [63]. Ab einem geschätzten Geburtsgewicht von 4500 g sollte deshalb bei einer Schwangeren mit GDM eine Sectio empfohlen werden. Bei einem Schätzgewicht von 4000–4499 g sollte eine differenzierte Aufklärung der Schwangeren über individuell erhöhtes Schulterdystokie-Risiko erfolgen, insbesondere bei ausgeprägter Kopf-Abdomen Differenz.

Überwachung und Management des Neugeborenen (Abb. 3)

Ein Routinemonitoring ist für eine Hochrisikopopulation an Neugeborenen sinnvoll, zu denen Kinder aus diabetischen Schwangerschaften bzw. solche, die aus einem anderen Grund einem erhöhten Risiko für die Entwicklung einer Hypoglykämie ausgesetzt sind, zählen (z. B. dystrophe Neugeborene; LGA-Babys).

Abb. 3
figure 3

Flussdiagramm Blutzuckermanagement, bei Risikoneugeborenen. BZ Blutzucker, MD Maltodextrin, pp postprandial, iv intravenös

Generell zu vermeiden sind prolongierte und rezidivierende Hypoglykämien, da diese mit akuten systemischen und langfristigen neurologischen Konsequenzen einhergehen können [64].

Blutglukosebestimmungen nach Geburt

Erste Messung: In Abhängigkeit vom Risikofaktor soll bei zu erwartender Hypoglykämie 30–60 min nach Geburt (bei schlecht eingestelltem Gestationsdiabetes), ansonsten innerhalb der ersten zwei Lebensstunden gemessen werden. Der Einfachheit halber kann aber für die gesamte Population der Zeitpunkt 1 h nach Geburt festgelegt werden. Eine Ausnahme ist hier nur die Indikation schlecht eingestellter Schwangerschaftsdiabetes der Mutter – hier sollte die erste Messung bereits nach 30 min erfolgen.

Weitere Messungen: Zumindest zweimal vor den nächsten beiden Mahlzeiten (ca. nach 3 und 6 h, evtl. auch nach 12 h z. B. bei mütterlichem Diabetes, grenzwertigen Messungen). Ende der Messungen: Es sollen zumindest zwei normale präprandiale Glukosewerte hintereinander dokumentiert sein, um die Messungen beenden zu können.

Messung nach Intervention: Bei enteraler oder intravenöser Intervention aufgrund einer Hypoglykämie erfolgt eine Kontrolle 1 h nach Intervention.

Die Bestimmung der Blutglukose muss unmittelbar nach der Blutabnahme erfolgen. Bei Verwendung von Schnelltests (Glukometer) weisen diese im hypoglykämischen Bereich unter 45 mg/dl Glukose in Abhängigkeit vom Hersteller Ungenauigkeiten auf. Ein mit dieser Meßmethode ermittelter hypoglykämischer Wert soll durch eine laborchemische Bestimmung kontrolliert werden. Dies sollte aber zu keiner Verzögerung der Therapie führen.

Interventionsgrenzen und therapeutische Zielwerte

Aufgrund interindividueller Schwankungen gibt es keine absoluten Grenzwerte für die Behandlung der Hypoglykämie des Neugeborenen. Vorgeschlagen werden pragmatische „Interventionsgrenzen“ bei denen eine Intervention in Erwägung gezogen werden sollte (siehe Intervention: < 25 mg % intravenös, 25–35 mg % enteral).

Die „therapeutischen Zielwerte“ beinhalten einen Sicherheitsabstand.

Ernährung des Säuglings nach Geburt

Neugeborene sollen bereits innerhalb der ersten Lebensstunde angelegt werden, dies gilt besonders für Kinder aus diabetischer Schwangerschaft. Nahrung aus der Flasche (Anfangsmilch) soll nur angeboten werden, wenn Stillen nicht möglich/erwünscht ist bzw. als Intervention bei zu niedrigem Blutzucker (siehe „Intervention“) [65].

Intervention

Enteral: Nur bei asymptomatischer Hypoglykämie 25–35 mg % → Verabreichung von 10–20 ml (3–5 ml/kg) abgepumpter Muttermilch, Frauenmilch, Maltodextrinlösung 15 % oder Formulanahrung. Alternativ ist die Verwendung von buccal zu verabreichendem 40 %igen Dextrose-Gel möglich. Intravenös: Bei deutlicher Hypoglykämie < 25 mg %, symptomatischen Kindern < 45 mg % oder persistierender Hypoglykämie (falls die Kontrolle 1 h nach Intervention < 45 mg % ist, oder falls trotz zweimaliger enteraler Intervention weiter korrekturbedürftige präprandiale Blutzuckerwerte gemessen werden) → 2 ml/kg Glukose 10 % als iv Bolus, gefolgt von 6–8 mg/kg/min Glukose als kontinuierliche Infusion. Es wird eine schrittweise Reduktion der intravenösen Glukosezufuhr unter Beginn der enteralen Ernährung und präprandialen Blutzuckerkontrolle empfohlen.

Kinder von Frauen mit GDM haben ein höheres Risiko im späteren Leben übergewichtig zu werden und ein metabolisches Syndrom bis hin zu einem Diabetes zu entwickeln [66]. Deshalb sollte bei allen – und besonders bei makrosomen – Kindern auf eine normale Gewichtsentwicklung geachtet werden (s. „Nachbetreuung der Kinder“).

Nachbetreuung der Mutter

Falls nach der Geburt normale Blutzuckerwerte erhoben werden (nüchtern < 100 mg/dl und unabhängig von Mahlzeiteneinnahme < 200 mg/dl) ist keine weitere definierte Ernährungstherapie oder Blutzuckerselbstmessung notwendig. Allerdings muss 4 bis 12 Wochen nach der Geburt eine Reklassifizierung der mütterlichen Glukosetoleranz mittels Standard-oGTT erfolgen. Bei pathologischem Befund müssen Therapieempfehlungen erfolgen (s. Leitlinien Diabetes mellitus – Definition, Klassifikation, Diagnose, Screening und Prävention, Diabetes-Therapie). Im Fall eines postpartal bestehenden Prädiabetes (gestörte Glukosetoleranz (2 h Wert 140–199 mg/dl) im oGTT oder erhöhter Nüchternglukose [100–125 mg/dl]) wird eine Lebensstiländerung mit Ernährungs- und Bewegungsberatung empfohlen. Eine Subanalyse des Diabetes Prevention Programs zeigte, dass bei vergleichbarer Ausgangslage bezüglich Glukosetoleranzstatus und Insulinresistenz Frauen mit GDM-Anamnese ein doppelt so hohes Risiko für die Progression zu einem manifesten Diabetes aufwiesen wie jene, die eine unauffällige Schwangerschaft hatten. Weiters profitierte diese Gruppe von einer Therapie mit Metformin besonders [67]. Dies wurde im 10 Jahres Follow up erneut bestätigt: Lebensstilmaßnahmen und Metformin konnten das Diabetesrisiko um 35–40 % verglichen zu Placebo verringern [68]. Eine Analyse des Wiener GDM Programms zeigte dass ein 2 h Blutzuckerwert im ersten oGTT postpartum über 140 mg/dl, ein HDL unter 50 mg/dl und ein Alter über 35 Jahre die wichtigsten unabhängigen Risikofaktoren für die Entwicklung eines manifesten Diabetes innerhalb von 10 Jahren darstellten [69]. Untersuchungen belegen nun auch für die seit einigen Jahren geltenden GDM Diagnoserichtlinie (basierend auf der HAPO Studie) ein mehr als 3‑fach höheres Risiko für eine Glukosestoffwechselstörung bei Frauen mit GDM im Vergleich zu Frauen mit normaler Glukosetoleranz nach 11 Jahren Follow up [70].

Entsprechend der Datenlage müssen alle Frauen mit GDM außerdem über ihr erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines T2DM, eines GDM-Rezidivs (20–50 %) bei neuerlicher Schwangerschaft, ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko sowie über Möglichkeiten der Diabetesprävention informiert werden [70].

Bei unauffälligem Erstbefund sollen die Frauen alle zwei bis drei Jahre mittels oGTT oder zumindest mittels Messung der Nüchternglukose und des HbA1c nachuntersucht werden.

Frauen mit Diabetes in der Schwangerschaft sollen, wenn immer es möglich ist, ihr Kind stillen, da protektive Effekte in Studien gezeigt werden konnten [26]. Bei einer Stilldauer von mehr als drei Monaten weisen stillende Mütter eine um bis zu zehn Jahre verzögerte Progression von GDM zu T2DM auf als nicht stillende Frauen [71].

Frauen nach GDM sollen reine Gestagen-Präparate insbesondere in der Stillzeit vermeiden, da sich dadurch das Risiko für die Manifestation eines T2DM erhöhen könnte [72]. Außer auf eine Glukosestoffwechselstörung soll auch auf weitere kardiovaskuläre Risikoparameter wie Dyslipidämie und Hypertonie untersucht werden, da Frauen nach GDM ein höheres kardiovaskuläres Risiko aufweisen [73, 74].

Nachbetreuung der Kinder

Bei Nachkommen von GDM Schwangerschaften ist ein erhöhtes Risiko für Übergewicht/Adipositas und T2DM bekannt [70, 75]. Ein gesunder Lebensstil und regelmäßige Gewichtskontrollen sind zu empfehlen. Bei Hinweisen auf Hyperglykämie ist eine sofortige Abklärung empfohlen (siehe auch Leitlinie Diabetes mellitus – Definition, Klassifikation, Diagnose, Screening und Prävention). Ein T2DM-Screening sollte bei asymptomatischen Kindern und Jugendlichen bei Adipositas (BMI > 95. Perzentile, geschlechts- und altersadjustiert) oder ein Übergewicht (BMI > 85. Perzentile) und mütterlichem GDM in der Schwangerschaft des Kindes erfolgen [76].

Evidenzlage

Gesichert ist, dass eine mütterliche Hyperglykämie im 1. Trimenon mit einem höheren Risiko für die Entwicklung einer diabetischen Embryopathie, im 2. und 3. Trimenon für die Entwicklung einer diabetischen Fetopathie mit erhöhter Morbidität und Mortalität assoziiert ist [77]. Die „Hyperglycemia and adverse pregnancy outcome (HAPO)“ Studie zeigte weiters, dass ein kontinuierlicher Zusammenhang zwischen der Höhe der mütterlichen Blutzuckerwerte im oGTT und den kindlichen Komplikationen besteht [17, 70, 78].

Während eine Ernährungstherapie alleine in Metaanalysen nicht eindeutig zu besseren fetalen Ergebnissen führt, ist die Verbesserung der postprandialen Blutglukosewerte unter Insulintherapie mit einer geringeren Morbidität verbunden. Studien konnten belegen, dass eine Behandlung (Ernährung und Bewegung, je nach Glukosewerten Insulin) des GDM das Risiko für schwere kindliche Komplikationen im Vergleich zu unbehandelten Frauen signifikant reduzieren konnte [3, 4].

Es konnte klar gezeigt worden, dass Frauen nach GDM ein besonders hohes Risiko für die Entwicklung eines T2DM haben [1, 6, 70], und auch ein höheres Risiko für die Entwicklung kardiovaskulärer Erkrankungen vorliegt [79, 80]. Lebensstiländerungen im Sinne der Diabetesprävention führen zu einer deutlichen Verringerung der Diabetesmanifestationsrate [67, 68]. In der Schwangerschaft war vor allem in Risikogruppen der Erfolg der bisherigen GDM Präventionsstudien bescheiden oder nicht vorhanden [22, 81]. Präzisionsmedizin-Ansätze könnten in der Zukunft zu größeren Erfolgen beitragen [82]. Kinder von Frauen mit GDM haben ein höheres Risiko selbst übergewichtig zu werden und Stoffwechselstörungen zu entwickeln [70, 78].