Grundsatz Statement

Eine medikamentöse Hemmung der Thrombozytenaggregation reduziert kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität bei Patienten mit manifester kardiovaskulärer Erkrankung sowie mit hohem kardiovaskulärem Risiko. Ebenso jedoch erhöht diese Therapie das Risiko für Blutungskomplikationen.

Indikation zur Therapie

Als Basis der Therapieindikationen dienen die ESC/EASD Leitlinien zu Diabetes und Prädiabetes 2019 [1]. Das kardiovaskuläre Risiko von Menschen mit Diabetes wird dabei wie folgt kategorisiert:

  • Sehr hohes Risiko

    • Diabetes mit kardiovaskulärer Erkrankung

    • Diabetes mit Endorganschäden (Albuminurie, Retinopathie, Neuropathie)

    • Diabetes mit ≥ 3 weiteren Risikofaktoren (Alter (Männer > 50 Jahre, Frauen > 60 Jahre), Hypertonie, Hyperlipidämie, Rauchen, Adipositas)

    • Typ 1 Diabetes mit früher Manifestation und > 20 Jahren Krankheitsdauer.

  • Hohes Risiko

    • Diabetes ohne Endorganschäden aber einer Krankheitsdauer von ≥ 10 Jahren oder zumindest mit einem weiteren Risikofaktor.

  • Mittleres Risiko

    • Junge Patienten (Typ 1 Diabetes < 35 Jahre, Typ 2 Diabetes < 50 Jahre) mit Diabetes-Dauer < 10 Jahren ohne weiteren Risikofaktor.

Eine klare Indikation zur Thrombozyten-Aggregationshemmung besteht bei Personen mit klinisch manifester kardiovaskulärer Erkrankung. Diese Patienten sollten Acetylsalicylsäure (75–100 mg täglich), oder, bei dokumentierter Acetylsalicylsäure – Allergie Clopidogrel (75 mg täglich) erhalten.

Für Patienten mit hohem oder sehr hohem Risiko ohne kardiovaskuläre Erkrankung kann eine Thrombozytenaggregationshemmung unter Berücksichtigung der individuellen Situation sowie von Kontraindikationen erwogen werden.

Für Patienten mit mittlerem Risiko ist eine Thrombozytenaggregationshemmung nicht empfohlen.

Blutungskomplikationen

Grundsätzlich muss dem möglichen Nutzen der Therapie die Rate an Blutungskomplikationen gegenübergestellt werden. Diese liegen für den hämorrhagischen Insult bei 1/10.000 Patientenjahren und für gastrointestinale Blutungen bei 5/1000 Patientenjahren; das Blutungsrisiko unter Acetylsalicylsäure ist stark altersabhängig.

Nutzen-Risikoabwägung

Bei einem Risiko für schwere kardiovaskuläre Ereignisse von 10–20/10 Jahre entspricht die Zahl verhinderter schwerer kardiovaskulärer Ereignisse in etwa der Zahl verursachter Blutungen. Daher kann erst ab einer kardiovaskulären Ereignisrate von > 2 % eine Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse erwartet werden die größer ist als die Steigerung der Blutungskomplikationen.

Antazide Therapie

In Anlehnung an den Konsensus der Österreichischen Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie ist bei folgenden Risikogruppen unter Therapie mit Thrombozytenaggregationshemmern der Einsatz einer antaziden Therapie indiziert:

  1. 1.

    Alter > 65 Jahre

  2. 2.

    Gastrointestinale Ulkusanamnese

  3. 3.

    Begleittherapie mit NSAR, Cortison, Antikoagulanzien, anderen Thrombozytenaggregationshemmern

Evidenzlage

Eine Meta-Analyse der ATTC aus dem Jahr 2002 zeigt, dass Patienten mit Diabetes bei erhöhtem Risiko im gleichen Ausmaß von niedrig dosierter Acetylsalicylsäure profitieren wie Patienten ohne Diabetes ([2], Evidenzklasse A).

Generell legt die Literatur in der Primärprävention geschlechtsspezifische Effekte von Acetylsalicylsäure nahe. Bei Männern scheint eher der Myokardinfarkt, bei Frauen eher der Schlaganfall in seiner Häufigkeit beeinflusst zu werden ([3]; Evidenzklasse A).

Zwei Studien an Patienten mit Typ 2 Diabetes [4, 5] konnten zwar keinen signifikanten Effekt für Acetylsalicylsäure in der Primärprävention zeigen, müssen jedoch auf Grund der Studiengröße als underpowered angesehen werden.

Eine große Meta-analyse (auf Basis individueller Einzeldaten) bestätigt ältere Analysen [6] dahingehend, dass Hochrisiko-Patienten mit Diabetes in der Primärprävention im gleichen Ausmaß profitieren wie Patienten ohne Diabetes (Evidenzklasse A).

Eine rezente große Studie mit über 15.000 Teilnehmern [7] fand zwar einerseits eine signifikante Reduktion schwerer kardiovaskulärer Ereignisse durch den Einsatz von Acetylsalicylsäure, andererseits aber ein ebenso signifikant häufigeres Auftreten extrakranieller (in 1. Linie gastrointestinaler) Blutungen. Für 5 verhinderte kardiovaskuläre Ereignisse traten 4 zusätzliche Blutungen in diesem Kollektiv das überwiegend keine antazide Therapie erhielt auf.

Eine Therapie mit bis zu 600 mg Acetylsalicylsäure täglich führt nicht zu einem häufigeren Auftreten von Retina- oder Glaskörperblutungen.