Grundsatz Statement

Unabhängig vom Ausmaß der Hypercholesterinämie haben Patienten mit Diabetes gegenüber Patienten ohne Diabetes ein deutlich erhöhtes kardiovaskuläres Risiko; kardiovaskuläre Erkrankungen sind die häufigste Todesursache bei Patienten mit Diabetes.

Aufgrund der klaren Datenlage zum kardiovaskulären Risiko bei Diabetes werden Patienten mit Diabetes mellitus in den Leitlinien der ESC in die Risikokategorie „hohes“Footnote 1 oder „sehr hohes“Footnote 2 kardiovaskuläres Risiko eingeordnet. Dies gilt unabhängig vom Typ des Diabetes. Entsprechend der Studienlage betonen die Leitlinien des American College Clinical Endocrinologists ein „extrem hohes“ Risiko für Patienten mit Diabetes mellitus mit klinisch manifester kardiovaskulärer Erkrankung.

Lipidstatus

Folgende Parameter sind Bestandteil einer kompletten Lipiddiagnostik und sollten unbedingt erhoben werden:

  • Gesamtcholesterin

  • Triglyzeride

  • HDL-Cholesterin

  • LDL-Cholesterin

  • Nicht-HDL Cholesterin (sollte bei Triglyzeriden > 200 als Therapieziel verwendet werden)

  • Lp(a) sollte einmalig bestimmt werden

  • Die Bestimmung von Apo B

Indikation zur medikamentösen Therapie

Grundsätzlich qualifizieren sich auf Basis der zu erreichenden Zielwerte die meisten Patienten mit Typ 2 Diabetes und Typ 1 Diabetes für eine lipidsenkende Therapie. Unter 40jährige Patienten mit Diabetes, die keine Diabetes-Komplikationen haben, keine weiteren Risikofaktoren, und ein LDL-C < 100 mg/dl benötigen möglicherweise keine lipidsenkende Therapie.

Therapieziele

Unter medikamentöser Lipid-senkender Therapie sollen Lipidwerte wie in Tab. 1 dargestellt angestrebt werden.

Tab. 1 Lipidzielwerte bei hohem bis extremem Gefäßrisiko – Zielwerte auf Basis der ESC Leitlinie [2]

Das primäre Ziel der Therapie ist das LDL-Cholesterin (Evidenzklasse A).

Ein sekundäres Therapieziel stellt bei Triglyzeriden > 200 mg/dl das Nicht-HDL-Cholesterin dar (Evidenzklasse B).

Initiale Therapie und Kombinationstherapien

In den meisten Fällen wird ein Statin zur initialen Therapie herangezogen werden. Die initiale Auswahl ist jedenfalls aber vom Lipidstatus abhängig.

Wenn nach Einleitung einer Statintherapie der TG-Wert nicht unter 200 mg/dl sinkt, kann die zusätzliche Gabe eines Fibrates erwogen werden.

Eine Fibrattherapie sollte bei extrem hohen TG-Werten (900 mg/dl) in Erwägung gezogen werden.

Als Startdosis sollte bei Statinen mit evidenzbasierten Dosierungen (äquivalent zu zumindest 20 mg Atorvastatin oder 10 mg Rosuvastatin) begonnen werden. Eine Statintherapie sollte nach o. a. Zielwerten bzw. bis zur höchsten tolerierten Dosis gesteigert werden (Evidenzklasse A).

Möglichkeiten der sequentiellen Erweiterung einer Statintherapie sind bei nicht Erreichen des Therapiezieles und/oder Statinunverträglichkeit:

Ezetimibe: (LDL‑C ca. 15 % gesenkt) und PCSK9-Inhibitoren in maximaler Dosis (LDL-C > 50 % reduziert; Alirocumab 150 mg oder Evolocumab 140 mg jede zweite Woche s.c.). Zusätzlich stehen als neue Therapieoptionen Inclisiran 284 mg (alle 6 Monate, LDL‑C ca 50 % reduziert) und Bempedoinsäure 180 mg (LDL‑C ca 20 % reduziert) zur Verfügung, wobei für Inclisiran noch keine kardiovaskulären Endpunktdaten vorliegen.

Adjuvante Therapie mit Icosapentaensäureethylester

Icosapentaensäureethylester ist ein stabiler Ethylester der Eicosapentaensäure (EPA), die zur Klasse der Omega-3-Fettsäuren zählt. In der untersuchten Dosierung konnte – als add-on zu einer vorbestehenden Therapie mit Statinen konnte bei Patienten mit Triglyceriden zwischen 135 und 499 mg/dl mit und ohne Diabetes eine signifikante Reduktion kardiovaskulärer Endpunkte beobachtet werden.

Monitoring und Sicherheitslabor

Der Effekt einer eingeleiteten Therapie sollte nach 4–6 Wochen reevaluiert werden und als Basis einer etwaigen Therapieanpassung dienen. Bei stabiler Therapie sind Kontrollen alle 12 Monate anzustreben.

Laborchemische Nebenwirkungen (Muskel und Leber) sind bei Statin-Therapie sehr selten. CK, GOT, GPT, sollten vor Beginn einer Statintherapie gemessen werden. Eine Routinekontrolle der CK im Follow-up wird bei asymptomatischen Patienten nicht empfohlen.

Auf die Möglichkeit einer (extrem seltenen) symptomatischen Myopathie muss der Patient hingewiesen werden.

Evidenzlage

Basis der Therapieempfehlungen sind die Leitlinien der ESC [1, 2], des AACE/ACE [3] sowie mehrere Metaanalysen der verfügbaren Statinstudien [4,5,6], wobei eine davon sich spezifisch auf Patienten mit Diabetes mellitus bezieht [5].

Diese Metaanalysen belegen auch den klaren Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der LDL Senkung und der Reduktion des vaskulären Risikos.

Die Evidenz zur Kombination von Ezetimibe mit einem Statin stammt aus der IMPROVE-IT Studie [7]. In dieser konnte bei Patienten nach einem akuten Koronarsyndrom durch die Kombination im Vergleich zu einer Monotherapie mit Statinen eine signifikante weitere Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse beobachtet werden.

Die Evidenz zu PCSK9-Hemmern auf Basis einer Statintherapie stammt aus der FOURIER Studie (Evolocumab) [8] und deren Subanalysen, in denen sich Patienten mit Diabetes mellitus nicht von denen ohne Diabetes in ihren klinischen Vorteilen durch die Behandlung unterschieden. Ergänzend dazu gibt es Evidenz aus der ODYSSEY OUTCOMES Studie (Alirocumab) [9], in der ebenfalls 29 % der Population zu Studienbeginn an Diabetes erkrankt waren.

Die Evidenz zur Therapie mit Fibraten stammt aus der VAHIT Studie, in der eine Subgruppe von 627 Menschen mit Diabetes untersucht wurde [10], sowie aus (post-hoc) Analysen der FIELDS Studie [11] und der ACCORD Studie [12]. In den beiden letzteren wurde Fenofibrat meist „on top“ der Statintherapie eingesetzt. Für Bempedoinsäure liegt nun eine positive Outcomes Studie mit Reduktion des primären Endpunktes (MACE) vor (Clear Outcomes).

Die Evidenz zu Icosapentaensäureethylester stammt aus der REDUCE-IT Studie an mit Statinen vorbehandelten Patienten, mit und ohne Diabetes, welche einen Triglyceridspiegel von 135–499 mg/dl aufwiesen [13].

Für die Kombination verschiedener Lipidsenker gibt es mit Ausnahme der oben angeführten Studien zurzeit ausschließlich die pathophysiologischen Grundlagen und epidemiologischen Daten als Evidenz.