Diabetesformen im Rahmen anderer endokriner Erkrankungen

Endokrinologische Erkrankungen, die mit Glukosestoffwechselstörungen einhergehen, und deren diagnostische Tests sind in Tab. 1 dargestellt.

Tab. 1 Endokrinologische Erkrankungen mit erhöhtem Risiko für das Auftreten einer Glukosetoleranzstörung sowie empfohlene Screeninguntersuchungen bzw. diagnostische Tests. (Adaptiert nach [35])

Cushing-Syndrom

In der überwiegenden Mehrzahl ist ein Cushing-Syndrom auf eine vermehrte ACTH-Produktion zurückzuführen. Diese wiederum tritt am häufigsten bei ACTH-sezernierenden Hypophysenadenomen auf, seltener sind ektope ACTH-Quellen bei meist malignen Tumoren (z. B. Bronchialkarzinom, Thymuskarzinoid). Die häufigste Ursache für ACTH-unabhängige Cushing Syndrome sind Nebennierenadenome, seltener Nebennierenkarzinome oder mikro- oder makronoduläre adrenale Hyperplasien [1]. Die klinischen Symptome ähneln teils den diagnostischen Kriterien eines metabolischen Syndroms. Neben einer Gewichtszunahme, einer gestörten Glukosetoleranz bis zum Auftreten eines Diabetes mellitus und einer arteriellen Hypertonie finden sich häufig osteoporotische Wirbelkörperfrakturen, ein Hypogonadismus und Hautveränderungen, insbesondere rote Striae (Striae rubrae), eine Myopathie und auch psychiatrische Auffälligkeiten [1]. Die Therapie erfolgt sofern möglich chirurgisch, je nach Ätiologie finden ansonsten Dopamin-Agonisten oder das Somatostatinanalogon Pasireotid (Hypophysenadenome) oder adrenostatisch bzw. adrenolytisch wirkende Medikamente (ektope oder adrenale Formen) bzw. strahlentherapeutische Verfahren Anwendung (hypophysäre Formen) [2]. Bezüglich therapeutischer Überlegungen s. medikamentös-induzierte Diabetesformen.

Akromegalie

Zum ganz überwiegenden Teil ist eine überschießende Sekretion von Wachstumshormon bei Hypophysenadenomen Ursache einer Akromegalie, nur sehr selten ist eine ektope GHRH-Sekretion für eine Akromegalie verantwortlich. Neben unspezifischen Symptomen wie Cephalea, Hyperhidrosis, Schlafapnoe, Hypertonie und Arthralgien sind akrales Wachstum und Makroglossie charakteristische Symptome einer Akromegalie. Begleitet werden diese von metabolischen Komplikationen in Form einer Glukosetoleranzstörung bzw. eines manifesten Diabetes mellitus sowie einer Dyslipidämie [3]. Die Serum IGF-1 Konzentration wird zum Screening herangezogen, wobei ein präexistenter Diabetes mellitus ebenso wie katabole Zustandsbilder oder eine eingeschränkte Leberfunktion zu falsch negativen Ergebnissen führen können. Bestätigt wird das Vorliegen einer Akromegalie mittels eines 75 g oralen Glukosetoleranztests (OGTT) (GH Nadir <1,0 ug/l bzw. <0,4 ug/l). Bei unklaren diagnostischen Konstellationen kann bei Patienten mit diabetischer Stoffwechsellage ein dynamischer Test mit Galanin oder Thyreotropin-Releasing-Hormone erwogen werden [4].

Therapeutisch ist eine chirurgische Sanierung anzustreben, sollte diese nicht möglich bzw. nicht erfolgreich sein, kommen bei milden Formen Dopaminagonisten, üblicherweise jedoch Somatostatinanaloga oder der GH-Rezeptor-Antagonist Pegvisomant zum Einsatz, ggf. auch strahlentherapeutische Verfahren.

Pathophysiologisch führt eine kontinuierliche exzessive Erhöhung der GH-Konzentration zu einer Störung im Insulinsignaltransduktionsweg klinisch einer Insulinresistenz entsprechend. Die Therapie eines Akromegalie-assoziierten Diabetes unterscheidet sich prinzipiell nicht von der eines Diabetes mellitus Typ 2.

Andere mit DM-assoziierte Endokrinopathien

Ein primärer Hyperaldosteronismus, ebenso wie ein Phäochromozytom, eine manifeste Hyperthyreose oder die seltenen neuroendokrinen Neoplasien Glukagonom und Somatostatinom können mit Störungen des Glukosestoffwechsels einhergehen (Tab. 1).

Medikamentös-induzierte Diabetesformen

Zahlreiche Medikamente führen in unterschiedlicher Ausprägung zu einer Beeinträchtigung des Glukosestoffwechsels, wichtige Vertreter sind in Tab. 2 zusammengefasst.

Tab. 2 Medikamente, für die in unterschiedlicher Ausprägung eine Beeinträchtigung des Glukosestoffwechsels beschrieben wurde [13,14,15, 35, 96,97,98,99,100,101,102]

Neben Glukokortikoiden sind insbesondere verschiedene typische, aber auch atypische Antipsychotika – unter anderem bedingt durch eine gesteigerte Nahrungszufuhr und entsprechender Gewichtszunahme – mit einem erhöhten Diabetesrisiko verbunden (siehe Kapitel Abrahamian et al., Psychische Erkrankungen und Diabetes mellitus) [5].

Jegliche systemische Glukokortikoidtherapie ist mit einer erhöhten Diabetesinzidenz verbunden. Das Risiko für das Auftreten einer Hyperglykämie ist vor allem bei >65-jährigen Patienten, zugrundeliegender Glukosestoffwechselstörung, reduzierter Nierenfunktion und rheumatologischen bzw. nephrologischen Patienten in Abhängigkeit von der Glukokortikoiddosis und Therapiedauer signifikant erhöht [6, 7]. Charakterisiert ist ein Glukokortikoid-induzierter Diabetes bei morgendlicher Glukokortikoidgabe durch eine meist normale Nüchternglukosekonzentration und eine ausgeprägte Hyperglykämie untertags. Infolgedessen sind postprandiale Glukosemessungen zum Screening und zur Monitorisierung besser geeignet als alleinige Nüchternglukosemessungen [8]. Der HbA1c Wert eignet sich nur bei längerfristiger chronischer Glukokortikoidtherapie zur Therapieüberwachung.

Die diabetogene Stoffwechsellage ist bei Hyperkortisolismus neben einer meist ausgeprägten Gewichtszunahme auch auf eine hepatische und periphere Insulinresistenz sowie eine verminderte Insulinsekretion zurückzuführen [9]. Die Behandlung unterscheidet sich nicht von der eines Diabetes mellitus Typ 2. Sie richtet sich nach Pharmakokinetik des verwendeten Glukokortikoidpräparates und dem daraus resultierenden Blutzuckertagesprofil sowie den Komorbiditäten des Patienten. Als Ziel, insbesondere im stationären Bereich, gilt es, einen Blutzucker von <180 mg/dl zu erreichen.

Eine besondere Diabetesform stellt der sogenannte Posttransplantationsdiabetes (NODAT: new onset of diabetes after transplantation) dar. Die Prävalenz wird abhängig von dem transplantierten Organ langfristig mit bis zu 40 % angegeben [10, 11]. Neben Glukokortikoiden weisen vor allem Calcineurin Inhibitoren (insbesondere Tacrolimus) ein diabetogenes Potential auf. Die Behandlung des NODAT unterscheidet sich zwar grundsätzlich nicht von der eines Diabetes mellitus Typ 2, die Therapieoptionen sind jedoch häufig aufgrund der Komorbiditäten eingeschränkt.

HAART, insbesondere Proteaseinhibitoren und Nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NRTIs), kann gemeinsam mit der Inflammation einer chronischen HIV-Infektion diabetogen wirken. So zeigte eine rezente Arbeit an 522 österreichischen Patienten mit chronischer HIV-Infektion, dass 50 % der im Schnitt 42-jährigen Teilnehmer insulinresistent waren [12]. Die Wahl metabolisch neutraler antiretroviraler Medikation, regelmäßige Kontrollen metabolischer Parameter und ggf. frühzeitige Therapie scheinen ratsam.

Antikörper wie Pembrolizumab, Nivolumab und Ipilimumab, eingesetzt in der Tumortherapie, können zu einer β‑Zell-Zerstörung in Form eines Autoimmundiabetes führen [13,14,15].

In der Gruppe der Antihypertensiva weisen vor allem Thiaziddiuretika und nicht-vasodilatierend wirkende Betablocker ein mildes diabetogenes Potential auf [16]. Eine Statintherapie ist vor allem bei Hochrisikopatienten mit einer erhöhten Diabetesinzidenz verbunden, wobei der kardiovaskuläre Benefit dem metabolischen Risiko um ein Vielfaches überlegen ist [17].

Genetische Diabetesformen

Unter genetischen Formen wird ein heterogenes Krankheitsbild zusammengefasst. Am häufigsten handelt es sich um erblich bedingte Diabetesformen, zurückzuführen auf eine β‑Zell-Dysfunktion (MODY) oder aber eine Glukosestoffwechselstörung im Rahmen von anderen genetischen Erkrankungen. Selten sind genetische Störungen der Insulinwirkung (Tab. 3).

Tab. 3 Übersicht über genetische Diabetesformen. (Adaptiert von [35])

MODY

Beim Maturity Onset Diabetes of the Young (MODY) handelt es sich um eine monogenetische Diabetesform mit unterschiedlicher Ausprägung einer Betazelldysfunktion, aber erhaltener Insulinsensitivität, die bis zu 2 % aller Menschen mit Diabetes betrifft. Der genetische Defekt ist heterogen und beeinflusst die Therapienotwendigkeit und -form. MODY Formen werden autosomal dominant vererbt, am häufigsten sind in unseren Breiten Mutationen der Transkriptionsfaktoren HNF1α und HNF4α und des Glucokinasegens (GCK), die zusammen mehr als 80 % aller MODY Fälle ausmachen. Ein Screening sollte bei Patienten unter 25 Jahren mit positiver Familienanamnese und negativem Autoantikörperstatus erfolgen [18,19,20,21]. Aufgrund der therapeutischen und prognostischen Relevanz sollte die Diagnose mittels genetischer Analyse gesichert werden. Die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer monogenetischen Diabetesform kann online ermittelt werden: https://www.diabetesgenes.org/mody-probability-calculator/.

Glucokinase (MODY 2)

Die bei uns zweithäufigste MODY-Form erklärt sich durch eine erhöhte Glukoseschwelle für die Insulinsekretion infolge einer Mutation im Glucokinase-Gen. Folge ist eine über viele Jahre asymptomatische, meist mild bis moderate Erhöhung des Nüchternblutzuckers. Charakteristisch ist neben der erhöhten Fastenglukose ein nur milder Blutzuckeranstieg im oralen Glukosetoleranztest [22]. Entsprechend ist der HbA1c Wert meist über Jahre stabil und nur leicht bis max. 8 % (64 mmol/mol) erhöht [23]. Die Patienten sind überwiegend asymptomatisch und fallen durchwegs im Rahmen von Screening Untersuchungen auf [24]. Eine medikamentöse Therapie ist – sofern keine Schwangerschaft vorliegt – meist nicht notwendig [25], da das Risiko für mikro- und makrovaskuläre Folgeerkrankungen in Beobachtungsstudien nicht erhöht scheint [23, 26]. Einen besonderen Stellenwert hat die genetische Diagnosesicherung einer Glucokinase-Mutation in der Schwangerschaft: Weist der Fetus einer Glukokinase-Mutationsträgerin selbst keine Mutation auf, besteht aufgrund der als Folge der maternalen Hyperglykämie vermehrten Insulinsekretion ein erhöhtes Risiko für eine Makrosomie. Im Gegensatz dazu weisen Kinder von Vätern mit einer Glukokinase-Mutation bei negativem Carrierstatus der Mutter ein vermindertes Geburtsgewicht auf [27, 28].

HNF1 α (MODY 3)

Die häufigste MODY Form manifestiert sich in Abhängigkeit von der Lokalisation der Mutation zum Großteil vor dem 25. Lebensjahr [24]. Zugrunde liegt eine Betazell-Dysfunktion, die konsekutiv zu Betazellversagen und einer Hyperglykämie führt. Laborchemische Besonderheiten bei dieser Diabetesform sind eine verminderte Glukose-Nierenschwelle, einhergehend mit Glukosurie auch bei noch nicht erkrankten Mutationsträgern und ein sehr niedriges high sensitive (hs) CRP sowie deutlich erhöhte postprandiale Werte im oralen Glukosetoleranztest [21, 29]. Charakteristisch ist ein sehr sensitives Ansprechen dieser Patienten auf eine Sulfonylharnstofftherapie [30].

HNF4 α (MODY 1)

Die pathophysiologische und klinische Präsentation dieser selteneren MODY Form (4 % aller monogenetischen Diabetesformen) ist einem HNF1 α Mutationen bedingten Diabetes ähnlich. Die Manifestation erfolgt durch β‑Zell-Defizienz meist vor dem 25. Lebensjahr, auch diese Betroffenen sprechen meist sehr gut auf eine Sulfonylharnstofftherapie an [24, 31]. Charakteristischerweise ist das Geburtsgewicht von Mutationsträgern hoch [32].

HNF1β (MODY 5)

Neben einer progredienten Betazelldysfunktion ist eine HNF1β-Mutation durch Malformationen im Urogenitaltrakt (z. B. Nierendysplasie, Nierenzysten, hypoplastische glomerulozystische Nierenerkrankung) und ein atrophes Pankreas gekennzeichnet, zudem besteht häufig ein niedriges Geburtsgewicht [33]. Spontanmutationen sind bei dieser monogenetischen Diabetesform häufig [24]. Meist ist eine Insulintherapie erforderlich [34].

Andere seltene MODY Formen

Die seltene IPF-1 Mutation (MODY 4) geht mit Pankreasagenesie und neonatalem Diabetes einher und erfordert entsprechend eine Insulintherapie [34]. Weitere MODY Mutationen wurden unter anderem im Carboxylester-Lipase-Gen (MODY 7) oder NeuroD1-Gen (MODY 6) beschrieben [35, 36].

Mitochondriale Diabetesformen

Mitochondriale Diabetesformen sind – sofern es sich um keine Spontanmutation handelt – maternal vererbt und häufig mit neuromuskulären Symptomen sowie Hörstörungen verbunden, wobei letztere häufig der Diabetesmanifestation vorausgehen. Laut DPV-Register machen diese Formen weniger als 1 % aller Diabetesfälle im Erwachsenenalter aus [37]. Den beiden Syndromen „maternally inherited diabetes and deafness“ (MIDD) und „mitochondrial encephalomyopathy with lactic acidosis and stroke-like episodes“ (MELAS) liegt die gleiche Genmutation zugrunde [38], vermutlich aufgrund der verschieden ausgeprägten Heteroplasmie kommt es jedoch zu unterschiedlicher Symptomatik [39]. Das DIDMOAD- oder Wolfram-Syndrom ist charakterisiert durch das Auftreten eines Diabetes insipidus, eines Diabetes mellitus, einer Optikusatrophie und Taubheit. Eine spezifische Therapie der mitochondrialen Diabetesformen existiert nicht, beim MELAS Syndrom werden L‑Arginin und auch Carnitin bzw. Coenzym Q10 zur Therapie der neurologischen Symptomatik versuchsweise eingesetzt [40].

Neonataler Diabetes

Neonataler Diabetes ist definiert als Diabetesmanifestation vor dem 6. Lebensmonat, wobei transiente von permanenten Verläufen unterschieden werden. Ein Diabetes-Relaps bei transienten Verlaufsformen wird in bis zu 50 % der Fälle beschrieben [41]. In Österreich beläuft sich die Inzidenz auf 1/230.000 für transiente und 1/530.000 für permanente neonatale Diabetesformen [42]. Die Ursache ist meist monogenetisch, wobei 6q24 Abnormitäten (uniparentale Disomie, Duplikation, Methylierungsdefekte), Mutationen an Untereinheiten des ATP abhängigen Kalium-Kanals (ABCC8, KCNJ11) sowie Mutationen am Proinsulin codierenden INS-Gen, Glukokinase-Gen GCK, HNF1β ursächlich beschrieben wurden [43]. Neonataler Diabetes kann auch im Rahmen syndromaler Erkrankungen auftreten, wobei IPEX-Syndrom (FOXP3), Wolcott-Rallison-Syndrom (EIF2AK3), Pankreasagenesie (PDX1, PTF1A) ca. 10 % der neonatalen Diabetesfälle erklären. Die genetische Abklärung ist aufgrund therapeutischer Konsequenzen wichtig. Die initiale Behandlung mit Insulin unter Vermeidung von Hypoglykämien ist immer indiziert, wobei die Verwendung einer Insulinpumpe zur Applikation der geringen Insulinmengen bevorzugt Einsatz finden sollte. Eine sensorunterstütze Pumpentherapie ist bei ausreichend subkutanem Fettgewebe ab einem Körpergewicht von ca. 3 kg möglich. Eine orale Behandlung mit Sulfonylharnstoffen ist indiziert, wenn Mutationen an den Untereinheiten SUR1 und Kir6.2 des ATP abhängigen Kaliumkanals als Ursache für den vorliegenden neonatalen Diabetes genetisch bestätigt wurden [44].

Pankreopriver Diabetes

Generell kann jede Erkrankung, die zu einer diffusen Zerstörung des Pankreasgewebes führt, mit einem pankreopriven Diabetes einhergehen. In westlichen Ländern sind pankreoprive Ursachen für etwa 5–10 % aller Diabeteserkrankungen verantwortlich [45]. Ätiologisch kommen dafür traumatische oder infektiöse Ursachen ebenso wie Pankreasoperationen, Pankreasagenesie, Pankreaskarzinome oder Pankreatitiden in Frage. Letztere sind für etwa ¾ aller pankreopriven Diabetesformen verantwortlich [46]. Pankreaskarzinome stellen insofern eine Ausnahme dar, als sie auch bei lokalisiertem Vorliegen ohne diffuse Zerstörung des Pankreasgewebes zu einer diabetogenen Stoffwechsellage führen können, der Grund dafür ist bisher nicht klar [47]. Hereditäre Stoffwechselerkrankungen wie Zystische Fibrose und Hämochromatose können ebenso zu pankreoprivem Diabetes führen. Auch die seltene und primär in asiatischen Ländern vorkommende fibrokalkulöse Pankreatopathie (FCPP) kann sekundär einen Diabetes mellitus bedingen [35, 36].

Bei postoperativen Patienten ist das Risiko für die Entwicklung eines pankreopriven Diabetes abhängig von der Art der Operation. Naturgemäß beträgt das Risiko 100 % bei total pankreatektomierten Patienten, bei Patienten mit Whipple Operation (partielle Pankreatikoduodenektomie) wird das Risiko in älteren Studien mit 26 % beziffert, wobei ein beträchtlicher Teil der damals untersuchten Patienten schon präoperativ an einem Diabetes erkrankt war [48].

Diagnostische Kriterien eines pankreopriven Diabetes umfassen eine Betazelldysfunktion, das Fehlen von Autoimmunantikörper und das Vorliegen einer Erkrankung des exokrinen Pankreas (Diagnostik s. unten) [49]. Die betroffenen Patienten weisen typischerweise eine hohe Insulinsensitivität auf, vorausgesetzt, dass dem pankreoprivem Diabetes kein Diabetes mellitus Typ 2 oder Prädiabetes mit Insulinresistenz vorausgegangen ist.

Eine zufriedenstellende glykämische Kontrolle ohne Auftreten von klinisch signifikanten Hypoglykämien kann sich bei pankreoprivem Diabetes als schwierig herausstellen. Ursache dafür sind das Fehlen der gegenregulatorisch wirkenden Hormone Somatostatin und Glukagon ebenso wie eine durch die Grundkrankheit bedingte Malabsorption. Hinzu können schlechte Compliance und Lifestyle-Problematik bei Patienten mit alkoholischer Pankreatitis kommen [49].

Die systemische Insulinsensitivität ist bei pankreoprivem Diabetes typischerweise normal oder sogar erhöht, die hepatische Insulinsensitivität kann auch vermindert sein. Zur Therapie des pankreopriven Diabetes liegen keine spezifischen internationalen Richtlinien vor. Eine Metformintherapie kann bei gleichzeitig bestehender Insulinresistenz zu einer Verbesserung der Glykämie führen, allerdings wird Metformin aufgrund der gastrointestinalen Nebenwirkungen von diesem Patientenkollektiv meist schlecht toleriert. Bei hoher Insulinsensitivität ist der Effekt auf die Glykämie zudem als begrenzt anzunehmen, allerdings belegen Studien ein deutlich vermindertes Pankreaskarzinomrisiko unter Metformintherapie [50]. Inkretin-basierte Therapien sollten aufgrund eines potentiell erhöhten Pankreatitisrisikos bis zur endgültigen Klärung der Sicherheit der Wirkstoffe primär nicht zur Therapie eines pankreopriven Diabetes herangezogen werden. Sulfonylharnstoffe oder Glinide sind grundsätzlich geeignet, die Insulinsekretion bei vorhandener Betazellrestfunktion zu steigern, der Einsatz von Sulfonylharnstoffen ist allerdings aufgrund des besonderen Hypoglykämierisikos dieser Patienten streng zu monitieren. SGLT-2-Hemmer sind aufgrund des vorliegenden absoluten Insulinmangels und des damit verbunden erhöhten Risikos einer euglykämischen Ketoazidose nicht zu empfehlen. Therapie der Wahl ist daher bei einem Großteil der betroffenen Patienten Insulin, optimalerweise in Form eines Basis-Bolus-Regimes.

Diabetes bei zystischer Fibrose (CFRD)

Diabetes mellitus bei zystischer Fibrose (engl. cystic fibrosis related diabetes, CFRD) stellt die häufigste extra-pulmonale Komplikation bei Patienten mit zystischer Fibrose dar. Die Prävalenz steigt mit zunehmendem Patientenalter und liegt bei Erwachsenen 40–50 % [51], bei Patienten nach Organtransplantation (Lungen- oder Lebertransplantation) vermutlich noch höher.

Pathophysiologisch steht vor allem die verminderte Insulinsekretion durch die krankheitsspezifische Pankreasfibrose im Vordergrund. Einige Autoren beschreiben zudem eine variable Insulinresistenz durch rezidivierende Infekte und wiederholte Glukokortikoidtherapie im Rahmen von Infektexazerbationen [52, 53]. Der CFRD ist assoziiert mit einer Verschlechterung der Lungenfunktion, des Ernährungsstatus sowie letztendlich des Überlebens [54, 55].

Als Screening-Methode wird die Durchführung eines oralen Glukosetoleranztests jährlich ab dem 10. Lebensjahr unter stabilen klinischen Bedingungen empfohlen [56]. Zusätzlich wird ein Screening in bestimmten klinischen Situationen empfohlen: während eines stationären Aufenthalts aufgrund einer Infektexazerbation (Erstellung eines Glukoseprofils mit Nüchtern- und postprandialen Werten), bei enteraler Ernährung sowie bei Frauen mit Kinderwunsch vor der geplanten Schwangerschaft, zwischen der 11. und 13. sowie zwischen der 24. und 28. Schwangerschaftswoche, und 6–12 Wochen nach der Entbindung.

Als Grenzwerte für die Diagnose eines CFRD gelten die allgemeinen Grenzwerte zur Diabetes-Diagnose. Zudem wurde wiederholt ein erhöhter 1–Stunden postprandialer Wert >200 mg/dl mit einer klinischen Verschlechterung in Zusammenhang gebracht, weswegen bei Patienten mit dieser Form der Glukoseintoleranz (indeterminate glucose tolerance (INDET)) in Situationen klinischer Verschlechterung eine vorübergehende Insulintherapie in Erwägung gezogen werden sollte.

HbA1C und Nüchternglukose sind wiederholt als nicht geeignet für die Diagnose des CFRD beschrieben worden [53]. Der Einsatz der kontinuierlichen Glukosemessung (CGMS) wurde in einigen Studien empfohlen, ist aber als generelle Screening-Methode noch nicht etabliert. Sie sollte jedoch bei Patienten mit klinischer Verschlechterung und Hinweis auf CFRD, jedoch normalem OGTT, eingesetzt werden.

Die Therapie der Wahl ist jegliche Insulintherapie, wobei sämtliche Therapieformen in Frage kommen: Der Insulinbedarf ist meist niedriger als bei Patienten mit Typ 1 Diabetes und wird mit 0,38 IE/kg/Tag bei Jugendlichen, 0,46 IE/kg/Tag bei Erwachsenen und 0,58 IE/kg/Tag bei Patienten nach Organtransplantation angegeben [57]. Studien mit oralen Antidiabetika, insbesondere Sulfonylharnstoffen, konnten nur einen vorübergehenden Effekt zeigen und werden derzeit nicht empfohlen. Hinsichtlich diätischer Empfehlungen unterscheidet sich der CFRD wesentlich von anderen Diabetesformen, da sowohl von einer Kalorien‑, Kohlenhydrat-, und Protein-reduzierten Diät abgeraten und eine Protein- und Salz-reiche Ernährung sogar empfohlen wird [56]. Lediglich „Softdrinks“ sollen in der Ernährung weggelassen werden, da sie zu teils schwer beherrschbaren Blutzuckeranstiegen führen [58].

Die Verlaufskontrolle unterscheidet sich wesentlich von anderen Diabetesformen. Als primärer Parameter gilt der Gewichtsverlauf. Jeder ungewollte Gewichtsverlust bei Patienten mit CFRD soll Anlass für eine Therapiekontrolle geben. Ergänzend kann das HbA1C herangezogen werden, wobei ein HbA1C im Normbereich, also <6 %, zumindest <6,5 %, angestrebt werden sollte.

Neben den bereits beschriebenen Komplikationen des CFRD (Gewichtsverlust, Verschlechterung des Ernährungszustandes und der Lungenfunktion) spielen von den klassischen diabetischen Spätkomplikationen vor allem mikroangio- und neuropathische Komplikationen eine Rolle, die aufgrund der in den letzten Jahrzehnten deutlich gesteigerten Lebenserwartung bei CF zunehmen werden. Deshalb wird ein jährliches Screening beginnend 5 Jahre nach Diabetes-Manifestation empfohlen. Akutkomplikationen wie Hypoglykämien und diabetische Ketoazidose werden beim CFRD relativ selten beobachtet, letztere kommt aufgrund des meist nur relativen Insulinmangels so gut wie nie vor.

Andere Diabetesformen

Diese seltenen Erkrankungen umfassen infektiöse Formen (kongenitale Röteln) oder auch das Stiffman-Syndrom (auch Stiff-Person-Syndrom genannt). Beim letzteren handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung mit neurologischer Symptomatik, die spontan oder paraneoplastisch auftreten kann.

Exokrine Pankreasinsuffizienz (EPI)

Prävalenz und Pathogenese

In der Literatur werden EPI-Prävalenzen zwischen 10 und 56 % bei Patienten mit Typ 1 Diabetes angegeben [59,60,61,62,63]. Eine schwere EPI, die sich definiert durch eine Elastase-1-Konzentration im Stuhl <100 µg/g, wurde dabei bei 10–30 % der Patienten festgestellt. Eine EPI ist bei jedem dritten Patienten mit Typ 2 Diabetes beschrieben, wobei mehr als die Hälfte eine schwere Form aufweist [59, 60, 63,64,65]. Ursächlich findet sich bei DM1 eine verminderte Dichte an parasympathischen Axonen im exokrinen Pankreas [66], zudem kommt es im Rahmen der Entzündung auch zu einer Störung der Betazellregeneration, was aufgrund des gemeinsamen Ursprungs von exokrinen und endokrinen pankreatischen Vorläuferzellen ebenso zur exokrinen Insuffizienz beiträgt [67,68,69].

Die chronische Pankreatitis ist die häufigste Ursache der EPI bei Erwachsenen [70, 71]. EPI ist ein unabhängiger Risikofaktor für Mortalität bei chronischer Pankreatitis [72]. Etwa 85 % der Neugeborenen mit cystischer Fibrose (CF) sind pankreatisch insuffizient (PI) [73]. Neben Pankreasresektionen [74] können auch Magen- oder Dünndarmresektionen durch den Verlust der Sekretin- und Cholecystokinin Synthese bzw. rascher Magenentleerung mit EPI assoziiert sein, woran auch bei Patienten nach bariatrischer Chirurgie gedacht werden sollte [75]. Eine altersbedingte Pankreasatrophie (5 % ab >70 Jahren, 10 % >80 Jahren) kann ebenfalls mit EPI einhergehen [76].

Klinische Manifestationen bei EPI

Patienten mit milder EPI können asymptomatisch sein oder über leichtes abdominelles Unbehagen und Blähungen mit normalem Stuhlgang berichten. Bei schwerer EPI kann es infolge von Fett- und Protein-Maldigestion zu Gewichtsverlust kommen. Eine offenkundige Steatorrhoe tritt erst bei Verlust von ca. 90 % der glandulären Funktion auf und geht mit übelriechenden, fettigen Stühlen mit reduzierter Konsistenz, die sich schwer wegspülen lassen, einher. Weitere Symptome sind Blähungen, abdominelle Krämpfe, Flatulenz. Obwohl klinisch symptomatische Vitaminmangelzustände mit metabolischer Knochenerkrankung oder gestörter Nachtsicht selten sind, sollte ein Mangel an fettlöslichen Vitaminen (ADEK) ausgeschlossen werden [71, 77,78,79]. Seltener liegt ein Vitamin B12 Mangel vor (reduzierter intestinaler pH).

Screening und Diagnostik der exokrinen Pankreasinsuffizienz

Wegweisend ist hierzu die Anamnese. EPI sollte bei Patienten mit chronischer Diarrhoe/Steatorrhoe und chronischen Abdominalschmerzen, aber auch bei Patienten mit milderen Symptomen wie Blähungen und typischer Bildgebung für chronische Pankreatitis (z. B. Kalzifikationen und/oder Pankreasgangdilatationen und/oder Pseudozysten im Ultraschall, CT oder MRT) oder Pankreasatrophie suspiziert werden.

Bei entsprechender Symptomatik folgt zur weiteren Diagnostik meist ein indirekter (einfach, günstig) oder direkter Pankreas-Funktionstest (Stimulation des Pankreas durch hormonelle Sekretagoga mit nachfolgender Entnahme und Analyse von Duodenalflüssigkeit, z. B. Sekretin Test: aufwendig, invasiv, schlechte Patiententoleranz). Die Bestimmung der Elastase-1-Konzentration im Stuhl mittels Immunassay (indirekter Test) gilt als Standardtest mit einer Sensitivität von etwa 65 % bei milder und bis zu 100 % bei schwerer Form [80]. Eine fäkale Elastase-1 <200 µg/g gilt als pathologisch, eine fäkale Elastase-1 <100 µg/g gilt als schwere EPI.

Aufgrund der relativ hohen Prävalenz der EPI ist bei gastrointestinaler Beschwerdesymptomatik ein Screening bei Patienten mit Diabetes sinnvoll [81,82,83,84,85].

Die differentialdiagnostisch in Erwägung zu ziehenden Erkrankungen ergeben sich aus der genannten Symptomatik der EPI und umfassen insbesondere die zahlreichen anderen Ursachen einer chronischen Diarrhoe. Speziell sind eine autonome Neuropathie des Magen-Darm-Traktes sowie gastrointestinale Nebenwirkungen oraler Antidiabetika (Metformin, Acarbose, Inkretinanaloga) zu erwägen. Auch Zuckeraustauschstoffe, wie die häufig verwendete Fruktose oder Sorbit, können bei Unverträglichkeit vergleichbare Symptome verursachen. Differentialdiagnostisch kommt auch eine häufig bei Diabetikern vorliegende bakterielle Fehlbesiedlung im Dünndarm in Betracht [86].

Speziell bei Typ I Diabetikern sollte an eine Zöliakie gedacht und diese mittels serologischer Diagnostik [endomysiale Antikörper (EMA), Antikörper gegen Gewebstransglutaminase (tTG) oder deamidiertes Gliadin Peptid (DGP)] ausgeschlossen werden. Ein normales Stuhl Calprotectin ist bei der Unterscheidung zwischen organischen/entzündlichen (z. B. M. Crohn, Colitis ulcerosa) und funktionellen gastrointestinalen Erkrankungen (z. B. Reizdarm, funktionelle Dyspepsie) hilfreich. Zusätzlich ist der Ausschluss eines Pankreaskarzinoms (mittels CT/MRT und/oder Endosonographie) wichtig, welches bei Diabetes im Vergleich zur nicht diabetischen Bevölkerung häufiger auftritt [87,88,89].

Therapie

Die Therapie der EPI besteht in einer dem Ausmaß der EPI sowie der Ernährung angepassten, ausreichenden Substitution von Pankreasenzymen. Bei schwerer Pankreasinsuffizienz sind pro Gramm Fett 2000 bis 4000 Einheiten Lipase nötig. Die Dosisfindung richtet sich nach den klinischen Beschwerden des Patienten mit dem Ziel der Beschwerdefreiheit. Eine Ernährungsberatung zum möglichst guten Einschätzen der Fettmenge in der Nahrung und zur Vorbeugung von Mangelzuständen sollte zusätzlich erfolgen. Die Evidenz für die Behandlung der Malabsorption durch mangelnde Pankreasenzymsekretion ist sehr gut [78, 79, 82, 89,90,91,92,93,94]. Fettlösliche Vitamine sollten zusammen mit Pankreasenzymen eingenommen werden. Von Nikotinkonsum sollte unbedingt abgeraten werden, da Rauchen einen unabhängigen Risikofaktor für EPI sogar bei Patienten ohne vorhergehende Pankreaserkrankung zu sein scheint [95].