1 Einleitung

Vor dem Hintergrund des im Oktober 2022 veröffentlichten Vorschlags der Europäischen Kommission für eine Richtlinie zur Behandlung von kommunalem Abwasser (in diesem Heft: Clara und Müller-Rechberger 2023; EK 2022b) gewinnt die 4. Reinigungsstufe zum Zweck der Spurenstoffentfernung europaweit an Bedeutung. In einer Evaluierung der kommunalen Abwasserrichtlinie aus dem Jahr 1991 (EWG 1991) wurden verbleibende Verschmutzungen aus kommunalen Quellen als eine der drei Herausforderungen identifiziert. Die Überarbeitung der kommunalen Abwasserrichtlinie als Teil des Null-Schadstoff-Aktionsplans im Zuge des Europäischen Grünen Deals soll u. a. zu einer Minimierung von Spurenstoffemission aus punktförmigen Einträgen über Kläranlagen beitragen. Kläranlagen sind lt. Artikel 8 des Richtlinienvorschlags verpflichtet, eine 4. Reinigungsstufe zu implementieren, wenn definierte Kriterien erfüllt sind. Grundlage dafür bildet das Vorsorgeprinzip in Kombination mit einem risikobasierten Ansatz. Das Vorsorgeprinzip zielt auf Kläranlagen ≥ 100.000 EW ab, während der risikobasierte Ansatz auf Anlagen ab 10.000 EW bis < 100.000 EW angewendet wird, wenn diese in „spurenstoffsensitive“ Gebiete einleiten. Dabei handelt es sich um Gebiete, in denen die Konzentration oder Akkumulation von Spurenstoffen ein Risiko für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt darstellt (EK 2022b). Lt. Artikel 8, Absatz 2 sind Wasserkörper mit einem Verdünnungsverhältnis kleiner 10 oder mit Überschreitung der Umweltqualitätsnormen und solche mit einem bestimmten Nutzungsprofil (Trinkwasserversorgung, Badegewässer, Seen, Aquakultur) als potenziell spurenstoffempfindliche Gebiete einer Risikobewertung zu unterziehen. Für Anlagen kleiner 10.000 EW kann im Einzelfall eine 4. Reinigungsstufe notwendig sein (EK 2022b), wobei hierfür eine in Artikel 18 festgelegte Risikobewertung durchzuführen ist.

Auf Basis der Arbeiten im DACH-Raum liegen ausreichend Grundlagen für gesetzliche Regelungen und eine Umsetzung der 4. Reinigungsstufe vor. Die Schweiz nimmt hier eine Vorreiterrolle ein, da sie das einzige Land ist, in dem die Spurenstoffentfernung seit 2016 gesetzlich geregelt ist (UVEK 2016). Die Umsetzung in Deutschland basiert auf freiwilliger Basis und Österreich hat seine Erfahrungen mit der 4. Reinigungsstufe im Zuge von Forschungsprojekten (Krampe et al. 2020; Kreuzinger et al. 2015; Schaar et al. 2011) gemacht. Aktuell gibt es sowohl in der Schweiz als auch in Baden-Württemberg (Deutschland) zwei sehr aktive Spurenstoff-KompetenzzentrenFootnote 1,Footnote 2.

Ziel dieser Veröffentlichung ist es, Konzepte zur Spurenstoffentfernung mit etablierten Verfahren zu beschreiben und Synergien mit anderen aktuellen Themen sowie Herausforderungen der Abwasserreinigung aufzuzeigen.

2 Relevanz für Österreich

Die Implikationen der Überarbeitung der kommunalen Abwasserrichtlinie der EU für Österreich wurde 2022 für unterschiedliche Handlungsfelder zusammengefasst (Kretschmer et al. 2021). Daten zu Kläranlagen und Wasserkörpern stammen aus dem elektronischen Emissionsregister zur Erfassung der wesentlichen Belastungen von Oberflächenwasserkörpern durch Emissionen von Stoffen aus Punktquellen (EMREG-OW-Datenbank, Datenbasis 2020) gemäß Emissionsregisterverordnung (BGBl. II Nr. 207/2017 (idgF) 2017).

Anhand der Kläranlagen-Ausbaugrößen (Bemessung) und der Wasserkörper wurden die Kriterien von Artikel 8 auf kommunale Kläranlagen ≥ 100.000 und jene ab 10.000 bis < 100.000 EW angewendet und so die Anzahl an auszurüstenden Anlagen abgeschätzt. Die Ausbaugröße wurde für die Berechnungen herangezogen, da sie im Gegensatz zur ebenso ausgewiesenen durchschnittlichen Belastung näher an der Vorgabe des Kommissionsvorschlags (höchste wöchentliche Durchschnittslast) liegt. Im Hinblick auf Artikel 8, Absatz 2f („Gebiete, in denen eine weitergehende Behandlung erforderlich ist, um die Anforderungen der Richtlinien 2000/60/EG und 2008/105/EG zu erfüllen.“) wurden zwei Szenarien ausgewiesen. Einerseits erfolgte die Abschätzung für die derzeit gültigen Richtlinien und andererseits für den ebenso 2022 veröffentlichen Kommissionsvorschlag mit strengeren Vorschriften über Schadstoffe in Oberflächengewässern und im Grundwasser (in diesem Heft: Clara und Müller-Rechberger 2023; EK 2022a). Nach derzeit gültigen Richtlinien sind keine Kläranlagen betroffen. Aufgrund der neuen Umweltqualitätsnorm (UQN) für per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen ist von einer flächendeckenden Überschreitung auszugehen, sodass alle Kläranlagen der relevanten Größenklasse (n = 241) auszurüsten sind. Die Implementierung einer 4. Reinigungsstufe auf großen Kläranlagen (≥ 100.000 EW) führt zu einem Deckungsgrad von 57 % der österreichischen Kläranlagenkapazität. Werden Kläranlagen < 100.000 EW aufgrund von einem oder mehreren risikobasierten Kriterien bei derzeit gültigen Umweltqualitätsnormen ausgerüstet (n = 93, siehe Tab. 1), steigt der Deckungsgrad auf 65 %, und wenn die vorgeschlagenen Umweltqualitätsnormen (EK 2022a) herangezogen werden, werden bei dieser Maximalbetrachtung 92 % der österreichischen Kläranlagenkapazität mit einer 4. Reinigungsstufe ausgerüstet.

Tab. 1 Erste Abschätzung der Anzahl an Kläranlagen, die basierend auf dem Kommissionsvorschlag zur UWWTD und Daten aus der EMREG-OW-Datenbank mit einer 4. Reinigungsstufe auszurüsten sind

3 Etablierte Verfahren der Spurenstoffentfernung

Die Ozonung und die Aktivkohlebehandlung sind jene zwei Technologien, die sich in zahlreichen Pilotversuchen und mittlerweile auch im Großmaßstab bewährt haben (DWA 2019, 2022; Pistocchi et al. 2022; Rizzo et al. 2019). Der Kommissionsvorschlag zielt aufgrund der praktischen Erfahrungen im Wesentlichen auf diese zwei Technologien ab. Es gibt jedoch keinen Ausschluss anderer Verfahren oder deren Kombinationen und selbst wenn die derzeit kolportierten Umsetzungsfristen die Implementierung erprobter Verfahren implizieren, sollte an der (Weiter‑)Entwicklung bzw. Erforschung weiterer Technologien gearbeitet werden.

Im Artikel von Schaar und Kreuzinger (2017) sind die anerkannten Varianten für die 4. Reinigungsstufe dargestellt und DWA-Themenbände behandeln verfahrenstechnische und betriebliche Aspekte sowie offene Fragen für die Ozonung (DWA 2022) und den Aktivkohleeinsatz (DWA 2019). Zugehörige Merkblätter (DWA‑M 285, Teile 1–3) widmen sich den Kriterien der Verfahrensauswahl (DWA‑M 285‑1 in Vorbereitung) sowie den Verfahrensgrundsätzen und der Bemessung für den Einsatz von Aktivkohle (DWA‑M 285‑2 2021) und Ozon (DWA‑M 285‑3 in Vorbereitung).

3.1 Aktivkohleeinsatz

Beim Einsatz von Aktivkohle werden Spurenstoffe adsorptiv entfernt. Dabei erfolgt die Anlagerung von Substanzen aus der flüssigen Phase (Adsorbat) an eine feste Oberfläche (Adsorbent) über eine Kombination aus Physisorption (Van-der-Waals-Kräfte) und Chemisorption (chemische Reaktionen zwischen Adsorbat und Adsorbentoberfläche) (Fundneider 2020). Die Adsorptionskapazität von Aktivkohle basiert auf der Porosität (Mikro‑, Meso- und Makroporen) und einer hohen spezifischen inneren Oberfläche von bis zu 1500 m2/g (DWA 2019; Worch 2012). Die Ausbildung der Poren und dadurch der inneren Oberfläche ist auf den Herstellungsprozess bestehend aus Karbonisierung und Aktivierung zurückzuführen.

Die Spurenstoffentfernung wird durch eine Reihe von Faktoren beeinflusst. Zum einen ist es die Charakteristik der Spurenstoffe, u. a. Molekülgröße, -struktur und -gewicht, Polarität oder Ladung, die sich auf die Adsorbierbarkeit auswirken. Zum anderen ist es die Abwassercharakteristik (Zusammensetzung, Temperatur und pH-Wert), wobei die Adsorption der organischen Hintergrundmatrix in Konkurrenz zur Adsorption der Spurenstoffe steht (Fundneider 2020). Daher sollte die Aktivkohle dort dosiert werden, wo der organische Kohlenstoff weitestgehend abgebaut ist. Über die Wahl der Betriebsparameter, wie Aktivkohledosis bzw. das durchgesetzte Bettvolumen in m3 Abwasserdurchsatz pro m3 Filtervolumen und die Kontaktzeit, kann aktiv auf die Spurenstoffentfernung Einfluss genommen werden.

In Abhängigkeit der Formen und Korngrößen werden Aktivkohlen in Pulveraktivkohle (PAK), Kornkohle bzw. granulierte Aktivkohle (GAK) und Formkohle unterteilt. Die unterschiedlichen Varianten für die Anwendung von PAK und GAK werden in Folge beschrieben.

3.1.1 Varianten der PAK-Anwendung

PAK kann im Wesentlichen in drei Varianten angewendet werden, die sich grob nach Ort der Dosierung und demzufolge Reaktionsraum unterscheiden. PAK kann (1) in das Belebungsbecken (PAK-Simultandosierung), (2) in ein nachgeschaltetes Kontaktbecken oder (3) vor einen Filter dosiert werden. Als weitere Variante wurde kürzlich die Anwendung eines Adsorptions‑/Fällmittel-Kombinationsprodukts zur simultanen P‑ und Spurenstoffentfernung untersucht (Reif et al. 2023). Letztere Variante eignet sich v. a. für den Einsatz auf kleinen Kläranlagen, da bestehende Infrastruktur für die Fällmitteldosierung genutzt werden kann und dies eine mit den anderen etablierten Verfahren/Varianten vergleichsweise unkomplizierte Implementierung ermöglicht.

Um eine ausreichende Kontaktzeit zu erreichen, werden die hydraulischen Verweilzeiten von Abwasser und Aktivkohle entkoppelt. Dies geschieht beispielsweise durch eine Rezirkulation der beladenen Kohle aus dem Trennapparat zurück in das Reaktionsbecken (Varianten 1 und 2) oder im Fall von Variante 2 und 3 (Spülwasser) auch in die Belebung (DWA 2019). Bei der Dosierung oder Rückführung in das Belebungsbecken kommt es durch den Einbau in die Belebtschlammflocken von vornherein zu einer Entkoppelung (Schlammalter vs. hydraulische Verweilzeit). Je nach Rückführung in eine vorgelagerte Stufe handelt es sich um ein- oder mehrstufige Prozesse. Variante 3 wird zumeist auf Kläranlagen mit bereits bestehenden Filteranlagen angewendet, die für den PAK-Einsatz adaptiert werden können. Als Reaktionsraum fungiert entweder der Überstauraum der Filteranlagen oder ein eigens implementiertes Einmisch- und Kontaktbecken. Als Verweilzeiten werden für Variante 2 und 3 ca. 30 min im Einmisch‑/Kontaktbecken empfohlen (DWA‑M 285‑2 2021).

Im Hinblick auf die notwendige PAK-Menge hat sich eine spezifische Dosis in mg PAK/mg DOC bewährt, um den Einfluss der organischen Abwassermatrix zu berücksichtigen. Je nach Spurenstoff und Verfahren werden unterschiedliche spezifische PAK-Mengen empfohlen. Um eine ca. 80 %ige Entfernung von sehr gut bis gut adsorbierbaren Substanzen zu erreichen, empfiehlt sich beim sogenannten „Ulmer Verfahren“ (Variante 2 mit Absetzbecken und nachgeschaltetem Filter) eine spezifische Dosis von ca. 1 mg PAK/mg DOC, bei der Dosierung vor einen Filter geht man vom ca. 1,5-fachen und bei der PAK-Simultandosierung vom 2,5-fachen Bedarf aus. Eine Einteilung ausgewählter Spurenstoffe nach Adsorbierbarkeit findet sich in DWA‑M 285‑2 (2021).

Ein wichtiger Schritt ist die weitestgehende Abtrennung der Aktivkohle aus dem System, um Verluste der mit Spurenstoffen beladenen Kohle über den Kläranlagenablauf (PAK-Schlupf) zu vermeiden. Dies wird über Filter und in der Praxis zumeist eine Vorabscheidung über Sedimentation oder Flotation gewährleistet. Alternativ kann die Abtrennung bei allen drei Varianten über Membranen (Mikro- oder Ultrafiltration) erfolgen. Der Einsatz einer Membranfiltration erweist sich im Hinblick auf hygienische Parameter zusätzlich als Vorteil. Durch die gute Abtrennwirkung kann feinere PAK eingesetzt werden, was in einer schnelleren Adsorptionskinetik resultiert und sich positiv auf Kontaktzeiten und -volumina auswirken kann (DWA 2019).

Bei einer Rückführung von PAK in das Belebungsbecken ist der zusätzliche Schlammanfall, der basierend auf Erfahrungen aus der Praxis zwischen 4 und knapp 10 % beträgt, zu berücksichtigen (DWA 2019). Zudem ergeben sich Implikationen für die Schlammverwertung bzw. -entsorgung, da eine etwaige Verwendung von Klärschlamm in der Landwirtschaft nicht mehr möglich ist. Der Einfluss auf das Schlammalter kann über den zusätzlichen Trockensubstanzgehalt im Schlamm (Vergleich vor und nach Implementierung der AK-Dosierung) berechnet werden. Bisherige Untersuchungen stellten keine Beeinträchtigung der biologischen Stufe fest. In einzelnen Studien wurde eine Verbesserung des Schlammindex beobachtet (DWA 2019; Zwickenpflug et al. 2010).

Bei der anaeroben Schlammstabilisierung ist die spezifische Faulgasproduktion von Überschussschlamm mit PAK aufgrund der inerten Natur der Kohle zwar etwas geringer, die Gesamtgasproduktion bleibt jedoch gleich.

Das „Ulmer Verfahren“ wird derzeit in der Praxis am häufigsten umgesetzt (DWA‑M 285‑2 2021).

3.1.2 GAK-Anwendung

Im Gegensatz zur PAK wird GAK nicht kontinuierlich dosiert, sondern üblicherweise in Filteranlagen eingesetzt. Als Bauform gibt es offene Filter und Druckfilter (geschlossene Filter), die kontinuierlich (offene Filter) oder diskontinuierlich (offene und geschlossene Filter) betrieben werden können. Wirbelbettverfahren sind noch nicht sehr verbreitet (DWA‑M 285‑2 2021). GAK-Filter stellen eine nachgeschaltete Verfahrensstufe dar und bei hohem Feststoffgehalt im Ablauf der biologischen Abwasserreinigung wird eine Feststoffabtrennung (Raum‑, Flächen- oder Membranfilter) empfohlen. Neben dem Neubau von Filteranlagen können bestehende Filter umgerüstet werden. Die Parallelschaltung von Filtern mit zeitversetzter Inbetriebnahme erwies sich in Untersuchungen im Vergleich zu Einzelfiltern als effizienter (DWA 2019).

Im Verlauf des Betriebs kommt es zu einem Biofilmaufwuchs auf der GAK und die Kohle wird biologisch wirksam oder biologisch aktiviert (BAK). Für schlecht adsorbierbare Spurenstoffe kann dies einen zusätzlichen Entfernungspfad darstellen (Fundneider 2020). Für Spurenstoffe, die über beide Pfade (adsorptiv und biologisch) entfernt werden, ist es i. d. R. nicht möglich, die zwei Prozesse einzeln zu quantifizieren.

Analog zur Kontaktzeit bei PAK-Anlagen wird für GAK-Anlagen die sogenannte Leerbettkontaktzeit (empty bed contact time, EBCT), berechnet aus dem Filtervolumen bezogen auf den Abwasservolumenstrom, verwendet. Für die Bemessung wird eine EBCT von 20–30 min angesetzt. Als weiterer Bemessungsparameter gilt das durchgesetzte Bettvolumen in m3 Abwasserdurchsatz pro m3 Filtervolumen. Das gewählte Bettvolumen ist abhängig von der geforderten Ablaufqualität, und sobald das Abbruchkriterium erreicht wird, erfolgt ein Austausch und Reaktivierung der beladenen GAK. Die Reaktivierung wirkt sich deutlich auf den Primärenergieverbrauch, den CO2-Fußabdruck und die Betriebsmittelkosten aus (DWA‑M 285‑2 2021).

3.2 Ozonung

Bei der Ozonung handelt es sich um ein Oxidationsverfahren, das zum einen über den direkten Reaktionsmechanismus mittels Ozon selbst und zum anderen über den indirekten Mechanismus mittels OH-Radikalen wirkt. OH-Radikale werden im Abwasser bei der direkten Reaktion von Ozon mit bestimmten organischen Abwasserverbindungen gebildet. OH-Radikalreaktionen sind unselektiv und daher v. a. für ozonresistente Substanzen relevant (von Sonntag und von Gunten 2012).

Die Spurenstoffentfernung ist zum einen stoffspezifisch und hängt von den Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten mit Ozon und OH-Radikalen ab, zum anderen ist sie abwasserspezifisch. Bei der Abwassermatrix (organische und anorganische Abwasserinhaltsstoffe, pH-Wert und Alkalität) spielen die ozonzehrenden Inhaltsstoffe, vornehmlich DOC und Nitrit, die dominante Rolle (DWA 2022). Aufgrund der konkurrierenden Ozonzehrung durch die Organik sollte Ozon – analog zur Aktivkohle – dort dosiert werden, wo der organische Kohlenstoff weitestgehend abgebaut ist. Daher wird eine Ozonungsstufe der biologischen Abwasserreinigung nachgeschaltet. Wichtig ist in diesem Zusammenhang eine stabile Nitrifikation, da Nitritspitzen erheblich zur Ozonzehrung (3,43 mg O3 pro mg NO2-N) beitragen (DWA 2022; Krampe et al. 2020). Während die ersten implementierten Ozonanlagen noch auf eine spezifische (nitritkorrigierte) Ozondosis von ungefähr 0,7 mg O3/mg DOC ausgelegt wurden, haben Praxiserfahrungen gezeigt, dass 0,5 mg O3/mg DOC ausreichen, um die derzeit vorgeschlagenen Gesetzesanforderungen zu erfüllen (DWA‑M 285‑3 in Vorbereitung).

Die hydraulische Auslegung der Reaktoren erfolgt üblicherweise auf 15–20 min (DWA‑M 285‑3 in Vorbereitung). Da im üblicherweise eingesetzten Ozondosisbereich von ca. 0,4–0,6 mg O3/mg DOC keine Mineralisierung, sondern eine Transformation der Substanzen erfolgt, wird empfohlen, der Ozonung eine biologisch aktive Nachbehandlungsstufe nachzuschalten, damit biologisch abbaubare reaktive Transformations- oder Oxidationsnebenprodukte abgebaut werden können (DWA‑M 285 3 in Vorbereitung; Phan et al. 2022). In diesem Zusammenhang empfiehlt sich eine Messung des Bromidgehalts im Kläranlagenablauf, um das Bromatbildungspotenzial abschätzen zu können.

Eine Einteilung ausgewählter Spurenstoffe nach Entfernbarkeit bei 0,5 mg O3/mg DOC findet sich in DWA‑M 285‑3 (in Vorbereitung).

Als biologisch wirksame Nachbehandlungsstufe wurden vorwiegend Sandfilter implementiert bzw. oftmals bestehende Filter integriert. Im Hinblick auf Synergien in der Spurenstoffentfernung hat sich jedoch eine Kombination mit nachgeschalteten Aktivkohlefiltern bewährt und selbst bei höherem durchgesetzten Bettvolumen konnte abhängig vom betrachteten Spurenstoff eine weitere Entfernung beobachtet werden (DWA 2019, 2022; Krampe et al. 2020), die im Sandfilter nicht festgestellt werden konnte (Bourgin et al. 2018; Kreuzinger et al. 2015). Durch die additive Wirkung kann die spezifische Ozondosis von 0,5 mg O3/mg DOC noch weiter reduziert werden (DWA 2019). Dies stellt ein Argument für kombinierte Verfahren im Sinne eines Multibarrierenkonzepts dar.

4 Überwachung der Reinigungsleistung

Für die Überwachung des Reinigungseffekts steht ein Set von zwölf Indikatorsubstanzen zur Verfügung (EK 2022b). Dabei handelt es sich um Prozessindikatoren, d. h., sie sind in der 4. Reinigungsstufe zumindest gut entfernbar, dienen einer Überprüfung der Funktionstüchtigkeit der eingesetzten Verfahren und wurden nicht aufgrund ihrer toxikologischen Relevanz gewählt. Es sind dieselben Substanzen, wie sie auch in der Schweiz angewendet werden (UVEK 2016). Die Indikatorsubstanzen sind hinsichtlich ihrer Entfernbarkeit in der 4. Reinigungsstufe in die zwei Kategorien (1) sehr gut (> 80 %) und (2) gut (50–80 %) entfernbar eingeteilt, siehe Abb. 1. Die Berechnung des Reinigungseffekts erfolgt als Mittelwert über die Entfernung von zumindest sechs Substanzen, wobei doppelt so viele Vertreter aus Kategorie 1 wie aus Kategorie 2 gewählt werden müssen. Die Mindestforderung für diese mittlere Entfernung beträgt 80 % über die gesamte Abwasserreinigungsanlage und muss nach derzeitigem Vorschlag bei jeder Probenahme eingehalten werden. Zur Orientierung, wie gut die Indikatorsubstanzen bei der biologischen Abwasserreinigung im Mittel entfernt werden, enthält Abb. 1 exemplarisch Werte aus der Literatur.

Abb. 1
figure 1

Entfernbarkeit der Indikatorsubstanzen in der biologischen Abwasserreinigung (Biologie) und in den etablierten Technologien der 4. Reinigungsstufe (AK Aktivkohleeinsatz, O3 Ozonung, Farblegende: gelb 0–50 %, blau > 80 %, grün 50–80 %, *Mittelwerte der Entfernung aus Götz et al. (2015) bzw. KomS-Tabellenwerk zur Bewertung der Spurenstoffsituation (Excel-Beilage zu „Leitfaden Machbarkeitsstudien zur Spurenstoffelimination auf kommunalen Kläranlagen“ des Kompetenzzentrums Spurenstoffe-BW: https://koms-bw.de/publikationen/koms/)). (Verändert nach Götz et al. 2015)

5 Kosten und Treibhausgasemissionen

In der Literatur existieren für die etablierten Technologien unterschiedliche Kostenfunktionen und Pistocchi et al. (2022) erstellten eine umfassende Zusammenstellung basierend auf den Daten umgesetzter europäischer Anlagen sowie auf Kostenschätzungen. Obwohl das allgemeine Muster (Kosten GAK > PAK > Ozon) grundsätzlich beobachtet wurde, berichten sie, dass die spezifischen Kosten selbst für dieselbe Technologie eine breite Streuung aufweisen. Dies ist u. a. auf den Einfluss standortspezifischer Gegebenheiten zurückzuführen.

Basierend auf dem Datensatz erstellten Pistocchi et al. (2022) eine allgemein anwendbare, d. h. technologieunabhängige Kostenfunktion (siehe Gl. 1 und Abb. 2), die einer groben Abschätzung der spezifischen Jahreskosten dienen soll. Mit dieser Funktion konnten die berücksichtigten Kosten innerhalb eines Faktors von zwei erfasst werden. Abb. 2 weist somit neben der aus Gl. 1 generierten Kostenfunktion auch eine um den Faktor 2 nach unten und oben abweichende Kurve auf. Die Abbildung verdeutlicht, dass die Grenzziehung für den risikobasierten Ansatz bei 10.000 EW im Kommissionsvorschlag sinnvoll gewählt wurde. Kleinere Anlagen weisen der Kostendegression entsprechend höhere spezifische Kosten und eine größere Schwankungsbreite auf.

$$\mathrm{JK}=1000\cdot\mathrm{EW}^{-0{,}45}$$
(1)
JK =:

Jahreskosten

EW =:

Kläranlagenausbaugröße in Einwohnerwerten

Abb. 2
figure 2

Vorschlag für eine Kostenfunktion zur Abschätzung von spezifischen Jahreskosten unabhängig von der gewählten Technologie für die 4. Reinigungsstufe. (Strich-Linie entspricht der Funktion in Gl. 1, durchgezogene Linien markieren die Abweichung um den Faktor 2. Innerhalb dieses Bereichs liegen die Daten, die in die Erstellung der Kostenfunktion einflossen). (Verändert nach Pistocchi et al. 2022)

Betrachtet man anstelle der Jahreskosten nur die Betriebskosten, stellen die Energie- und Materialkosten die wesentlichen Anteile dar. Bei der Ozonung überwiegen die Energiekosten, während bei der AK-Anwendung der Schwerpunkt auf den Materialkosten liegt (Pistocchi et al. 2022; Rizzo et al. 2019). Der Kommissionsvorschlag für die kommunale Abwasserrichtlinie sieht vor, dass Kläranlagen energieneutral werden. Dies steht im Widerspruch zum zusätzlichen Energieaufwand einer 4. Reinigungsstufe, wobei v. a. der im Vergleich zum Aktivkohleeinsatz energieintensive Prozess der Ozonerzeugung ins Gewicht fällt. In diesem Kontext empfiehlt sich eine holistische Betrachtung bzw. Bewertung, die den gesamten Ressourceneinsatz (Energie und Materialien/Betriebsmittel) betrachtet und sowohl die örtliche „Systemgrenze Kläranlage“ als auch die zeitliche Systemgrenze dahingehend aufhebt, dass der gesamte Lebenszyklus der eingesetzten Ressourcen betrachtet wird. Hier hat sich die Lebenszyklusanalyse (LCA) bzw. der CO2-Fußabdruck als Indikator für die Treibhausgasemissionen bewährt (Meier und Remy 2020). Das Monitoring von Treibhausgasemissionen ist auch Teil des Kommissionsvorschlags (Artikel 21). Trotz des Energieverbrauchs für die Ozon- und die Sauerstoffherstellung weist die Ozonung einen geringeren CO2-Fußabdruck auf als die Aktivkohlebehandlung (Meier und Remy 2020; Mutz et al. 2017). Meier und Remy (2020) weisen den zusätzlichen Beitrag einer Spurenstoffelimination an den gesamten Treibhausgasemissionen der Abwasserreinigung für die Ozonung mit 4 % und für PAK-Verfahren mit 20 % aus. Je nach verwendetem Strommix (Anteil erneuerbarer Energien) kann der Fußabdruck der Ozonung aber auch zunehmen.

Beim Aktivkohleeinsatz leisten die Rohstoffbereitstellung, der Abbrand und der Prozessdampf für die Aktivierung den relevanten Anteil. Der einmalige Einsatz von Frischkohle im Fall der PAK-Anwendung hat den größten Fußabdruck. Der Einsatz erneuerbarer Rohstoffe oder die Verwendung von Reststoffen im Zuge einer Kreislaufschließung bei industriellen Produktionsprozessen können ebenso den Fußabdruck des Aktivkohleeinsatzes verringern wie die Verwendung von reaktivierter GAK (Meier und Remy 2020; Mutz et al. 2017; Pistocchi et al. 2022). Meier und Remy (2020) vergleichen eine Modellkläranlage mit einer Ozonung (0,5 mg O3/mg DOC), einer GAK-Filtration (90 % reaktivierte GAK und Äquivalenzdosis von 2 mg GAK/mg DOC) und einem PAK-Verfahren (frische Steinkohle und 2 mg PAK/mg DOC). Beim Verbraucherstrommix der Schweiz (181 g CO2-Äq./kWh) ergibt sich für O3, GAK und PAK ein CO2-Fußabdruck von 23, 40 und 149 g CO2-Äq./m3 Abwasser.

Aufgrund der standort- und länderspezifischen Unterschiede bedarf ein Vergleich immer einer genauen Betrachtung der einfließenden Metadaten, wie Strommix und Betriebsmitteldosierung.

6 Synergien und offene Punkte

Das Zusammenspiel des Kommissionsvorschlags für die UWWTD mit anderen EU-Gesetzen bringt sowohl Synergien als auch Herausforderungen mit sich.

Synergien ergeben sich z. B. beim Thema der Wasserwiederverwendung. Neben der Verringerung der verbleibenden Verschmutzung durch häusliches Abwasser ist auch die sichere Wiederverwendung von behandeltem Abwasser ein relevanter Aspekt für die Revision der UWWTD. In Art. 15 des Kommissionsvorschlags wird darauf Bezug genommen: Mitgliedsstaaten sollen die Wasserwiederverwendung „systematisch fördern“. Für die Wiederverwendung zur landwirtschaftlichen Bewässerung wird auf die Verordnung (EU 2020/741 2020) verwiesen. Die Verordnung legt Mindestanforderungen an die Wasserwiederverwendung für die landwirtschaftliche Bewässerung fest und trat am 23. Juni 2023 in Kraft. Die Spurenstoffentfernung zählt nicht zu den Mindestanforderungen, sondern stellt eine zusätzliche Anforderung lt. Anhang II (Risikobewertung) dar. In der DWA wird derzeit an einer Handlungshilfe in Form eines Merkblatts DWA‑M 1200 „Anwendung der Wasserwiederverwendung für landwirtschaftliche und urbane Zwecke“ gearbeitet. Teil 2 widmet sich den Anforderungen an die weitergehende Abwasserbehandlung zur Wasserwiederverwendung (DWA‑M 1200‑2 in Vorbereitung). Auch wenn die Spurenstoffentfernung in der Verordnung keine Mindestanforderung darstellt, ist das Erfordernis weiterer Aufbereitungsschritte zum Zweck der Spurenstoffentfernung ein Thema in der politischen Diskussion in Deutschland (Haberkamp 2023) und Österreich. Eine Implementierung der Spurenstoffentfernung im Rahmen der Revision der kommunalen Abwasserrichtlinie hat in diesem Zusammenhang den Nutzen, dass eine zusätzliche Barriere für die Spurenstoffe besteht und nicht erst für die Wasserwiederverwendung implementiert werden muss.

Um die Anforderungen an die mikrobiologischen Parameter zu erfüllen, ist eine Abwasserdesinfektion erforderlich, die die etablierten Verfahren zur Spurenstoffentfernung nicht leisten können. Eine Ozonung im üblichen Ozondosisbereich zur Spurenstoffentfernung führt zu einer teilweisen Inaktivierung von Fäkalindikatororganismen wie auch antibiotikaresistenten Bakterien und Antibiotikaresistenzgenen (DWA 2022; Slipko et al. 2021). Die für die Validierungsüberwachung in der EU-WasserWVVO 2020/741 geforderten Log-Reduktionen der Indikator-Mikroorganismen (Anhang 1, Tab. 4) werden u. a. aufgrund des Schutzeffekts der Mikroorganismen durch Schwebstoffpartikel im Kläranlagenablauf nicht erreicht (Krampe et al. 2020; Schaar et al. 2013). Auch beim Aktivkohle-Einsatz erfolgt keine hinreichende Reduktion der mikrobiologischen Parameter, auch wenn GAK-Filter einen kleinen Beitrag über den Schwebstoffrückhalt leisten (Krampe et al. 2020).

In diesem Kontext kann die erforderliche Log-Reduktion nur durch die Implementierung eines zusätzlichen Desinfektionsverfahrens erreicht werden. Im Gegensatz zu einer UV-Anlage zur Desinfektion kann z. B. die Integration einer Membranstufe in Kombination mit dem PAK-Einsatz sowohl die Anforderungen für die Spurenstoffentfernung als auch jene für die Desinfektion erfüllen (DWA‑M 205 2013). Überlegungen zu möglichen Synergien können bereits in die Planung der 4. Reinigungsstufe mit einfließen.

Ein weiterer Vorteil der Implementierung einer 4. Reinigungsstufe im Rahmen der neuen kommunalen Abwasserrichtlinie liegt darin, dass sich eine Umlegung der Gebühren für eine Aufbereitung zur Wasserwiederverwendung auf den zusätzlichen Verfahrensschritt zur Desinfektion beschränkt. Eine Umlegung der Gesamtkosten (Desinfektion plus 4. Reinigungsstufe) wäre vom wirtschaftlichen Standpunkt für die Landwirtschaft als Enduser des aufbereiteten Wassers nicht leistbar.

Eine weitere Nutzung von Synergien bietet die Erzeugung von grünem Wasserstoff auf Kläranlagen. Dort können Erzeugungsspitzen aus grüner Energie dazu verwendet werden, aus Wasser mittels Elektrolyse Wasserstoff und Sauerstoff zu erzeugen. Der Sauerstoff kann auf der Kläranlage eingesetzt werden. Im Fall einer 4. Reinigungsstufe kann er als Produktgas für die Ozonerzeugung dienen und trägt so zu Betriebsmitteleinsparung und zu einer Senkung des CO2-Fußabdrucks für die Sauerstoffherstellung bei. In einem weiteren Schritt kann Wasserstoff dazu verwendet werden, über die Biomethanisierung das Kohlendioxid aus dem Faulgas zu Methan umzuwandeln (Tauber et al. 2021).

Die Implementierung einer 4. Reinigungsstufe bewirkt die Reduktion eines breiten Spektrums an Spurenstoffen (EK 2022b). Nichtsdestotrotz gibt es Substanzen bzw. Substanzgruppen, die entweder weniger gut entfernt werden oder wo aufgrund hoher Konzentrationen im Abwasser selbst bei guter Reinigungseffizienz von einer Überschreitung der Umweltqualitätsnormen auszugehen ist. Verschärft wird dies durch den ebenso im Oktober 2022 im Rahmen des Zero-Pollution-Pakets veröffentlichten Vorschlag für strengere Vorschriften über Schadstoffe in Oberflächengewässern und im Grundwasser (EK 2022a). Eine Substanzgruppe, die aktuell im Blickpunkt der Forschung und zunehmend auch der Politik und Öffentlichkeit steht, sind die per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) (Liu et al. 2023; Zoboli et al. 2023; beide in diesem Heft). Hier wurde ein neuer Grenzwert für Grund- und Oberflächengewässer als Summe aus 24 PFAS vorgeschlagen, der sich auf 4,4 ng/L (0,0044 µg/L) beläuft.

In der biologischen Abwasserreinigung nach dem Stand der Technik in Österreich und Deutschland (Kohlenstoff- und Nährstoffentfernung) werden PFAS nicht entfernt (Kittlaus et al. 2022; in diesem Heft: Zoboli et al. 2023). Die zwei etablierten Verfahren der weitergehenden Abwasserreinigung weisen eine unterschiedliche Entfernung auf. Während PFAS in Abhängigkeit von den Substanzen an Aktivkohle adsorbiert, kommt es während der Ozonung lediglich zu einer Transformation (Kaiser et al. 2021). Der Transfer von PFAS in die Luft im Zuge der AK-Verwertung bzw. der Reaktivierung von beladener GAK muss in diesem Kontext berücksichtigt werden. Sowohl die Ozonung als auch der Aktivkohleeinsatz weisen je nach Bewertungskriterien Stärken und Schwächen auf. Das Verhalten gegenüber PFAS bietet jedoch ein weiteres Argument eines Multibarrierenansatzes durch eine Kombination der beiden Verfahren. Am nachhaltigsten werden jedoch Bestrebungen zum Verbot dieser Subtanzgruppe erachtet.

7 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

Verschmutzungen aus kommunalen Quellen wurden im Evaluierungsprozess der kommunalen Abwasserrichtlinie aus dem Jahr 1991 als eine der aktuellen Herausforderungen identifiziert. Die 4. Reinigungsstufe ist eine notwendige Maßnahme, um ein breites Spektrum an Spurenstoffen zu entfernen und die Emissionen in die aquatische Umwelt zu minimieren. Lt. Kommissionsvorschlag für eine neue kommunale Richtlinie sollen große Kläranlagen über 100.000 EW basierend auf dem Vorsorgeprinzip mit einer 4. Reinigungsstufe ausgerüstet werden. Für Anlagen von 10.000 bis < 100.000 EW gilt der risikobasierte Ansatz mit festgelegten Kriterien für spurenstoffsensitive Gebiete. Diese umfassen einerseits wasserkörperspezifische Sensitivitäten (Verdünnungsverhältnis und Umweltqualitätsnormen) und andererseits sensible Nutzungen (u. a. Trinkwasserversorgung und Badegewässer). Die geforderte Mindestentfernung von 80 % über die Gesamtanlage gilt für ausgewählte Indikatorsubstanzen.

Erste Abschätzungen für Österreich ergaben zwischen 93 und 278 Anlagen, wobei dies eine Maximalbetrachtung darstellt, da noch keine Risikobewertung für den risikobasierten Ansatz durchgeführt wurde und der Vorschlag für strengere Umweltqualitätsnormen als ein Szenario ebenso betrachtet wurde. Letzteres würde in einer flächendeckenden Überschreitung der neuen UQN für PFAS münden, sodass alle 241 Kläranlagen zwischen 10.000 und 99.999 EW eine weitergehende Behandlung brauchen.

Ozonung und Aktivkohleeinsatz wurden in zahlreichen Forschungsprojekten und großtechnischen Umsetzungen v. a. im DACH-Raum untersucht. So konnten Grundlagen für gesetzliche Regelungen und eine Umsetzung geschaffen werden, wobei die Schweiz über eine Implementierung der Spurenstoffentfernung in die Gesetzgebung eine Vorreiterrolle einnahm. Spurenstoffkompetenzzentren in der Schweiz (angesiedelt beim VSA, dem Verband Schweizer Abwasser- und Gewässerschutzfachleute) und in Baden-Württemberg (KomS) stellen in diesem Fall entscheidende Wissensträger da. Die DWA hat für den Ozon- und Aktivkohleeinsatz Themenbände erstellt und zugehörige Merkblätter sind veröffentlicht bzw. befinden sich in Erstellung.

Aufgrund der konkurrierenden Wirkung der organischen Hintergrundmatrix mit sowohl Aktivkohle als auch Ozonung, ist eine funktionierende Abwasserreinigung eine Grundvoraussetzung und die Implementierung sollte an einer Stelle im Abwasserreinigungsprozess erfolgen, wo der Kohlenstoff bereits weitestgehend abgebaut ist. Beim Aktivkohleeinsatz werden die Spurenstoffe an die Kohle angelagert und die Anwendung kann als PAK oder GAK erfolgen. PAK kann in unterschiedlichen Varianten, entweder direkt in die Belebung oder nachgeschaltet in einen Kontaktreaktor oder in den Überstau bestehender Filter dosiert werden. Mehrstufige Prozesse durch Rückführungen in die Belebung können die Spurenstoffelimination steigern, haben aber auch einen Einfluss auf den Schlammanfall und die -entsorgung. GAK wird in nachgeschalteten Filtern angewendet, hier können vorhandene offene Filteranlagen angepasst werden oder Druckfilter installiert werden. Bei der Ozonung erfolgt eine chemische Oxidation der Spurenstoffe. Eine Ozonung wird immer mit einer biologisch wirksamen Nachbehandlungsstufe kombiniert, wobei sich zur Nutzung additiver Prozesse eine Kombination mit einem granulierten Aktivkohlefilter anbietet.

Eine grobe Ableitung der spezifischen Jahreskosten für eine 4. Reinigungsstufe kann anhand einer einfachen Funktion aus der Literatur, die auf der Zusammenfassung bestehender Umsetzungen und Kostenschätzungen beruht, erfolgen. Basierend darauf ergeben sich Werte von 16, 8 und 4 €/EW/a für Anlagen mit 10.000, 50.000 oder 200.000 EWAusbau. Neben den Kosten sollten auch die Treibhausgasemissionen der Verfahren über den CO2-Fußabdruck zunehmend in die Entscheidungsprozesse mit eingebunden werden, da über die Betrachtung des gesamten Lebenszyklus der eingesetzten Ressourcen ein ganzheitlicheres Bild entsteht und das Monitoring von Treibhausgasen im Kommissionsvorschlag implementiert ist.

Im Zusammenhang mit anderen EU-Rechtsvorschriften wie z. B. der EU-Wasserwiederverwendungsverordnung können Synergien genützt werden. Obwohl die derzeitigen Mindestanforderungen keine 4. Reinigungsstufe bedingen, ist die Implementierung einer Spurenstoffentfernung Thema in der diesbezüglichen politischen Diskussion in Deutschland und Österreich. Weitere Synergien zwischen 4. Reinigungsstufe und aktuellen Themen für die Abwasserreinigung liegen in der Erzeugung von grünem Wasserstoff auf Kläranlagen. Neben zahlreichen Synergien und Chancen gibt es jedoch auch Herausforderungen für die 4. Reinigungsstufe im Hinblick auf die Entfernung von PFAS, eine Substanzgruppe, für die eine neue Umweltqualitätsnorm vorgeschlagen wird.

Die 4. Reinigungsstufe zur Spurenstoffentfernung sollte mit anderen konventionellen und innovativen Prozessen integriert werden, um so ein holistisches und nachhaltiges Wassermanagement zu garantieren.