1 Einleitung

Die Donau östlich von Wien bis Bratislava stellt eine wichtige Lebensader dar, jedoch ist diese durch eine Vielzahl von Nutzungsansprüchen ausgehend von Wasserkraftnutzung, Hochwasserschutz, über Schifffahrt bis Landwirtschaft und Industrie beeinträchtigt. Insbesondere stellt die Regulierung in ein fixes Flussbett sowie die Beeinträchtigung der Konnektivität von Wasser, Sediment und Biotik in Längsrichtung (z. B. durch Wasserkraftwerke, oberstrom: Staukette von Wien, Freudenau bis Jochenstein an der deutsch-österreichischen Grenze bzw. unterstrom: Wasserkraftwerk Gabčíkovo in der Slowakei) und Querrichtung (z. B. der Verlust von natürlichen Ufern, Seitenarmen und Überflutungsflächen) dar (Pessenlehner et al. 2023, in diesem Heft). Daraus resultieren unter anderem Eintiefungen in der frei fließenden Strecke der Donau östlich von Wien, welche Werte von 1–2 cm pro Jahr betrugen. Jüngere Untersuchungen legen eine Reduktion der Eintiefung aufgrund der erfolgreichen Implementierung von Pilotprojekten (Liedermann et al. 2016) und einem laufenden Geschiebemanagement des österreichischen Wasserstraßenmanagements viadonau GmbH (viadonau 2020) nahe. Pessenlehner et al. (2016) kommen dabei auf eine jährliche Eintiefung von ca. 0,6 cm pro Jahr (2009 bis 2015). Im Gegensatz zu der Eintiefungsproblematik in der frei fließenden Strecke kommt es in der österreichisch-slowakischen Grenzstrecke zu einer Anlandungsproblematik, da hier die Stauwurzel des Kraftwerks Gabčíkovo wirkt.

Die beiden grenzüberschreitenden Projekte DREAM SK-AT (Interreg V‑A Slowakei – Österreich) und SEDDON II (Interreg V‑A Österreich – Ungarn) hatten – neben der Errichtung von gemeinsamer Forschungsinfrastruktur und der Förderung des Wissenstransfers – unter anderem als Ziel, die Probleme sowie bereits vorhandene Lösungsvorschläge in den Projektstrecken an der Donau bezüglich Hochwasser, Schifffahrt, Wasserkraft, Ökologie und Trinkwasserversorgung zu identifizieren, und darauf aufbauend Maßnahmen zur Verbesserung der Situation zu entwickeln (Pessenlehner et al. 2023; in diesem Heft). Dabei wurden numerische Modelle in Verbindung mit Feldmessungen und physikalischen Modellversuchen (Sindelar et al. 2023; in diesem Heft) als wertvolle Werkzeuge für die Bewertung solcher Maßnahmen bezüglich Hydrodynamik, Sedimenttransport und Morphologie herangezogen. Diese Studie bezieht sich generell auf numerische Modellierungen in der Donau in Österreich und in der Grenzstrecke (SK-AT) zur Slowakei. Im Projekt DREAM SK-AT wurden außerdem auch 1D und 2D hydrodynamische und morphodynamische Modellierungen von VÙVH (Výskumný ústav vodného hospodárstva) durchgeführt, welche die Grundlage für einen zukünftigen Modellvergleich bieten. Zusätzlich wurden im Projekt SEDDON II auch weitere 3D-Modellierungen zur Maßnahmenbewertung in der Eintiefungsstrecke in Ungarn bei Györ sowie eine kleinskalige Modellierung von Sohlformen zur Modellierung von Geschiebetransport anhand detaillierter Sohlaufnahmen von der Budapest University of Technology and Economics (Budapesti Műszaki és Gazdaságtudományi Egyetem (BME)) durchgeführt.

In dieser Studie wurden schwerpunktmäßig Erosions- und Anlandungstendenzen an der Donau bewertet und Sedimentmanagementmaßnahmen mithilfe von Buhnen und Geschiebezugabe untersucht sowie die kleinskaligere Verbesserung der Modellierung von Seitenarmen mithilfe von Vegetation aus Luftbildern getestet.

2 Numerische Methoden

In diesem Beitrag wurden numerische Modellierungen auf Basis des dreidimensionalen Hydrodynamikmodells RSim-3D (Tritthart 2005) und des Sedimenttransport- und Morphodynamikmodells iSed (Tritthart et al. 2011a) durchgeführt. Außerdem wurde ein Steintracermodell (Tritthart et al. 2018) in Kombination mit dem Modell RSim-3D angewendet. All diese Modelle wurden bereits in einer Vielzahl an Studien erfolgreich eingesetzt (z. B. Tritthart et al. 2009; Glas et al. 2018a). Detailliertere Beschreibungen zu den Modellen sind unter anderem in Tritthart et al. (2019) enthalten.

Das dreidimensionale hydrodynamisch-numerische Modell RSim-3D löst die Reynolds-Averaged-Navier-Stokes-Gleichungen (RANS) mithilfe der Finiten-Volumen-Methode auf einem unstrukturierten Rechennetz mit polyhedralen Zellen (Tritthart 2005). Die Verknüpfung von Druck- und Geschwindigkeitsfeldern wird mittels SIMPLE-Algorithmus durchgeführt. Die Modellierung der Turbulenz wird mittels des Standard-k-ε-Modells vollzogen (Launder und Spalding 1974).

Das integrierte Sedimenttransportmodell iSed (Tritthart et al. 21,22,a, b) berechnet Geschiebetransport und Schwebstofftransport und daraus die zeitliche Änderung der Morphologie anhand der Koppelung mit einem Hydrodynamikmodell (z. B. RSim-3D). Fünf verschiedene fraktionierte Geschiebetransportformeln mit Expositionskorrektur sind im Modell implementiert. Schwebstofftransport wird mithilfe der Advektions-Diffusions-Gleichung modelliert. Die Sohlevolution wird durch Lösung der Gleichung nach Exner berechnet, wobei ein Mehrschicht-Modell für die Schichtung und Sortierung des Sohlmaterials zur Anwendung kommt.

Das Steintracermodell (Tritthart et al. 2018) basiert auf den Bewegungsgleichungen eines massenlosen Tracers (Tritthart et al. 2009), wobei zwei Adaptierungen vorgenommen wurden. Die erste betrifft die Abweichung des Geschiebetransportvektors aufgrund des Sohlquergefälles von der sohlnahen Strömungsrichtung. Die zweite errechnet die Tracergeschwindigkeit unter Berücksichtigung eines Strömungswiderstands cd und eines Reibungswiderstands cr, wobei deren Verhältnis (k = cr/cd) im Feld einmalig je Korndurchmesser empirisch bestimmt werden muss.

3 Untersuchungsgebiete, Datengrundlagen und Modellaufbau

Im Projekt SEDDON II wurde in Österreich für die Untersuchung der hydro- und morphodynamischen Eigenschaften als Modellgebiet der Abschnitt zwischen Witzelsdorf und Bad Deutsch-Altenburg (W-BDA) gewählt (Abb. 1a, b). Das modellierte Gebiet erstreckt sich von Stromkilometer 1894,0–1884,0. Die laterale Ausdehnung wurde so gewählt, dass Abflüsse bis zu einem HQ1 innerhalb des Modellrands abgebildet werden können. Weitere Modellierungen fanden für SEDDON II in Ungarn zwischen Stromkilometer 1792 und 1802 statt, welche aber nicht in diesem Beitrag vorgestellt werden (Abb. 1a). Im Projekt DREAM SK-AT wurden weitere Modelle im Bereich der Grenzstrecke zwischen Slowakei und Österreich mittels 3D-Modell angewendet (Abb. 1a, b). Das größere Modell (km 1882,0–1872,7) inkludiert im Vergleich zum kleineren (km 1878,0–1872,7) auch den scharfen Rechtsbogen am Zusammenfluss von Donau und March. Bei beiden Modellen wurde die laterale Ausdehnung so gewählt, dass auch Abflüsse bis zu einem HQ100-Ereignis modelliert werden können. In der Grenzstrecke und in der Slowakei wurden außerdem 1D und 2D morphodynamische Modellierungen zwischen dem Zusammenfluss von Donau mit March (km 1880) und Čunovo (km 1851,7) durchgeführt, welche die Grundlage für einen zukünftigen Modellvergleich darstellen (Abb. 1a).

Abb. 1
figure 1

a Übersichtsplan der Modellstrecken in den Projekten SEDDON II und DREAM SK-AT. b Untersuchungsgebiete dieser Studie in Österreich an der Donau östlich von Wien (Orthofoto: viadonau). (Grafik modifiziert nach Glas et al. (2019))

Die Eingangsdaten für die numerischen Donaumodelle, bereitgestellt von viadonau, beinhalteten einen terrestrischen Laserscan-Datensatz aus dem Jahr 2010, eine Stromsohlenaufnahme mittels Multibeam-Messung aus dem Jahr 2018 sowie weitere hydrologische Eingangsdaten (kennzeichnende Wasserstände und charakteristische Durchflüsse der Donau (KWD 2010), Ganglinien bezüglich Durchfluss und Wasserstand an den Pegelstellen Hainburg, Thebnerstraßl und Wolfsthal, Hochwassermarken, Pegelschlüssel bei Hainburg). Aus den Geländeaufnahmen wurden Geländemodelle mittels der räumlichen Interpolationsmethode „Triangulation mit linearer Interpolation“ erstellt. Im Modellabschnitt W‑BDA wurden für die Modelle die Durchflüsse RNQ (Regulierungsniederwasser), MQ (Mittelwasserabfluss), HSQ (Abfluss mit einer Überschreitungsdauer von 1 %, der dem höchsten schiffbaren Wasserstand entspricht) beim Pegel Hainburg verwendet. In der Grenzstrecke (SK-AT) wurden die Durchflüsse RNQ, MQ, HSQ, HQ30 und HQ100 beim Pegel Bratislava für die numerischen Modelle entnommen. HQ30 bzw. HQ100 entsprechen Hochwässern mit einer Durchflussmenge, die im langjährigen statistischen Mittel alle 30 bzw. 100 Jahre erreicht oder überschritten werden.

Im Rahmen der beiden INTERREG Projekte SEDDON II und DREAM SK-AT wurden außerdem Feldmessungen in mehreren Profilen in den beiden Modellstrecken (W-BDA, SK-AT) als Basis für die Erstellung, Kalibrierung und Validierung der numerischen Modelle durchgeführt. Dabei wurden unter anderem Wasserspiegelmessungen mittels D‑GPS, Fließgeschwindigkeitsmessungen mittels ADCP (Acoustic Doppler Current Profiler) und ADV (Acoustic Doppler Velocimeter), Messungen der turbulenten kinetischen Energie mittels ADV, Geschiebetransportmessungen mittels BfG-Sammler und Schwebstoffmessungen mittels US-P61-A1-Sammler durchgeführt. In der Grenzstrecke (SK-AT) wurden zusätzlich volumetrische Proben an 14 Stellen in der Stromsohle entnommen, welche in Kombination mit einem Datensatz des slowakischen Projektpartners VÚVH die Basis für die Belegung des Sedimenttransportmodells darstellten. Außerdem wurde eine Drohnenbefliegung, durchgeführt vom Slowakischen Projektparnter ÚKE SAV, als Basis für die Bestimmung der Vegetationshöhen und der Geländehöhen in den beiden slowakischen Seitenarmen (Devinske rameno, Karloveske rameno, Abb. 1b) verwendet.

Ein unstrukturiertes Rechennetz wurde für beide Modellabschnitte auf Basis polyhedraler Zellen erstellt. Die Maschenweite wurde im Hauptstrom auf 15–20 m festgelegt. In den Uferbereichen, an Strukturen (z. B. Buhnen, Leitwerke, Ufersicherungen) und in den Seitenarmen wurde die Maschenweite bis zu einem Wert von 1–2 m den Gegebenheiten angepasst. Das 3D hydrodynamische Modell wurde außerdem durch 6 Tiefenschichten vertikal diskretisiert.

4 Ergebnisse und Diskussion

4.1 Kalibrierung und Validierung der hydrodynamischen und morphodynamischen Modelle

Generell konnten alle Modelle erfolgreich mittels Messungen im Feld kalibriert und validiert werden. Die hydrodynamischen Modelle in den beiden Donauabschnitten wurden mittels Messungen (ADV, ADCP) bezüglich Fließgeschwindigkeit und turbulenter kinetischer Energie erfolgreich kalibriert und validiert. Abb. 2 zeigt exemplarisch die geringen Abweichungen der gemessenen und modellierten Fließgeschwindigkeiten in der Grenzstrecke (SK-AT) bei Stromkilometer 1874,8.

Abb. 2
figure 2

Differenz der modellierten und gemessenen Fließgeschwindigkeiten (ADCP) in der Grenzstrecke (SK-AT) im Profil bei Stromkilometer 1874,8

Im Zuge der Kalibrierung und Validierung der 3D hydrodynamischen Modelle wurden im Hauptstrom der Modellstrecke W‑BDA höhere absolute Rauigkeiten (ks = 0,03 m) als im Hauptstrom der österreichisch-slowakischen Grenzstrecke SK-AT (ks = 0,01 m) ermittelt. Dies steht im Einklang mit der Tatsache, dass in der Grenzstrecke (SK-AT) aufgrund der Stauwurzel des Kraftwerkes Gabčíkovo etwas geringere Korndurchmesser als in der freien Fließstrecke bei Witzelsdorf und Bad Deutsch-Altenburg (W-BDA) auftreten.

Der scharfe Bogen der Donau an der Marchmündung zeigt einen hohen Fließwiderstandseffekt. Die Vernachlässigung des Bogens im Modell (kleinere Modellgrenze, siehe Abb. 1) führt zu geringeren Wasserspiegellagen (Abb. 3). Der größte Effekt konnte nahe dem Bogen (Stromkilometer 1880,0) für kleinere untersuchte Abflüsse (MQ, HSQ) beobachtet werden. Bei größeren untersuchten Abflüssen (HQ30, HQ100) ist dieser Bogeneffekt aufgrund der stärkeren Ausuferung reduziert. Diese Erkenntnis dient als wichtige Grundlage für die Erstellung von hydrodynamischen Modellen mit scharfen Bögen.

Abb. 3
figure 3

Wasserspiegeldifferenzen in der österreichisch-slowakischen Grenzstrecke zwischen dem größeren Modell inklusive scharfem Bogen an der Marchmündung und dem kleineren Modell exklusive Bogen

Die Sedimenttransportmodelle in den beiden Modellstrecken W‑BDA und in der österreichisch slowakischen Grenzstrecke (SK-AT) wurden außerdem anhand von Geschiebetransport- und Schwebstofftransportmessungen, durchgeführt in den Projekten SEDDON II, DREAM SK-AT sowie in früheren Projekten, ebenso erfolgreich kalibriert und validiert.

4.2 Geschiebetransport und morphologische Änderungen in der staubeeinflussten Grenzstrecke (SK-AT) und in der frei fließenden Strecke bei Witzelsdorf und Bad Deutsch-Altenburg (W-BDA)

Im Projekt DREAM SK-AT wurden der modellierte Geschiebetransport und die modellierte morphologische Änderung zwischen der frei fließenden Strecke (W-BDA) und der österreichisch-slowakischen Grenzstrecke (SK-AT), welche im Bereich der Stauwurzel des slowakischen Wasserkraftwerkes Gabčíkovo liegt, verglichen. Abb. 4 zeigt die Ergebnisse, ermittelt für mehrere Durchflüsse (RNQ, MQ, HSQ, HQ100). Bei kleineren Durchflüssen (RNQ bis HSQ) konnte kein wesentlicher Unterschied bezüglich des Geschiebetransports zwischen den beiden Modellstrecken gefunden werden. Die ermittelten Werte liegen nahe den beiden Durchfluss-Geschiebetransport-Beziehungen nach Liedermann et al. (2017) und Holubova et al. (2004). Außerdem ist auch an den gemessenen Werten an der Straßenbrücke (BDA) eine Variabilität des Geschiebetransports erkennbar (Liedermann et al. 2017). Bezüglich des HQ100-Extremereignisses zeigen die beiden Modellabschnitte jedoch wesentliche Unterschiede. Der Geschiebetransport in der Grenzstrecke (SK-AT) ist bis zu 2,5-mal niedriger als in der frei fließenden Strecke (W-BDA). Die mittleren morphologischen Änderungen im Hauptgerinne bei einer stationären Modellierung über 21 Tage ergaben einen wesentlichen Unterschied, wobei die Grenzstrecke (SK-AT) im Vergleich zur frei fließenden Strecke (W-BDA) hier über alle Durchflüsse im Mittel von Anlandungen charakterisiert ist. Einen möglichen Einfluss stellt der Rückstau des Kraftwerks Gabčíkovo dar. Dieser morphologische Unterschied der beiden Abschnitte konnte auch anhand von Sohlgrundaufnahmen zwischen 2010 und 2015 bestätigt werden.

Abb. 4
figure 4

Unterschiede im Geschiebetransport (a) und in der mittleren Sohlhöhenänderung ∆z im Hauptgerinne (b) in Abhängigkeit vom Durchfluss Q zwischen der Grenzstrecke SK-AT und der frei fließenden Strecke zwischen Witzelsdorf und Hainburg (BDA, W‑BDA). Geschiebemessungen (blaue Kreuze, Liedermann et al. 2017) und Geschiebefunktionen in Abhängigkeit vom Durchfluss sind für die Strecke (BDA) bei Bad Deutsch-Altenburg (blau gestrichelte Sigma-Funktion nach Liedermann et al. 2017) und für die Grenzstrecke (rot punktierte Linie, Holubova et al. 2004) in der linken Abbildung eingetragen. Der modellierte Geschiebetransport (blaue Dreiecke) in der Strecke bei Bad Deutsch-Altenburg (BDA) wurde Liedermann et al. (2017) entnommen (a)

Weitere Untersuchungen mit aktuelleren Datensätzen als Modellierungsbasis sind jedoch für das Verständnis der Unterschiede der frei fließenden Strecke zur stauwurzelbeeinflussten Strecke notwendig, da diverse Maßnahmen stromauf in der unmittelbaren Vergangenheit und Gegenwart, wie z. B. kürzlich implementierte Seitenarm-Anbindungen in Haslau-Regelsbrunn oder im Spittelauer Arm bei Hainburg, sowie ein umfangreiches Geschiebemanagement der viadonau inklusive Geschiebefänge (viadonau 2020) eine wesentliche Änderung der Morphodynamik bewirken können.

4.3 Modellierung von Sedimentmanagementmaßnahmen in der frei fließenden Strecke bei Witzelsdorf und Bad Deutsch-Altenburg (W-BDA)

In diesem Kapitel werden die Ergebnisse aus der numerischen Modellierung bezüglich Sedimentmanagementmaßnahmen in Österreich dargestellt, welche im Wesentlichen den Einfluss von Buhnen auf Hydrodynamik, Morphodynamik und Sedimenttransport sowie die Implementierung einer Geschiebezugabe im Modell beinhalten. Die gewonnenen Erkenntnisse dienen dem Grundlagenverständnis bezüglich der Eintiefungsproblematik in der frei fließenden Strecke der Donau östlich von Wien.

4.3.1 Nachträgliche Bewertung der numerischen Optimierung der Buhnenanordnung im Pilotprojekt Witzelsdorf

Im Projekt DREAM SK-AT wurde eine nachträgliche Bewertung einer numerischen Buhnenoptimierung für das zuvor durchgeführte Pilotprojekt Witzelsdorf (Habersack 2013) vorgenommen. Dieses Pilotprojekt aus dem Jahr 2009 beinhaltete eine Absenkung der Buhnenhöhe, eine Vergrößerung des Buhnenabstands, eine Änderung in eine deklinante Form und eine Absenkung der Buhnenwurzel zur Erreichung der ökologischen Durchgängigkeit bei Niederwasser. Nach Umsetzung der Baumaßnahmen lag die Stromsohle in diesem Bereich um bis zu 1 m höher. In der Folge konnte eine ausreichende Fahrwassertiefe für die Schifffahrt nicht mehr gewährleistet werden, wodurch intensive Baggerungen notwendig wurden (Abb. 5a). Daher wurden im Rahmen des Christian-Doppler-Labors IM FLUSS eine Niederwasseroptimierung anhand einer Vielzahl von numerischen Modellen mit verschiedenen Buhnenvarianten durchgeführt (Habersack et al. 2016). Wesentliche Erkenntnisse bezüglich Buhnengeometrie und deren Wirkung auf die Hydrodynamik und Morphodynamik im Hauptstrom wurden in Glas et al. (2018a) publiziert, wobei sich die Buhnenhöhe als einer der Haupteinflussfaktoren herausgestellt hat. Nach Umsetzung der Buhnenoptimierung im Feld wurden die hydrodynamischen und morphodynamischen Änderungen im Rahmen des Projektes DREAM SK-AT erneut bewertet. Dabei zeigte sich, dass die Modellparameter im Zuge der Modellprognose richtig abgeschätzt wurden und die Buhnenoptimierung zu einem neuen morphodynamischen Gleichgewicht führte (Abb. 5), welches auch mit den Anforderungen der Schifffahrt bezüglich Fahrwassertiefe vereinbar ist (Glas et al. 2018b).

Abb. 5
figure 5

Änderung der Morphologie in der Donau östlich von Wien über die Zeit mit und ohne Einbeziehung des Pilotprojekts Witzelsdorf (a); die gemessene Änderung der Sohlhöhen (m) aufgrund der numerischen Buhnenoptimierung (BO) in der Strecke Witzelsdorf zeigt große relative Erosionen im Hauptstrom entlang des Buhnenfelds gegenüber dem Zustand vor Buhnenoptimierung (b) (Die Grafiken wurden anhand von Glas et al. (2018b) modifiziert)

Diese vielversprechenden Ergebnisse aus der numerischen Modellierung bezüglich der Optimierung der Buhnengeometrie als Sedimentmanagementmaßnahme stellen eine wichtige Grundlage für zukünftige Managementmaßnahmen in der Donau und in anderen großen Flüssen dar.

4.3.2 Einfluss der Buhnen auf die Morphodynamik in der frei fließenden Strecke (W-BDA)

Der generelle Einfluss der Buhnen auf die Morphodynamik wurde im Projekt SEDDON II mittels einer Szenarioanalyse ermittelt. Dabei wurde ein Szenario mit Buhnen mit einem Szenario ohne Buhnen über einen Zeitraum von 7 Wochen Mittelwasserabfluss und einem einwöchigen HQ1-Ereignis auf Basis eines gemessenen Ereignisses aus dem Jahr 2010 verglichen (Glas et al. 2021). Die Modelle wurden erstmalig über mehrere Wochen mittels Modellkopplung zwischen dem Hydrodynamik- und dem Sedimenttransportmodell zu jedem Zeitschritt simuliert. Die Gewässersohle basiert auf einer Stromsohlenaufnahme vom Mai 2018. Das Szenario ohne Buhnen zeigt dabei deutlich höhere Sedimentationen sowohl in der Fahrrinne als auch in der gesamten Strecke (Abb. 6). In der Fahrrinne ist beim Szenario mit Buhnen in etwa dieselbe mittlere Sohlhöhe nach dem Ende der HQ1-Welle zu beobachten, während das Szenario ohne Buhnen eine mittlere Sohlhöhenänderung in der Fahrrinne um bis zu 6,0 cm zeigte. Das Szenario ohne Buhnen hat somit auf dem 10 km langen Flussabschnitt ein Sedimentationsvolumen, welches um 86.523 m3 in der gesamten Strecke von Strom-km 1894,0–1884,0 bzw. um 31.650 m3 in der Fahrrinne gegenüber dem Szenario ohne Buhnen erhöht ist. Diese generellen Ergebnisse zeigen, dass Buhnen eine wichtige Stellschraube für die Erreichung eines morphologischen Gleichgewichts auf gewünschtem Sohlniveau unter Berücksichtigung einer Mindestfahrwassertiefe für die Schifffahrt und der Sohlstabilisierung in frei fließenden Strecken darstellen (Optimierung).

Abb. 6
figure 6

a Modellierte Sohlhöhendifferenzen nach 56 Tagen Simulationsdauer (MQ mit folgender HQ1-Welle) als Farbdarstellung für die Szenarien mit und ohne Buhnen (durchgezogene Linie: Fahrrinnenbreite, gestrichelte Linie: Gesamtbreite). b Mittlere modellierte Sohlunterschiede nach Hochwassersimulation im Zeitverlauf (blau: Szenario mit Buhnen, rot: Szenario ohne Buhnen)

4.3.3 Höhenreduzierung der Buhnenkronen aller Buhnen in der Strecke W-BDA

Bisherige Pilotprojekte in Witzelsdorf und Bad Deutsch-Altenburg haben die Buhnengeometrien jeweils nur in den kurzen Untersuchungsabschnitten entlang der bezüglich Fahrwassertiefe gefährdeten Strecken (Furten) betrachtet. Eine mittlere Höhenänderung aufgrund der Reduktion der Buhnenhöhe aller Buhnen im gesamten Untersuchungsabschnitt auf RNW + 30 cm führt bei einer Simulationsdauer von 3 Monaten zu einer mittleren Netto-Anlandung von 0,004 m in der gesamten Fahrrinne. Diese Anlandungen sind hauptsächlich im Hauptstrom entlang der veränderten Buhnen ersichtlich und entsprechen einem Netto-Volumen von 4724 m3 (Abb. 7). Eine zusätzliche Reduktion der Höhe des linksufrigen Leitwerks zwischen Flusskilometer 1894 und 1893 auf RNW + 0,30 m ergibt eine Netto-Anlandung in der gesamten Fahrrinne von 0,006 m und entspricht einem Netto-Volumen von 7536 m3. Hier ist jedoch anzumerken, dass dieses Modellergebnis mit einer quasi-stationären Berechnung des Sedimenttransports durchgeführt wurde und dass eine zukünftige, vollständig instationäre gekoppelte Modellierung zwischen Hydrodynamik und Sedimenttransport und die Inkludierung des HQ1-Szenarios zur besseren Vergleichbarkeit angedacht ist. Künftig sollen auch Szenarien angedacht werden, welche den Vergleich von abschnittsweisen Buhnenänderungen (wie in den beiden Pilotprojekten) im Vergleich zu einer Änderung der Buhnengeometrie in der gesamten Strecke ermöglichen. Dadurch lässt sich wiederum der Beitrag von Buhnenänderungen zur Sohlstabilisierung unter Berücksichtigung der Mindestfahrwassertiefe (Optimierung) abschätzen. Eine Modellierung flexibler Buhnen, welche die Optimierung hinsichtlich Sohlstabilisierung unterstützen könnte, sollte ebenfalls angedacht werden.

Abb. 7
figure 7

Modellierte Änderungen der Sohlhöhendifferenzen nach 3 Monaten Simulationsdauer (MQ) für eine Variante mit konstanter reduzierter Buhnenhöhe (RNW + 30 cm) im Vergleich zur Nullvariante (Basis Morphologie 2018). Die Buhnen sind mit grünen Polygonen markiert

4.3.4 Modellierung einer Geschiebezugabe in der Strecke W-BDA

Die Implementierung einer Geschiebezugabe im numerischen Sedimenttransportmodell iSed als Teil eines Geschiebemanagements (Implementierung eines Geschiebefangs; Transport des Materials bergauf; Verklappung an ausgewählten Stellen; viadonau 2020) wurde im Rahmen des Projektes SEDDON II getestet. Dazu wurde eine Verklappungsstelle im Hauptstrom am oberen Modellrand ausgewählt. Die mögliche Transportweite bis zum Geschiebefang in der Furt Treuschütt bei Stromkilometer 1888 (viadonau 2020) beträgt somit rund 5 km. Im ersten Versuch wurde auf Basis der jährlichen Geschiebezugabe im Jahr 2016 (viadonau 2020) eine Geschiebezugabemenge von insgesamt 4613 m3, basierend auf einer Simulationsdauer von 3 Monaten, zurückgerechnet und im Modell als konstante Zugabe über die Simulationsdauer (3 Monate MQ) implementiert. Ebenso wurde eine Geschiebeentnahme am Geschiebefang Treuschütt bei Stromkilometer 1888 mit einem Wert von 11.275 m3 (viadonau 2020) über die 3‑monatige Simulationsdauer angewendet. Das Zugabematerial führte jedoch aufgrund der Betrachtung als kompakte Donausohle zu keiner Bewegung, da die Parameter der Meyer-Peter-Müller-Formel (Meyer-Peter und Müller 1948), modifiziert von Tritthart et al. (2011a), im Modell nicht bezüglich kompakter Sohle und losem Zugabematerial unterscheiden kann. Daher wurde ein weiterer Modellierungsansatz einer Geschiebezugabe getestet. Dieser basiert einerseits auf der Berechnung von Transportweiten repräsentativer Korndurchmesser mittels numerischem Steintracermodell (Tritthart et al. 2018) und andererseits auf dem Fixieren der bestehenden Donausohle im Sedimenttransportmodell iSed und dem Aufbringen des Zugabematerials bei gleichzeitiger Erhöhung der Mobilität des Zugabematerials mittels Meyer Peter-Müller-Parameter (Expositionskorrekturfaktor α = 0,20; kritischer Shields-Parameter θ = 0,03). Die Ergebnisse aus dem Steintracermodell (Lagrange’scher Ansatz) dienten somit als Validierung des adaptierten Sedimenttransportmodells (Euler-Ansatz) zur Ermittlung der Anlandungshöhen in der Strecke stromab der Zugabe (Abb. 8). Dieser zweite Ansatz entspricht somit einer lockeren Aufbringung des Zugabematerials auf die bestehende Sohle, wie es in der Praxis auch durchgeführt wird. Weitere Modellversuche zur Verbesserung des Modellansatzes inklusive einer Implementierung eines Geschiebefangs sind geplant.

Abb. 8
figure 8

Modellierte Transportweiten bei der Verklappung repräsentativer Steingrößen mittels Steintracer-Modell (oben) und die Implementierung des Sedimenttransportmodells für das Zugabematerial mit modifizierten Meyer-Peter-Müller-Parameter. Das Verhältnis k = cr/cd für das Steintracermodell wurde empirisch aus Versuchen aus Tritthart et al. (2018) je Steindurchmesser ermittelt

4.4 Vegetationshöhe aus Luftbildaufnahmen zur Verbesserung der Rauigkeitsabschätzung in Seitenarmen

Eine kleinskaligere Betrachtung in den Donaumodellen wurde in den beiden linksufrigen Seitenarmen in der österreichisch-slowakischen Grenzstrecke durchgeführt. Diese beiden Seitenarme wurden im Zuge von Renaturierungsmaßnahmen zwischen 2014 und 2015 ab einem Durchfluss von ungefähr 1500 m3/s teilweise wieder angebunden. Dabei wurden die Einläufe verbreitert und eingetieft bzw. Hindernisse (Brücken, Sedimente) im Seitenarm entfernt. Diese Verbesserung von Wiederanbindungsmaßnahmen von Seitenarmen ist gut mit hydrodynamischen Modellen bewertbar. Jedoch gibt es oft Probleme aufgrund unzureichender Datenlage bezüglich der Vegetation. Im Projekt DREAM SK-AT wurde eine neue Methode zur Klassifizierung von Vegetationshöhen aufgrund von Luftbildaufnahmen erprobt (Glas et al. 2022). Die Luftbildaufnahmen inklusive Laserscan und Photogrammetrie wurden im Rahmen des Projekts erstellt und ausgewertet. Anschließend wurden die ermittelten Vegetationshöhen als Eingabedaten für die Rauigkeit im 3D hydrodynamischen Modell verwendet (Abb. 9).

Abb. 9
figure 9

a Ergebnis der Klassifizierung der Vegetationshöhen. Sohlschubspannung, ermittelt mit dem 3D hydrodynamischen Modell im slowakischen Seitenarm „Devinske rameno“ zwischen Stromkilometer 1879,5 und 1878 für den Zustand vor (b) und nach (c) der Anwendung der neuen Methode zur Klassifizierung von Vegetationshöhen

Die bessere Abschätzung der Hydrodynamik hat das Potenzial, die Datenbasis für weitere Auswertungen und Modellierungen bezüglich Sedimenttransport, Morphologie, Habitatmodellierungen (z. B. Hauer et al. 2011) oder Fischlarvenmodelle (z. B. Glas et al. 2020, 2017) in Uferzonen, Seitenarmen und Überschwemmungsgebieten zu verbessern. Zukünftig soll außerdem die Klassifizierung der Vegetationshöhen mittels Deep-Learning-Algorithmen zur Anwendung kommen, wodurch die Rauigkeitsabschätzung für die hydrodynamischen Modellierungen weiter verbessert werden kann.

5 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

In dieser Studie kamen innovative Modellierungswerkzeuge für Hydrodynamik, Sedimenttransport und Morphologie in Verbindung mit Feldmessungen zur Anwendung, welche im Rahmen der Projekte DREAM SK-AT (Interreg V‑A Slowakei – Österreich) und SEDDON II (Interreg V‑A Österreich – Ungarn) durchgeführt wurden. Wesentliche Unterschiede bezüglich Geschiebetransport und Morphodynamik zwischen der frei fließenden Strecke der Donau östlich von Wien (W-BDA) und der von der Stauwurzel des Kraftwerks Gabčíkovo beeinflussten Grenzstrecke (SK-AT) konnten für die Geometrie von 2018 identifiziert werden. Die Grenzstrecke (SK-AT) wies dabei ein höheres Anlandungspotenzial bei allen Modellabflüssen sowie einen geringeren Geschiebetransport bei einem HQ100-Ereignis als in der stromauf liegenden frei fließenden Strecke auf. Die jüngere Entwicklung der Morphodynamik in der Grenzstrecke (SK-AT) sollte jedoch aufgrund veränderter Bedingungen im Bereich der frei fließenden Strecke (neue Seitenarmanbindungen bzw. adaptiertes Geschiebemanagement) in Zukunft neu bewertet werden.

Geschiebemanagementmaßnahmen in der Donau wurden ebenfalls mittels numerischer Modelle untersucht. Das bereits umgesetzte Pilotprojekt in Witzelsdorf (Stromkilometer 1894 bis 1891) wurde nachträglich bezüglich der Optimierung der Buhnen erfolgreich bewertet. Außerdem wurde der starke Einfluss von Buhnen auf die Morphologie in der Donau durch ein Vergleichsszenario ohne Buhnen und ein Szenario mit abgesenkten Buhnen numerisch bestätigt. Die Änderung der Buhnengeometrie kann somit einen wesentlichen Beitrag zu einem Geschiebemanagement und zur Sohlstabilisierung in frei fließenden Strecken leisten, jedoch kann es auch bei zu großen Änderungen der Buhnengeometrie zu übermäßig starken Anlandungen und zu einer Verschlechterung der Fahrwassertiefe für die Schifffahrt kommen. Dies wurde auch durch das starke Anlandungspotenzial bei gänzlicher Herausnahme der Buhnen im numerischen Modell gezeigt und unterstreicht somit das Potenzial von numerischen Modellen zur Optimierung der Buhnengeometrien als Geschiebemanagementmaßnahme. Weitere hydrologische Szenarien und Langzeitwirkungen – insbesondere bezüglich Klimawandelanpassungsstrategien in Richtung Hochwasser und Trockenheit sowie bezüglich der Auswirkungen auf Ökologie und Biodiversität und der Vorbeugung von Katastrophenrisiken – sollten jedoch in Zukunft mittels hybrider Modelle (numerisch & physikalisch) bezüglich des Potenzials als Geschiebemanagementmaßnahme untersucht werden.

Ein Geschiebemanagement, bestehend aus Entnahme von Material und Verklappung stromauf, wurde im numerischen Modell erstmals implementiert, wobei auch hier klimarelevante Anpassungen bzw. auch das Abriebverhalten in Zukunft Berücksichtigung finden sollen. Die neue Methode zur Ermittlung der Vegetationshöhen in Seitenarmen zeigte auch vielversprechende neue Wege zur Verbesserung der numerischen Modelle in Verbindung mit Vegetation, wobei hier zukünftig auch KI-gestützte Algorithmen zur automatischen Erkennung der Vegetation zur Anwendung kommen können.

Zusammenfassend können die hier gewonnenen Erkenntnisse in Zukunft dazu dienen, die Grundlagenforschung im Bereich Hydrodynamik, Sedimenttransport und Morphodynamik voranzubringen bzw. die angewandte Forschung bezüglich Maßnahmenplanung und -bewertung im Wasserbau bezüglich der Renaturierung von Flüssen und deren Überflutungsflächen weiterzuentwickeln, wobei Klimawandelanpassungsstrategien und Maßnahmen zur Vorbeugung von Katastrophenrisiken zentral berücksichtigt werden sollen. Im Speziellen können die Erkenntnisse und Werkzeuge aus dieser Studie zur Entwicklung und Implementierung von flussbaulichen Maßnahmen im Bereich der frei fließenden Donau östlich von Wien bzw. in Ungarn sowie in der stauwurzelbeeinflussten Strecke der Donau (SK-AT) dienen.