1 Einleitung

Wie viele andere Flüsse erfuhren auch Mur, Drau und Donau zahlreiche Regulierungsarbeiten entlang ihres Laufs. Obwohl noch freie Fließstrecken vorhanden sind, verhindern Querbauwerke in den Oberläufen Geschiebeeintrag in diese Abschnitte, wobei der Geschiebemangel durch zusätzliche Kiesbaggerungen verstärkt wurde. Zusätzlich bewirkten Längsverbauungen, die für den Hochwasserschutz, die Schiffbarmachung und zur Gewinnung landwirtschaftlicher Nutzflächen errichtet wurden, durch die Verschmälerung und die Laufverkürzung eine höhere Transportkapazität. Die Abtrennung des Flusses von den Auen hatte ökologische Auswirkungen, die durch die Sohleintiefung aufgrund Geschiebemangels zusehends verstärkt wurden (Habersack und Piégay 2007).

Die Unterläufe der Mur, Drau und Donau verlaufen im TBR entlang der Grenzen Österreichs, Sloweniens, Ungarns, Kroatiens und Serbiens und stellen eines der wichtigsten Flussökosysteme Europas dar. Die drei Flüsse bilden einen 700 km langen „grünen Gürtel“ und verbinden fast 1.000.000 ha wertvoller Natur- und Kulturlandschaften, einschließlich 3000 km2 Natura-2000-Gebiete.

Der MDD-Biosphärenpark beinhaltet die Mur zwischen Spielfeld und der Einmündung in die Drau (143 km Länge), die Drau von Ormož an der slowenisch-kroatischen Grenze bis zur Einmündung in die Donau (306 km Länge) und die Donau zwischen der Sio-Einmündung und Backa Palanka (216 km Länge) (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Karte des 5‑Länder-Biosphärenparks „Mur-Drau-Donau“ mit Einteilung nach morphologischen Flusstypen (schwarz; strichliert)

Diese Sedimentstudie bildet gemeinsam mit Partnerstudien zu Flussverbauungen, zu Fischen, uferbrütenden Vögeln und abiotischen Faktoren wie Klimawandel und Sedimentmobilisierung die wissenschaftliche Grundlage für langfristige Schutz- und Renaturierungsziele, die als TBR-MDD-Fließgewässer-Revitalisierungsstrategie formuliert wurden.

2 Grundlagen

Flüsse wie Mur, Drau und Donau im TBR MDD fließen in ihrem eigenen Alluvium; das Flussbett wird durch das von den Flüssen transportierte Sediment gebildet. Dementsprechend hängt die Morphologie, einschließlich der Höhenlage des Flussbetts, vom Sedimentregime der Flüsse ab, das durch die Größe, Menge und Sortierung der Sedimente bestimmt wird (Church 2006) (Abb. 2). Der wiederholte Transport und die unterschiedlichen Transportkapazitäten im Gerinne sind die Voraussetzungen für die Entwicklung und Aufrechterhaltung der Morphologie.

Abb. 2
figure 2

Darstellung der Breitenentwicklung mit der Talachse (rot; strichliert), den Talachsenprofilen (rot, solid) und der durchflossenen Teilbreite (blau)

Eine Verringerung der Sedimentzufuhr kann bewirken, dass sich eine verzweigte Morphologie zu einem Einzelgerinne verschmälert.

Zusätzlich haben Eingriffe wie Längsverbauungen (Verschmälerungen und Begradigungen) direkten Einfluss auf die Sohlschubspannung. Die meisten Formeln zur Berechnung der Transportkapazität beruhen auf dieser Größe (z. B. Wong und Parker 2006), die vereinfacht wie folgt berechnet werden kann:

$$\tau =\rho ghS$$
(1)

Wobei τ  = Sohlschubspannung, ρ  = Dichte Wasser, g  = Erdbeschleunigung, h  = Wassertiefe und S  = Sohlgefälle.

Gl. 1 zeigt die Auswirkungen von Breite und Gefälle: Bei geringerer Breite nimmt die Wassertiefe zu, was wiederum eine Erhöhung der Schubspannung zur Folge hat. Ebenso bewirkt eine Erhöhung des Gefälles, wie etwa durch Laufverkürzung (bzw. Verringerung der Sinuosität), eine Erhöhung der Schubspannung.

3 Methodik

Im Folgenden werden die Methodiken zu den untersuchten Parametern erklärt. Diese umfassen die Analyse der Grundrissform (Änderung in der Lauflänge, Breite, Anzahl der Seitenarme, Sinuosität), Eintiefungsanalysen anhand von Niederwasseranalysen durch Pegeldaten, Änderungen im Sedimenttransport und Sedimentbudget. Während manche Parameter für den gesamten TBR-Bereich verfügbar waren (Pegeldaten, historisches und aktuelles Mapping), waren andere nur in einzelnen Abschnitten vorhanden (z. B. wiederholte Querprofilvermessungen).

3.1 Analyse von Grundrissänderungen

Die Grundlage dieser Analysen bildeten größtenteils historische Karten der Zweiten Militärischen Landesvermessung der Habsburgermonarchie (begonnen 1815) sowie abschnittsweise Karten der Ersten Militärischen Landesvermessung zwischen 1736 und 1787, in Bereichen, wo die Flusslandschaft zum Zeitpunkt der Zweiten Militärischen Landesvermessung bereits stark anthropogen verändert war (Schwarz 2022). Diese Karten wurden im Rahmen dieses Projekts von Schwarz (2022) digitalisiert und gegenwärtigen Karten aus 2013 (Schwarz 2013) gegenübergestellt. Aufgrund der starken Abweichung der Flussläufe im historischen und aktuellen Zustand wurden, um die Vergleichbarkeit zu gewährleisten, die Talachsen anstatt der Flussachsen als gemeinsamer Bezug festgelegt, die von Schwarz (2022) über topografische Karten ermittelt und zur Verfügung gestellt wurden.

Für die Analyse der durchflossenen Breiten wurden entlang der Talachsen orthogonale Linien in 500 m Abständen gezogen, an deren Schnittpunkten mit den Flussarmen jeweils die Breite normal zur Fließrichtung im jeweiligen Arm gemessen wurde (Abb. 2).

Im Zuge der Breitenanalyse wurde zusätzlich die Anzahl der durchflossenen Arme ermittelt.

Die Längenänderung ergab sich aus der Differenz der Längen der historischen und der aktuellen Flussachse, wobei in verzweigten Abschnitten jeweils nur ein Hauptarm von mehreren herangezogen wurde. Der Quotient aus den Längen der Flussachsen und der jeweiligen Talachsen ergibt die Sinuosität. Weiters wurde die Änderung des Gefälles aufgrund der Laufverkürzung berechnet. Bei der Darstellung der Ergebnisse wurde teilweise auf die historischen morphologischen Flusstypen eingegangen, um die Bedeutung von Parameteränderungen besser einordnen zu können.

3.2 Analyse der Sohllagenänderung

Für die Identifizierung von Trends in der Entwicklung der Sohllage sind langjährige Aufzeichnungen an derselben Stelle erforderlich. Profilvermessungen lassen eine direkte Bestimmung der Sohllage zu, sind jedoch nur zeitlich und räumlich begrenzt verfügbar. Hier bieten sich Pegeldaten an, die im Projektgebiet in regelmäßigen Abständen entlang der drei Flüsse verfügbar waren und teilweise bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts zurückreichen.

Die in Abb. 3 dargestellten Pegelmessstellen wurden auf den jährlich maximalen, minimalen und mittleren Wasserstand untersucht und Trends dargestellt. Besonders die Entwicklung des jährlichen minimalen Wasserstands lässt einen Rückschluss auf die Sohleintiefung zu.

Abb. 3
figure 3

Zur Analyse der Sohleintiefung herangezogene Pegelmessstellen

3.3 Sedimenttransport und Sedimentbudget

Daten zum Schwebstofftransport im Projektgebiet lagen an 12 Messtellen vor, von denen sieben über einen längeren Zeitraum verfügbar waren: Mureck und Gorican an der Mur, Botovo, Terezino Polje und Donji Miholjac an der Drau und Dombori und Mohacs an der Donau. Mit diesen Daten wurden mittlere jährliche Schwebstofffrachten berechnet. Aufzeichnungen zum Geschiebetransport lagen bei Letenye, Botovo, Belavar, Barcs und Dravaszabolcs im Zeitraum zwischen 1986 und 2003 vor.

Wiederholte Profilvermessungen über 40 Jahre entlang der Grenzmur zwischen Österreich und Slowenien ermöglichten die Berechnung eines Sedimentbudgets von 1974 bis 2006.

4 Ergebnisse

4.1 Analyse von Grundrissänderungen

Der Hauptstrom der Mur im TBR wies im Referenzzustand eine Länge von 158 km auf, 2013 betrug die Gesamtlänge 143 km, was einer Abnahme der Länge und damit der Sinuosität von 9 % entspricht. Die Fließlänge der Drau reduzierte sich von historischen 472 km um 35 % auf 306 km, die Donau wurde um 23 % verkürzt und betrug 2013 nur mehr 216 km verglichen mit 282 km im Referenzzustand (Abb. 4a.).

Abb. 4
figure 4

a Vergleich der Flussachsenlängen im historischen (~ 1815–1850) und aktuellen Zustand; b Relative Änderung der Sinuosität in den morphologischen Abschnitten der Mur (M1, M2, M3), Drau (Dr1, Dr2, Dr3) und Donau (D1, D2)

Am stärksten betroffen von den Laufverkürzungen ist an der Drau der morphologische Abschnitt Dr3 zwischen Hereszny und der Mündung in die Donau, der historisch von hoher Sinuosität geprägt war. Die Fließlänge in diesem Abschnitt beträgt mit 188 km nur mehr 60 % der ursprünglichen 316 km. Entlang der Mur erfuhr M1, in dem die Grenzmur liegt, die größte Veränderung (−18 %), entlang der Donau der Abschnitt D1 flussauf von der Draumündung (−33 %), flussab davon verläuft der Hauptstrom – bis auf einen Mäanderdurchstich – großteils unverändert.

Bei der Untersuchung der Breitenänderung wurden zwei Breiten berücksichtigt: zum einen die gesamte durchflossene Breite als Summe der Breiten der einzelnen Teilarme normal zur Fließrichtung und zum anderen die Breite des gesamten Flusssystems als Distanz zwischen den äußeren Uferkanten der jeweils am äußersten gelegenen, durchflossenen Seitenarme.

Die durchflossenen Breiten der Mur sind in Abb. 5 dargestellt, wobei historische Breiten grau und die gegenwärtigen Breiten schwarz gefärbt sind.

Abb. 5
figure 5

Durchflossene Breiten entlang der Mur im historischen (~ 1815–1850; grau) und gegenwärtigen Zustand (schwarz)

Die mittlere durchflossene Breite beträgt nach dieser Auswertemethode im gegenwärtigen Zustand 72,9 m, was, verglichen mit der historischen Breite von 175,5 m, einer Reduktion von 59 % entspricht. Die einzelnen morphologischen Abschnitte weichen hier nur geringfügig voneinander ab; so beträgt die relative Änderung im vormals verzweigten Abschnitt M1 −61 % und in M2 und M3, die historisch einem Übergangstypen zwischen verzweigt und mäandrierend bzw. einem mäandrierendem Flusstypen entsprechen, rund −56 %. Besonders abgenommen hat die Variabilität der Breiten in den einzelnen Abschnitten, so betrug die Standardabweichung in M1 im historischen Zustand noch 60,8 m, während diese gegenwärtig nur mehr 13,6 m beträgt.

Die durchflossenen Breiten der Drau weichen in den einzelnen morphologischen Abschnitten stark voneinander ab (Abb. 6).

Abb. 6
figure 6

Durchflossene Breiten entlang der Drau im historischen (~ 1815–1850; grau) und gegenwärtigen Zustand (schwarz; drei Lücken in Dr1 aufgrund der Stauräume)

Der Bereich Dr1 flussauf der Einmündung in die Mur ist heute von den drei großen Stauseen Ormož, Čakovec und Dubrava und deren Kraftwerksausleitungen geprägt. Historisch betrachtet war diese Strecke von einem furkierenden Flusslauf gezeichnet, entsprechend drastisch fällt der Vergleich der historischen Breiten mit der aktuellen Fließbreite aus. Von historischen 374,25 m verringert sich die Breite auf 81 m, was einer Reduktion von 78 % entspricht. Hier wurde im gegenwärtigen Zustand entlang der Kraftwerkszuleitungen nur die Restwasser-führende alte Drau als morphologisch relevant angesehen und im Vergleich herangezogen. Die Stauseen selbst wurden ebenfalls nicht berücksichtigt. Flussab der Mureinmündung entsprach die Drau historisch einem flussmorphologischen Übergangstyp zwischen verzweigt und mäandrierend. Aktuell beträgt die mittlere durchflossene Breite in diesem Bereich mit 195 m nur mehr rund 50 % der historischen 383 m. Im Abschnitt Dr3 beträgt die aktuelle Breite im Durchschnitt 198 m, was verglichen mit 230 m in den historischen Karten einer Reduktion von rund 14 % entspricht. Die verhältnismäßig geringe Änderung hat liegt daran, dass die Drau hier einem mäandrierenden Flusstypen entspricht; Regulierungsarbeiten machen sich hier vor allem in der Laufverkürzung und in der Reduktion der Sinuosität bemerkbar.

Die Situation entlang der Donau im TBR MDD ist in Abb. 7 dargestellt.

Abb. 7
figure 7

Durchflossene Breiten entlang der Donau im historischen (~ 1815–1850; grau) und gegenwärtigen Zustand (schwarz)

Im oberen Abschnitt der Donau im TBR fällt auf, dass die Breite teilweise über jener im historischen Zustand liegt; der Grund hierfür ist, dass die Regulierungsbreite in diesen Abschnitten über der natürlichen Breite der Donau liegt, die hier historisch aus zwei mäandrierenden Haupt- und weiteren Seitenarmen bestand. Die mittlere Breite reduziert sich hier um 14 % von 567 auf 485 m. Im vormals verzweigten Abschnitt D2 erfuhr die Donau eine Breitenreduktion von 22 %, was vor allem an der Abtrennung der zahlreichen Seitenarme liegt. Die historisch durchflossene mittlere Breite von 661 m reduziert sich auf 513 m im aktuellen Zustand.

Zusätzlich wurde die Gesamtbreite der Flusssysteme analysiert, welche als die Distanz zwischen den jeweiligen Außenufern der äußeren durchflossenen Seitenarme definiert wurde (Tab. 1).

Tab. 1 Gesamtbreite der Flusssysteme mit Standardabweichung

Neben der Breitenreduktion zeigt die Änderung in der Anzahl der Flussarme im Talachsenprofil den anthropogenen Einfluss deutlich auf (Abb. 8).

Abb. 8
figure 8

Vergleich der Anzahl der Seitenarme der Mur, Drau und Donau im historischen (~ 1815–1850; grau) und aktuellen Zustand (schwarz)

Nach zahlreichen Regulierungsarbeiten verläuft die Mur im aktuellen Zustand entlang 94 % ihrer Fließstrecke im TBR in einem Einzelgerinne. Im historischen Zustand war das nur entlang 20 % der Fall, großteils teilte sich der Durchfluss auf zwei (28 %), drei (20 %) oder mehr (31 %) Seitenarme auf. Entlang der Grenzmur bildete die Mur historisch sogar bis zu neun Arme aus. Verzweigte Systeme mit vier oder mehr Armen sind im aktuellen Zustand verschwunden.

Die historische Drau verlief zu 45 % in einem Gerinne, was an der mäandrierenden Natur der unteren Drau in Dr3 liegt. Regulierungen und die Errichtung der Kraftwerke in den vormals verzweigten Abschnitten erhöhen den Einzelgerinne-Anteil an der gesamten Fließstrecke auf 74 %. Bereiche mit mehr als 4 Seitenarmen sind auch hier nahezu gänzlich verschwunden.

Im Referenzzustand verlief die Donau entlang 21 % ihres Laufes in einem Einzelgerinne, entlang 27 % in zwei Teilgerinnen und entlang 21 % in drei. Entlang 30 % ihres Laufes im TBR bestand die Donau im Referenzzustand aus 4 oder mehr Teilgerinnen. Im aktuellen Zustand besteht der Flusslauf zu 58 % aus einem Einzelgerinne und zu 36 % aus zwei Teilgerinnen, in vier Teilgerinnen verläuft sie nur selten.

Je nach morphologischem Flusstyp ist die Auswirkung der Verbauungen in verschiedenen Parametern unterschiedlich deutlich sichtbar. So fällt in mäandrierenden Systemen die Änderung in der Sinuosität deutlich aus, während in verzweigten Flussabschnitten die Änderung in der Anzahl der Seitenarme aussagekräftiger ist (Abb. 9a).

Abb. 9
figure 9

a Änderung in der Anzahl der Flussarme für vormals verzweigte Abschnitte (blau) und Änderungen in der Sinuosität für vormals mäandrierende Systeme (rot); b Verbauungsgrad als verbaute Länge je Flusssegment (Schwarz 2022)

Die Gegenüberstellung der Änderungen in der Sinuosität und der Anzahl der Seitenarme mit dem Verbauungsgrad (Abb. 9b, Schwarz 2022) lässt eine Korrelation deutlich erkennen, besonders im Bereich der Grenzmur und entlang der Drau bis zum Zusammenfluss mit der Mur. Abschnitte mit hohem Sinuositätsverlust bedeuten jedoch nicht unbedingt einen hohen Verbauungsgrad, zumindest nicht nach dieser Art der Errechnung. Das liegt daran, dass die alleinige Befestigung von Außenufern von Mäanderbögen verglichen mit der gesamten Uferlänge im Segment rechnerisch einen günstigen Verbauungsgrad ergibt; tatsächlich reicht in mäandrierenden Systemen diese Art der Verbauung jedoch bereits aus, um eine natürliche morphologische Entwicklung zu unterbinden (Schwarz 2022).

Die gesamte Uferlänge der Mur, Drau und Donau im TBR beträgt ungefähr 1350 km, wovon 538 km durch Blockwurf verbaut sind. Berücksichtigt man eine Einflusslänge von 300 m je Buhne, so erhöht sich die verbaute Uferlänge um weitere 200 km, also insgesamt auf 55 % der gesamten Uferlänge. Wird zusätzlich der Fixierung des Laufs durch einseitige Verbauung an Außenbögen Rechnung getragen, können die drei Flüsse letztlich im gesamten TBR (bis auf vereinzelte freie Mäanderbögen) als verbaut angesehen werden (Schwarz 2022).

4.2 Sedimenttransport

Im TBR waren an sieben Stationen mehrjährige Daten zum Schwebstofftransport verfügbar. An den meisten Stationen gehen die Aufzeichnungen jedoch nicht weit genug zurück, um signifikante Aussagen zu Änderungen im Transportverhalten treffen zu können; an diesen Stationen wurden die aktuellen mittleren jährliche Transportfrachten bestimmt (Tab. 2).

Tab. 2 Mittlere jährliche Schwebstofffrachten an Messstellen der Mur, Drau und Donau

Tamas (2019) führte den Anstieg der mittleren jährlichen Schwebstofffracht von Botovo bis Terezino Polje auf die Staudämme und die Veränderung der Flussbettzusammensetzung zurück: Durch den Sedimentrückhalt der Kraftwerke ist die Drau flussab relativ frei von Schwebstoff und kann aufgrund des Kiesbetts bis Terezino Polje nicht viel Feinsediment loslösen. Die Sohlzusammensetzung ändert sich flussab von Terezino Polje, weswegen dort der Schwebstofftransport zunimmt. Weiter flussab nimmt die Gewässerbreite zu und es kommt aufgrund der geringeren Transportkapazität zur Sedimentation, weswegen bei Donji Miholjac wieder weniger Schwebstofftransport aufgezeichnet wird.

Drei Messstellen an der Drau – Varaždin, Botovo und Donji Miholjac – lassen durch langjährige Aufzeichnungen (z. B. seit 1967 bei Botovo) Auswirkungen der Kraftwerkserrichtungen an der oberen kroatischen Drau auf den Schwebstofftransport erkennen, wie bei Botovo (Abb. 10) ersichtlich.

Abb. 10
figure 10

Jährliche Schwebstofffrachten der Drau bei Botovo mit den Errichtungszeitpunkten der Kraftwerke Varaždin, Čakovec und Dubrava

Während in Botovo in den acht Jahren vor dem Bau des Kraftwerks Varaždin 1975 eine durchschnittliche Schwebstoffjahresfracht von über 1 Mio. t/Jahr gemessen wurde, reduziert sich diese nach der Errichtung des Damms um 17 %. Der Bau des KW Čakovec 1982 reduziert diese transportierte Jahresfracht weiters um 55 %. Im Zeitraum nach der Errichtung des Dubrava-Staudamms 1989 bis 2019 beträgt die mittlere jährliche Schwebstofffracht bei Botovo mit 305.287 t/Jahr nur mehr 30 % der ursprünglichen 1.001.186 t vor dem Bau des Kraftwerks Varaždin. 70 km weiter flussab bei Donji Miholjac wird der Sedimentrückhalt durch die Staudämme sogar noch deutlicher: Während der Bau des KW Varaždin sich in der Ganglinie wenig bemerkbar macht, so sinkt die mittlere jährliche Schwebstofffracht nach der Errichtung von Čakovec und Dubrava von 1.302.267 t/Jahr auf lediglich 250.623 t/Jahr, was 19 % der ursprünglichen Fracht vor dem Bau des KW Varaždin entspricht. Die ursprünglich transportierten Frachten dürften wohl noch deutlich darüber liegen, da die Stauketten an der Unteren Drau in Österreich und Slowenien bereits zwischen 1918 und 1988 errichtet wurden.

Daten zum Geschiebetransport der Drau wurden von Rákóczi und Szekeres (2004) bei Botovo, Bélavár, Barcs und Drávaszabolcs für den Zeitraum zwischen 1986 und 2003 erhoben (Tab. 3).

Tab. 3 Mittlere jährliche Geschiebefrachten der Drau zwischen 1986 und 2003 (Rákóczi und Szekeres 2004)

Der Geschiebetransport wurde ebenfalls an der Mur bei Letenye zwischen 1986 und 2003 gemessen, wobei in diesem Zeitraum im Jahresmittel 27.588 t/Jahr transportiert wurden. An der Grenzmur zwischen Österreich und Slowenien beläuft sich die Transportkapazität auf ca. 45.000 m3/Jahr (~ 83.000 t/Jahr) (Klösch et al. 2021), bei nahezu keinem Geschiebeeintrag von flussauf (Hengl et al. 2001). Auswertungen von Profilvermessungen der Grenzmur zwischen 1974 und 2006 ergaben für diesen Zeitraum einen Geschiebeaustrag von insgesamt 860.000m3 bei vernachlässigbarem Eintrag.

4.3 Entwicklung der Sohllagenhöhe

Basierend auf den jährlichen Minimum‑, Maximum- und Mittelwerten der Wasserspiegellage lässt sich auf die Entwicklung der Sohllage rückschließen. Aufgrund der häufigen Verfügbarkeit auch über sehr lange Zeiträume stellen sie eine gute Datengrundlage dar, um Eintiefungstendenzen über ganze Flussläufe abzuschätzen. Insgesamt standen entlang der Mur Daten von vier Pegelmessstellen, entlang der Drau von zwölf und entlang der Donau von acht Pegelmessstellen zur Verfügung (Abb. 11).

Abb. 11
figure 11

Durchschnittliche Änderungsraten der Sohllage zwischen 1993 und 2019 basierend auf Niederwasseranalysen

Die erste Messstelle an der Mur ist Mureck, wo der Niederwasserspiegel in den letzten 45 Jahren bis 2019 insgesamt 17,7 cm gesunken ist, was einer jährlichen Eintiefungsrate von 0,4 cm/Jahr entspricht.

Die Eintiefung am Pegelprofil selbst scheint jedoch nicht für den ganzen Abschnitt repräsentativ zu sein. 3 km weiter flussab etwa zeigen Profilanalysen weitaus höhere Eintiefungsraten, wobei die Erosion des quartären Kieses bereits so weit fortgeschritten ist, dass ein Sohldurchbruch droht, wodurch es durch die hohe Erodierbarkeit des darunterliegenden tertiären Feinmaterials innerhalb eines Hochwasserereignisses zur starken Sohlerosion kommen kann. Betrachtet man die Jahre 1993 bis 2019, so liegen die jährlichen Änderungen in der Sohllage zwischen 0,1 cm (Letenye) und −1 cm (Petanjci).

Entlang der Drau liegen die jährlichen Eintiefungsraten zwischen 1993 und 2019 zwischen 0,1 und 2 cm, wobei in diesem Zeitraum auch Anlandungen auftreten, wie bei Novo Virje (0,3 cm/Jahr) und bei Šemovec in der Restwasserstrecke flussab des Dubrava Staudamms (0,3 cm/Jahr). Betrachtet man den 10-Jahres-Trend zwischen 2010 und 2019, so weisen alle Messstellen bis auf Šemovec und Varaždin Sohlhöhenänderungen von min. −1 cm/Jahr auf (Abb. 12).

Abb. 12
figure 12

Entwicklung des minimalen (blau), maximalen (rot) und mittleren (grün) jährlichen Pegelstands bei Terezino Polje zwischen 1925 und 2019

Die Niederwasserspiegellagen an den Pegelmessstellen entlang der Donau zeigen ein deutliches Bild: Die Messstelle Dombori weist seit 1950 eine Gesamteintiefung von 1,2 m auf (Abb. 13); die Messstelle Paks flussauf des TBR 1,6 m.

Abb. 13
figure 13

Entwicklung des minimalen (blau), maximalen (rot) und mittleren (grün) jährlichen Pegelstands bei Dombori zwischen 1950 und 2020

Im Zeitraum 1993–2019 liegen die Eintiefungsraten an allen neun Messstellen über 1,8 cm/Jahr und reichen bis zu 3,1 cm/Jahr (Dalj).

5 Schlussfolgerung

Die Flusslandschaften im Biosphärenpark waren historisch von breiten, verzweigten bis hin zu mäandrierenden Flusstypen geprägt. Menschliche Eingriffe in diese Systeme, wie Ufersicherungen oder Querbauwerke zur Energieerzeugung, wie etwa im oberen Drau-Abschnitt, haben die Landschaft nachhaltig verändert. Ursprünglich verzweigte Systeme mit zahlreichen Seitenarmen und Gesamtbreiten von mehreren Kilometern wurden in schmale Korridore gezwängt, eine laterale Eigendynamik zum Großteil unterbunden. Einzelne freie Fließstrecken sind im TBR jedoch noch zu finden.

So wurde etwa die Mur an der Grenze Österreich – Slowenien auf 40 % ihrer ursprünglichen durchflossenen Breite reduziert; die durchschnittliche Breite des gesamten Flusssystems zwischen den äußeren durchflossenen Seitenarmen sogar auf 9 %. Die durchschnittliche Breitenreduktion der gesamten Mur liegt bei −59 %, der Drau bei −40 % und der Donau bei −29 %. Bei der Betrachtung der Gesamtbreite der Systeme liegt dieser Wert bei −89 % (Mur), −82 % (Drau) und −77 % (Donau).

Begradigung durch Mäanderdurchstiche und fixierte Außenbögen führten zur Laufverkürzung und damit zu einer Sinuosität, die im Vergleich mit dem historischen Zustand um bis zu 40 % verkleinert wurde (im Abschnitt der unteren Drau). Heute verlaufen die Flüsse über den Großteil ihrer Fließstrecke im TBR in einem einzelnen Gerinne, während im Referenzzustand verzweigte Bereiche mit bis zu neun Teilarmen zu finden waren.

In Kombination mit der durch Querbauwerke beschränkten Geschiebezufuhr von den Oberläufen führen die Änderungen in den oben genannten morphologischen Parametern zur Eintiefung der Flusssohle, wie die Entwicklungen der minimalen jährlichen Wasserstände im TBR zeigen. So liegt die Dicke der quartären Kiesschicht an der Grenzmur teils nur mehr bei einem halben Meter; manche Draupegel weisen seit Beginn der Aufzeichungen Eintiefungen von 2,7 m (Terezino Polje) auf – mit aktuellen mittleren jährlichen Eintiefungsraten von bis zu 2 cm – und die Pegel der Donau indizieren über den Zeitraum 2010 bis 2019 im jährlichen Durchschnitt 2–3 cm Eintiefung.

Bei der Planung von Renaturierungen ist neben der Platzbereitstellung auch der Geschiebeeintrag ein zentrales Thema. Während langfristig die Herstellung der Konnektivität ein Ziel sein muss, kann aktuell das Einbringen von im Zuge der Renaturierungsarbeiten entnommene Material flussauf dem Fluss eigendynamisches Umlagern ermöglichen. Bei ausreichend Platzverfügbarkeit kann eine stabile Flusssohle sowohl durch Erhöhung der durchflossenen Breite als auch durch eine Gefällereduktion durch Laufverlängerung (durch Mäanderbildung aufgrund zugelassener Seitenerosion) bei minimierter Geschiebezugabe erreicht werden.

Die Gewährleistung bzw. Wiederherstellung der Durchgängigkeit der Flussläufe, sowohl für Sediment als auch zur Sicherstellung einer gesunden Fischpopulation, sowie die Entfernung von Uferverbauung – wo möglich – zentrale Maßnahmenvorschläge des lifelineMDD-Projekts. Die Bereitstellung von ausreichend Breite für den Fluss stellt zum einen eine wirkungsvolle Maßnahme gegen fortschreitende Eintiefung dar und trägt zusätzlich durch eine hohe ökologische Wertigkeit und Habitatbereitstellung zum Schutz der Artenvielfalt bei. Der Schutz dieser Flusslandschaften, sowohl rechtlich als auch durch fortlaufendes Monitoring und Bewusstseinsbildung der Öffentlichkeit, stellt ein zentrales Ziel dar.