1 Einleitung

Die Fragmentierung der Fließgewässer in Österreich und in ganz Europa durch wasserbautechnische Maßnahmen (BMLFUW 2005; Fehér et al. 2012) stellt eine der größten und prioritären Herausforderungen in der Umsetzung des Verbesserungsgebots der EU-Wasserrahmenrichtlinie dar. Die Wiederherstellung des Gewässerkontinuums an Wehranlagen und sonstigen Querbauwerken und die Beseitigung von strukturellen Defiziten in den Fließgewässern stellen die zentralen Maßnahmen zur Wiederherstellung gewässertypspezifischer Lebensgemeinschaften dar (Waidbacher und Haidvogl 1998; EU-WRRL 2000). Im österreichischen Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplan (NGP) ist die Herstellung der Durchgängigkeit für aquatische Organismen prioritär umzusetzen. Ein durchgehendes Fließgewässerkontinuum ermöglicht Fischen und anderen Organismen arttypische Wanderungen zu Laichplätzen, saisonal besiedelten Habitaten und einen Austausch von Populationen. Funktionierende Fischaufstiegshilfen (FAH) an Wehren sind durch eine möglichst einfache Auffindbarkeit und energiearme Durchwanderbarkeit mit lediglich geringem Zeitverlust über einen möglichst langen Zeitraum der natürlichen Wanderbewegungen im Jahr gekennzeichnet (Thorncraft und Harris 2000). Bereits Gerhard (1912) erkannte die enorme Wichtigkeit der morphologischen Ausgestaltung und Positionierung des Einstieges einer FAH im Zusammenhang mit deren Auffindbarkeit.

In aktuellen Leitfäden wird als wichtigste Voraussetzung für die Auffindbarkeit einer FAH neben der optimalen Lage des Einstiegs die ausreichende Dimensionierung eines Leitstroms bzw. Leitstromimpulses in Bezug zur Gewässergröße und eine ausreichende Fließgeschwindigkeit des aus dem FAH-Einstieg austretenden Leitstroms angesehen (BMLFUW 2012). Der österreichische Leitfaden zum Bau von Fischaufstiegshilfen (FAH) fordert, basierend auf Larinier (15,16,a, b), eine Lockstrom(zusatz)dotation am FAH Einstieg von 1 bis 5 % des konkurrierenden Abflusses des Fließgewässers. Wie hydraulische Modellierungen an FAH Einstiegen zeigen, ist jedoch eine leitende oder lockende Wirkung für Fische durch eine Beeinflussung eines größeren Wasservolumens bzw. die Ausbildung einer Leitströmung bei Dotationen im o. a. Ausmaß von 1 bis 5 % nicht gegeben (Mader et al. 2013; Grünzinger und Haimerl 2012). Eine hydraulische Wirkung des aus der FAH ausströmenden Abflusses auf den Wasserkörper des Gewässers ist über weitere Entfernungen ebenso nicht gegeben, wie umfangreiche Messungen der Fließgeschwindigkeiten am Einstieg von FAH zeigen (Mader und Bogner 2001). Schlussfolgerungen, dass FAH aufgrund einer Lockstromdotationen mit 1 bis 5 % der konkurrierenden Wassermenge besser aufgefunden werden, sind aus hydraulischer Sicht nicht nachvollziehbar. Ein „Abholen der Fische“ durch den Lockstrom(impuls), bzw. ein „an den FAH-Einstieg leiten“, ist aus hydraulischer Sicht bei den geforderten Wassermengen unrealistisch, da die Wirksamkeit des Lockstrom(impuls)es auf den Nahbereich des Einstiegs in die FAH begrenzt ist (DWA 2014).

Während die Auffindbarkeit im Leitfaden (BMLFUW 2012), neben der Lage des Einstiegs, primär am Parameter Strömung (Rheotaxis) festgemacht wird, der aus hydraulischer Sicht schon von der Größe des Ausbreitungsfelds her lediglich eine maximal untergeordnete Wirkung auf die Auffindbarkeit haben kann, werden andere, äußere, die Wanderung beeinflussende Faktoren wie z. B. Licht, Temperatur, Sauerstoffgehalt, akustische Impulse u. a. m. bislang vollkommen bzw. weitgehend außer Acht gelassen.

Das Thema Auffindbarkeit von FAH wirft nach wie vor eine Reihe unbeantworteter Forschungsfragen hinsichtlich der Instinktbewegung von Fischen, ausgelöst durch Schlüsselreize, auf. Demzufolge ist eine systematische Abklärung für bestehende und insbesondere für zukünftige FAH-Projekte zielführend. Ziel dieses Papers ist die systematische Abklärung der Wirkung von alternativen Schlüsselreizen auf die Auffindbarkeit von Fischaufstiegshilfen im Rahmen eines Forschungsprojekts der VERBUND Hydro Power GmbH. Diese Schlüsselreize werden am Einstieg der FAH temporär im Rahmen von In-situ-Versuchen erzeugt. Über ein mehrmonatiges Monitoring des Einstiegsverhaltens von Fischen an der Fischaufstiegshilfe des Drau-KW Edling in der Fischregion Epipotamal Groß erfolgt die Analyse der Wirkung der Phonotaxis, also der Orientierung aufgrund von akustischen Reizen, und der Phototaxis, der Orientierung an Lichtreizen, auf die Auffindbarkeit des Einstieges der Anlage.

2 Methodik

2.1 Untersuchungsstandort

Die Untersuchung der Schlüsselreize Akustik (Phonotaxis) und Licht (Phototaxis) erfolgte am Einstieg der OWA am Drau-Kraftwerk Edling der VERBUND Hydro Power GmbH im Rahmen der Funktionsüberprüfung und eines erweiterten Forschungsprojekts. Die Wiederherstellung der Durchgängigkeit und somit der Fischpassierbarkeit der Drau im Bereich der Wehranlage wurde durch die Errichtung einer technischen Fischwanderhilfe des Typs enature® Fishpass, die auf einer Länge von rd. 650 m über 148 Pools, davon 24 Ruhepools die Wehranlage quert und den Höhenunterschied von 22,2 m überwindet, erreicht (Abb. 1). Die Wasserspiegelschwankungen im Stauraum der Drau werden mittels eines gesteuerten Ausstiegsbauwerks beherrscht. Die Dotation der OWH beträgt rd. 400 l/s.

Abb. 1
figure 1

Organismenwanderanlage KW Edling (Bildquelle: VERBUND, ViewCopter)

2.2 Datenerhebung

Neben der Anzahl der aufsteigenden Individuen sowie den externen Reizen Licht und Akustik wurden die Temperatur im Unterwasser, der Abfluss in der FAH, der Abfluss im Hauptgerinne der Drau, die Leitströmung in Prozent und die Tageslichtsituation erhoben. Eine Übersicht über die Variablen sowie deren Messintervalle stellt Tab. 1 dar.

Tab. 1 Übersicht über die erhobenen Variablen der Untersuchung

Die erhobenen Daten umfassen den Zeitraum des fischökologischen Monitorings im Frühjahr im Zeitraum von 19.04.2019 bis 18.06.2019 sowie im Herbst von 17.09.2019 bis 04.11.2019 am oben beschriebenen Standort. Der gesamte Datensatz für die weiterführenden Analysen besteht aus 2628 Beobachtungen (Stundenwerte). Aufgrund der lückenlosen Datenerhebung in den angegebenen Zeiträumen handelt es sich hierbei um die Grundgesamtheit aller aufgestiegenen Individuen.

Um eine Reduktion der Daten auf ein sinnvolles Maß zu erreichen, ohne jedoch die Charakteristika der Umgebungsvariablen zu stark zu beeinflussen, wurden sämtliche erhobenen Daten zu Stundenwerten kumuliert und für die statistische Auswertung aufbereitet, wobei jeder Aufstieg der folgenden vollen Stunde zugeordnet wurde, da die Reaktion des Individuums dem Reiz nur nachfolgen kann.

Die Erfassung der Fischmigration erfolgte mittels Videomonitoringanlage (FishCam) im Nahebereich des Einstiegs. Die wandernden Fische erfuhren bei der Erfassung keinerlei Stress, da sie hierbei weder berührt noch gehältert wurden. Die Erfassung des Zeitpunkts der Migration der Fische war über einen Zeitstempel in der Videosignatur gegeben. Die FishCam besteht aus einer Kameraeinheit, einem Erfassungstunnel mit strukturierter Sohle und Rückwand sowie einem Spiegeldeckel zur Ermittlung des Abstands des beobachteten Individuums von der Kamerafront (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Schematische Darstellung der Videomonitoringanlage

Aus allen erfassten Videos der FishCam wurden mittels der Software FishNet (Kratzert 2016) in einem ersten Schritt alle Aufnahmen mit Fischbewegungen von jenen, die Treibgut (Blätter, Algen, Totholz, anthropogene Verunreinigungen) aufgezeichnet haben, automatisch selektiert und die Bewegungsrichtung der Fische bestimmt (Kratzert 2016). FishNet zerlegt hierbei die Videos in einzelne Bilder, in denen die einzelnen Objekte auf Basis von (Deep) Convolutional Neural Networks (Russakovsky et al. 2015) klassifiziert werden. Als Resultat wird jedes Video einer der Gruppen Fish/noFish zugordnet, und mit der Richtung des sich im Video bewegenden Objekts markiert. Im Post-Processing wurden die Fischart und die Fischlänge durch einen Fischökologen bestimmt.

Der Abfluss im Hauptgerinne der Drau wurde von der VERBUND AG in Form von 15-min-Daten zur Verfügung gestellt. Der Abfluss in der FAH wurde mittels eines Pegelschlüssels und den Daten des Oberwasserspiegels berechnet. Aus dem Abfluss im Hauptgerinne und dem Abfluss in der FAH wurde die Leitströmung berechnet nach der Formel:

$$Q_{LS}=\frac{Q_{f}}{Q_{d}}\times 100$$
(1)

mit:

\(Q_{LS}\) [%]:

Leitströmung

\(Q_{f}\) [m3/s]:

Abfluss in der FAH

\(Q_{d}\) [m3/s]:

Abfluss im Hauptgerinne der Drau

Die Erfassung der Wassertemperatur im Hauptgerinne und in der FAH erfolgte mittels zweier Temperatursonden. Da die Temperatur im Jahresverlauf eine ausgeprägt sinusförmige Ganglinie aufweist und die Migration von Fischen im Frühjahr, bei steigenden Wassertemperaturen einsetzt und gegen Winter, mit dem Abfallen der Wassertemperaturen und dem Aufsuchen der Winterhabitate im Großen und Ganzen wieder zum Erliegen kommt, erschien es sinnvoll, diesen jahreszeitlich bedingten Trend im Zusammenhang von Wassertemperatur und Aufstiegsraten zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck wurde eine Sinuskurve an den Jahresgang der mittleren täglichen Wassertemperatur der Jahre 2017 bis 2019 angepasst und die Differenz von dieser zur gemessenen Wassertemperatur gebildet. Als Variable Wassertemperatur wurden diese Residuen verwendet.

2.3 Variation der Prädiktorvariablen

Die Variation der Reize Akustik und Licht erfolgte im wöchentlichen Rhythmus von Montag bis Sonntag nach dem Muster

  • Montag: Akustik

  • Dienstag: Licht

  • Mittwoch: kein Reiz

  • Donnerstag: Akustik

  • Freitag: Licht

  • Samstag, Sonntag: kein Reiz

Im Einstiegsbereich der FAH wurden zwei Unterwasserlautsprecher positioniert, welche über einen Verstärker ein Audiosignal im Loop abspielten. Das aufgenommene Signal stammt von einer im Vorfeld der Studie nachweislich von einer großen Anzahl von Fischen durchwanderten Stelle. Die Lautstärke der Zuspielsignals wurde so gewählt, dass sie dem Schalldruckpegel entspricht, der auch am Ort der Aufnahme, mittels einer kalibrierten Messkette – bestehend aus einem Hydrophon des Typs Teledyne Reson TC4034, dem dazugehörigen Vorverstärker des Typs Teledyne Reson EC6067 und einem Klasse-I-Schallpegelmesser des Typs Norsonic NOR140 – ermittelt wurde.

Der Lichtreiz wurde durch drei LED-Bänder vom Typ Mono Flex mit 630 lm/m mit insgesamt 15 m Länge gesetzt, welche unterhalb des ersten Pools des enature® Fishpass an beiden Uferseiten positioniert waren (Abb. 3). Bei einem Abstand der LED-Bänder von rd. 1 m von der Einstiegssohle und einem Abstrahlwinkel der LEDs von 110° ergibt sich je nach Trübe des Drauabflusses eine Beleuchtungsstärke von rd. 50 bis 100 lx mit einer Lichtfarbe von 6000 K.

Abb. 3
figure 3

Einstiegsbereich der FAH mit Positionen von Lautsprechern und LED-Bändern

Die Variation des Abflusses im Hauptgerinne ergibt sich durch den Betriebszustand des Kraftwerks, welches im Schwellbetrieb geführt wird. Während des Monitoringzeitraums lag der Abfluss im Bereich von 0,1 bis 800 m3/s mit einem Mittel von 274 m3/s. Aufgrund der durch den Schwellbetrieb entstehenden Schwankungen des Oberwasserspiegels im Bereich von 65 cm muss bei der bestehenden Anlage die Dotation der FAH durch ein Einlaufbauwerk gesteuert werden. Zur variablen Gestaltung des FAH-Abflusses wurde diese Steuerung deaktiviert und der Zufluss zur FAH erfolgte in Abhängigkeit vom Stauspiegel. Der Abfluss in der FAH variierte im Monitoringzeitraum in einem Bereich von 2,7 bis 5,0 hl/s mit einem Mittel von 3,9 hl/s. Aus der Variabilität der beiden Abflüsse ergab sich eine Schwankung der Dotation der FAH zum Konkurrenzabfluss des Hauptgerinnes im Bereich von 0,04 bis 441 % mit einem Mittel von 4,2 %. Die Extremwerte der Dotation der FAH beschränkten sich auf gesamt 30 Datensätze, die während der Zeiten auftraten, in denen die Turbinen außer Betrieb waren und keinen Anteil zum Abfluss in der Drau beitrugen. Diese wurden, da auch in diesem Zeitraum Fische aufstiegen, nicht bereinigt, wenngleich sie in weiterer Folge zu Instabilitäten bei gewissen Regressionsmodellen führten.

2.4 Datenaufbereitung

Die Anzahl der aufgestiegenen Individuen pro 1‑h-Zeitintervall, als unabhängige Variable, wurde je nach Szenario in unterschiedlichen Subsets zusammengefasst. So wurde für die Schlüsselreize Licht, Akustik und Wassertemperatur die Gesamtanzahl aller eingewanderten Individuen (nall) kumuliert, da für diese Parameter in der Hydrobiologie bis dato keine Gilden definiert sind. Für die drei Strömungsparameter Drauabfluss (Qd), Abfluss in der FAH (Qf) und Leitströmung (Qls) erfolgte eine Gruppierung der einzelnen Fischarten in Gilden, nach ihren Vorlieben für Strömungsgeschwindigkeiten nach Schiemer und Waidbacher (1992). Auf die Differenzierung zwischen rheophil A und rheophil B wurde hier verzichtet (Tab. 2), da sich die Unterscheidung ausschließlich auf gewisse Altersstadien einer Spezies bezieht, und die Auswertung der Altersstadien nicht Teil dieser Untersuchung war.

Tab. 2 Zuordnung der einzelnen Spezies zu Strömungsgilden

Weitere Untergruppen wurden nach den Familien der Cypriniden (ncyp), und Perciden (nper) gebildet. Bei den Untergruppen der Eurytopen (neury) und Cypriniden (ncyp) fand eine Berücksichtigung der Lauben (nlau), aufgrund ihres Anteils von jeweils etwa 70 %, nicht statt. Es erfolgte jedoch eine Auswertung dieser Spezies als eigene Gruppe. Die Stagnophilen (n = 12) sowie die Salmoniden (n = 8) wurden wegen ihrer geringen Abundanz nicht extra untersucht. Die vier Spezies mit den höchsten Abundanzen (ausgenommen Flussbarsch, da diese Spezies mit den Perciden zu 99,8 % ident ist), welche insgesamt einen Anteil von 86 % an allen registrierten Individuen haben, wurden extra ausgewertet. Namentlich handelt es sich hierbei um die eudominant vorkommenden Arten Laube (nlau) und Rotauge (nroa), um die dominant vorkommenden Schneider (nsne) und die subdominant auftretenden Brachsen (nbra). Die statistische Auswertung erfolgte auf Basis unterschiedlicher Zeitintervalle, zu denen die Daten aggregiert wurden. Für die Abfluss- und Temperaturvariablen wurden 1‑, 3‑ und 6‑Stunden-Daten herangezogen, für die externen Reize Akustik und Licht ein zu 24-Stunden-Daten kumulierter Datensatz, da diese beiden Parameter ausschließlich tageweise variierten.

2.5 Statistische Methoden

2.5.1 Modellauswahl

Die Selektion der Variablen erfolgt mittels Regressionsmodellen, wobei die Nullhypothese (H0) in Bezug auf jede einzelne Prädiktorvariable lautet: „Die Aufstiegsraten in der FAH sind von den Veränderungen der jeweiligen Variable unabhängig.“ Das Signifikanzniveau α, auf dem die H0 getestet wurde, beträgt 5 %.

Da es sich bei der abhängigen Variable (Anzahl der aufsteigenden Individuen pro Zeiteinheit) um Zähldaten handelt, welche nach Cameron und Trivedi (1998) keiner Normalverteilung folgen, muss von einer linearen Regression Abstand genommen werden. Die Gruppe der verallgemeinerten linearen Modelle (GLM) bietet hier mit dem Poisson-Regressionsmodell, sowie der Negativ-Binomial-Regression zwei Standardmodelle für Zähldaten (Nelder und Wedderburn 1972). Aufgrund seiner Sensitivität auf Überdispersion und Nullenüberschuss ist das Poisson-Modell für empirische Daten jedoch meist nur eingeschränkt geeignet. Das Negativ-Binomial-Modell ist deutlich weniger empfindlich auf Überdispersion, Daten mit hohem Nullenüberschuss können allerdings auch von diesem Modell oft nicht ausreichend gut abgebildet werden. Eine Lösung für Daten mit hohem Nullenüberschuss bieten kombinierte Modelle, bei denen die Nullen getrennt von den positiven Zähldaten in einer eigenen Verteilung modelliert werden, und hier insbesondere die Zero-Inflated-Modelle.

Zero-Inflated-Modellen (Lambert 1992) liegt die Annahme zugrunde, dass die beobachteten Nullwerte aus zwei verschiedenen Prozessen herrühren:

  • einem Ursprungsprozess, d. h. eine Nullbeobachtung ist vorhanden, weil z. B. aufgrund des Fehlens von Fischen zur gegebenen Zeit im Bereich des Einstieg,s gar keine Möglichkeit besteht, dass ein Individuum aufsteigt und somit von der Kamera erfasst wird

  • einem Auswahlprozess, d. h. die Nullbeobachtung ist trotz der Möglichkeit des Aufstiegs eines Individuums vorhanden, das Individuum entscheidet sich – aufgrund des Status der Prädiktorvariablen – jedoch gegen den Aufstieg.

Hierbei liegt den strukturellen Nullen – aus dem Ursprungsprozess – eine Bernoulli-Verteilung zugrunde, während für die Zähldaten sowie die Nullen des Auswahlprozesses entweder eine Poisson- oder eine Negativ-Binomialverteilung angenommen werden kann.

Die Entscheidung, welche Verteilung zu wählen ist, wurde auf Basis von Plots (Abb. 4), welche die beobachteten Zähldaten mit den erwarteten vergleichen (Kleiber und Zeileis 2016), sowie aufgrund der Analyse des Datenerfassungsprozesses getroffen.

Abb. 4
figure 4

Rootogramme der vollen Modelle (alle Variablen berücksichtigt) mit verschiedenen Verteilungsfunktionen. Die x‑Achse zeigt die Zählungen (n = 0 bis n = 30), die y‑Achse die Anzahl der Zählungen. Die Länge der Balken entspricht der Anzahl der beobachteten Zählungen, die rote Linie der Anzahl der durch das Modell vorhergesagten. Der Abstand der Balken von der Nulllinie (nach oben oder unten) zeigt over-/underprediction an, und sollte so gering wie möglich sein

Der Modellvergleich zeigt, dass jene Modelle – verallgemeinerte wie kombinierte –, die den Daten eine Poisson-Verteilung zugrunde legen, nicht adäquat sind, da die erwarteten Zähldaten nicht annähernd den Beobachteten entsprechen. Bei den Negativ-Binomial-Modellen zeigen das Zero-Inflated- sowie das verallgemeinerte Negativ-Binomial-Modell eine ähnliche Qualität. Als Grundlage für die weiteren Verfahren wurden daher sowohl eine Zero-Inflated-Negativ-Binomialverteilung (ZINB) als auch eine Negativ-Binomialverteilung (NB) angenommen, und alle Subgruppen über alle Zeitintervalle mit beiden Verteilungen gerechnet. Die endgültige Entscheidungsfindung erfolgte am Ende der statistischen Auswertung anhand der angepassten Modelle mittels der Differenz zwischen beobachteten und erwarteten Zähldaten.

2.5.2 Variablenselektion

Die Auswahl der Prädiktorvariablen erfolgte mittels pönalisierten ZINB- und NB-Regressionsmodellen – zur Plausibilitätskontrolle – mit drei unterschiedlichen Pönalisierungsfunktionen sowie je einem ZINB- und NB-Regressionsmodell ohne Pönalisierung, jedoch mit schrittweiser Variablenelimination (BE). Als Pönalisierungsfunktionen wurden LASSO (least absolute shrinkage and selection operator), SCAD (smoothly clipped absolute deviations) und MCP (minimax concave penalty) gewählt. Bei pönalisierten Modellen wird dem Least-Square-Schätzer des linearen Regressionsmodells \(y=\alpha +\beta x\) eine Nebenbedingung \(L(\lambda )\) hinzugefügt, welche dazu führt, dass Koeffizienten, die das Modell nicht weiter verbessern, auf null gesetzt werden, wobei diese Variablen sodann aus dem Modell eliminiert werden.

LASSO (Tibshirani 1996) verwendet hierbei einen linearen Term mit der Lösung von:

$$\text{minimize}_{\beta } \frac{1}{2}\left\| y-X\left.\beta \right\| _{2}^{2}\right.+\lambda \left| \left.\beta \right| _{1}\right.$$
(2)

wobei \(\lambda\) der Tuningparameter ist, der mittels Kreuzvalidierung ermittelt wird. Der Nachteil dieses Verfahrens ist, dass die Methode dazu tendiert, bei großen Regressionskoeffizienten verzerrte Schätzer zu liefern, und dass bei stark korrelierenden Prädiktorvariablen nur eine einzelne selektiert wird (Fan und Li 2001).

SCAD (Fan und Li 2001) begegnet obigem Problem mit der Einführung eines weiteren Parameters \(a\), der zu einem Pönalisierungsterm in Form einer quadratischen Spline führt, bei welchem ein Zusammenhang zwischen der Pönalisierungsfunktion und dem Schätzer \(\beta\) hergestellt wird:

$$\text{minimize}_{\beta } \frac{1}{2}\left\| y-X\left.\beta \right\| _{2}^{2}\right.+\left\{\begin{array}{l} \lambda \left| \beta \right| \\ \left(2a\lambda \left| \beta \right| -\beta ^{2}-\lambda ^{2}\right)/2\left(a-1\right)\\ \left(\lambda ^{2}\left(a+1\right)\right)/2 \end{array} \begin{array}{l} \left| \beta \right| \leq \lambda \\ \lambda <\left| \beta \right| \leq a\lambda \\ \,\text{ansonsten} \end{array}\right.$$
(3)

Hierbei ist die Funktion mit der LASSO Funktion bei Schätzern bis zum Wert von \(\pm \lambda\) ident, geht dann in eine quadratische Spline über bis zu Werten des Schätzers von \(\pm a\lambda\), und bleibt bei Schätzern außerhalb dieser Werte konstant.

MCP (Zhang 2010) verwendet einen ähnlichen Ansatz, bei dem die Pönalisierungsfunktion jedoch schon von Beginn an eine konkave Form annimmt, diese bis zu einem Wert der Schätzer von \(\pm a\lambda\) beibehält, und bei Werten außerhalb dieses Bereichs analog zur SCAD-Funktion konstant bleibt:

$$\text{minimize}_{\beta } \frac{1}{2}\left\| y-X\left.\beta \right\| _{2}^{2}\right.+\left\{\begin{array}{l} \lambda \left| \beta \right| -\beta ^{2}/2a \left| \beta \right| \leq a\lambda \\ a\lambda ^{2}/2\,\text{ansonsten}\, \end{array}\right.$$
(4)

Zur Veranschaulichung der Unterschiede der Methoden zeigt Abb. 5 die verschiedenen Pönalisierungsfunktionen im Vergleich, wobei \(\lambda =1\) und \(a=2\) gesetzt wurden.

Abb. 5
figure 5

Verlauf der Pönalisierungsterme mit α = 2 und λ = 1

2.5.3 Modellauswahl

Die Entscheidung, welches Modell den beobachteten Daten am nächsten kommt, wurde anhand des Bayes-Informationskriteriums (BIC) getroffen (Schwarz 1978), nach der Formel:

$$\mathrm{BIC}=k\mathrm{*}\log \left(n\right)-2\log \left(L\left(\hat{\theta }\right)\right)$$
(5)

mit:

\(n\):

Anzahl der Beobachtungen

\(k\):

Anzahl der Modellparameter

\(L(\hat{\theta })\):

Maximum Likelihood des Modells

Hierbei gilt: Je kleiner das BIC, desto besser spiegelt das Modell die beobachteten Daten wider. Es kann allerdings nicht davon ausgegangen werden, dass das gewählte Modell das „wahre“ Modell ist. Es wird lediglich das sparsamste Modell mit dem geringsten Kullbeck-Leibler-Informationsverlust gewählt (Burnham und Anderson 2004).

3 Ergebnisse

Eine Übersicht über die Minima, Maxima und Mittelwerte der einzelnen Variablen auf Stundenbasis gibt Tab. 3. Die starke Varianz im Drauabfluss ist einerseits auf die erhöhten Abflüsse vom 27.05. bis 19.06. zurückzuführen – das Hochwasser im Herbst fiel nicht mehr in den Monitoringzeitraum –, zum anderen waren am 10.10. von 11:00 bis 13:00 Uhr, sowie vom 22.10. bis 25.10. jeweils von 00:00 bis 03:00 alle Turbinen außer Betrieb, womit sich der Abfluss durch das Kraftwerk auf 0,1 m3/s reduzierte. Damit in direktem Zusammenhang stehen die maximalen Werte der Leitströmung mit über 100 % bis zu 441 %, welche sich allerdings auf gesamt 30 Stundenwerte beschränken. Eine Bereinigung des Datensatzes um diese Extremwerte fand nicht statt, da auch während dieser Ereignisse 80 Individuen in die FAH einstiegen, was alleine schon auf eine hohe Resistenz der wandernden Fische auf Umwelteinflüsse schließen lässt. Die Anzahl der einsteigenden Individuen weist ebenfalls eine sehr hohe Varianz auf, was einerseits an dem Wert der Standardabweichung (σ) erkennbar ist, andererseits auch daran, dass etwa in einer einzigen Stunde 981 Einstiege registriert wurden. In weiterer Folge führten diese Werte zu Instabilitäten bei einigen Auswertealgorithmen für gewisse Gruppen und Zeitintervalle, auf welche allerdings bei den Detailergebnissen eingegangen wird.

Tab. 3 Zusammenfassung der untersuchten Variablen 1 h Daten

Die Vorkommen der Arten Laube und Rotauge waren eudominant, die zwei Arten Schneider und Flussbarsch dominant, zwei weitere Arten (Brachse und Güster) subdominant. Die Brachsen waren die einzige rezedente Art, alle anderen Arten kamen subrezedent vor (Tab. 4).

Tab. 4 Überblick über Arten, Familien und Gilden sowie deren biozönotische Kenngrößen (Krebs 1999)

Speziell hervorzuheben ist, dass insgesamt knapp ein Viertel aller Fische in einem Zeitraum von lediglich drei Tagen, nämlich vom 22.09.2019 bis zum 24.09.2019 aufgestiegen sind. In diesem Zeitraum variierte der Drauabfluss zwischen 77 und 277 m3/s, der Abfluss in der FAH von 330 bis 430 l/s und die Leitströmung von 0,14 bis 0,5 % des Drauabflusses bzw. bis rd. 1 % des Abflusses durch die fischaufstiegsseitige Turbine. Die externen Reize Licht und Akustik waren ebenfalls in sämtlichen Kombinationen während dieser drei Tage vorhanden (Abb. 6). Bei diesem massiven Auftreten von registrierten Fischen ist schon aus der Grafik kein positiver Zusammenhang zwischen den externen Reizen, den Parametern Qf, Qls und der Anzahl aufsteigender Individuen zu erkennen. Einzig der Abfluss in der Drau lässt einen leicht positiven Effekt vermuten, der aber in weiterer Folge von den Daten über den gesamten Zeitraum nicht bestätigt werden konnte. Des Weiteren ist zu erkennen, dass aufgrund der annähernden Gegenläufigkeit von Qd und Qf die Leitströmung nicht ausschließlich durch den Abfluss in der Drau determiniert ist, sondern zu einem Gutteil auch vom Abfluss in der FAH bestimmt wird.

Abb. 6
figure 6

Übersicht über die Aufstiege (graue Balken), Abflussparameter Qd (rot), Qf (grün), Qls (blau) und externen Reize Akustik (türkiser Balken) und Licht (gelber Balken) vom 22.09. bis 24.09.2019

3.1 Alle Individuen (nall)

Die Ergebnisse aller gerechneten Modelle auf Stundenbasis sind in Tab. 5 dargestellt.

Tab. 5 Faktoren der Schätzer nall (log link), 1‑h-Daten, alle Modelle

Die Modelle liefern, je nach angenommener Verteilung, in sich konsistente Daten. Die Größe der Werte der Goodness of Fit (GoF) sowie auch die Koeffizienten für Qf lassen jedoch den Schluss zu, dass die Quelldaten in sich deutlich widersprüchliche Zusammenhänge sowie Extremwerte, die bereits eingangs erwähnt wurden, aufweisen. Daraus resultierend entstammen mit größter Wahrscheinlichkeit auch die widersprüchlichen Faktoren für Qf, welche bei obiger Tab. 5 keinen Schluss auf einen Einfluss des Abflusses in der FAH auf die Auffindbarkeit des Einstiegs zulassen. Um Kollinearitäten, welche oft Probleme in der Lösung der Modelle erzeugen, ausschließen zu können, erfolgte eine Bestimmung der Variance Inflation Factors (VIF), die allerdings mit Werten von 1,0 bis 1,2 in einem Bereich liegen, der nicht auf Kollinearitäten zwischen den Prädiktorvariablen schließen lässt. Die Wahl fiel in diesem Fall auf jenes Modell, welches durch eine angenommene Zero-Inflated-Negativ-Binomialverteilung mittels Variablenelemination (BE_ZINB) errechnet wurde.

Tab. 6 gibt eine Zusammenfassung über die gewählten Modelle aller Individuen über alle Zeitintervalle.

Tab. 6 Zusammenfassung der gewählten Modelle nall alle Zeitintervalle

3.1.1 Alle Individuen: künstliche Reize Akustik und Licht

Da Akustik und Licht aufgrund der täglichen Variierung der Reize nur auf Ebene der 24-h-Daten ausgewertet wurden und kein Nullenüberschuss in diesem Zeitintervall mehr vorhanden ist, waren hier die NB-Modelle den ZI-Modellen vorzuziehen. Es zeigt sich eine große Homogenität innerhalb der Modelle, unabhängig von der Art der Variablenselektion. Keines der Modelle lässt den Schluss zu, dass die Nullhypothese in Bezug auf die externen Reize Akustik und Licht abzulehnen ist.

3.1.2 Alle Individuen: Strömungsparameter

Außer bei den 1‑h-Daten, bei denen wie bereits eingangs erwähnt die Faktoren für den Abfluss in der FAH widersprüchlich sind, da bei einer Steigerung des Abflusses sowohl die Nullbeobachtungen (Zeros) als auch die positiven Zähldaten (Counts) sinken, zeigt sich auch hier ein einheitliches Bild über die Zeitintervalle und die einzelnen Varianten der Variablenselektion. Keines der Modelle zeigt einen Zusammenhang zwischen einem der Strömungsparameter (Qd, Qf, Qls) und der Auffindbarkeit des Einstiegs. In Abb. 7 ist die große Variabilität der Strömungsparameter wie auch der Aufstiege/Stunde ersichtlich. Ein Zusammenhang zwischen nall und Qf sowie Qls, der den Modellergebnissen widersprechen würde, lässt sich auch hier keinesfalls ablesen.

Abb. 7
figure 7

Übersicht über die 1‑h-Werte Aufstiege nall (linke y‑Achse) gegen Abfluss in der FAH und Leitströmung (rechte y‑Achse)

3.1.3 Alle Individuen: Residuen der Wassertemperatur und Tageslicht

Dass die Wassertemperatur, wie in der Literatur vielfach beschrieben, einen Einfluss auf das Wanderverhalten von Fischen hat, wird durch die vorliegenden Daten vollumfänglich bestätigt. Das ZINB-Modell der 1‑h-Daten zeigt einen Rückgang der Nullbeobachtungen (Zeros) bei gleichzeitigem Anstieg der positiven Zähldaten bei Erhöhung der Wassertemperatur in der FAH im Vergleich zum langjährigen Mittel der Drautemperatur. Die Daten der weiteren Zeitintervalle unterstreichen dieses Bild, auch hinsichtlich der Höhe der Faktoren. In Abb. 8 ist der Zusammenhang zwischen den Aufstiegen und den Residuen der Wassertemperatur im Einstiegsbereich dargestellt. Vor allem im Frühjahr ist die positive Korrelation klar ersichtlich.

Abb. 8
figure 8

1‑h-Daten (rot) und geglättete 24-h-Daten (grün) der Residuen der Wassertemperatur im Einstiegsbereich der FAH mit den 1‑h-Daten der Aufstiege in der FAH

Das Tageslicht scheint, zumindest auf Basis der Ergebnisse der 1‑h-Daten, einen sehr ähnlichen Einfluss wie die Wassertemperatur zu haben. Dieser kann allerdings durch die 3‑h- und 6‑h-Daten nicht verifiziert werden.

3.2 Eurytope und Rheophile

Die Ergebnisse der Strömungsgilden der Eurytopen und Rheophilen zeigen ebenfalls in sich, und auch über die Zeitintervalle hinweg – mit Ausnahme der 1‑h-Daten – konsistente Werte (Tab. 7). Die Prüfung auf Kollinearitäten ergab für die Gruppe der Eurytopen keine Unregelmäßigkeiten (VIF = 1,04–1,52). Bei den Rheophilen traten jedoch bei den Zero-Komponenten der 1‑h-Modelle hohe VIFs (10 bis 300) innerhalb der Strömungsparameter auf, welche ein klares Indiz für Kollinearitäten zwischen den Variablen sind.

Tab. 7 Zusammenfassung der gewählten Modelle Eurytope und Rheophile alle Zeitintervalle

3.2.1 Eurytope und Rheophile: künstliche Reize Akustik und Licht

Bei diesen beiden Gilden lässt kein einziges Modell der 24-h-Daten den Schluss zu, dass diese beiden Reize einen Einfluss auf die Auffindbarkeit des Einstiegs der FAH haben.

3.2.2 Eurytope und Rheophile: Strömungsparameter

Bei der Gilde der Eurytopen sind bei den 1‑h-Daten die Faktoren, welche den Abfluss in der FAH betreffen, nicht plausibel, da sie beide kleiner 1 sind und somit eine Erhöhung des Abflusses sowohl eine Erhöhung der Nullzählungen als auch der positiven Zähldaten zur Folge hätte. Bei den Rheophilen gilt Selbiges, allerdings zusätzlich zur Variable des Abflusses in der FAH auch noch für die Leitströmung. Hier ist diese Widersprüchlichkeit in den 1‑h-Daten allerdings aufgrund der zuvor erwähnten Kollinearitäten zwischen den Strömungsparametern gut erklärbar. Der Faktor für den Drauabfluss bei den 6‑h- und 24-h-Daten kommt zwar in 7 von 8 Modellen in identer Höhe vor, ist von seiner Effektstärke mit 1 % jedoch als sehr gering einzustufen.

3.2.3 Eurytope und Rheophile: Residuen der Wassertemperatur und Tageslicht

In Bezug auf das Tageslicht zeigen beide Gilden ähnliche, einander auch innerhalb der beiden Gruppen nicht widersprechende Ergebnisse. Die Werte lassen den Schluss zu, dass bei Tageslicht etwa doppelt so viele Einstiege pro Zeitintervall in die FAH stattfinden als während der Nachtstunden. Die Einstiege der Eurytopen fanden zum größten Teil zwischen Tagesanbruch bis etwa 21:00 Uhr statt. Das Maximum war während der abendlichen Dämmerung. Die Rheophilen zeigten ein bimodales Einstiegsverhalten mit Höhepunkten am frühen Vormittag und späten Nachmittag.

Auf die Differenz der Wassertemperatur zum langjährigen Mittel zeigen ausschließlich die Eurytopen eine positive Reaktion. Bei den Rheophilen bleibt die Nullhypothese in diesem Punkt aufrecht. Es kann somit bei den Rheophilen von keinem Zusammenhang zwischen der Wassertemperatur und den Aufstiegsraten ausgegangen werden.

3.3 Cypriniden und Perciden

Die Familie der Perciden kann als ident mit der Spezies der Flussbarsche angesehen werden, da einer Anzahl von 1433 Flussbarschen, die hier eine dominant vorkommende Art darstellen, lediglich 4 Kaulbarsche gegenüberstehen. Bei den Perciden sind bis zu den 6‑h-Daten starke Kollinearitäten in der Nullkomponente der ZINB-Modelle, vor allem die Variable Tageslicht betreffend, vorhanden. Diese Tatsache erklärt auch hier die nicht plausiblen Werte in diesem Teil der Modelle. Die Zählkomponenten sind im Gegensatz dazu über alle Zeitintervalle widerspruchsfrei. Die Ergebnisse für die Cypriniden hingegen sind in allen ihren Teilen konsistent und liefern, jedes für sich sowie auch in ihrer Gesamtheit nachvollziehbare Resultate (Tab. 8).

Tab. 8 Zusammenfassung der gewählten Modelle Cypriniden und Perciden alle Zeitintervalle

3.3.1 Cypriniden und Perciden: künstliche Reize Akustik und Licht

Das Ergebnis der Cypriniden und Perciden in Hinblick auf die externen Reize Akustik und Licht ist ident mit allen vorher erwähnten Gruppen. Die Nullhypothese kann nicht verworfen werden und es gibt keine Hinweise darauf, dass diese Parameter für diese Familien einen Einfluss auf die Auffindbarkeit des Einstiegsbereichs von FAH haben.

3.3.2 Cypriniden und Perciden: Strömungsparameter

Bei den Cypriniden zeigt kein einziges Modell, dass eine Änderung der Strömungsparameter die Einstiege in die FAH negativ oder positiv beeinflusst. Die selektierten Variablen bei der Familie der Perciden sind, wie eingangs erwähnt, inkonsistent, da eine Verringerung des Drauabflusses sowohl die Nullwerte als auch die positiven Zählwerte erhöhen würde. Die Leitströmung zeigt, wenn auch mit geringer Effektstärke, bei der Nullkomponente zwischen den 1‑h- und 3‑h-Daten widersprüchliche Werte. Die Resultate beim Abfluss in der FAH sind mit 0,06 bzw. 0,52 nur teilweise nachvollziehbar und auf die Nullkomponente beschränkt. Die Modellergebnisse der Perciden lassen somit ebenfalls nicht den Schluss zu, dass hier ein Zusammenhang zwischen den Strömungsparametern und den Einstiegsraten besteht.

3.3.3 Cypriniden und Perciden: Residuen der Wassertemperatur und Tageslicht

Die Daten liefern über alle Modelle und Zeitintervalle deutliche Hinweise darauf, dass die Einstiegsraten sowohl der Cypriniden, als auch der Perciden bei höheren Wassertemperaturen in der FAH steigen. Die Beschreibung der Flussbarsche als tagaktiv (Craig 1987) wird durch die vorliegenden Ergebnisse gestützt, da einer Anzahl von 1229 Perciden, welche bei Tageslicht in die FAH einstiegen, nur 209 gegenüberstehen, die während der Nachtstunden registriert wurden. Die Einstiege waren von 8:00 Uhr bis 18:00 Uhr etwa gleichverteilt. Die Cypriniden wanderten meist von 07:00 Uhr bis 22:00 Uhr, mit dem Maximum während der Abenddämmerung, in die FAH ein.

3.4 Lauben und Rotaugen

Lauben und Rotaugen waren die einzigen beiden eudominant vorkommenden Arten dieser Untersuchung. Die Lauben stellen mit 11.540 Individuen und somit ca. 64 % aller registrierten Fische die weitaus häufigste Spezies dar. Aufgrund dieser Tatsache wurden sie bei den Untergruppen der Eurytopen und Cypriniden nicht berücksichtigt, um eine Verzerrung der Ergebnisse dieser Gruppen zu vermeiden. Wie auch schon bei vorher besprochenen Modellergebnissen sind hier die Werte für den Abfluss in der FAH ebenfalls nicht nachvollziehbar. Sie sind allerdings in diesem Falle auch nicht auf Kollinearitäten zurückzuführen (VIF = 1,02–1,34). Eine Erklärung kann die Tatsache liefern, dass bei den Lauben als Schwarmfischen innerhalb kurzer Zeit eine sehr hohe Anzahl an Individuen aufgestiegen ist. So wurden in nur 21 Tagen des Monitoringzeitraums drei Viertel aller Lauben registriert. Bei den Rotaugen, als zweithäufigste Spezies mit 1905 erfassten Individuen, stellt sich die Situation sehr ähnlich zu den Lauben dar. Auch bei dieser Art handelt es sich um Schwarmfische, bei welchen etwa 85 % aller Aufstiege in nur einer Woche im Frühjahr und einer Woche im Herbst stattgefunden haben. Da somit in den restlichen 13 Wochen des Monitorings, mit der gesamten Bandbreite an Variationen aller Prädiktorvariablen, fast keine Aufstiege dieser Art mehr zu registrieren waren, ist eine Inkonsistenz in den Ergebnissen der Regressionsmodelle, vor allem in der Nullkomponente der ZINB verteilten, gut nachvollziehbar (Tab. 9).

Tab. 9 Zusammenfassung der gewählten Modelle Lauben und Rotaugen alle Zeitintervalle

3.4.1 Lauben und Rotaugen: künstliche Reize Akustik und Licht

Das Aufstiegsverhalten von Lauben und Rotaugen, in Bezug auf die externen Reize Akustik und Licht, deckt sich mit dem aller bisher besprochenen Gruppen. Aus den Ergebnissen lässt sich kein Effekt der künstlich erstellten Reize ableiten.

3.4.2 Lauben und Rotaugen: Strömungsparameter

Das Aufstiegsverhalten der Lauben lässt bei keinem der gerechneten Regressionsmodelle, gleich welches Zeitintervall betrachtet wird, den Schluss zu, dass ein Zusammenhang zwischen Aufstiegsraten und dem Abfluss im Hauptgerinne bestünde. Die Resultate für den Abfluss in der FAH zeigen nicht plausible Werte bei den 1‑h-Daten, bei den 6‑h- und 24-h-Daten wurden sie im jeweils besten Modell nicht selektiert. Die Leitströmung kommt, analog zum Drauabfluss, ebenfalls in keinem Modell und bei keinem Zeitintervall als relevante Einflussgröße vor. Für die Lauben muss somit bezüglich aller Strömungsparameter die Alternativhypothese verworfen werden. Die Rotaugen zeigen bezüglich Qd bei den 1‑h- und 3‑h-Daten dasselbe Ergebnis wie die Lauben, bei den 6‑h- und 24-h-Daten ergibt sich jedoch ein Zusammenhang, mit allerdings sehr geringer Effektstärke (0,99). Ein Nachweis für einen Effekt des Abflusses im Fischaufstieg auf das Einstiegsverhalten kann, analog zu den Lauben, nicht erbracht werden, da die Werte entweder widersprüchlich sind (1-h- und 3‑h-Daten), oder keinen Einfluss zeigen (6-h- und 24-h-Daten). Eine Abhängigkeit des Einstiegsverhaltens von der Leitströmung kann durch kein Modell und in keinem Zeitintervall nachgewiesen werden.

3.4.3 Lauben und Rotaugen: Residuen der Wassertemperatur und Tageslicht

Bei den Lauben scheint kein Zusammenhang zwischen dem Einwandern in die FAH und dem Tageslicht zu bestehen. Die Wanderungen fanden zu Großteil vom frühen Nachmittag bis Mitternacht mit dem Maximum während der Abenddämmerung statt. Die Temperatur als Einflussgröße zeigt bei allen Modellen konsistente, positive Werte mit ähnlichen Größen bei den 3‑h- bis 24-h-Daten. Auf das Aufstiegsverhalten der Rotaugen hat das Tageslicht durchaus Einfluss, sie migrierten meist von Tagesanbruch bis etwa 22:00 Uhr, mit dem Maximum ebenfalls in der Abenddämmerung.

3.5 Schneider und Brachsen

Schneider und Brachsen waren in dieser Untersuchung die dritt- bzw. fünfthäufigsten Arten mit Abundanzen von 8 und 4 %. Das Aufkommen der Schneider beschränkte sich ausschließlich auf das Herbstmonitoring, während des Frühjahrs wurde kein einziges Individuum dieser Spezies registriert. Aus diesem Grund wurden für die Regressionsmodelle bei den Schneidern ausschließlich die Herbstdaten herangezogen. Eine interessante Tatsache ist, dass bei beiden Arten, trotz des häufigen Auftretens von Nullen, die Modelle mit Negativ-Bionomialverteilung denen mit Zero-Inflated-Negativ-Binomialverteilung überlegen waren. Alle Modelle liefern über alle Zeitintervalle konsistente und plausible Resultate (Tab. 10).

Tab. 10 Zusammenfassung der gewählten Modelle Schneider und Brachsen alle Zeitintervalle

3.5.1 Schneider und Brachsen: künstliche Reize Akustik und Licht

Bei beiden Spezies lässt sich kein Zusammenhang zwischen dem Einstiegsraten und den künstlichen Reizen Akustik und Licht herstellen. Dieses Ergebnis ist durch alle Regressionsmodelle über sämtliche untersuchte Zeitintervalle bestätigt. Die Nullhypothese kann nicht wiederlegt werden.

3.5.2 Schneider und Brachsen: Strömungsparameter

Bei Scheidern wie bei Brachsen geben die Resultate keinen Hinweis darauf, dass eine Änderung der Höhe der Leitströmung oder des Abflusses in der FAH einen Effekt bzgl. des Einstiegsverhaltens in den Fischaufstieg hat. Auswirkungen des Drauabflusses sind bei Schneidern in den 1‑h- und 3‑h-Daten mit leicht positivem Einfluss, bei den Brachsen über alle Zeitintervalle mit leicht negativem Einfluss zu beobachten. Im Großen und Ganzen sind die Effekte mit ±1 % allerdings als sehr gering einzustufen.

3.5.3 Schneider und Brachsen: Residuen der Wassertemperatur und Tageslicht

Die Scheider scheinen keine Reaktion ihres Aufstiegsverhaltens bei Änderungen der Wassertemperatur zu zeigen, wobei hier die Begrenzung des Datensatzes auf den Herbst nochmals erwähnt sein soll, da hier die Schwankungen der Residuen der Wassertemperatur zum langjährigen Mittel deutlich geringer waren als im Frühjahr. Bei den Brachsen zeigt sich ein deutlich positiver Einfluss der Wassertemperatur auf das Einstiegsverhalten, und zwar unabhängig von Modell oder Zeitintervall. Tageslicht hat auf das Migrationsverhalten beider Arten, allerdings in gegensätzlicher Richtung, einen großen Einfluss. Die Schneider zeigen eine bimodale Reaktion von Tagesanbruch bis in den Vormittag hinein, sowie vom frühen Nachmittag bis in die frühen Abendstunden, mit den Höhepunkten von 07:00 bis 08:00 Uhr und 17:00 bis 18:00 Uhr. Die Brachsen zeigen eine ausgesprochene Nachtaktivität mit Beginn der Migrationen um etwa 17:00 Uhr und anhaltend hohen Frequenzen bis Mitternacht. Lediglich 18 % der registrierten Brachsen wanderten von 07:00 bis 16:00 Uhr in den Fischaufstieg ein. Dieses Ergebnis bei den Brachsen deckt sich mit Untersuchungen am Rhein und am Main (Molls 1997; Speierl 2007).

4 Resümee

Das vorliegende Ergebnis des Frühjahrs- und Herbstmonitorings 2019 an dem enature® Fishpass am Kraftwerksstandort Edling/Drau umfasst 2628 Datensätze mit insgesamt 18.105 registrierten Fischen. Die Einzeluntersuchungen zu Gilden, Familien und Arten decken bei den Gilden und Familien 99 % aller aufgestiegenen Individuen ab, bei den Arten 94 %. Die Untersuchung des Zusammenhangs zwischen den Aufstiegsraten und den hier alternierend gesetzten externen Reizen Akustik und Licht zeigen keinen Effekt dieser Variablen auf die Anzahl einwandernder Fische (Abb. 9). Dies gilt für den Reiz Licht und die Gesamtheit aller registrierten Fische auch dann, wenn der Datensatz auf die Daten ohne Tageslicht, d. h. ausschließlich auf die Nachtdaten reduziert wird.

Abb. 9
figure 9

Whisker-Boxplots für die Schlüsselreize Licht und Akustik (rot = kein Reiz, türkis = Reiz)

Der Abfluss im Hauptgerinne der Drau gilt für die Gesamtheit aller aufgestiegenen Individuen nicht als signifikante Prädiktorvariable. Bei der Gilde der Rheophilen, der Familie der Perciden sowie den Arten Rotauge, Brachse und Schneider ist, zumindest in einem Teil der Zeitintervalle, ein geringer Effekt von ±1 % in Bezug zum Drauabfluss erkennbar. Die Resultate für den Abfluss im Fischaufstieg sind vor allem bei den 1‑h-Daten in vielen Modellen nicht plausibel und zwischen den Werten der Nullkomponente und der Zählkomponente der ZINB-Verteilungen widersprüchlich, was durch das eingangs erwähnte Auftreten von Extremwerten bei Aufstiegszahlen pro Stunde, dem Dauabfluss und der Leitströmung sowie durch Kollinearitäten zwischen den Variablen erklärbar ist. Bei den 6‑h- und 24-h-Daten ist bei keiner Gilde, Familie oder Art ein Effekt des Abflusses in der FAH auf das Einwandern der Fische erkennbar. Der Leitstromimpuls als dominante Größe für das Auffinden des Einstiegs von FAH vielfach zitiert und in mehreren Leitfäden mit expliziten Werten gefordert (Larinier 2002a; BMLFUW 2012), kommt in einem einzigen Modell, nämlich bei den 1‑h-Daten der Rheophilen vor. Hier allerdings widersprechen sich die Faktoren der Nullkomponente und der Zählkomponente des Modells. Es konnte in dieser Studie somit kein signifikanter Einfluss der Leitströmung auf die Auffindbarkeit der FAH gefunden werden. Die Wassertemperatur, hier als Differenz der Temperatur im Einstiegsbereich der FAH zu einer Sinuskurve des langjährigen stündlichen Mittels der Drautemperatur, wird bei fast allen untersuchten Gruppen als relevante Einflussgröße erkannt. Dieses Ergebnis deckt sich mit vielen fischökologischen Untersuchungen weltweit. Einzig bei den Rheophilen sowie den Schneidern, mit einem auf den Herbst beschränkten Datensatz, scheint die Wassertemperatur keinen Einfluss auf die Anzahl der Migrationsbewegungen in die FAH zu haben. Tageslicht ist bei einem Großteil der untersuchten Gruppen ein wesentlicher Faktor für ihre Aktivität, was durch die Literatur auch mannigfaltig belegt ist. Die Lauben sind die einzige Art, die hier indifferente Reaktionen zeigt. Durch die große Abundanz dieser Spezies hat dies klarerweise Folgen für die Resultate der Gesamtheit aller registrierten Fische, bei denen Tageslicht nur bei den 1‑h-Daten als Einflussgröße aufscheint.

Zusammenfassend lässt sich aus den Ergebnissen der Studie ableiten, dass die anthropogen angebotenen zusätzlichen Schlüsselreize Licht und Akustik am Einstieg der FAH KW Edling keine Steigerung der Aufstiegsraten und somit keine Verbesserung der Auffindbarkeit bewirken. Da die Wassertemperatur als für fast alle untersuchten Arten, Familien und Gilden relevante Einflussgröße auf das Wanderverhalten erkannt wurde, ist diesem Parameter in Folgeuntersuchungen erhöhte Aufmerksamkeit zu schenken.