1 Einleitung

Weltweit unterliegen viele Fließgewässer multiplen Veränderungen, die erhebliche Effekte auf die Ökologie und Nutzungsmöglichkeiten der Flüsse haben. Gut untersuchte und auch teilweise in internationalen Richtlinien adressierte Stressoren sind die Schifffahrt, wasserbauliche (hochwassertechnische) Gewässerregulierung und die Wasserkraft, mit Sunk/Schwall, Restwasser und Staubeeinflussung. Hinzu kommen Verschmutzung, Auswirkungen intensiver landwirtschaftlicher Nutzung und die einzugsgebietsübergreifenden Aspekte des Sedimentmanagements. Vermehrt finden sich auch Hinweise zu Auswirkungen bestimmter fischereilicher Bewirtschaftung.

Das Auftreten und die möglichen Auswirkungen von Gasübersättigungen in Fließgewässern sind in Europa jedoch kaum bekannt. Aus diesem Grund wird in diesem Fachartikel die Gasübersättigung (i) basierend auf den physikalischen Grundlagen, über (ii) die biologischen Auswirkungen hin zu (iii) möglichen Managementmaßnahmen vorgestellt. Weiters werden Messtechnologien präsentiert, um eine mögliche Gasübersättigung zu detektieren und in Zukunft reduzieren zu können.

1.1 Gasübersättigung

Gasübersättigung in Wasser ist allseits bekannt und wird als populäres Geschmacksmittel in sprudelnden Getränken eingesetzt, meist als CO2-Übersättigung. Die Löslichkeit von Gasen in Wasser ist proportional zum Druck des Wassers (Henry 1803). Löst man Gas in Wasser und reduziert man den Druck, z. B. indem man den Schraubverschluss einer Mineralwasserflasche öffnet, ist das Wasser mit Gas übersättigt. Es bilden sich Gasblasen, die aus der Flüssigkeit entweichen, bis sich wieder ca. 100 % Gassättigung einstellen. Auch durch Temperaturerhöhung kann Gasübersättigung entstehen, denn die Löslichkeit von Gasen in Wasser ist neben druck- auch temperaturabhängig, wärmeres Wasser kann weniger Gas lösen.

Auch in der Fischzucht ist Gasübersättigung seit langem bekannt – und gefürchtet (Marsh und Gorham 1905; Hoppe-Seyler 1896). Sie verursacht die Gasblasenkrankheit, welche oft tödlich für Fische verläuft. Es bilden sich Gasbläschen im Gewebe und den Kapillaren, welche direkte Verwundungen hervorrufen und Blutadern verstopfen und sprengen können (Abb. 5). Der Effekt ist vergleichbar mit der Taucherkrankheit bei Menschen. Bereits geringfügige Gasübersättigung von 103 bis 105 % kann in den engen Verhältnissen der Fischzucht zu erhöhter Sterblichkeit führen. Werte über 110 % führen oft zu akutem Fischsterben. Reine Sauerstoffübersättigung wird von Fischen besser vertragen, aber auch sie kann bei hoher Konzentration zur Gasblasenkrankheit führen. Oft sind es jedoch Gasgemische, die in Lösung treten. Bei gelöster Luft bedeutet das einen hohen Stickstoffanteil (in Luft ist der Anteil bei ca. 79 %, gelöst in Wasser bei ca. 63 %). Es ist der Totaldruck aller gelösten Gase (total gas pressure, TGP) der die Blasenbildung verursacht, daher ist das Gesamtgasgemisch entscheidend für die Blasenbildung (Weitkamp und Katz 1980) und nicht nur der Stickstoff, wie teils immer noch angenommen wird (Pulg et al. 2018a).

1.2 Messtechniken

Gassättigung wird mit einem Weiss-Saturometer gemessen, das den Druck gelöster Gase in einem gaspermeablen Schlauch unter Wasser erfasst (Colt 1983). Gleichzeitig wird der atmosphärische Druck an der Wasseroberfläche gemessen und der Gasdruck im Wasser dazu in Relation gesetzt. Bei der üblicherweise guten Durchlüftung des Wassers in Flüssen entspricht der Gasdruck im Wasser dem über der Wasseroberfläche, die Gassättigung beträgt 100 % TGP. Verschiedene Produzenten bieten Messgeräte an, meist mobile Handgeräte für die Fischzucht. In Flüssen werden jedoch weitaus robustere Messgeräte benötigt, die starke Temperaturschwankungen, hohe Fließgeschwindigkeiten, Vereisung und Eisgang, Sedimenttransport und Trockenfallen tolerieren. Sonden und Kabel müssen unter Wasser montiert werden, sodass auch bei Niedrigwasser gemessen werden kann. Zusammen mit Fisch & Wassertechnik entwickelten wir den GhPa-Saturometer zu einem freilandtauglichen Messgerät weiter. Dazu wurden robustere Silikonschläuche als Gasmembran verwendet, welche Wasserdruck- und Temperaturschwankungen tolerieren sowie unempfindlich gegen Kondenswasser im Inneren sind. Sonden und Kabel wurden von Tauchern mit Rohren und Schutzschläuchen an Ufer und Flussgrund fixiert. Messdaten werden mittels GSM auf einen Server übermittelt. Mit diesem System erreichten wir eine Lebensdauer in geschiebeführenden Flüssen bis zu 2 Jahren, in einem Falle hielt die Montage einem 200-jährlichen Hochwasser stand. Die Messgenauigkeit betrug ±10 hPA (ca. ±1 % TGP bei Meereshöhe).

Partialgasdrücke der wichtigsten gelösten Gase können mittels Zusatzsonden gemessen (O2, CO2) oder berechnet werden (N2). Aufwendiger, aber hochgenau sind Messungen mit Gaschromatographen.

1.3 Natürliche Gasübersättigung in Gewässern

Weniger bekannt ist, dass Gasübersättigung auch in Gewässern vorkommen und Gasblasenkrankheit bei Fischen und Wirbellosen hervorrufen kann. Luftübersättigung kann natürlicherweise in tiefen Gumpen mit starker Lufteinmischung durch Wasserfälle auftreten. Auch bei Hochwässern und dem damit einhergehenden höheren hydrostatischen Druck im Fluss kann Luftübersättigung entstehen, wenn gleichzeitig Luft eingebracht wird, etwa in Rauschen, Kaskaden, Schluchten und Wasserfällen (Weitkamp und Katz 1980; Pulg et al. 2018a). Es sei betont, dass reine Lufteinmischung in geringen Tiefen (<1 m), wie an vielen Wasserfällen und Rauschen üblich, nicht zu Gasübersättigung fuhrt, denn die Luft wird gleichermaßen gelüftet wie gelöst und das Lösungspotenzial ist nicht wesentlich gesteigert. Erst bei Lufteintrag in größeren Tiefen macht sich ein Effekt bemerkbar (oft >5 m). Auch bei starker Erwärmung von Gewässern sowie stärkerer Photosynthese kann Gasübersättigung natürlich entstehen, hier sind es oft einzelne Gase, die in Lösung treten z. B. O2 und CO2.

1.4 Künstliche Gasübersättigung in Gewässern

Gasübersättigung kann überall dort entstehen, wo Gas und Wasser unter erhöhtem Druck gemischt werden und der Druck danach wieder reduziert wird. Das kann in Wasserkraftwerken der Fall sein (Heggberget 1984; Berg 1992; Pulg et al. 2016) oder unterhalb von Dämmen mit großen Fallhöhen in großen Flüssen (Ebel 1969; Weitkamp und Katz 1980; Feng et al. 2010). In Norwegen wurde beispielsweise von Wasserkraftwerken verursachte Gasübersättigung an 12 von 16 Flüssen nachgewiesen. In 10 Flüssen war die Gasübersättigung so hoch, dass Fischsterblichkeit auftrat, teils in Form akuter Fischersterben und fischfreier Zonen (0,3 bis 4 km). Im Fluss Otra (Abb. 1) wurde außerdem eine reduzierte Dichte und Biodiversität von Makrozoobenthos aufgrund künstlicher Gasübersättigung nachgewiesen (Pulg et al. 2018a). Die Flüsse waren nicht zufällig ausgewählt worden, es bestand ein Anfangsverdacht. Die Verfasser schließen daher nicht, dass 75 % aller kraftregulierten Flüsse betroffen sind. Es sei jedoch klar darauf hingewiesen, dass das Phänomen oft unterschätzt wird und weiter verbreitet ist als angenommen. Ursachen dafür sind einerseits mangelndes Wissen und Bewusstsein. Andererseits werden Gasübersättigung und Gasblasenkrankheit in freien Gewässern leicht übersehen, denn sie kommen oft nur periodisch vor und häufig in Zusammenhang mit Hochwässern. Gasübersättigung ist meist nicht direkt sichtbar, außer bei hohen Konzentrationen (milchige Färbung des Wassers und Sprudeln, ab ca. 140 % TGP, Abb. 2) und geschädigte Fische werden rasch weggespült und gefressen. Lediglich akute Fischsterben, ausgedünnte Fischbestände und hohe Konzentrationen sind auffällig – aber auch diese wurden mangels Wissen nicht immer der richtigen Ursache zugeordnet (Pulg et al. 2018a).

Abb. 1
figure 1

Typische Ganglinie der Totalgassättigung (% TGP) im Fluss Otra am Kraftwerksauslauf sowie 1, 8 und 11 km flussabwärts

Abb. 2
figure 2

Kraftwerksauslauf in der Otra mit 166 % TGP-Sättigung und milchiger Trübung aufgrund von Blasenbildung. (Foto: Pulg)

2 Biologische Effekte

2.1 Subletale Effekte

In der Literatur wird zwischen subletalen und letalen Effekten unterschieden (Antcliffe et al. 2003). Subletale Effekte bei Salmoniden (lachsartigen Fischen) wurden üblicherweise bei 103 bis 112 % TGP gemessen. Zu ihnen gehören Bläschenbildung, erhöhter Stress, Bildung offener Wunden und Sekundärinfektionen (Abb. 3). Bei lang anhaltender Übersättigung entstehen chronische Effekte. Die Schäden sind reversibel, wenn die Übersättigung aufhört, allerding besteht danach oft eine erhöhte Anfälligkeit für Gasblasenkrankheit. Effekte hängen von Exponierung, Temperatur, Tierart, Größe und vor allem von der Wassertiefe ab (Weitkamp und Katz 1980). Da die Löslichkeit der Gase vom Umgebungsdruck beeinflusst wird (Henry 1803), können Fische Gasübersättigung in tieferem Wasser kompensieren. Als Faustregel gilt, dass per 1 m Wassertiefe 9,7 % TGP kompensiert werden können (Pleizier et al. 2019). Das heißt, Wasser mit 110 % TGP wirkt auf Fische in 1 m Tiefe wie rund 100,3 % gesättigtes Wasser. 200 % TGP können somit in 10,30 m Tiefe kompensiert werden. In natürlichen Gewässern können Fische daher übersättigtem Wasser teilweise ausweichen, wenn ausreichende Wassertiefen gegeben sind. In flachen Gewässerstrecken und beengten Zuchten hingegen ist das nicht der Fall und daher sind hier oft bereits geringe Übersättigungen gefährlich und die Schäden größer.

Abb. 3
figure 3

Geschädigte Forelle mit direkten Symptomen (Froschaugen) und indirekten Effekten (Pilzbefall). (Foto: Pulg)

Abb. 4
figure 4

Sekundärer Bacheinlauf, hier wird bei Hochwasser Luft mitgerissen und in das Kraftwerk transportiert. (Foto: Pulg)

Abb. 5
figure 5

Lachs mit akuter Gasblasenkrankheit, im Bild eine Brustflosse mit inneren Gasblasen. (Foto: Wiers)

2.2 Letale Effekte

Akut letale Effekte wurden bei Salmoniden in flachen Gewässern ab ca. 108 bis 110 % TGP gemessen. Cypriniden scheinen etwas mehr zu vertragen. Die Datengrundlage ist jedoch dünn. Bisher wurde vor allem die Toleranz pazifischer Salmoniden (Onchorhynchus spec., darunter die Regenbogenforelle), einiger asiatischer Cypriniden sowie weniger Invertebraten erforscht (Dawley 1996; Liu et al. 2013; Nebeker 1976). Von europäischen Fischarten gilt nur die Toleranz von Atlantischem Lachs als teilweise erforscht. Die Toleranzen anderer aquatischer Arten in Europa sind unbekannt und aufgrund mangelnder Alternativen wird oft vorausgesetzt, dass die Ergebnisse der pazifischen Salmoniden übertragen werden können (Pulg et al. 2016). Laborversuche mit Lachsjungfischen (15 cm) zeigen allerdings, dass der Atlantische Lachs empfindlicher reagiert als pazifische Lachsarten (Pulg et al. 2018a).

2.3 Risikobewertung und Grenzwerte

Basierend auf Laborversuchen und Freilandstudien mit Lachsjungfischen erstellten Pulg et al. (2018a) eine Risikobewertung für Lachsjungfische aufgrund Gasübersättigung in flachen Gewässern (0,3 m Tiefe). Unter 105 % TGP rechnet man nicht mit Effekten. Bei langer Exponierung (>100 h) können subletale Effekte bei 105 bis 109 % TGP auftreten, Sterblichkeit ab 109 % TGP. Bei kurzer Exponierung <10 h wurden letale Effekte ab 114 % nachgewiesen. Für Fische in tieferem Wasser gilt die genannte Kompensationsformel, allerdings ist es praktisch nicht immer möglich, die Aufenthaltstiefe der Fische zu kennen. Es wird daher empfohlen, die Werte für Flachwasser einzusetzen, um das Risikopotenzial zu erfassen.

In einigen Staaten der USA sowie in Kanada wird 110 % TGP als Standardgrenzwert für Gewässer mit Tiefen über 1 m eingesetzt (Environment 1999). In Europa sind keine direkten Richtlinien oder Grenzwerte zur Gasübersättigung bekannt. Allerdings können biologische Effekte eventueller Gasübersättigung indirekt erfasst werden, beispielsweise durch reduzierte Dichten des Fisch- oder Invertebratenbestands. Maßnahmen dagegen setzen allerdings Kenntnisse über Gasübersättigung voraus.

3 Ursachen

Mögliche Ursachen der Gasübersättigung sind im Bereich der Wasserkraftnutzung zu finden, wobei hier zwischen (i) Bauwerk (Dämme) und (ii) dem Betrieb von Wasserkraftwerken unterschieden wird.

3.1 Dämme

Dämme können Gasübersättigung verursachen, wenn Hochwasser über die Dammkrone oder Hochwasserüberläufe/-entlastungen geleitet und dabei viel Luft mitgerissen wird, welche im Unterwasserwasser unter hydrostatischem Druck gelöst wird. Je größer die Wassertiefe und je mehr mitgerissene Luft, desto höher kann die Gasübersättigung werden. Typische publizierte Werte liegen zwischen 120 und 150 % TGP (Beiningen und Ebel 1970; Ebel 1969; Ebel und Raymond 1976; Weitkamp 2008; Jiang et al. 2008; Li et al. 2009).

3.2 Wasserkraftwerke

Bei zu flachen oder unterdimensionierte Einlaufbauwerken kann Luft in Druckrohre und- Stollen eingesaugt werden, wo sie unter Druck gelöst wird und teils hohe Gasübersättigung im Auslauf verursacht (Stokkebø et al. 1986; Berg 1992). Unter 12 dokumentierten Wasserkraftwerken in Norwegen, die Gasübersättigung verursachen, war eines mit zu flachem Einlaufbauwerk und 6 mit unterdimensionierten Bacheinläufen (Abb. 4, ähnlich Tiroler Wehr) ausgestattet. Eines davon war das Kraftwerk Brokke am Fluss Otra, wo bis zu 176 % TGP im Auslauf gemessen wurden. Als Folge davon wurden Fischsterben und eine fischfreie Zone von 4 km Länge flussab des Turbinenauslasses registriert. Erst 30 km unterhalb des Kraftwerks waren die Gasübersättigungsereignisse von 170 % vollständig ausgelüftet (Pulg et al. 2018a).

In zwei Kraftwerken wurde Gasübersättigung von >120 bis 140 % durch teilweise Verstopfung des Einlaufrechens verursacht. Es entstanden Wirbel, die Lufteintrag bewirkten. Routinemäßige Belüftung von Francisturbinen zur Entlastung im Leistungsgrenzbereich führte in einem Fall zu Gasübersättigung von bis zu ca. 120 % TGP. In einem anderen Kraftwerk verursachte ein Lüftungsventil Lufteintrag und Fischsterben (Heggberget 1984). Kraftwerke mit Peltonturbinen verursachen selten eine biologisch riskante Gasübersättigung, weil eventuell gelöste Gase sehr gut durch die extreme Energieumwandlung auf den Turbinenschaufeln ausgelüftet werden. Allerdings kann es in tiefen Kraftwerksausläufen unterhalb von Peltonturbinen zur Lösung der mitgerissenen Luft kommen, was in zwei Fällen zu moderaten bis geringen Gasübersättigungen (105 bis 113 %) geführt hat (Pulg et al. 2018a). Werden Kraftwerke, die Gasübersättigung verursachen, im Schwallbetrieb gefahren, kann es zu gepulsten Gasübersättigungswellen kommen, dem sogenannten „Saturopeaking“ (Pulg et al. 2016).

4 Lösungen

Als Möglichkeiten zur Reduktion des Lufteintrags und der Verminderung der schädlichen Wirkungen der Gasübersättigung werden mit derzeitigem Wissensstand zwei unterschiedliche Konzepte empfohlen: (i) die Vermeidung von Lufteintrag und (ii) die Lüftung von gasübersättigtem Wasser.

4.1 Vermeidung von Lufteintrag

Lufteintrag in unter Druck stehendes Wasser sollte grundsätzlich vermieden werden, wenn Gasübersättigung verhindert werden soll. Bei Dämmen in großen Flüssen können Leitbauwerke an den Hochwasserentlastungen dafür sorgen, dass weniger Luft eingetragen wird. Allerdings wird Gasübersättigung dadurch nur reduziert, nicht gänzlich vermieden. Kraftwerkeinlaufbauwerke sollten tief genug platziert und ausreichend dimensioniert werden. Bei Neubauten wird dies bspw. in Norwegen heute grundsätzlich von den Behörden gefordert. Bestehende Einlaufbauwerke können umgebaut werden, was zu erheblichen Kosten führen kann, z. B. ein Umbau zu Vakuumeinläufen. Diese bestehen aus Luken, die dafür sorgen, dass bei Hochwasser keine Luft eingetragen werden kann (Berg 1992). Allerdings kann Restluft im Schacht enthalten sein, die zu Gasübersättigung führen kann, jedoch von weitaus kürzerer Dauer. Bestehende Sekundäreinlaufbauwerke kann man außerdem drosseln, sodass der Abfluss zur Dimensionierung passt und auch bei Hochwasser keine Luft mitgerissen wird. Turbinenbelüftung zur Entlastung im Leistungsgrenzbereich ist bei Francislaufrädern weit verbreitet, kann aber angepasst werden. Hier empfiehlt es sich, Gassättigung zu messen, und falls kritische Werte entstehen, die Lüftung so zu ändern, dass sie zu unschädlichen Werten führt, beispielsweise durch kürzere und geringere Luftdosen. Das gilt auch für die Fälle, in denen Lüftung von Turbinen zur Sauerstoffanreicherung eingesetzt wird. Hier muss der Sauerstoffgewinn gegen das Risiko eventueller Totalgasübersättigung abgewogen werden. Totalgasmessungen sind daher ebenso erforderlich wie Sauerstoffmessungen.

Um Lufteintrag durch verstopfte Rechen zu vermeiden, beschreiben Pulg et al. (2018a) ein Alarmsystem, das aus Druckmessern am Kraftwerkseinlauf und TGP-Saturometern am Auslauf besteht. Bei zu hohem Druckunterschied am Einlauf oder Gasübersättigung am Auslauf kann das Kraftwerk binnen Minuten gedrosselt werden, sodass kein weiterer Lufteintrag entsteht und der Rechen gereinigt werden kann. Das ist nebenbei auch im Sinn eines effektiven Kraftwerkbetriebs. Gasübersättigungsereignisse können so in ihrer Intensität begrenzt und auf wenige Minuten beschränkt werden, sodass kein oder ein nur geringes biologisches Risiko entsteht.

4.2 Lüftung von gasübersättigtem Wasser

Bei freiem Überfall von Wasser und Rieseln eines dünnen Wasserfilms über große Oberflächen lüftet übersättigtes Wasser gut aus. Das Prinzip wird in Lüftern in Fischzuchten verwendet. Auch in Gewässern kann die Auslüftung von Wasser über Schwellen und im Flusslauf berechnet und gezielt eingesetzt werden (Pulg et al. 2018b). Die Rauigkeit des Gewässerbetts, durch den d90 beschrieben, hat sich hier als eine wesentliche Kenngröße zur Auslüftung gezeigt. Weiters wurde an der Otra (Norwegen) ein Deflektor mit konkaver Oberfläche installiert, auf den ein Wasserstrahl im freiem Überfall auftrifft und versprüht wird (Abb. 6). Der Deflektor reduziert die Gasübersättigung mit 70 bis 80 % (Pulg et al. 2018a). Für einen Deflektor dieser Art ist jedoch ausreichend Gefälle notwendig.

Abb. 6
figure 6

Deflektor am Tjurrmo Dam im Fluss Otra. Die Luke dient zur Beschickung der Restwasserstrecke mit einem Mindestwasserabfluss von 3 bis 5 m3/s. Der Deflektor sorgt für eine Belüftung des gasübersättigten Wassers und eine Reduzierung der Gasübersättigung um 70 bis 80 %. Die Werte unterhalb können daher unter 107 % TGB gehalten werden werden. (Fotos: Stranzl)

5 Forschungsprojekt SUPERSAT

Ein neues internationales Forschungsprojekt soll die wichtigste offenen Fragen zur Gasübersättigung und deren biologischer Effekte beantworten. Dazu gehören die Erforschung der Toleranz ausgewählter europäischer Arten (Bachforelle, Flussbarsch, jüngere Stadien des Atlantischen Lachses). Auch die Verbreitung künstlicher Gasübersättigung soll erforscht werden. Dazu wird ein Risikomodell erstellt, das anhand von Kraftwerkstypen und hydraulischen sowie hydrologischen Eigenschaften die Wahrscheinlichkeit für Gasübersättigung in norwegischen, österreichischen und deutschen Kraftwerken berechnet. Die Ergebnisse werden dann in diesen drei Ländern durch Messungen ergänzt und validiert. Es wird außerdem ein Lösungskatalog erstellt, der Methoden zur Vermeidung und Reduzierung von Gasübersättigung in Gewässern zusammenfasst.

Das Projekt wird zur Gänze vom norwegischen Forschungsrat aus freien Mitteln gefördert. Es wird vom Norwegian Research Center (NORCE) LFI in Bergen geleitet. International beteiligt sind die BOKU Wien (Institut für Wasserbau, Hydraulik und Fließgewässerforschung, Österreich), die Universität Koblenz-Landau (Deutschland) sowie die UBC (Kanada).

6 Schlussfolgerung

Dämme und Wasserkraftwerke können Gasübersättigung in Fließgewässern verursachen, die zu subletalen und letalen Schädigungen von Gewässerorganismen führen. Das Phänomen der Gasübersättigung wurde in einzelnen Ländern bereits seit Jahrzehnten als Stressor für aquatische Ökosysteme untersucht. In Europa hingegen gibt es hierzu kaum wissenschaftliche Arbeiten oder Risikoanalysen. Aufgrund des hohen Ausbaugrads der Wasserkraft im Alpenraum und den Bestrebungen, diesen Ausbau in anderen Teilen Europas voranzutreiben, wird empfohlen, diesen potenziellen Stressor in Risikobewertungen mit aufzunehmen. In Ergänzung zu den bisherigen Erkenntnissen ist es notwendig, über die Entstehung und Effekte der Gasübersättigung in Europa zu forschen und Maßnahmen zur Reduktion und Vermeidung zu entwickeln. Dies gilt auch für die Entwicklung und Validierung geeigneter Messinstrumente. Im vorliegenden Fachartikel wurden, dem Schwerpunkt dieses Themenhefts folgend, bereits neue Technologien vorgestellt, um (i) die Gasübersättigung in Flüssen dauerhaft zu messen und überwachen und (ii) durch die Anwendung von Deflektoren oder Alarmsystemen eine deutliche Verbesserung in Bezug auf Reduktion der Gasübersättigung zu erzielen. Das internationale Projekt SUPERSAT soll weitere Grundlagen für Umwelteffekte sowie Technologieentwicklung zur Überwachung und Vermeidung von Gasübersättigung liefern.