Abb. 4
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Impression vom Workshop „Gewässersanierung“ auf der BOKU Wien (Foto: ÖWAV)

Abb. 5
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(v.l.): Mag. Gerd Frik (VERBUND), ao.Univ.-Prof. DI Dr. Stefan Schmutz (BOKU), GF DI Manuel Hinterhofer (Österr. Fischereiverband) und GF DI Bettina Dreiseitl-Wanschura (Plansinn) (Foto: ÖWAV)

Am 15. September 2016 fand der ÖWAV-Workshop „Gewässersanierung – ein gemeinsamer Weg“ statt. Der Workshop wurde vom Arbeitsausschuss „EU-Wasserrahmenrichtlinie“ der Fachgruppe „Wasserbau, Ingenieurbiologie und Ökologie“ des ÖWAV initiiert und gemeinsam mit weiteren VertreterInnen unterschiedlichster Sektoren organisiert. Mehr als 50 Personen, die verschiedenste Fachbereiche auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene repräsentieren, kamen der Einladung zu dieser Veranstaltung, die in Österreich erstmalig in diesem Format stattfand, nach (Abb. 1).

Abb. 1
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Am Prozess eines gemeinsamen Weges der Gewässersanierung beteiligte Sektoren

Ziel der Veranstaltung war es, einen gemeinsamen Weg in der Sanierung der österreichischen Fließgewässer zu skizzieren. In einem ersten Schritt wurde hinterfragt, ob es angesichts der sehr unterschiedlichen Interessen der Nutzung bzw. des Schutzes unserer Gewässer überhaupt eine gemeinsame Vision einer zukünftigen Flusslandschaft geben kann. Im Anschluss daran wurde versucht, Hindernisse in der Umsetzung dieser Vision zu identifizieren und Lösungsansätze zu erarbeiten. In kleinen Gruppen wurden anhand eines fiktiven, grafisch aufbereiteten Einzugsgebietes mit unterschiedlichsten Belastungen konkrete Problemfelder diskutiert und nach gemeinsamen Lösungswegen gesucht (Abb. 2). Als erster Schritt wurden aus sektoraler Sicht Lösungen zur Reduktion der Belastungen entwickelt, um die gewässerökologische Situation zu verbessern. Ein anschließender Rollentausch diente dem besseren gegenseitigen Verständnis der unterschiedlichen sektoralen Interessen, um schließlich gemeinsam in der Gruppe einen gesamtheitlichen, integrativen Lösungsweg zu erarbeiten. Die wesentlichsten Ergebnisse des Workshops werden hier zusammengefasst.

Abb. 2
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Schematische Karte eines fiktiven Einzugsgebietes zur Darstellung von Konfliktbereichen und als Basis für die Erarbeitung integrativer Lösungen

1 Gibt es eine gemeinsame Vision einer zukünftigen Flusslandschaft?

Sehr erfreulich ist, dass sich trotz der sehr unterschiedlichen grundsätzlichen Interessen der vertretenen Sektoren die Visionen über Kernelemente einer zukünftigen Flusslandschaft sektorenübergreifend sehr ähnlich sind und in diesem Zusammenhang kein großes Konfliktpotenzial zu erkennen ist. Ungeachtet ihrer jeweiligen Rolle in der Flusslandschaft zielen alle Sektoren auf eine verbesserte Umwelt ab und sehen den weiteren dringenden Bedarf der Sanierung unserer Gewässer, wenn auch bei gleichzeitiger Wahrung der Nutzungsinteressen. Dass diese Ziele aufgrund der Komplexität der Materie nur durch einen gemeinsamen Weg erreicht werden können, wird von allen Seiten eindeutig bejaht.

2 Finanzierung sichern

Einigkeit zwischen allen Sektoren besteht darüber, dass ohne Klärung der Finanzierungsfrage und/oder Finanzierungsanreize keine umfassende Sanierung der Fließgewässer möglich ist. Bislang wurde bei der Sanierung wasserkraftbedingter Belastungen ein Großteil der Kosten durch EVUs getragen und es standen auch entsprechende Fördermittel zur Verfügung. Die morphologische Sanierung der Gewässer, die im Zuge schutzwasserwirtschaftlicher Bauten in ihrer Funktionsfähigkeit beeinträchtigt sind, ist mehr oder weniger ausschließlich durch die öffentliche Hand zu finanzieren. Dazu bedarf es ausreichend ausgestatteter Fördertöpfe sowie einer Priorisierungsstrategie für die mittel- und langfristige Revitalisierung der Gewässer. Je weniger Mittel zur Verfügung stehen, umso wichtiger ist der effiziente Ressourceneinsatz. Das Ermöglichen einer kostenschonenden eigendynamischen Entwicklung der gewässermorphologischen Prozesse sollte dabei Vorrang haben. Die Evaluierung von bereits umgesetzten Revitalisierungsprojekten kann dazu beitragen, wertvolle Erkenntnisse für kosteneffiziente zukünftige Sanierungen abzuleiten.

3 Bewusstsein stärken

EntscheidungsträgerInnen sind nur dann bereit, sich um eine ausreichende Finanzierung von Sanierungsmaßnahmen zu kümmern, wenn sich diese politisch auch „rechnen“, d. h., wenn diese Maßnahmen von Seiten der Bevölkerung und der Interessensgruppen bewusst wahrgenommen, gewünscht oder sogar initiiert werden. Derzeit wird die Bevölkerung jedoch oftmals nicht ausreichend über den Nutzen bestimmter Sanierungsmaßnahmen informiert. Die Inhalte der Wasserrahmenrichtlinie sind zu wenig bekannt. Es gibt kein gezieltes Lobbying dafür, Gewässer ökologisch funktionsfähig zu erhalten, um so überhaupt eine vielfältige Nutzung der Gewässer zu ermöglichen. Es wird oftmals verabsäumt, die Erfolge von Sanierungsmaßnahmen klar herauszuarbeiten, verständlich aufzubereiten und sichtbar zu machen. Dies ist vor allem bei einem hohen finanziellen Mitteleinsatz von größter Wichtigkeit. Auch wenn Maßnahmenentwicklungen großteils durch Partizipationsprozesse begleitet werden, fehlt zumeist eine gemeinsame „Nachlese“ mit der betroffenen Bevölkerung. Gute Betreuung vorausgesetzt, werden jedoch – wie die Erfahrung zeigt – die ursprünglich stärksten GegnerInnen einer Sanierungsmaßnahme nach deren erfolgreichen Umsetzung oftmals zu den überzeugtesten BefürworterInnen. Eine große Herausforderung besteht daher darin, die sehr komplexe Thematik der ökologischen Gewässersanierung für die interessierte Öffentlichkeit allgemein verständlich aufzubereiten. Dabei sollten neue Hilfsmittel wie z. B. Visualisierungen oder vereinfachte Skizzen oder Karten von Einzugsgebieten mit all ihren Nutzungen und Belastungen, wie sie auch beim gegenständlichen Workshop verwendet wurden (Abb. 2), verstärkt Anwendung finden.

Eindeutig wird von allen TeilnehmerInnen des Workshops erkannt, dass eine verstärkte Bewusstseinsbildung notwendig ist. Es gilt Betroffenheit und Interesse anzusprechen und Begeisterung vor Ort zu erzeugen, wie dies im Einzelnen z. B. im Rahmen von Flussdialogen, der Flussraumbetreuung oder Sparkling-Science-Projekten schon sehr erfolgreich geschieht. Sanierungserfolge müssen besser kommuniziert werden. Dabei sind auch soziale Medien verstärkt einzusetzen. Eine umfassende Bewusstseinsbildung bedarf aber auch ausreichender personeller Ressourcen und finanzieller Unterstützung. Dabei ist eine aktive Betreuung vor, während und nach Umsetzung von Maßnahmen entscheidend. Vermarktungsstrategien wie „Wasser-Erlebens-Gemeinden“ (vergleichbar mit den sehr erfolgreichen „Bergsteigerdörfern“) könnten auf lokaler und überregionaler Ebene initiiert werden. Dazu ist eine verstärkte Zusammenarbeit mit Gemeinden notwendig. Die Integration des Themas Wiederherstellung ökologisch funktionsfähiger Gewässer durch Gewässersanierung in die Schulbildung sowie gezielte außerschulische Weiterbildungsangebote sollten in Angriff genommen werden.

4 Verantwortlichkeiten klären

Unsere Gewässer sind vielfältig belastet und daher ist die Notwendigkeit zur Gewässersanierung auf viele Sektoren und Akteure verteilt. Es wäre daher außerordentlich sinnvoll, diese untereinander besser abzustimmen und Synergien zu nutzen. Aktivitäten erfolgen oftmals auf Basis von Einzelinitiativen oder im Zuge von Einzelprojekten wie z. B. LIFE-Projekte. Oft scheinen auch die Verantwortlichkeiten nicht klar zu sein. Während bei der Sanierung von Wasserkraftanlagen klar die EVUs anzusprechen sind, müssen bei morphologischen Sanierungen mehr Akteursgruppen berücksichtigt und die Verantwortlichkeiten entsprechend geklärt werden. Sanierungsmaßnahmen sind oft mit längerfristigen Verpflichtungen und Folgekosten verbunden, was die Akzeptanz und Bereitschaft zur Sanierung limitieren kann. Hier gilt es Mechanismen und Instrumente zu entwickeln, welche die Lasten der Folgekosten „gerechter“ verteilen und so die Bereitschaft der Konsenswerber für Sanierungsprojekte erhöhen. Grundsätzlich muss die integrative Sanierung Aufgabe einer gestärkten wasserwirtschaftlichen Planung sowie Bestandteil einer integrativen ökologisierten Instandhaltung der Gewässer werden und nicht nur von Einzelprojekten abhängig sein. Es braucht Planungs- und Entwicklungskonzepte, die einzugsgebietsbezogen die lokalen mit den regionalen und überregionalen Prozessen verbinden.

5 Ganzheitliche Sicht notwendig

Aufgrund der Komplexität der Materie ist grundsätzlich ein ökosystemarer Ansatz zu verfolgen und ein ganzheitlicher Weg einzuschlagen, da sich – unter Berücksichtigung der unterschiedlichsten Zielvorgaben – nur auf diese Weise umfassende, kosteneffiziente und nachhaltige Lösungen erarbeiten lassen. Gute Ansätze für integrative Instrumente sind vorhanden (GE-RM: Gewässerentwicklungs- und Risikomanagementkonzepte, Regionalprogramme). Die Möglichkeiten sogenannter „integrativer LIFE-Projekte“ sollten umfassend genutzt werden, um sowohl eine Methodik für ein ganzheitliches Gewässermanagement zu entwickeln als auch ihre Praxistauglichkeit nachzuweisen.

Oftmals scheitert die Umsetzung gut konzipierter Revitalisierungsprojekte an der fehlenden Verfügbarkeit von Flächen. Eine frühzeitige Einbindung der Land- und Forstwirtschaft bereits bei der Planung von Sanierungskonzepten und -Projekten ist für einen erfolgreichen Prozess essenziell. Eine Abstimmung der agrarischen Fördermaßnahmen (z. B. ÖPUL) mit den Erfordernissen der Gewässersanierung ist dringend notwendig. Das Schärfen des Bewusstseins land- und forstwirtschaftlicher Akteurinnen und Akteure für die Notwendigkeit einer gewässerschonenden Bewirtschaftung, z. B. Anpassung der Bewirtschaftungsform oder das Anlegen von Gewässerrandstreifen, muss forciert werden.

Da Flächen grundsätzlich, insbesondere aber in alpinen Landschaften, limitiert sind, ist ein langfristiges Flächenmanagement entlang von Fließgewässern erforderlich. Neben der Land- und Forstwirtschaft ist auch die Raumplanung einzubinden. Innovative Ansätze, wie Sicherung und Kauf von Vorbehaltsflächen, ein Pool von Tauschflächen etc. sind zusätzlich zu den hoheitlichen Maßnahmen der Raumplanung notwendig, um in dieser schwierigen Thematik Lösungen zu finden. Darüber hinaus ist eine Verschneidung des Gewässermanagements mit dem Landmanagement erforderlich und Funktionen der gewässerbegleitenden Landökosysteme (z. B. Bodenfunktionskarte) sind mit jenen des Gewässerökosystems abzustimmen.

Die morphologische Sanierung sollte in Abstimmung mit der hydrologischen Sanierung und Kontinuumswiederherstellung erfolgen, da nur dadurch eine gesamtheitliche Verbesserung erzielt werden kann. Dabei ist auch eine verstärkte Zusammenarbeit mit der Wildbach- und Lawinenverbauung (WLV) notwendig. Für die morphologische Sanierung braucht es ein zeitlich-räumliches Konzept, das eine sukzessive Umsetzung garantiert (siehe z. B. Umsetzung des Strahlwirkungskonzeptes in der BRD).

Die Gewässersanierung dient vordergründig der Verbesserung des ökologischen Zustands, sanierte Fließgewässerabschnitte werden aber insgesamt als wertvolle Landschaftselemente von AnrainerInnen, Erholungssuchenden und TouristInnen wahrgenommen. Es gilt, zukünftig den Wert von Sanierungsmaßnahmen für die Bereitstellung von Ökosystemleistungen, beispielsweise im Bereich Naherholung und Tourismus, einer breiten Öffentlichkeit (öffentliches Interesse) näher zu bringen.

Fließgewässer sind überwiegend durch Mehrfachbelastungen beeinträchtigt (Abb. 3). Die anteilige Zuordnung zu den ökologischen Folgewirkungen und die zugrundeliegenden Wirkungsmechanismen sind nicht in jedem Fall eindeutig bekannt. Bei manchen Belastungen ist eine genaue Zuordnung zu Verursachern daher nicht möglich. So wird z. B. ins Sedimentregime von Fließgewässern in sehr unterschiedlicher Weise eingegriffen (Rückhalt, Entnahme, Stauraumspülung, Landnutzung etc.), sodass sich die jeweiligen Anteile der Verursacher nicht mehr oder nur sehr ungenau erfassen lassen. Das Verursacherprinzip kann daher in derartigen Fällen nur sehr selten direkt zur Anwendung kommen. In praktisch allen Fließgewässern bedarf es folglich einer übergeordneten und ganzheitlichen Planung auf Einzugsgebietsebene, eines ausgewogenen Abwägungsprozesses und letztendlich eines übergeordneten Kostenbeteiligungsmodells für notwendige Sanierungsmaßnahmen.

Abb. 3
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Anteil singulärer (Anzahl 1) und multipler (Anzahl 2–7) Belastungen (in %) in belasteten Wasserkörpern in Österreich (N = 5118) (Datenquelle: Risikoanalyse 2013 BMLFUW)

Gewässersanierung muss Hand in Hand mit dem Gewässerschutz erfolgen. Schutz und Erhaltung intakter Gewässer sind eine wesentlich kostengünstigere Strategie als die Sanierung degradierter Gewässer. Gerade in Bezug auf Gewässer mit besonders hoher ökologischer Wertigkeit spielt die Ausweisung von Zonen, in denen Nutzungen generell unterbleiben sollen oder nur bis zu einem bestimmten Ausmaß erlaubt sind, eine wichtige Rolle. Die diesbezügliche Diskussion sollte versachlicht werden, da nur dadurch die effizientesten Schutzkonzepte entwickelt werden können. Bereits erfolgte Ausweisungen sollten nicht in die tagespolitische Diskussion zurückkehren, sondern als Chance gesehen werden, neue Projektentwicklungen auf jene Gewässer zu konzentrieren, die eine rasche Umsetzung ermöglichen. Dies würde sowohl aus betriebswirtschaftlicher als auch verwaltungstechnischer Sicht dem Gebot eines sparsamen und effizienten Mitteleinsatzes entsprechen. Die Revitalisierung bestehender Wasserkraftanlagen sollte Priorität vor neuen Projekten haben. Neue Kraftwerke sollten in bereits stark verbauten Gewässerstrecken und nicht in Schutzgebieten errichtet werden. Durch neue Wasserkraftwerke können bei gleichzeitiger Sanierung bestehender Belastungen Win-Win-Situationen erzeugt werden (z. B. Schwallausleitung).

Der (fisch-)ökologische Zustand kann neben den klassischen Belastungen wie stofflichen und hydromorphologischen Beeinträchtigungen durch zusätzliche Belastungen wie Klimaänderung, Prädatoren, Fischkrankheiten und fischereiliche Bewirtschaftung beeinflusst werden. Eine Quantifizierung bzw. Prognose von Kombinationswirkungen ist zum Teil schwierig und erfordert noch zusätzliche Forschungen. Im Sinne eines ganzheitlichen Gewässermanagements sollten diese Aspekte zukünftig ebenfalls mehr Beachtung finden.

6 Ausblick

Wie aus den Rückmeldungen der TeilnehmerInnen zu vernehmen war, fand diese Veranstaltung sehr großen Anklang. Insbesondere begrüßt wurden der integrative Ansatz, der bereits in der Konzeption und Organisation des Workshops verfolgt wurde, sowie die Methodik der regen Gruppendiskussionen und des Rollentauschs. Einstimmig wurde eine Fortsetzung des Dialogprozesses gewünscht. Es ist daher vorgesehen, Folgeveranstaltungen abzuhalten.