1 Einleitung

Schutz von Siedlungsräumen vor Hochwässern, die Erhaltung und Wiederherstellung ökologisch wertvoller Gewässerstrukturen und die demografische Entwicklung prägen aktuell viele flussbauliche Projekte an alpinen Gewässern.

Flussbegradigungen, Laufverlegungen oder Regulierungen waren in der Historie allerorts umgesetzte flussbauliche Konzepte im Alpenraum. Damit konnten der Siedlungsraum und landwirtschaftliche Nutzflächen in den Einflussbereich der Gewässer erweitert werden. Die gegenwärtige Struktur des alpinen Dauersiedlungsraumes mit teilweise intensivster Nutzung der Talräume und der Schwemmkegelflächen resultiert aus dieser seit nunmehr vielen Jahren verfolgten Vorgehensweise. Damit steigt in diesen Gebieten das Schadenspotenzial. Natürliche Retentionsräume oder ökologisch wertvolle Vorländer stehen den Gewässern oft nur mehr in sehr geringem Umfang zur Verfügung (Bätzing 1991; Werth 2003). Abb. 1 zeigt in diesem Kontext die demografische Entwicklung im Inntal, beispielhaft für die Siedlungsräume um Hall in Tirol (Zeitraum 1946 bis 2013) und Wörgl (Zeitraum 1973 bis 2013). Die Ausdehnung bebauter Flächen in unmittelbarer Nähe zum Inn und den Zubringergewässern, sowohl für Wohnbau, gewerbliche Nutzung und auch für Infrastrukturobjekte, ist hier evident.

Abb. 1
figure 1

Beispiele für die Siedlungsentwicklung im Inntal im Zeitraum 1946 bis 2013 (Daten: © Land Tirol)

Aus schutzwasserbaulicher Sicht sind Maßnahmen der Kapazitätserhöhung alpiner Gewässer nach wie vor notwendig und sinnvoll. Im Rahmen integraler, nachhaltiger und ökologisch verträglicher Planungsansätze werden sie mittlerweile gemeinsam mit anderen flussbaulichen und raumplanerischen Maßnahmen, beispielsweise der Schaffung ökologischer Ausgleichsflächen oder der Freihaltung von Flächen für die Hochwasserretention, betrachtet (Aufleger et al. 2012; Geilen et al. 2004; Poulard et al. 2010; Zarn 2008).

Schadenbringende Hochwässer zeigen immer wieder auf, dass fluviatilen Gefahrenprozessen ausschließlich durch technische Schutzmaßnahmen nicht vollständig entgegnet werden kann. Extrem seltene Ereignisse, welche die Kapazitäten der Gewässer bzw. der Schutzbauwerke überschreiten, stellen ein gewisses Restrisiko für den angrenzenden Siedlungsraum dar. Diese Ereignisse können dort aufgrund des hohen Schadenspotenzials enorme Schäden verursachen (vgl. Abb. 1). Größere Hochwasserereignisse ziehen häufig auch eine Harmonisierung des Datenkollektivs zur Berechnung von hydrologischen Erwartungswerten mit definierten Jährlichkeiten nach sich. Möglicherweise ergeben sich hieraus höhere Bemessungsabflüsse, welche der Dimensionierung von Hochwasserschutzmaßnahmen zugrunde gelegt werden. Hierdurch kann die Realisierung neuer bzw. auch die Anpassung bestehender Schutzmaßnahmen notwendig werden.

Für die Planung von Hochwasserschutzmaßnahmen sind zwei wesentliche Aspekte zu nennen:

  1. 1.

    Für Siedlungen und bedeutende Wirtschafts- und Verkehrsanlagen (höherwertige Nutzungen) ist grundsätzlich die Gewährleistung eines Schutzes bis zu Hochwasserereignissen mit einem voraussichtlichen Wiederkehrintervall von 100 Jahren (HQ100) anzustreben.

  2. 2.

    Schutzmaßnahmen entlang des Gewässers sind so zu gestalten, dass sie im Vergleich zur Bestandssituation keine nachteiligen Konsequenzen für die Unterlieger verursachen. Es gilt in diesem Kontext das sogenannte „Verschlechterungsverbot“.

Aus beiden genannten Aspekten ergibt sich letztlich die Voraussetzung, dass eine Umsetzung von linearen Hochwasserschutzmaßnahmen zur Reduzierung von Überflutungen in besonders hochwertigen Räumen (z. B. Siedlungen, Gewerbegebiete) in Kombination mit Retentionsmaßnahmen erfolgen muss, welche dem Verschlechterungsverbot für die Unterlieger gerecht werden. Die Planung technischer Schutzmaßnahmen basiert entsprechend auf der Strecken- bzw. Einzugsgebietsebene (Habersack et al. 2011). Eine hinreichende Retentionswirkung entlang von Flüssen in vergleichsweise dicht bebauten Räumen ist vorwiegend mit einer Anordnung im Nebenschluss, d. h. durch Aktivierung bzw. Optimierung von Retentionsräumen, zu erreichen. Für eine effiziente Ausnutzung des Retentionsraumes ist die Steuerung der Zuflüsse in den Retentionsraum von wesentlicher Bedeutung (Fischer 2008). Der Betrieb der Einlaufbauwerke mit entsprechenden Verschlussorganen richtet sich dabei aus Gründen der Erhöhung der Zuverlässigkeit häufig nach den Abflüssen bzw. Wasserständen an mehreren Steuerpegeln im Gewässer. Nachdem letztlich nicht nur die Abflussspitze, sondern auch die Wellenform eines Hochwassers für eine optimale Ausnutzung von Retentionsräumen relevant ist, ist grundsätzlich insbesondere die Miteinbeziehung von Hochwasserprognosemodellen für das Einzugsgebiet des Gewässers eine wichtige Voraussetzung für eine möglichst effiziente Ausnutzung von Retentionsräumen (Fischer 2008; Homagk 2007). Hochwasserprognosemodelle sind aber nicht bei allen Gewässern (z. B. bei zu geringen Vorlaufzeiten) sinnvoll anzuwenden und ist daher im Einzelfall zu untersuchen.

Der Transport von Geschiebe im Gewässer bzw. die sich im Verlauf eines Hochwassers einstellenden Sohllagenänderungen können einen wesentlichen Einfluss auf die Wirkung von Hochwasserschutzmaßnahmen (Gems 2012; Plörer 2012) und die Dotierung von Retentionsräumen haben. Anlandungsprozesse beispielsweise aufgrund massiver Seiteneinträge ins Gewässer verringern die Abfuhrkapazität und führen zur Überlastung von Schutzmaßnahmen bereits bei geringeren Abflüssen im Vorfluter. Analog gestaltet sich die Situation bei Retentionsräumen, wenn infolge von Anlandungen am Steuerpegel die Abflüsse überschätzt werden und eine frühzeitige oder zu intensive Dotierung des Retentionsraumes erfolgt. Hingegen können erhebliche Sohleintiefungen die Dotierung von Retentionsräumen gänzlich verhindern, wenn die Abflüsse am Steuerpegel unterschätzt werden bzw. die lokalen Wasserspiegellagen die Überlaufkote des Einlaufbauwerkes nicht erreichen. Eine fundierte Einschätzung der Geschiebetransportprozesse im Hochwasserfall und der Stabilität der Gewässersohle ist in diesem Sinne für die Planung von Hochwasserschutz- und Retentionsmaßnahmen von großer Bedeutung.

Der vorliegende Beitrag befasst sich mit der Bedeutung des Geschiebetransportes für die schutzwasserbaulichen Planungen am Inn im Unterinntal zwischen der Mündung der Sill bei Innsbruck und der Mündung der Weißache in Kufstein. Wesentliche Grundlagen sind neben den für die Geschiebemodellierung relevanten und in Kapitel 3 näher beschriebenen Erhebungen auch die Regionalstudie Unterinntal und der aktuelle Stand der Maßnahmenplanung für das Mittlere und Untere Unterinntal. Der 73,5 km lange Gewässerabschnitt ist nach der Harmonisierung der Hochwasserabflüsse im Jahr 2009 gegenwärtig nicht zur Gänze auf die schadlose Abfuhr eines 100-jährlichen Bemessungsereignisses ausgelegt. Die ausgewiesenen Gefahrenzonen (WRG 1959; BMLFUW 2014) für den Inn betreffen teilweise in erheblichem Maße bebaute und als Bauland gewidmete Flächen, landwirtschaftliche Flächen und bestehende Infrastruktur.

Umfangreiche schutzwasserwirtschaftliche Maßnahmen entlang des Inns, Maßnahmen zum Schutz von Siedlungen und Gewerbegebieten in überschwemmungsgefährdeten Gebieten und auch mehrere große Retentionsräume sind derzeit in Planung. Entlang der gesamten Gewässerstrecke und insbesondere am Ende des Gewässerabschnittes an der Staatsgrenze nach Deutschland gilt es, Abflussverschärfungen im Vergleich zur Bestandssituation zu vermeiden (vgl. Haider et al. 2014). Mit einer in diesem Kontext durchgeführten instationären 2D-numerischen Geschiebemodellierung wird der Einfluss des Geschiebetransportes und sich einstellender Sohllagenänderungen auf die Planung der Hochwasserschutz- und Retentionsmaßnahmen aufgezeigt. Nachfolgend werden die numerischen Geschiebetransportberechnungen für längere Gewässerabschnitte vorgestellt und die wesentlichen Erkenntnisse der Berechnungen für die Planung der technischen Schutzmaßnahmen am Inn aufgezeigt.

2 Projektgebiet

Abb. 2 zeigt den Gewässerabschnitt des Inns von der Einmündung der Sill bei Flusskilometer km 294,7 in Innsbruck bis zur Grenze zu Bayern bei Kufstein

Abb. 2
figure 2

Übersicht über das Projektgebiet des Inns im Unterinntal – Gewässerabschnitt von der Mündung der Sill in Innsbruck (km 294,7) bis zur Mündung der Weißache in Kufstein (km 221,2) (Datenquelle: Amt der Tiroler Landesregierung, Sachgebiet Schutzwasserwirtschaft und Gewässerökologie)

Der Inn verläuft in diesem Gewässerabschnitt in einem über weite Strecken verbauten Gerinne mit durchwegs homogenem Querprofil. Das Gefälle beträgt im Durchschnitt etwa 1,2 ‰, die mittlere Sohlbreite 90 m. 57 Zubringergewässer münden im Abschnitt von der Sillmündung in Innsbruck bis zur Einmündung der Weißache in Kufstein in den Inn. Dabei vergrößert sich das Einzugsgebiet des Inns von 5.809 km2 um 63,5 % auf 9.497 km2. Der Inn passiert im Unterinntal 39 politische Gemeinden. Der gesamte Talraum ist geprägt durch eine intensive Flächennutzung für Wohnbau, Gewerbe und Landwirtschaft.

Die in Abb. 2 dargestellten Überflutungsflächen für ein 100-jährliches Hochwasserereignis zeigen, dass erhebliche Bereiche dieses Siedlungsraumes im unmittelbaren Überflutungsbereich des Inns liegen. Im Hochwasserfall stellen sie ein enormes Schadenspotenzial dar. Die dargestellten Überflutungsflächen bilden die Grundlage für die aktuelle Gefahrenzonenpläne für den Inn. Aufgrund der im Bestand streckenweise zu geringen Abfuhrkapazität des Inns und der daraus resultierenden Ausweisung der Gefahrenzonen ergeben sich bedeutende Einschränkungen und Konsequenzen für die Raumplanungs- und Bebauungskonzepte der Gemeinden und das Entwicklungspotenzial von Gewerbe- und Industriebetrieben.

In Abb. 3 (a) ist der hydrologische Längenschnitt für den betrachteten Gewässerabschnitt des Inns mit den 100-jährlichen und den 300-jährlichen Bemessungswerten dargestellt. Die Werte repräsentieren in der Form die Einwirkung für die hydraulische Modellierung von oberstrom und aus den Zubringereinzugsgebieten für die hydraulische Modellierung. Die beiden markanten Zuflüsse erfolgen durch die Sill in Innsbruck (274 m3/s bei HQ100 des Inn) und den Ziller (408 m3/s bei HQ100 des Inn). Abb. 3 (b) enthält für den HQ100-Lastfall die durchwegs stationär angenommenen Abflussspenden aus den 57 Zubringereinzugsgebieten und die Gesamtabflussspende im Inn.

Abb. 3
figure 3

(a) Hydrologischer Längenschnitt für den Innabschnitt von km 298,6 (Pegel Innsbruck/Inn) bis km 221,2 (Einmündung Weißache in Kufstein) mit den 100-jährlichen und den 300-jährlichen Bemessungswerten r; (b) Zubringerabflussspenden und Gesamtabflussspende (HQ100) entlang des Inns

Im betrachteten Gewässerabschnitt des Inns sind vier Pegelmessstellen zur kontinuierlichen Wasserstandsaufzeichnung und Abflussermittlung situiert. Beim Hochwasser vom August 2005 wurde am Pegel in Innsbruck eine Abflussspitze mit einer Jährlichkeit > 200 beobachtet. Flussabwärts nahm die Jährlichkeit ab (Abb. 3, (a)) (Godina et al. 2006). Das Hochwasser vom August 2005 verursachte in Tirol und dabei insbesondere im Tiroler Oberland (Rosanna, Trisanna, Sanna, Inn) verheerende Schäden (Godina et al. 2006). Im Unterland war insbesondere auch der westliche Bereich Wörgls auf der orografisch rechten Seite des Inns betroffen (vgl. Abb. 1 und Abb. 2). Das Hochwasser führte schließlich zu einer Erhöhung der 30-, 100- und 300-jährlichen Hochwasserbemessungswerte (Abb. 3 (a)).

Aufgrund der dargestellten Situation im Unterinntal erfolgen gegenwärtig im Auftrag der Bundeswasserbauverwaltung Tirol umfangreiche Planungsarbeiten für Hochwasserschutz- und Retentionsmaßnahmen im Mittleren Unterinntal von der ARGE WernerConsult/Henzinger/Freiland/Moser&Jaritz und im Unteren Unterinntal von der ARGE DonauConsult/ILF. Diese umfassen Linearmaßnahmen zum Schutz des Siedlungsraums (insbesondere Dämme), mehrere große Retentionsräume im Talraum und auch technische Maßnahmen zum Schutz von Einzelobjekten. Abb. 4 zeigt den Verlauf der Abfuhrkapazität des Bestandsgerinnes (d. h. den maximalen Abfluss ohne Überflutungen, vgl. Abb. 2). Der Vergleich mit dem hydrologischen Längenschnitt gibt einen ersten Hinweis über das erforderliche Ausmaß an Linearmaßnahmen.

Abb. 4
figure 4

Hydrologischer Längenschnitt für den Innabschnitt von km 298,6 bis km 221,2 mit den 100-jährlichen Bemessungswerten; Darstellung von Bereichen mit geringeren Abflusskapazitäten des Inns für die derzeitige Bestandssituation (Datenquelle hydrologischer Längenschnitt: Amt der Tiroler Landesregierung, Sachgebiet Schutzwasserwirtschaft und Gewässerökologie)

Derzeit ist die Anordnung von sechs teilweise gesteuerten Retentionsräumen in Thaur, Schwaz-Buch, Münster, Voldöpp (Kramsach), Radfeld-Kundl und Angath mit Volumina zwischen 1,2 Mio. m3 und 5,4 Mio. m3 zur Verhinderung nachteiliger Konsequenzen aus den Linearmaßnahmen für die Unterlieger im Inntal und auch für den weiteren Verlauf des Inns in Bayern vorgesehen. Die gesteuerte Dotierung der Retentionsräume basiert jeweils auf Beobachtungen eines Pegelkollektivs entlang des Inns und in den bedeutenden Zubringern, d. h. durch eine Echtzeit-Beobachtung der Wasserstände. Aufgrund der Charakteristik des Inns und der Erfahrungen aus abgelaufenen Hochwasserereignissen ist keine direkte Steuerung auf Basis eines Hochwasserprognosemodelles vorgesehen. Die Hochwasserschutz- und Retentionsmaßnahmen werden auf die 100-jährlichen Bemessungswerte ausgelegt, zudem wird für den Überlastfall die Standsicherheit der Schutzbauwerke nachgewiesen (vgl. Haider 2014a).

Die Planungsarbeiten für die in Abb. 2 dargestellten Planungsräume Oberes, Mittleres und Unteres Unterinntal können aus hydraulischer Sicht unabhängig voneinander erfolgen. Nach Umsetzung der Maßnahmen ist schließlich eine Revision der ausgewiesenen Gefahrenzonen verbunden (WRG 1959; BMLFUW 2014).

Die folgenden Abschnitte befassen sich mit dem Einfluss des Geschiebetransports auf die Planung und Wirkung der Hochwasserschutz- und Retentionsmaßnahmen und zeigen exemplarisch Ergebnisse der 2D-numerischen Modellierung für einen Teilbereich des gesamten Planungsraums auf. Dargestellt wird der Abschnitt im Raum Brixlegg bis Kundl zwischen den Flusskilometern km 251,1 und km 240,0. Die Maßnahmenplanung für diesen Abschnitt erfolgt von der ARGE DonauConsult/ILF und sieht unter anderem zwei über ein Pegelkollektiv gesteuerte Retentionsräume vor, jener in Voldöpp (Kramsach) orografisch links mit einem Volumen von 1,7 Mio. m3 und jener im Raum Radfeld-Kundl orografisch rechts mit einem Retentionsvolumen von 5,4 Mio. m3. Mit der Brandenberger Ache (282,1 km2) und der Wildschönauer Ache (87,2 km2) münden in diesem Abschnitt neben zahlreichen kleineren Zubringern auch zwei bedeutende und geschieberelevante Seitenzubringer in den Inn.

3 Methodik

3.1 Überblick

Im vorliegenden Kapitel wird auf die wesentlichen Schritte und einflussreichsten (Modell‑)Parameter bei der geschiebehydraulischen Modellierung näher eingegangen. Die Bearbeitung erfolgte in den folgenden fünf Arbeitsschritten: (i) Datenerhebung und -analyse, (ii) Bestimmung des Geschiebeeintrags durch den Inn am oberwasserseitigen Modellrand und die Seitenzubringer, (iii) Erstellung und Anpassung des numerischen Modells, (iv) Sensitivitätsanalyse für die maßgebenden Modellparameter und betrachtete Szenarien, (v) Simulationen und Ergebnisanalyse.

3.2 Datenerhebung und -analyse

Im Rahmen der Datenerhebung wurden in einer Kombination aus Linienzahlanalysen (LZA, n = 21) und Volumenproben (n = 20) notwendige Kenntnisse zur Sohlzusammensetzung des Inns und seiner Zubringer erhoben. Vor Ort wurden in Abhängigkeit von der Sohlenbeschaffenheit die Feststoffprobestellen ausgewählt. Bei einer vorhandenen Deckschicht wurde die Kornverteilung mittels Linienzahlanalyse an geeigneten Stellen im Flussbett (z. B. auf Kiesbänken) durchgeführt. In Bereichen ohne ausgeprägte Deckschicht bzw. nasser Probenahme erfolgte eine volumetrische Beprobung (Bunte und Abt 2001). In weiterer Folge wurden die Korngrößenverteilungen der Proben im Labor mittels Siebanalyse bestimmt. Anhand der aufgenommenen Einzelproben am Inn wurden hinsichtlich der Struktur der Gewässersohle homogene Teilabschnitte definiert. Die Korngrößenverteilungen der Deckschicht und Unterschicht wurden für weitere statistische Auswertungen aufbereitet. Im Anschluss wurden die charakteristischen Korndurchmesser ausgewertet.

Bei einer numerischen Simulation mittels HYDRO_FT-2d müssen die Kornverteilungskurven approximiert werden. Die Wahl der Kornklassen und die Anzahl beeinflussen die numerische Berechnung. Umach (2013) beschäftigte sich in diesem Zusammenhang mit der Approximation von Kornverteilungskurven bei der zweidimensionalen numerischen Simulation von Geschiebetransportprozessen. Er stellte fest, dass eine Approximation mit maximal acht Kornklassen im Allgemeinen hinreichend genaue Berechnungsergebnisse liefert. Wenn Auflandungs- oder Umlagerungsprozesse dominieren, sind hingegen drei Stützstellen ausreichend. Mithilfe einer Sensitivitätsanalyse wurde versucht, eine günstige Approximation aller Kornverteilungskurven zu finden. Die größte Kornklasse ergab sich aus dem Maximalwert der Korngrößenverteilungen. Der Abgleich zwischen originaler und approximierter Verteilungslinie erfolgte anhand eines Vergleichs der charakteristischen Korndurchmesser und einem visuellen Vergleich (Abb. 5). Als charakteristische Korngrößen wurden der maßgebende Korndurchmesser d m, die 50%-Korndurchmesserfraktile d 50 und die 90%-Korndurchmesserfraktile d 90 ausgewertet. Tab. 1 gibt eine Übersicht der definierten Kornklassen, welche im numerischen Modell (Schichtenmanagement, Fraktionierung der Geschiebeeinträge) verwendet wurden. Hierbei steht di,rep als das arithmetische Mittel der Kornklasse i und di für den maximalen Korndurchmesser der Kornklasse i.

Tab. 1 Kornklassen zur Charakterisierung der Gewässersohle des Inns und des eingetragenen Geschiebes
Abb. 5
figure 5

Beispiel von Approximationen einer Kornverteilungskurve (KVK) mit verschiedenen Approximationsmethoden

3.3 Geschiebeeintrag durch den Inn und die Seitenzubringer

Für die Berechnung der Geschiebetransportraten der Seitenzubringer bei einem Bemessungsereignis laut hydrologischem Längenschnitt mussten im ersten Schritt alle relevanten Zubringer bestimmt werden. Die Auswahl der relevanten Zubringer wurde anhand von zwei Kriterien vorgenommen: (i) der Zubringerabfluss im Verlauf des Bemessungsereignisses beträgt mindestens 10 m3/s und (ii) gemäß der verfügbaren Wildbachaufnahmeblätter ist ein nennenswerter Geschiebeeintrag in den Inn zu erwarten. Entsprechend diesen Erkenntnissen erfolgte die Definition aller geschieberelevanten Seitenzubringer. Für die Berechnung der Transportraten wurden Schlüsselstrecken definiert (Bezzola 2007). Dabei handelt es sich um transportlimitierende Strecken möglichst in unmittelbarer Nähe zu den Einmündungen in den Inn, welche ein geringes Gefälle aufweisen und den Weitertransport des Geschiebes begrenzen (siehe Abb. 6). Neben den vorhandenen Abflussganglinien wurden die gewässertypischen Parameter wie Gewässerbreite, Sohlgefälle, Böschungsneigung und der maßgebende Korndurchmesser dm bestimmt. Abb. 6 zeigt exemplarisch die beiden Schlüsselstrecken an der Sill und der Brandenberger Ache.

Abb. 6
figure 6

Darstellung ausgewählter Schlüsselstrecken (links: Sill, rechts: Brandenberger Ache; vgl. Abb. 2)

Die rechnerische Abschätzung des Geschiebeeintrages erfolgte mithilfe empirischer Berechnungen unter Berücksichtigung von Formverlusten. Auf Basis der Abflussganglinien, welche durch den hydrologischen Längenschnitt vorgegeben sind, konnte für jeden Zeitschritt die Geschiebetransportrate berechnet werden. Für die Abschätzung der Transportraten steiler Zubringer wurde der empirische Ansatz von Rickenmann (1990) und für große, flache Zubringer die Transportformel von Meyer-Peter und Müller (1949) verwendet. Für eine Plausibilisierung der Ergebnisse wurde ein Vergleich der Geschiebefrachten aus den empirischen Berechnungen mit den Informationen aus den Wildbachaufnahmeblättern angestellt.

Die spezifische Geschiebetransportkapazität g TK nach Rickenmann (1990) wird nach Gleichung (1) berechnet, jene nach Meyer-Peter und Müller (1949) ergibt sich aus Gleichung (2):

$$g_{TK}=12,6*\left (\frac{d_{90}}{d_{30}}\right )^{0,2}\left (q_{spe}-q_{spec,c}\right )*I_{red}^{2}*\left (s-1\right )^{-1,6}$$
(1)
$$g_{TK}=\sqrt{\left (s-1\right )*g}*d_{m}^{3/2}*8*\left (\theta ^{` }-\theta _{c}\right )^{3/2}$$
(2)

Darin bedeuten die Parameter d 90 und d 30 die 90%- bzw. 30%-Korndurchmesserfraktilen, q spec und q spec,c den spezifischen bzw. kritischen spezifischen Abfluss, I red das Sohlgefälle mit Berücksichtigung der Formverluste und s das Verhältnis von Korn- und Fluiddichte. Im Weiteren steht d m für den maßgebenden Korndurchmesser, θ‘ für die dimensionslose Schubspannung und θ c für die kritische dimensionslose Schubspannung.

Die Eigenschaften des am oberwasserseitigen Modellrand des Inns eingetragenen Geschiebes entsprechen jenen des Materials aus der Unterschicht der Gewässersohle (Patt et al. 2011). Für die Abschätzung der Geschiebeganglinie wurden die für kiesführende Flüsse gängigen Formeln von Meyer-Peter und Müller (1949), mit Berücksichtigung der Formverluste nach Wong und Parker (2006), verwendet. Die Fraktionierung der Geschiebeeinträge wurde in Abhängigkeit vom Abfluss vorgenommen. Anhand eines maßgebenden Gerinneabschnitts mit definierter Gewässerbreite (B), mittlerem Sohlgefälle (I S) und bekanntem Sohlenaufbau (maßgebende Korndurchmesser d ms und d mo für Unterschicht und Deckschicht für alle Fraktionen) und dem definierten Manning-Strickler-Beiwert (k St) konnten abflussabhängig die Kornfraktionsanteile bestimmt werden.

3.4 Numerisches Modell

Für die geschiebehydraulische Modellierung wurde die kommerzielle Software HYDRO_FT-2d (v3.0) von Nujić (2015) verwendet. Der Einsatz 2D-numerischer Geschiebetransportmodelle hat eine breite Anwendungsbasis bei morphologischen Fragestellungen (ÖWAV 2007). Die Berechnung mit HYDRO_FT-2d (v3.0) basiert auf den 2D-tiefengemittelten Erhaltungsgleichungen für Masse und Impuls. Die Diskretisierung erfolgt auf Basis eines Finite-Volumen-Schemas mit explizitem Zeitschrittverfahren. Der Geschiebetransport wird mit der fraktionierten Formel von Meyer-Peter und Müller (1949), adaptiert von Hunziker (1995), welche im Besonderen das Transportverhalten von weitgestuften Kiesflüssen beschreibt, berechnet (siehe Gleichung 2). Die Berechnung basiert auf einem Schichtenkonzept zur Charakterisierung der Gewässersohle, welche die Definition einer Austauschschicht (AS), einer Unterschicht (US) und einer Grundschicht (GS) erfordert. Die Dicke der Austauschschicht (d ex) stellt einen für das gesamte Berechnungsgebiet und die gesamte Berechnungsdauer konstanten Modellparameter dar. Dieser wird in der Regel mit Werten zwischen d 90 und dem Vierfachen des d 90 der KVK angegeben und definiert jenen Bereich der Gewässersohle, der unmittelbar vom transportierten Geschiebe beeinflusst wird bzw. mit diesem in Austausch steht. Die darunter liegende Unterschicht wird durch eine variable (von der jeweils vorherrschenden KVK abhängige) Schichtdicke gekennzeichnet. Die Grundschicht wird entsprechend den geologischen Gegebenheiten angegeben. Die mit dem Geschiebetransport einhergehende Sohllagenänderung im numerischen Modell wird über die Exner-Gleichung (Exner 1925) erfasst.

Im Rahmen der Untersuchungen steht die Betrachtung der Auswirkungen der Sohllagenänderungen auf die geplanten Hochwasserschutzmaßnahmen, im Speziellen auf die Retentionsräume, im Mittelpunkt. Modelliert wird das 100-jährliche Bemessungsereignis (laut hydrologischem Längenschnitt) für drei verschiedene Szenarien jeweils für die Zustände vor (IST-Zustand) und nach Errichtung der Linear- und Retentionsmaßnahmen (PLAN-Zustand). Bei den drei Szenarien handelt es sich um verschiedene Parametereinstellungen, welche eine Bandbreite der zu erwartenden Ergebnisse darstellen und damit den generellen Unsicherheiten in der Geschiebetransportmodellierung Rechnung tragen (siehe Kapitel 3.4).

Als Basis für die Simulationen dienten die vom Sachgebiet Schutzwasserwirtschaft und Gewässerökologie zur Verfügung gestellten hydraulischen Modelle aus der Regionalstudie Unterinntal vom Büro Pieler ZT GmbH und der Maßnahmenplanung von der ARGE WernerConsult/Henzinger/Freiland/Moser&Jaritz und der ARGE DonauConsult/ILF. Aufgrund der erheblichen Größe des Untersuchungsgebietes und des im Allgemeinen sehr hohen Rechenaufwands von fraktionierten Geschiebetransportberechnungen wurde das Modell in sechs Teilmodelle unterteilt. An den Modellrändern wurden Überlappungsbereiche bzw. Vorlaufstrecken angeordnet. Hinsichtlich der numerischen Stabilität bei den Simulationen war es notwendig, die Berechnungsnetze zu optimieren. Dies erfolgte durch eine geringfügige Glättung einiger Übergangsbereiche Sohle-Böschung bzw. Böschung-Vorland und der Adaptierung der Netzelemente zu Vierecks-Elementen. Die geometrischen Veränderungen führten zu geringfügigen Wasserspiegellagenänderungen in der Reinwasserbetrachtung, welche im Weiteren durch Anpassung der Manning-Strickler-Beiwerte (kSt) behoben wurden.

In der weiteren Umgebung von Abflussverschärfungen, hervorgerufen durch Linearmaßnahmen, werden zur Hochwasserscheitelsenkung Retentionsräume geplant. Die Genauigkeit der Prognose inklusive der Lage der Retentionsräume zu den Steuerpegeln ist von entscheidender Bedeutung (Fischer 2008). Die ungesteuerten Retentionsräume werden durch Streichwehre, welche im Modell in Form geometrisch überströmbarer Elemente nachgebildet wurden, beaufschlagt. Bei gesteuerten Retentionsräumen werden die Verschlüsse an den Einlaufbauwerken über eine Wasserstand-Abfluss-Beziehung geregelt. Im numerischen Modell konnte der Einlauf in den Retentionsraum über eine „Auslauf W‑Q/Wehr“-Beziehung an einen vordefinierten Steuerpegel gekoppelt werden, welcher sich naturgemäß in einem Bereich mit beweglicher Sohle befindet.

Für die numerische Berechnung müssen Randbedingungen an sämtlichen Modellrändern gesetzt werden (ÖWAV 2007). An den Zulaufrändern wurden die Abflussganglinien [m3/s] aus dem hydrologischen Längenschnitt, die Geschiebeeinträge als Sedigraphen [kg/s] mit den berechneten Fraktionsanteilen pi [%] angesetzt. Im Hinblick auf die numerische Stabilität der Simulationen und die Vermeidung unrealistischer Anlandungen unmittelbar an den Zulaufrändern wurden die Ganglinien im numerischen Modell auf mehrere hintereinander angeordnete „Nodestrings“ aufgeteilt. Am Auslaufrand definiert das Energieliniengefälle die Randbedingung. Als hydraulische Anfangsbedingung wurde zusätzlich eine Wasserspiegelhöhe bei geringen Abflüssen im gesamten Flussschlauch definiert. Damit können unrealistische Geschiebeumlagerungen am Berechnungsbeginn vermieden werden. Die Rauheiten nach Strickler (Gesamtwert) wurden aus dem hydraulischen Modell übernommen. Die Formrauheit kSt,r wurde mit der Formel von Wong und Parker (2006) ermittelt.

Die aufgenommenen Korngrößenverteilungen des Flussbettes bilden die Grundlage für den Sohlaufbau im Sedimenttransportmodell. Als Ergebnis einer Sensitivitätsanalyse wurden zwei unterschiedliche Dicken (Szenarien 1 und 2) der Austauschschicht mit dex1 = 0,20 m und dex2 = 0,10 m festgelegt (vgl. Kapitel 4). Die Fraktionsanteile der einzelnen Schichten jeweils zu Berechnungsbeginn resultieren aus den Kornverteilungen entlang des Inns und wurden für jeden Netzknoten definiert. Die maximale Erosionstiefe für die Gewässersohle wurde mit einem Meter begrenzt (DZmax = 1 m). Im Bereich von Brücken, Modellrandbedingungen wie Einlauf-, Stoffeintrags- und Modellauslaufbereichen wurde die Erosion unterbunden.

4 Sensitivitätsanalyse und Szenarien – Plausibilisierung von gewählten Modellparametern und Berechnungsergebnissen

Aufgrund nicht ausreichend verfügbarer Messdaten und Beobachtungen zum Geschiebetransport am Inn, insbesondere bei Hochwassersituationen, besteht keine Möglichkeit einer gezielten geschiebehydraulischen Kalibrierung. Mit diesem Hintergrund wird zunächst eine Sensitivitätsanalyse der maßgebenden Modellparameter durchgeführt. Im Rahmen dieses Untersuchungsschrittes können kritische modell- und gewässerspezifische Parameter variiert und deren Einfluss auf die Berechnungsergebnisse analysiert werden. Ausgehend von einer Ausgangssituation wurde der Einfluss von neun Modellparametern an einem Teilmodell untersucht. Ziel dieser Sensitivitätsanalyse war es letztlich, für die Modellierung des gesamten Gewässerabschnittes plausible und belastbare Modellparameter und Modellansätze ansetzen zu können und den Einfluss des Geschiebetransportes auf die Wirkung der Hochwasserschutz- und Retentionsmaßnahmen und die damit verbundenen Unsicherheiten beurteilen zu können. Es wurde unter anderem der Einfluss der in Tab. 2 angeführten modell- und gewässerspezifischen Parameter untersucht.

Tab. 2 Variation ausgewählter modell- und gewässerspezifischer Parameter in der Sensitivitätsanalyse

Über die Dicke der Austauschschicht (dex) kann die Geschwindigkeit von Erosions- und Anlandungsprozessen gesteuert werden. Bei der Wahl einer geringen Austauschschichtdicke kommt es insbesondere bei der Berechnung von Hochwasserabflüssen zu raschen Veränderungen, gegebenenfalls zum „Aufreißen“ der Deckschicht und dadurch bedingt zur Mobilisierung der Feststoffe aus der Unterschicht. Bereiche mit stabiler (statischer) Deckschicht können im numerischen Modell durch Definition größerer Austauschschichtdicken abgebildet werden (Klar 2016).

Der Bewegungsbeginn wird anhand des kritischen Shields-Parameters (θ c) erfasst und entsprechend den Untersuchungen von Meyer-Peter und Müller (1949) mit θc = 0,047 festgelegt. Jüngeren Untersuchungen beispielsweise von Wong und Parker (2006) und Tritthart et al. (2011) zufolge lässt sich der kritische Shields-Parameter als (innerhalb eines realistischen Bereiches) variabler Parameter beschreiben, der durchaus vom ursprünglich abgeleiteten Wert abweichen kann und grundsätzlich im Rahmen numerischer Modellierungen als Kalibrierparameter zu betrachten ist. Die Sensitivitätsanalyse für das Teilmodell des Inns belegt, dass durch geringere θ c-Werte der Transportbeginn früher einsetzt. Ein signifikanter Einfluss auf die Sohllagenentwicklung während des 100-jährlichen Bemessungshochwassers wurde allerdings nicht beobachtet.

Meyer-Peter und Müller (1949) beschreiben in ihrem Formelansatz den Formelskalierfaktor c MPM und definieren diesen mit dem Wert 8 (Wiberg und Smith 1989; Hunziker 1995; Wong und Parker 2006). Durch die Variation des Formelskalierfaktors konnte gezeigt werden, dass höhere Werte für c MPM die berechneten Transportkapazitäten naturgemäß erhöhen und folglich die sich einstellenden Erosionsbereiche und -tiefen vergrößern.

Die Berücksichtigung des lokalen Ungleichgewichts vom theoretischen Transportvermögen q B * zum tatsächlichen Transport q B, welches z. B. bei einem Übergang von einer abgepflasterten zu einer erodierbaren Sohle herrscht, kann mit der Einführung der Anpassungslänge L S berücksichtigt werden. Phillips und Sutherland (1989) haben mit experimentellen Untersuchungen eine Formel dieses „Loading Law Konzeptes“ entwickelt, welche in HYDRO_FT-2d implementiert ist. Durch die Anpassung des α L-Koeffizienten (Default: α L = 4000) und der minimalen Anpassungslänge L so = 15 m (Default) konnte das Ungleichgewicht in den Übergangsbereichen abgefangen und die Anlandungen über größere Bereiche „verschmiert“ werden.

Neben dem Einfluss modellspezifischer Parameter auf die Berechnungsergebnisse wurden auch gewässerspezifische Parametern untersucht, u. a. der Einfluss des eingetragenen Geschiebes an den Zulaufrändern des numerischen Modells. Zwei Formelansätze (siehe Tab. 2) unter Zugrundelegung unterschiedlicher Korngrößenverteilungen wurden betrachtet. Es zeigte sich, dass das am Zulaufrand des Inns zugegebene Geschiebe während des Hochwasserereignisses den Auslauf des Teilmodelles nicht erreicht. Daraus kann geschlossen werden, dass der Modellaustrag im Wesentlichen das Sohlmaterial umfasst bzw. vom Schichtenmanagement und den gewählten KVKs bestimmt wird. Die Wahl des Formelsatzes zur Berechnung der Geschiebeeinträge hat hierfür eine geringe Bedeutung. Diese Feststellung unterstreicht die Bedeutung des Schichtenmanagements.

Die grobkörnigen Geschiebeeinstöße aus den Zubringern zeichnen sich durch Ablagerungskörper im Mündungsknoten im Vorfluter aus. Damit diese realitätsgetreu im Modell abgebildet werden können, wurde die Anordnung der „Nodestrings“ für die Geschiebeeinträge untersucht. Durch die seitliche Positionierung normal zur Fließrichtung konnte die kegelartige Ablagerung am besten abgebildet werden. Die Lage der Zuflüsse hat lokal keinen maßgebenden Einfluss auf die Wasserspiegellagen.

Als Ergebnis der Sensitivitätsanalyse wurden drei Szenarien definiert, welche ein Spektrum der im Hochwasserfall zu erwartenden Sohllagenänderungen abbilden und mit welchen die morphodynamischen Änderungen für IST- und PLANzustand analysiert werden. Folgender Parametersatz wurde für alle Simulationen übernommen: θ c = 0,047; k st = jeweils zeitlich konstant mit Werten entsprechend der Reinwasserkalibrierung; α L = 4000 und L so = 15. Für Szenario 1 ergab sich eine Parameterkombination von pal = 0,74 (d ex1 = 20 cm) und k F = 1,0. Für Szenario 2 wurde sowohl die Dicke der Austauschschicht (d ex2 = 10 cm) als auch der Formelskalierfaktor (k F = 1,25) verändert. Für Szenario 3 wurden die Parametereinstellungen aus Szenario 1 übernommen, jedoch die Geschiebeeinträge aus den Seitenzubringern mit dem Faktor 1,4 multipliziert, sodass die Auswirkungen größere Seiteneinträge analysiert werden konnten.

5 Ergebnisse

5.1 Korngrößenanalyse und Geschiebetransportraten

Anhand der Korngrößenverteilungen aus allen Beprobungen entlang des Inns und einer visuellen Beurteilung der Sohlstruktur wurden vier homogene Teilabschnitte entlang des Inns definiert. Die Auswertung in Abb. 7 zeigt, dass die Korngrößenverteilungen mit zunehmender Fließlänge abnehmen. Im Bereich der Innschleife bei Kirchbichl km 232,3 wurden die geringsten Korngrößen erhoben. Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass durch die Wasserkraftwerke Kirchbichl (Wehrbauwerk bei km 233,4) und Langkampfen (Wehrbauwerk bei km 223,5) das Sedimentkontinuum unterbrochen ist und somit ein Einfluss auf die Korngrößen und Schichten im Gewässerbett zu erwarten ist. Im dargestellten Längenschnitt ist in manchen Bereichen ein Gegengefälle erkennbar, welches auf lokale Kolk- und Anlandungsbereiche bzw. die Auswertung anhand der offiziellen Gewässerachse, welche nicht zwangsläufig dem Talweg entspricht, zurückzuführen ist. Die maßgebenden Korndurchmesser der Deckschicht liegen zwischen 2,0 cm und 4,0 cm und der Unterschicht zwischen 1,3 cm und 3,2 cm. Die durchgeführten Analysen der Korngrößenverteilungen offenbaren, dass das Sohlmaterial am Inn (Modellbeginn) relativ grob ist und für das laufende Geschiebe nicht geeignet ist. Daher wurde für die Berechnung des Geschiebeeintrages die Korngrößenverteilung von Langkampfen km 223,1 (d m,US = 16 mm) zugrunde gelegt. Die charakteristischen Korndurchmesser der Seitenzubringer weisen eine hohe Variabilität auf. Der maßgebende Korndurchmesser streut zwischen 1,4 cm bis 7,9 cm. Es ist keine Tendenz hinsichtlich Geologie bzw. Abflussverhältnissen (Einzugsgebietsgröße) zu erkennen.

Abb. 7
figure 7

(a) Maßgebende Korndurchmesser d m,US und d m,DS entlang der untersuchten Innstrecke und der geschieberelevanten Zubringer; (b) maßgebende Korndurchmesser d m,US der Unterschicht entlang des Inns; (c) maßgebende Korndurchmesser d m,US der Seitenzubringer (Datenquelle Längenschnitt: hydraulisches Modell – Amt der Tiroler Landesregierung, Sachgebiet Schutzwasserwirtschaft und Gewässerökologie)

Auf Basis der Korngrößenanalysen der Seitenzubringer wurde die Ereignisgeschiebefracht abgeschätzt und mithilfe der Wildbachaufnahmeblätter auf ihre Plausibilität geprüft. Die Datenblätter unterscheiden sich vom angewandten Lastfall dahingehend, dass die geschätzten Wildbachfrachten von einem HQ150-Ereignis ausgehen. Die Ergebnisse zeigten dennoch recht gute Übereinstimmungen bei den angenommenen Abflussganglinien; am Wattenbach und Haberbach wurden auf die Wildbachfrachten verwendet. In Tab. 3 sind die geschieberelevanten Zubringer mit den dazugehörigen Abflüssen laut hydrologischem Längenschnitt sowie den berechneten Ereignisgeschiebefrachten dargestellt.

Tab. 3 Geschieberelevante Zubringer mit zugehöriger Abflussspitze laut hydrologischem Längenschnitt und berechneter Ereignisgeschiebefracht

Die Geschiebefracht am Zulaufrand von Teilmodell T1 des Inns wurde mit der Formel von Meyer-Peter und Müller (1949) berechnet. Für die Gesamtsimulation erfolgte eine durchgehende Berechnung mit einer direkten Übertragung der Ergebnisse vom oberstrom liegenden Auslaufquerschnitt zum Zulaufrand des nächsten Teilgebietes. Grundlagen zur Plausibilisierung der Eintragsfrachten waren Geschiebestudien von Hofer (1990), welche Auskunft über die Jahresgeschiebefrachten der Perioden 1952 bis 1987 geben. Die Ereignisfracht am Zulaufrand von Teilmodell T5 des Inns beträgt 23.831 m3 im ISTzustand und entspricht etwa 1/10 der mittleren Jahresgeschiebefracht vom 60 km flussab gelegenen Untersuchungsstandort in Kirchbichl. In Abb. 8 sind die Zuflussganglinie (schwarze Linie), der Sedigraph (braune Linie) und die dazugehörigen Fraktionsanteile in % der jeweiligen Kornklassen des untersuchten Teilmodells T5 dargestellt.

Abb. 8
figure 8

Teilmodell T5 – Zuflussganglinie Q [m3/s] mit berechnetem Sedigraphen GS [kg/s] und deren Fraktionsanteile pF1-F6 [%] für den Zulaufrand von Teilmodell T5 am Inn (links) und für die Brandenberger Ache (rechts)

5.2 Wirkung von Hochwasserschutz- und Retentionsmaßnahmen in der Reinwasserbetrachtung

Lineare Hochwasserschutzmaßnahmen verursachen eine Abflussverschärfung. Diese negativen Auswirkungen auf den Hochwasserscheitel sind zu kompensieren (Haider 2014b). Durch die Anordnung von derzeit sechs Retentionsmaßnahmen kann die Abflussverschärfung, welche aus den geplanten Linearmaßnahmen resultiert, beim betrachteten Bemessungsereignis mit ‚idealer‘ Steuerung ausgeglichen werden. Unter ‚ideale‘ Steuerung wird die Ausnutzung des Bemessungsrückhaltevolumens und eine horizontale Kappung der Hochwasserwelle verstanden. In der Regionalstudie Unterinntal (PLAN-Zustand) wurde ein ungesteuerter Retentionsraum (Thaur) geplant, welcher mit einer fixen Überlaufkante berücksichtigt ist. In der Reinwasserbetrachtung kann eine optimale Scheitelreduktion erreicht werden; dies ist jedoch abhängig vom Hochwasserwellenverlauf. Des Weiteren werden derzeit in der Maßnahmenplanung für das Mittlere und Untere Unterinntal fünf über Pegelkollektive gesteuerte Hochwasserrückhaltemaßnahmen mit Dotationsbauwerken vorgesehen, welche die Abflussverschärfung aufgrund der Linearmaßnamen ausgleichen sollen. In diesem Beitrag näher behandelt sind die beiden Retentionsräume Voldöpp (Dotation bei km 249,0) und Radfeld-Kundl (Dotation bei km 247,7), welche sich im dargestellten Untersuchungsgebiet (Teilmodell T5) befinden. Diese Retentionsräume werden über Wasserstandsinformationen an einem Pegelkollektiv gesteuert. Aus modelltechnischen Gründen wurde im Gerinne nur ein Steuerpegel angebracht, welcher mit dem Einlaufbauwerk gekoppelt ist. In der Reinwasserbetrachtung wurden die Wasserstand-Abfluss-Beziehungen so definiert, dass die Retentionsräume im Falle des 100-jährlichen Bemessungsereignisses optimal ausgenutzt werden. Der Retentionsraum Voldöpp erreicht somit ein Retentionsvolumen von max. 1,7 Mio. m3 und führt zu einer Wellenscheitelsenkung im Inn um 71 m3/s (siehe Abb. 9). Die Linearmaßnahmen entlang des Retentionsraumes führen dennoch zu einer Abflussverschärfung, welche durch den unterstrom gelegenen Retentionsraum kompensiert wird. Der Retentionsraum Radfeld-Kundl fasst ein Volumen von max. 5,4 Mio. m3 und führt bei ‚idealer‘ Steuerung zu einer Scheitelreduktion von 209 m3/s, was wieder die bedeutende Wirkung der Retentionsmaßnahmen hervorhebt.

Abb. 9
figure 9

Teilmodell T5 – Scheitelreduktion ∆Q durch die beiden Retentionsräume Voldöpp und Radfeld-Kundl sowie Zuflüsse in die Retentionsräume während des 100-jährlichen Bemessungsereignisses

In Abb. 10 sind die maximalen Überflutungsflächen des IST- und PLAN-Zustands aus der hydrodynamischen Modellierung für Teilmodell T5 zu sehen. Durch die gezielte Beaufschlagung der Retentionsräume werden Vorländer vor Überflutungen geschützt. Die Ausdehnungen der Überflutungsflächen reduzieren sich maßgeblich. Landwirtschaftlich genutzte Flächen in den Retentionsräumen werden teilweise zu einem späteren Zeitpunkt geflutet als im Zustand vor Umsetzung der Maßnahmen. Durch die geplanten Retentionsräume kann eine erfolgreiche Rückhaltewirkung erzielt und dem Verschlechterungsverbot in vollem Umfang Rechnung getragen werden.

Abb. 10
figure 10

Teilmodell T5 – Vergleich der maximalen Überflutungsflächen von IST- (schwarze Umrandungslinie) zu PLAN-Zustand (blaue Fläche) aus der hydrodynamischen Modellierung

Der Vergleich der Ergebnisse aus der Reinwassermodellierung mit jenen der Geschiebetransportberechnungen ermöglicht eine Einschätzung der Auswirkungen des Geschiebetransports auf die Wirksamkeit der Hochwasserschutz- und Retentionsbauwerke.

5.3 Auswirkung der Geschiebedynamik auf die geplanten Hochwasserschutzmaßnahmen

5.3.1 Volumenbilanzierung und Geschiebeaustrag

Bei der technischen Planung von Hochwasserschutz- und Retentionsmaßnahmen wird der Einfluss des Geschiebetransports in Betracht gezogen. Die Flussmorphologie (Erosions- und Sedimentationsprozesse) steht in einer Wechselwirkung mit dem Abflussverhalten eines Gewässers bei Hochwasser und kann zu Problemen bei der Hochwasserschutzplanung führen (Habersack et al. 2013). In Bezug auf die zeitliche und räumliche Entwicklung der Sohllagenänderung entlang des Inns wurden auf Basis der geschiebehydraulischen Modellierungen Volumenvergleiche angestellt. Abb. 11 zeigt das Ergebnis der Umlagerungen in Teilmodell T5 für jeden Kilometer nach Durchlauf der Hochwasserwelle. Dargestellt sind alle drei Szenarien des Bestandszustands und der Maßnahmenplanung. Am Modellrand Teilmodell T5 wird ein Gesamtvolumen von ca. 21.100 m3 eingetragen und das Austragsvolumen beträgt ca. 32.200 m3. Es kommt zu einer Volumenänderung im Teilmodell T5 von rund 11.600 m3. Die Ergebnisse der Volumenbilanzierung lassen jedoch keine ausgeprägte (Szenario-unabhängige) Erosions- bzw. Anlandungstendenz über den gesamten Abschnitt erkennen. Die Abweichungen zwischen IST- und PLAN-Zustand können durch die vorgenommenen Maßnahmen begründet und als sensible Bereiche betrachtet werden. In Abschnitt 3 (km 249,5 bis km 248,5) sind relativ hohe Anlandungstendenzen bis zu 8.720 m3 zu erwarten. Dieser Bereich weist bedingt durch die Einmündung der Brandenberger Ache und die damit verbundene verhältnismäßig große Gewässerbreite geringe Transportraten auf. Durch den Retentionsraum Voldöpp wird die morphologische Umlagerung im Vergleich zum IST-Zustand reduziert. Im darauffolgenden Kilometer kommt es im Mittel zu Erosionen, welche durch die links- und rechtsufrigen Buhnenreihen hervorgerufen werden. Die Reduktion der Umlagerung im PLAN-Zustand kann einerseits auf den reduzierten Scheitelabfluss und andererseits auf die Lage des Einlaufbereiches in den Retentionsraum Radfeld-Kundl zurückgeführt werden. Zwischen km 247,5 und km 240,5 kommt es zu einer Abfolge von Anlandungs-und Erosionsprozessen. Die Unterschiede zwischen IST- und PLAN-Zustand sind sehr gering.

Abb. 11
figure 11

Teilmodell T5 –Umlagerungen aller Szenarien (vgl. Kapitel 3.3) für IST- und PLAN-Zustand (Einlaufbereich RR Voldöpp km 249,1 bis km 248,9, Einlaufbereich RR Radfeld-Kundl km 247,8 bis km 247,6)

5.4 Wirkung von Hochwasserschutz- und Retentionsmaßnahmen unter Berücksichtigung des Geschiebetransports

Die Wirkung von Retentionsmaßnahmen ist neben den hydrologischen Zuständen von verschiedenen Eigenschaften der Retentionsräume und von der Steuerung abhängig (Haider 2014b). Eine wichtige Voraussetzung für eine optimale Ausnutzung der Retentionsräume ist eine relativ stabile Sohle im Bereich der Steuerpegel. Mit der Sohllagenänderung ist eine Wasserspiegellagenänderung im Gewässer und somit eine Änderung der Wasserstand-Abfluss-Beziehung verbunden, welche für die Steuerung benötigt wird. In der Praxis ist es schwer möglich, eine stabile Sohle im Bereich der Steuerpegel natürlich oder baulich herzustellen, daher ist die Berücksichtigung des Geschiebetransports in der Planung von maßgebender Bedeutung.

Im Folgenden sind die Ergebnisse hinsichtlich Sohllagenänderung für IST- und PLAN-Zustand im Längenschnitt (Aufnahme an einem Punkt in der Gewässerachse) illustriert (siehe Abb. 12). Neben der Ausgangssohllage (braune Linie) sind die Sohllagendifferenzen der drei Szenarien mit und ohne Maßnahmen gegenübergestellt. Die umhüllenden in grau dargestellten Linien deuten auf die minimalen und maximalen Sohlhöhenänderungen aller Simulationen über den gesamten zeitlichen Verlauf des Hochwassers.

Abb. 12
figure 12

Teilmodell T5 – Differenz der Sohllagen zu den Zeitpunkten vor und nach dem 100-jährlichen Bemessungshochwasser; Auswertung im Längenschnitt (Aufnahme an einem Punkt in der Gewässerachse); strichlierte Linien symbolisieren die Sohllagenänderungen im PLAN-Zustand, die grauen Linien stellen die minimalen und maximalen Differenzen im zeitlichen Verlauf der Simulationen aller drei Szenarien für den IST-Zustand dar

In Abb. 13 sind die Sohllagenänderungen (Szenario 1) am Ende der Simulation und die maximalen Überflutungsflächen dargestellt. Die durch die simulierte Hochwasserwelle auftretende Sohllagenänderung schwankt zwischen +1,25 m und –1,00 m, wobei die höchsten Anlandungen in strömungsberuhigten Bereichen, wie z. B. in Buhnenfeldern, bzw. in breiten Gewässerabschnitten mit geringem Gefälle vorkommen. Der Szenarienvergleich führt vor Augen, dass es bei unterschiedlichen Parametereinstellungen zu unterschiedlichen Simulationsergebnissen kommt, die grundsätzliche Ausdehnung von Erosions- bzw. Anlandungsbereichen bleibt hingegen unverändert. Im Vergleich zu den Szenarien 1 und 3 wurde bei Szenario 2 (blaue Linie) eine geringe Austauschschichtdicke (d ex = 10 cm) angesetzt. Dies führt zu erhöhten Erosionstiefen in belasteten Bereichen und einer feineren Kornverteilung der Austauschschicht. Bei Szenario 3 werden die Geschiebeeinträge um den Faktor 1,4 höher angesetzt. Durch die erhöhten Geschiebezugaben aus den Seitenzubringern konnte lokal grundsätzlich keine nennenswerte Änderung in der Sohllage festgestellt werden. Einzig bei der Betrachtung der Wasserspiegellagen werden lokale Änderungen hervorgerufen, welche jedoch auf den geplanten Hochwasserschutz keine signifikanten Auswirkungen haben.

Abb. 13
figure 13

Teilmodell T5 – Darstellung des Endzustands der Sohllagenänderung (Szenario 1); Vergleich der maximalen Überflutungsflächen von IST-Zustand (schwarze Umrandungslinie) und PLAN-Zustand (blaue Fläche) aus der hydrodynamischen Modellierung

Der Steuerpegel für beide Retentionsräume wurde am Modellrand ca. bei km 250,8 eingerichtet. Der Einfluss des Modellrandes muss mitberücksichtigt werden. Die Simulation zeigt, dass der Geschiebetransport negative Effekte auf die Dotierung der Retentionsräume hat. Im Bereich des Pegelpunktes kommt es primär zur Erosion und im abfallenden Hochwasserwellenast gleicht sich die Sohle wieder aus. Durch die Sohllagenänderung verändert sich der Wasserstand und liegt ca. 6 cm tiefer als bei der Reinwassermodellierung. Die Konsequenz daraus ist, dass die Retentionsräume zu einem späteren Zeitpunkt dotiert werden. Die Dotation des Retentionsraumes Voldöpp (Einlauf bei km 249,0) erfolgt zwischen 22,25 h und 32,00 h und erreicht statt eines dimensionierten Retentionsvolumens von 1,7 Mio. m3 nur 1,5 Mio. m3. Aus dem Ergebnis geht hervor, dass der Retentionsraum nicht optimal ausgenutzt wird. Unter Berücksichtigung des Geschiebetransports wird mit der Dotierung des Retentionsraumes eine Wellenscheitelreduktion von 2.347 m3/s auf 2.301 m3/s erreicht, das entspricht 1,96 % der in diesem Bereich auftretenden Hochwasserspitze (nach dem Retentionsraum). Der maximale Wasserstand im Retentionsraum Voldöpp beträgt ca. 3,5 m und liegt im nördlichen Randbereich des Rückhalteraumes. In der Detailbetrachtung des Einlaufbereichs ist ersichtlich, dass bis zum Zeitpunkt der Dotation (t = 22,25 h) die Sohllagenänderungen in IST- und PLAN-Zustand ähnlich sind. Bei Öffnung des Einlaufbauwerkes wird die Abflussfracht reduziert und ruft unmittelbar nach dem Entnahmebauwerk eine Anlandung hervor. Dieser Prozess ist bei allen Parametereinstellungen zu erkennen.

Durch die räumlich geringeren Überflutungsflächen wirken lineare Hochwasserschutzmaßnahmen abflussverschärfend und führen zu einer Beschleunigung der Welle. Der unterstrom gelegene Retentionsraum Radfeld-Kundl wurde auf eine Größe von 5,2 Mio. m3 dimensioniert und erstreckt sich über 4,5 km. Es sei noch einmal darauf hingewiesen, dass die Veränderung der Sohllage beim Steuerpegel von Bedeutung ist. Unter Berücksichtigung des Geschiebetransports wird eine Abflussfracht von 4,4 Mio. m3 in den Retentionsraum geleitet, in der Reinwasserbetrachtung werden 5,2 Mio. m3 zurückgehalten. Dieser Unterschied ist darin begründet, dass durch die Sohlerosion auch der Wasserstand entsprechend absinkt und die Wasserstand-Abfluss-Beziehung nicht mehr optimal für den Retentionsraum ausgelegt ist. Der maximale Zufluss in den Retentionsraum reduziert sich von 218 m3/s auf 185 m3/s. In Bezug auf die Bandbreitenbetrachtung der einzelnen Lastfälle zeigte das Modellergebnis, dass bei Lastfall 2 das maximale Füllvolumen von 4,1 Mio. m3 erreicht wird. Die Begründung hierfür liegt wiederum in den Parametereinstellungen, welche stärkere Erosionsprozesse zulassen. Eine ähnliche Sohlentwicklung wie beim Einlaufbereich Voldöpp ist auch beim Retentionsraum Radfeld-Kundl zu erwarten. Durch das große Fassungsvolumen des Retentionsraums reduzieren sich die Abflussfracht, die Wassertiefe des Inns und somit die einwirkende dimensionslose Schubspannung. Nichtsdestotrotz wird durch den optimierten Retentionsraum Radfeld-Kundl der Wellenscheitel am Inn in erheblichem Maße reduziert.

Aus der Simulation geht hervor, dass der Auslauf im angeführten Projektabschnitt (Teilmodell T5) um 45 m3/s reduziert wird und Ausuferungen verhindert werden. Die Anschlagslinien sind in diesem Teilbereich deckungsgleich mit den Ergebnissen aus der Reinwasserbetrachtung. Die Maßnahmen schützen alle nahegelegenen Siedlungs- und Gewerbegebiete und tragen somit zur Verbesserung der Hochwassersituation bei.

6 Diskussion

Zur Vermeidung bzw. Verminderung zukünftiger Hochwasserschäden am Inn im Unterinntal ist die Umsetzung von Linear- und Retentionsmaßnahmen unabdingbar. Die Anwendung einer geschiebehydraulischen Modellierung und die Kenntnis der dafür erforderlichen Daten und Parameter (Sohlstruktur, Geschiebeeinträge, Modellparameter etc.) erlaubt die Untersuchung der Sohllagenentwicklung und damit des Einflusses des Geschiebetransportes auf die Maßnahmenplanung. Eine möglichst verlässliche Vorhersage der Sohllagenänderung erfordert eine umfassende Datengrundlage sowie auch die Kalibrierung und Validierung des numerischen Modells. In diesem Kontext konnte – aufgrund der fehlenden Datengrundlagen zur Modellkalibrierung – mit dem aus einer Sensitivitätsanalyse hervorgehenden drei betrachteten Szenarien ein Spektrum der im Hochwasserfall zu erwartenden Sohllagenänderungen dargestellt werden.

Es zeigt sich, dass die Dynamik der Gewässersohle für die Steuerung der Retentionsräume von maßgebender Bedeutung ist, sodass aus ihr wesentliche Informationen über die maximale Sohllagenänderung abgeleitet werden können. Um eine erfolgreiche Ausnützung der Überflutungsräume zu ermöglichen, ist sowohl im Nahbereich der Steuerpegel als auch bei den Einlaufbauwerken in die Retentionsräume eine möglichst stabile Sohle erforderlich bzw. muss die mögliche Schwankung bei der Dimensionierung der Einlaufbauwerke berücksichtigt werden. Durch die räumlich und zeitlich veränderliche Sohllage wird beispielsweise im Erosionsfall der kritische Wasserstand am Steuerpegel zu einem späteren Zeitpunkt erreicht. Folglich werden die Retentionsräume später dotiert und letztlich nicht optimal ausgenutzt. Aus den Untersuchungen geht die Wichtigkeit dieser Problematik hinsichtlich einer optimalen Ausnutzung der Retentionsräume hervor. Dieses Projekt trägt zum Konzept der Risikominimierung der Planungsarbeiten der Hochwasserschutzmaßnahmen am Inn im Unterinntal bei. Die Modellierungsergebnisse in Form maximal zu erwartender Sohllagenänderungen und deren Auswirkungen auf den Hochwasserschutz werden in die Detailplanung einfließen und stellen eine besondere Herausforderung für Auftraggeber/innen und Planer/innen dar.