1 Einleitung

1.1 Kurzbeschreibung der projektierten Wasserfassungen Gurgler Ache und Venter Ache

Das Speicherkraftwerk Kaunertal ist die größte Anlage der Kraftwerksgruppe der Tiroler Wasserkraft AG (TIWAG). Der Nutzinhalt des Speichers Gepatsch beträgt ca. 139 Mio. m3 und die jährliche Einzugsfracht umfasst durchschnittlich 323 Mio. m3. Die Regeljahreserzeugung umfasst 660 GWh. Neben dem natürlichen Einzugsgebiet besitzt die Anlage auch mehrere Zuleitungen, darunter auch die in der Modellierung bearbeitete Zuleitung von der Wasserfassung Taschachbach im Pitztal. Die gesamte Einzugsgebietsgröße aus dem natürlichen und dem durch Zuleitungen erfassten Einzugsgebiet ergibt 279 km2. Im Zuge der Erweiterung des Kraftwerks sind zwei neue Wasserfassungen an Sperrenbauwerken an der Gurgler Ache und an der Venter Ache im Ötztal/Tirol geplant (Abb. 1). Im Hinblick auf einen wartungsarmen Betrieb der Anlagen soll die Geschiebebewirtschaftung an den Wasserfassungen mit regelmäßigen Spülungen der zugehörigen Stauräume erfolgen.

Abb. 1
figure 1

links: Projektgebiet; Mitte: Fotomontage WF Gurgler Ache; rechts: Fotomontage WF Venter Ache (TIWAG 2016)

Die zwei projektierten Wasserfassungen „Gurgler Ache“ und „Venter Ache“ sollen in einer Höhe von ungefähr 1 840 m. ü. A. angeordnet werden. Dabei ergeben sich Stauhaltungen von jeweils ca. 60 000 m3. Die Einzugsgebiete für die Wasserfassungen besitzen eine Größe von 79.7 km2 an Gurgler Ache und 179.7 km2 an der Venter Ache. Die maximale Entnahme soll 29 m3/s (Gurgler Ache) bzw. 50 m3/s (Venter Ache) umfassen, womit sich spezifische Entnahmen von 364 l/s/km2 bzw. 278 l/s/km2 ergeben. Die Hochwasserentlastungen werden durch feste Überfälle auf den Bogenstaumauern gewährleistet. Daneben steht an beiden Bauwerken eine Grundablassöffnung mit Drucksegment zur Verfügung, mit welcher der geplante Spülvorgang gesteuert werden kann. Die bereits bestehende Anlage „Taschachbach“ basiert auf den gleichen Konstruktionsgrundsätzen, ist jedoch hinsichtlich der maximalen Entnahme und des Stauraumvolumens deutlich kleiner. Trotz der Unterschiede in den Bauwerksdimensionen bestehen nachfolgende Gemeinsamkeiten der drei Anlagen, welche zur Wahl der in diesem Beitrag dargestellten Bearbeitungsmethodik führte:

  1. a)

    Charakteristik des Einzugsgebietes: Topografie, Hydrologie, Vegetation, Vergletscherung,

  2. b)

    Bauwerkskonstruktion: Staumauer, Hochwasserentlastung, steuerbares Grundablassdrucksegment,

  3. c)

    Kornzusammensetzung des transportierten Geschiebes, Sohlstrukturen im natürlichen Gerinne,

  4. d)

    Gefälleverhältnisse in der Zulaufstrecke und in der Unterwasserstrecke.

1.2 Zielsetzung der Untersuchungen

Mithilfe eines physikalischen Modellversuchs, numerischer Simulationen und Naturmessungen soll der Geschiebetransport an den geplanten Wasserfassungen während der Verlandungsvorgänge und der Spülvorgänge eingehend untersucht werden. Damit kann frühzeitig in der Planungsphase vorhandenes Optimierungspotenzial erkannt werden. Zusätzlich kann gezeigt werden, ob die gewählte Methode des Geschiebemanagements langfristig zu den notwendigen Ergebnissen führt, oder ob andere, begleitende Maßnahmen notwendig werden. Dabei wurden hinsichtlich des geplanten Regelbetriebs Stauraumbelastungen in der Größenordnung von einer halben, mittleren jährlichen Geschiebefracht (1/2 JGF) modelliert. Der Fokus der Untersuchungen liegt auf der Betrachtung der Belastungen infolge von Hochwasserereignissen, wo mit hohen Abflüssen und großen, grobkörnigen Geschiebeeinträgen in kurzer Zeit zu rechnen ist. Dabei soll zum einem geklärt werden, ob große Feststofffrachten vom Stauraum aufgenommen werden können, ohne den Betrieb der Anlage zu beeinträchtigen. Zudem muss gezeigt werden, dass eine Spülung dieser Geschiebebelastungen sowohl im Stauraum als auch in der Unterwasserstrecke möglich ist.

2 Methodik

2.1 Modellkonzept

Aufgrund der vorherrschenden Rahmenbedingungen und der definierten Zielsetzungen entwickelte der Arbeitsbereich Wasserbau der Universität Innsbruck in Zusammenarbeit mit der Tiroler Wasserkraft AG eine Bearbeitungsmethodik, um eine effektive und wissenschaftlich belastbare Untersuchung der Verlandungs- und Spülprozesse an den zwei geplanten Wasserfassungen sowie an der bereits bestehenden Anlage Taschachbach durchzuführen (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Modellierungskonzept (KV = Kornverteilung; Definition Feinanteile nach Abschnitt 2.2)

In einem ersten Schritt wurde die geplante Wasserfassung an der Gurgler Ache im Wasserbaulabor der Universität Innsbruck mit einem physikalischen Modellversuch im Maßstab 1:30 untersucht (Kapitel 3). Die Ergebnisse wurden verwendet um numerische Simulationen im Modellmaßstab zu kalibrieren (Kapitel 4). Die verwendeten maßstabsabhängigen Parameter wurden dann für Simulationen im Naturmaßstab skaliert. Schließlich erfolgte eine Übertragung der Parameter des kalibrierten Modells „Gurgler Ache“ zur numerischen Simulation der Anlage „Venter Ache“. Die numerische Simulation einer realen Spülung an der Wasserfassung „Taschachbach“ dient der Validierung der gewählten Modelleinstellungen und führt damit zu einer Absicherung der vorangegangen Parameterwahl (Kapitel 5).

2.2 Beschreibung der modellbedingten Rahmenbedingungen und Einschränkungen

2.2.1 Reiner Geschiebetransport

Die Simulationen der Verlandungs- und Spülvorgänge basieren auf dem Ansatz eines reinen Geschiebetransports. Auf eine Berücksichtigung der Schwebstoffanteile wird aufgrund des sehr kleinen Verhältnisses von Stauraumvolumen zu Jahreszufluss (Speicherkennzahl < 0.001) verzichtet. Diese Annahme bezieht sich u. a. auf die Untersuchungen von Brune (1953), wonach der zurückgehaltene Schwebstoffanteil im Verlandungskörper bei Stauräumen mit Kennzahlen kleiner als 0.003 gegen Null geht. Vereinfachend kann für die Bearbeitung davon ausgegangen werden, dass Schwebstoffe teilweise eingezogen werden, über die Mauer transportiert werden, oder im Falle einer Rückhaltung bei einer Spülung wieder als Schwebstoffe im Wasserkörper transportiert werden und es damit zu keiner Absetzung in der Unterwasserstrecke kommt.

2.2.2 Zusammensetzung der Geschiebefracht

Die Kornverteilungen des Geschiebematerials wurden mit Naturmessungen (Linienzahlanalysen, Baggerschürfe) im Projektgebiet bestimmt. Daraus wurde für den physikalischen Modellversuch und für die numerischen Berechnungen für das transportierte Geschiebe folgende Regelung festgelegt (AB Wasserbau 2012; AB Wasserbau 2015a; Plörer et al. 2013a):

  • Abflussbereich Q < 60 m 3 /s: kein Aufreißen der Deckschicht; feine Kornzusammensetzung entsprechend Geschiebematerial 1 nach Abb. 3.

    Abb. 3
    figure 3

    Vergleich Kornverteilungen (Material 1,2) des Geschiebes nach Naturmessungen und im Modellversuch (Naturmaßstab)

  • Abflussbereich Q > 60 m 3 /s: Aufreißen der Deckschicht; grobe Kornzusammensetzung entsprechend Geschiebematerial 2 nach Abb. 3.

Der Schwellenwert wurde auf Basis der hydrologischen Kennwerte an der Gurgler Ache bestimmt. Im Bereich der geplanten Wasserfassung ist das 5‑jährliche Hochwasser (HQ5) mit einem Spitzenabfluss von ca. 60 m3/s definiert. Für die Bestimmung der Geschiebezusammensetzung geht man von einer stabilen Deckschicht bis zu diesem Abfluss aus. Liegt der Abfluss über 60 m3/s, beginnt die Deckschicht aufzureißen und es wird verstärkt grobes Material transportiert. Diese Annahme ermöglicht die Berücksichtigung grober Geschiebeeinträge während hoher Abflüsse und den Eintrag von Material mit geringerer Korngröße während eines über das Jahr verteilten, quasi-kontinuierlichen Verlandungsprozesses. Diese vereinfachten Zusammenhänge wurden auch für die Untersuchungen an der Venter Ache übernommen.

2.2.3 Mindestkorndurchmesser

Die Kornverteilungen des Geschiebematerials wurden für die Experimente im Labor modifiziert und vergröbert. Der Grund dafür liegt in der notwendigen Einhaltung von Mindestkorngrößen von etwa 0.5 mm im hydraulischen Versuchswesen, womit eine Übertragung der Modellergebnisse in die Natur möglich wird. In Anbetracht des Modellmaßstabes von 1:30 können nur Korngrößen bis 15 mm berücksichtigt werden. Um die Massenbilanz nicht zu verändern, wurden Sedimente mit einem Korndurchmesser kleiner als 15 mm der feinsten darstellbaren Fraktion zugeordnet (Abb. 3). Mit dieser Annahme ist die Kornzusammensetzung des Geschiebes deutlich gröber als in Natur, womit die ermittelten Transportleistungen im Modell tendenziell geringer sein dürften als in der Natur und hinsichtlich einer Bewertung der Spülleistungen auf der sicheren Seite liegen.

In diesem Zusammenhang wird von einer „Kornverteilung ohne Feinanteile“ bzw. einer „abgeschnittenen Kornverteilung“ gesprochen. Diese abgeschnittene Kornverteilung wurde vom Modellversuch in das numerische Modell M1 übernommen (Abb. 2). Die Parameter des kalibrierten Modells M1 im Maßstab 1:30 wurden skaliert und auf die numerische Simulation in Naturmaßstab übertragen. Hier wird zwischen zwei Modelltypen, M2 und M3, unterschieden. Bei M2 handelt es sich um eine Simulation im Naturmaßstab mit der skalierten Kornverteilung ohne Feinanteile, entsprechend dem Modellversuch. Diese Feinanteile werden hingegen in Modelltyp M3 berücksichtigt. Mit dieser Vorgehensweise können neben den Skalierungseffekten auch mögliche Einflüsse der Feinanteile in der Geschiebezusammensetzung auf den Verlandungs- und Spülprozess in den Berechnungen dargestellt werden.

2.3 Übertragung der Modellparameter zur Wasserfassung Venter Ache

Aufgrund der beschriebenen Rahmenbedingungen in Abschnitt 2.1 (ähnliche Bauwerkskonstruktionen, Stauraumgeometrie, Einzugsgebietscharakteristika, hydrologische Verhältnisse, Gefälleverhältnisse, Kornzusammensetzung des transportierten Geschiebes) wurde für die zweite geplante Wasserfassung Venter Ache auf einen weiteren Modellversuch verzichtet und die Modellparameter vom Modelltyp M3 „Gurgler Ache“ auf das numerische Modell Modelltyp M3 „Venter Ache“ übertragen. Mit dieser Methode soll gewährleistet werden, dass auch ohne direkte Kalibriergrößen aus einem Modellversuch für die Wasserfassung Venter Ache die Ergebnisse der numerischen Berechnungen für belastbare Aussagen herangezogen werden können.

2.4 Allgemeine Problemstellungen und Lösungsansätze

Für die Erläuterung der Modellierungsprobleme ist kurz auf die Ergebnisse vorzugreifen. Für die Verlandungsvorgänge und für die Spülungen in der Unterwasserstrecke konnten innerhalb weniger Kalibrierschritte sehr gute Übereinstimmungen mit den Resultaten im Modellversuch erzielt werden. Hingegen zeigten die ersten Ergebnisse der numerischen Berechnungen der Stauraumspülungen einen stark verminderten Transport im Vergleich zum Modellversuch. Die Anpassung der räumlichen und zeitlichen Diskretisierung und von verschiedenen Modellparametern ergaben nur eine beschränkte Steigerung des Transportes. Auch eine Reduktion der dimensionslosen kritischen Schubspannung führte nicht zu der notwendigen Erhöhung der Transportraten. Damit wurde in einem letzten Schritt versucht, den Geschiebetransport durch eine lineare Skalierung zu verstärken. Da diese Skalierung eine Abweichung zu etablierten und bekannten Literaturwerten darstellt, wurde im Sinne einer wissenschaftlich belastbaren Begründung der Modelleinstellungen ein zusätzlicher Validierungsschritt durchgeführt. Basierend auf Daten der realen Spülung an der Wasserfassung Taschachbach wurde der Spülvorgang mit dem verwendeten 2D-numerischen Ansatz „nachmodelliert“. Diese Ergebnisse zeigen, dass die Verwendung eines Skalierfaktors eine vertretbare Methode ist, um den Transport zu steuern. Mit dieser Maßnahme können nahezu idente Transportraten im Modellversuch und in der 2D-numerischen Simulation bestimmt werden.

3 Physikalischer Modellversuch Wasserfassung Gurgler Ache (H0)

3.1 Überblick Modellversuch

Der Modellversuch Gurgler Ache basiert auf den Froude’schen Modellgesetz. Dieser Ansatz im wasserbaulichen Versuchswesen für die Modellierung der Fließzustände an offenen Gerinnen beschreibt, dass die Froude’sche Zahl bei den Strömungsvorgängen im Modellversuch gleich groß ist wie in Natur. Mit diesem Zusammenhang lassen sich die Maßstabzahlen für andere physikalische Größen bestimmen. Basierend auf einem geometrischen Maßstab von 1:30, ergeben sich damit ein Durchflussmaßstab von 1:4930 und ein Zeitmaßstab von 1:5.48. Das bedeutet, dass die Prozesse im Modellversuch der Wasserfassung Gurgler Ache in etwa 5.5-mal so schnell ablaufen wie in der Natur.

Es wurden ca. 800 m von der Zulaufstrecke und vom Stauraum sowie rund 600 m von der Strecke nach dem Sperrenbauwerk modelliert (Abb. 4). Im Bereich der Zulaufstrecke und im Stauraum wurde die Modellsohle beweglich ausgeführt und im Bereich der Unterwasserstrecke fixiert. Der Zulauf zum Modell konnte mit einer vordefinierten Ganglinie gesteuert werden und erfolgte über einen Einlaufbehälter. Am oberen Modellrand fand die manuelle Geschiebezugabe statt. Das Drucksegment in der Grundablassöffnung wurde beweglich ausgeführt, womit der Absenkvorgang im Stauraum gelenkt werden konnte. Am unteren Modellende wurde ein Sandfang angeordnet, in dem sich das aus dem Modell transportierte Geschiebe absetzte und so ein Einzug von Sedimenten in den Tiefbehälter vermieden wurde (AB Wasserbau 2012; Plörer et al. 2013a; Plörer et al. 2013b).

Abb. 4
figure 4

Systemskizze physikalischer Modellversuch Wasserfassung Gurgler Ache

Die Abflussganglinien und der damit verbundene Geschiebeeintrag für die untersuchten Stauraumbelastungen (siehe 3.2) stammen aus einer mit einem hydrologischen Modell kombinierten Geschiebetransportberechnung nach Gems et al. (2009) und Gems (2011). Der Zufluss wurde entsprechend der ermittelten Ganglinien ins Modell geführt und das transportierte Geschiebe manuell laut der berechneten Transportraten zugegeben, womit ein entsprechender Verlauf des Verlandungsvorganges realistisch abgebildet werden konnte.

Die Ermittlung der Verlandungsvolumen, der Spülfrachten und Transportraten erfolgte durch eine Volumenbilanzierung. Dazu wurde zunächst vor jedem Versuch die Ausgangssohle mittels Laserscanning vermessen und schließlich definierte Zwischenzustände während der Versuche sowie der Endzustand der Sohle bestimmt. Durch den Vergleich der Vorher/Nachher-Situation konnten Auflandungshöhen, Erosionstiefen und die zeitabhängigen Transport- bzw. die Spülraten ermittelt werden.

3.2 Untersuchte Stauraumbelastungen

Der geplante Betrieb der Anlagen sieht jährlich zwei Spülungen der Stauräume vor. Aus diesem Grund ist zunächst eine Stauraumbelastung mit einer halben jährlichen Geschiebefracht (1/2 JGF = 4 150 m3 Feststoffvolumen am geplanten Standort der Wasserfassung Gurgler Ache, Tab. 1) von großem Interesse. Eine Belastung infolge von Hochwassereinträgen wurde mit zwei verschiedenen historischen Hochwasserereignissen, bezogen auf einen Ereigniszeitraum von 72 h, untersucht. Das Hochwasser vom August 1987 ist bestimmt durch eine große kumulative Wasserfracht und eine Geschiebefracht in der Größenordnung von ca. 275 % der Jahresgeschiebefracht (22 614 m3). Der Spitzenabfluss ist äquivalent zu der Größe eines 10-jährlichen Hochwassers (HQ10) (Abb. 5). Das Hochwasserereignis vom September 1999 ist geprägt durch eine Ganglinie mit starkem Anstieg und Rückgang des Abflusses und einem Spitzenabfluss in der Größe von einem HQ100 (Abb. 5) am geplanten Standort der Wasserfassung. Der Geschiebeeintrag in den Stauraum beträgt ca. 200% der Jahresgeschiebefracht (16 345 m3).

Tab. 1 Bemessungsgeschiebefrachten am Modelleinlauf (Feststoffvolumen)
Abb. 5
figure 5

Abfluss bzw. Hochwasserganglinien mit Definition des Spülbeginns für die Stauraumbelastungen 1/2 JGF, Aug 1987, Sep 1999 an der Gurgler Ache (GA) und an der Venter Ache (VA)

3.3 Spülmuster und Stellenwert des Freispiegelabflusses durch den Grundablass

Die Spülung der halben Jahresgeschiebefracht an der Gurgler Ache basiert auf einem stationären Abfluss von 20 m3/s. Die Frachten aus den Hochwasserereignissen wurden mit einem instationären Abfluss entsprechend des abfallenden Bereiches der Hochwasserganglinie gespült. Hier wurde zusätzlich manuell eingegriffen. Ab dem Zeitpunkt, ab dem keine Daten für die Hochwasserganglinie vorhanden waren, wurde vereinfachend ein Spülabfluss von 20 m3/s berücksichtigt (Abb. 5).

Die Erkenntnisse aus dem Modellversuch bestätigten erste Annahmen, dass bei Stauraumspülungen ein effektiver Geschiebetransport durch den Grundablass erst bei Erreichen eines Freispiegelabflusses auftritt. Damit spielt der Abstau (Vorgang vom Öffnen des Grundablasses bis zum Erreichen des Freispiegelabflusses) eine untergeordnete Rolle für die Bestimmung des Geschiebetransports durch den Grundablass. In den nachfolgenden Darstellungen der Ergebnisse wurde die Dauer des Abstauvorgangs nicht berücksichtigt. Die Spülleistungen beziehen sich damit nicht auf den Zeitpunkt der Öffnung des Grundablasses, sondern auf einen Nullpunkt, welcher den Beginn des Freispiegelabflusses definiert.

3.4 Auswahl der Ergebnisse als Basis für die Kalibrierung des numerischen Modells

3.4.1 Verlandungsvorgang

Die Verlandungsvorgänge zeigten, dass alle Stauraumbelastungen im Stauraum aufgenommen werden können (Abb. 6). Eine weiterführende Untersuchung hinsichtlich des Verlandungsverhaltens führte zu einem zusätzlichen Versuch mit der doppelten Stauraumbelastung eines Hochwassers August 1987 (550 % der JGF). Selbst bei dieser äußert unwahrscheinlichen Belastung konnte keine Beeinträchtigung der Wasserfassung und der Betriebseinrichtungen festgestellt werden. Die Verlandungszustände aus den Untersuchungen im physikalischen Modellversuch wurden mit vier Parametern beschrieben:

Abb. 6
figure 6

Ergebnisse Verlandungsvorgang im physikalischen Modellversuch H0 und den Simulationen M1, M2, M3 auf Basis von θcrit = 0.030 und scf = 0.8; oben: 1/2 JGF; Mitte: Aug 1987; unten: Sep 1999

  • Abstand der Verlandungsfront zum Grundablass/zur Mauer,

  • relative Verlandungshöhe bezogen auf die Ausgangssohllage,

  • absolute Höhe der Verlandungsfront und

  • mittleres Gefälle des Verlandungskörpers.

Diese Werte bildeten die Vergleichsgrößen für die Kalibrierung der numerischen Simulationen der Verlandungsvorgänge. Ergänzend wurden für das Hochwasserereignis September 1999 Geschiebeproben aus dem Verlandungskörper im Modellversuch entnommen. Die ermittelten Kornverteilungen dieser Proben wurden mit den Kornverteilungen des Verlandungsmaterials in den numerischen Berechnungen verglichen (AB Wasserbau 2015a).

3.4.2 Spülvorgang

Die Vergleichsgrößen für die Stauraumspülung und die Spülung der Unterwasserstrecke sind die zeitbezogenen Spülfrachten (kumulativer Transport/Spülleistungen) (dicke/rote Linien in Abb. 7). Zusätzlich wurden bei der Spülung der Geschiebefracht aus dem Hochwasserereignis September 1999 – analog zum Verlandungsvorgang – Proben im Modellversuch entnommen, um diese mit den Ergebnissen in den numerischen Berechnungen vergleichen zu können.

Abb. 7
figure 7

Zeile 1: Ergebnisse der Kalibrierungsberechnungen für die Stauraumbelastung 1/2 JGF, HW 1987 und HW 1999; Zeile 2: Ergebnisse der Stauraumspülung für Modelltype M1, M2 und M3 auf Basis eines θcrit = 0.03 und scf = 2.0 (1/2JGF) bzw. scf = 3.0 (HW 1987, HW 1999); Zeile 3: Ergebnisse der Spülung der Unterwasserstrecke für Modelltyp M1, M2 und M3 auf Basis eines θcrit = 0.03 und scf = 1.0 (1/2 JGF, HW 1987, HW 1999)

Die Spülung einer halben Jahresgeschiebefracht mit einem stationären Zufluss von 20 m3/s ergibt eine notwendige Spüldauer von 4 h. Im Bereich der Unterwasserstrecke können in diesen 4 h ca. 1 000 m3 Feststoffvolumen gespült werden, womit es zunächst zu Auflandungen im Bereich der Unterwasserstrecke kommt, welche jedoch mit fortlaufender Spüldauer reduziert werden können.

Beim Hochwasser August 1987 kann die Ereignisfracht innerhalb von 7 h gespült werden. Aufgrund der damit auftretenden hohen Transportraten kommt es zu starken Auflandungen im Bereich der Unterwasserstrecke, welche aber wie bei der Spülung der halben Jahresgeschiebefracht wieder reduziert werden können. In 21 h können ca. 17 500 m3 aus der unmittelbaren Unterwasserstrecke transportiert werden (Abb. 7).

Auch beim Hochwasser September 1999 zeigt die Stauraumspülung gute Erfolge (12 600 m3 in 7 h). Im Bereich der Unterwasserstrecke können in 9 h aber nur ca. 5 000 m3 dieser Fracht transportiert werden. Der Hauptgrund liegt dabei in der schnellen Abnahme des Spülabflusses auf 20 m3/s. Mit diesem Abfluss wird der Transport von grobem Geschiebematerial infolge eines Hochwassereintrages erschwert. Es verlängert sich damit die erforderliche Spüldauer für eine Reduktion der Auflandungen und den Transport aus der Unterwasserstrecke (Abb. 7).

4 Numerische Modellierung Wasserfassungen Gurgler Ache und Venter Ache (M1, M2, M3)

4.1 Allgemeines

Für die Simulation der Verlandungsvorgänge reichen die Berechnungsnetze vom oberen Modellrand bis zum Auslauf aus der Unterwasserstrecke. Bei den Spülvorgängen bzw. bei Abfluss durch den Grundablass kommt es zu einer starken Einschnürung und zu einer plötzlichen Erweiterung, welche insbesondere beim Geschiebetransport Instabilitäten und Oszillationen hervorrufen. Zusätzlich erhöht sich das Sohlgefälle im Bereich der Grundablässe auf bis zu 10 %. Aus Stabilitätsgründen ist in den 2D-numerischen Berechnungen eine Teilung des Rechennetzes in zwei Teilmodelle notwendig. Teilmodell 1 reicht vom Zulauf des Gesamtmodells bis zum Grundablass, das Teilmodell 2 reicht von Grundablass bis zum Auslauf des Gesamtmodells (Abb. 8).

Abb. 8
figure 8

Berechnungsnetze für die numerischen Simulationen; links: Gurgler Ache; rechts: Venter Ache

Die Bearbeitung mit zwei Teilmodellen entkoppelt den Spülvorgang im Stauraum von dem Spülvorgang in der Unterwasserstrecke und ist damit zunächst als Abweichung zur Spülung im Modellversuch zu sehen. Der Einfluss der Unterwasserstrecke auf die Stauraumspülung, insbesondere der Einfluss der Auflandungen im Nahbereich des Grundablasses, wird damit in den numerischen Berechnungen bewusst nicht berücksichtigt (AB Wasserbau 2015a; Plörer et al. 2013a).

4.2 Verwendete Software

4.2.1 Strömungsberechnung

Hydro_GS-2D ist eine Erweiterung der 2D-numerischen Strömungssimulationssoftware Hydro_AS-2D (Nujic 2009; Nujic 2015). Die Rechennetze werden mit einem linearen unstrukturierten Oberflächennetz aus Dreieck- und Viereckelementen erzeugt. Die Eigenschaften der Sohle und die Materialeigenschaften können dabei jedem Knoten bzw. jedem Element zugeordnet werden. Die Berechnung der hydraulischen Größen erfolgt durch numerische Lösung der vollständigen zweidimensionalen Flachwassergleichungen. Für die räumliche Diskretisierung wird die Finite-Volumen-Methode (FVM) und für die zeitliche Diskretisierung das Runge-Kutta-Verfahren 2. Ordnung (Prädiktor-Korrektor-Methode) verwendet. Der Reibungsterm in den Gleichungen wird nach Darcy/Weissbach ermittelt.

4.2.2 Transportberechnung/Sohländerungen

Die verwendete Version Hydro_GS-2D 3.14 erlaubt die Definition der Kornverteilungen des Geschiebes mit bis zu zwölf Korndurchmessern bzw. Kornklassen. In diesem Projekt wurden bezugnehmend auf die Arbeit von Umach (2014) die Kornverteilungen mit nur fünf Kornklassen definiert. Umach zeigt, dass der Mehrwert der Ergebnisse bei 2D-numerischen Berechnungen mit der Verwendung von mehr als fünf Kornklassen gering ist und die Rechenzeit durch diese Begrenzungen verringert werden kann. Für die Transportberechnung wird die von Hunziker erweiterte Formel von Meyer-Peter und Müller zur Modellierung von fraktioniertem Geschiebe verwendet (Hunziker 1995; Hunziker et al. 2009). Die Berechnung des abgelagerten bzw. transportieren Geschiebes erfolgt mit den Exner-Gleichungen. Die Sohle wird mittels drei Schichten, der Austauschschicht, der Unterschicht und der Grundschicht dargestellt. Eine Einführung in die morphodynamische Modellierung und eine genaue Beschreibung der Modellkomponenten können im Handbuch für Hydro_GS-2D (Nujic 2015) und in den Arbeiten der angeführten Autoren gefunden werden.

4.3 Beschreibung der Parameter für die Kalibrierung

4.3.1 Modellparameter

Für die Kalibrierung des numerischen Modells kann zwischen den allgemeinen Modellparametern und Parametern für die Geschiebetransportformel unterschieden werden. Im Teilbereich „Modellparameter“ führt eine zeitlich und räumlich höher aufgelöste Diskretisierung zur Verbesserung der Darstellung von hoch instationären Prozessen. Der Nachteil einer feinen Diskretisierung liegt im klar erhöhten Rechenaufwand und damit in einer längeren Berechnungsdauer. Es sind folgende Maßnahmen möglich:

  1. a)

    Verfeinerung des Berechnungsnetzes; insbesondere in Bereichen mit hoch-instationären Strömungsvorgängen.

  2. b)

    Reduktion des Modellparameters H min; dieser definiert die minimale Wassertiefe, die an einem Knoten vorherrschen muss, damit dieser zur Berechnung herangezogen wird. Eine Verkleinerung dieses Wertes ergibt eine Erhöhung der Rechenzeit, kann aber bei instationären Vorgängen zu besseren Ergebnissen führen.

  3. c)

    Reduktion von Modellparameter A min; definiert die minimale Elementgröße; das Residuum wird bei kleinen Elementen stärker gedämpft als bei großen. Bis zu dieser definierten Elementgröße kommt es zu keiner Dämpfung an den Elementen. Ein großer Amin-Wert kann das Erreichen eines stationären Zustandes verzögern.

  4. d)

    Reduktion der Courant-Friedrichs-Lewy-Zahl (CFL-Zahl), eine indirekte Einflussnahme auf den diskreten Zeitschritt in der numerischen Berechnung:

$$\text{CFL}=\frac{\mathrm{u}\, \cdot \Updelta \mathrm{t}}{\Updelta \mathrm{x}}$$
(1)

mit

u:

Geschwindigkeit

∆t:

diskrete Zeitschritt

∆x:

diskrete Ortschritt

  1. e)

    Schubspannungsschwankungen: Werden Schubspannungsschwankungen nicht berücksichtigt, so werden einzelne Spannungsspitzen gedämpft und gemittelt. Das Einbeziehen der Schwankungen erhöht die Rechenzeit. Dennoch hat sich insbesondere bei den Spülvorgängen gezeigt, dass diese Spitzen den Transport begünstigen und zu höheren Spülleistungen führen.

  2. f)

    Reduktion der Anpassungslänge L a; die Anpassungslänge definiert das Verhältnis zwischen Transportkapazität und tatsächlichem Transport; geht die Anpassungslänge gegen Null so entspricht der Transport der Transportkapazität.

4.3.2 Parameter für den Geschiebetransport

Die Transportberechnungen für fraktioniertes Geschiebe basieren in Hydro_GS-2D auf der durch Hunziker (Hunziker 1995; Hunziker et al. 2009) adaptierten MPM-Formel (Meyer-Peter und Müller 1949):

$$q_{b}=\mathbf{scf}\cdot \sum F_{i}\cdot 8\cdot \left (\varphi _{i}\cdot \left (\mu \cdot \theta -\theta _{cms}\right )\right )^{\left (3/2\right )}$$
(2)

mit

$$\mu =\left (\frac{\boldsymbol{kst}}{\boldsymbol{kr}}\right )^{\left (3/2\right )}\cdot \frac{h\cdot J}{\left (\frac{\rho _{s}}{\rho _{w}}-1\right )\cdot d_{ms}}$$
(3)

und

$$\theta _{cms}=\boldsymbol{\theta }_{\boldsymbol{crit}}\cdot \left (\frac{d_{mss}}{d_{ms}}\right )^{\left (1/3\right )}$$
(4)
scf:

Skalierfaktor für den Geschiebetransport; Die MPM-Formel in ihrer ursprünglichen Form beinhaltete den Faktor 8 (Glg. 2). Weiterführende Untersuchungen erläutern, dass dieser Faktor eher geringer ist und bei ca. 5 liegt. Dieser Wert ist auch der Startwert in Hydro_GS-2D und wird indirekt durch einen scf-Wert von 0.625 (= 5/8) erreicht

Fi :

Fraktion i

φi :

Ausgleichsfunktion

μ:

Faktor aus dem Verhältnis Gesamtrauheit zu Kornrauheit und Shields-Parameter

θcms :

kritische dimensionslose Schubspannung einer Mischung, bezogen auf den mittleren Korndurchmesser der Austauschschicht

θcrit :

kritische dimensionslose Schubspannung für Einheitskorn

dmss :

charakteristischer Korndurchmesser der Unterschicht

dms :

charakteristischer Korndurchmesser der Ausgleichsschicht

Die ersten Berechnungen mit den Default-Parametern (Grundeinstellungen des Programms) zeigten sehr geringe Spülleistungen, teilweise waren auch numerische Instabilitäten im Bereich des Grundablasses zu beobachten. Mit den oben angeführten Maßnahmen für die Modellparameter alleine wurden die Ergebnisse aus dem Modellversuch nicht erreicht. Die Spülleistungen im Modellversuch übertrafen die Spülleistungen in der Numerik um das Zwei- bis Dreifache. Damit wurde eine Kalibrierung der Transportvorgänge mit Einflussnahme auf die Geschiebetransportformel notwendig.

Aus der Formelstruktur ist ersichtlich, dass u. a. der scf-Wert, der Faktor μ und die dimensionslose kritische Sohlschubspannung θcrit einen Einfluss auf den Transport haben. Im Zuge der Kalibrierung und der Variantenberechnung zeigte sich, dass die Simulationen auf eine Veränderung dieser Parameter am stärksten reagieren. Der scf-Wert beeinflusst den Transport linear, d. h. eine Verdoppelung dieses Werts führt in Abhängigkeit von der Transportkapazität bis zu einer Verdoppelung des Transports. Einen wichtigen Einfluss auf das gesamte Transportverhalten hat die dimensionslose kritische Sohlschubspannung θcrit. Diese ist entsprechend der Untersuchungen nach MPM mit 0.047 angesetzt, kann aber in Hydro_GS-2D manuell definiert werden. Der Faktor μ wird durch das Verhältnis von Gesamtrauheit zur Kornrauheit im Gerinne bestimmt. Werden beide Größen ident angenommen, so ergibt sich keine Verkleinerung des Transports durch den Faktor μ,da „(kst/kr)^(3/2)“ in Gleichung 3 eins ergibt.

4.4 Kalibrierung und Validierung

4.4.1 Stauraumverlandung

Die ersten Berechnungen für den Verlandungsvorgang infolge einer Stauraumbelastung mit einer halben Jahresgeschiebefracht basieren auf einer dimensionslosen kritischen Sohlschubspannung von 0.047 und einem scf-Wert von 0.625 (entspricht 5/8). Dieser scf-Wert definiert den Einfluss von Formrauheiten, welcher zu einer Verkleinerung des Geschiebetransports führt. Die Resultate dieser Berechnungen zeigten bereits eine große Übereinstimmung mit den Ergebnissen aus dem Modellversuch. Es kam noch vereinzelt zu starken Auflandungen im Bereich der Zulaufstrecke, welche so nicht im Modellversuch beobachtet wurden. Eine geringfügige Erhöhung des scf-Wertes auf 0.8 bzw. die Reduktion des Einflusses von Sohlformen und die Verringerung von θcrit führten schließlich zu den besten Resultaten und zeigten eine sehr gute Übereinstimmung des Verlandungskörpers nach Modelltyp M1 mit jenem aus dem physikalischen Modellversuch H0 (Abb. 6). Diese Einstellungen wurden für die Modellierung der Verlandung infolge der Hochwasserereignisse August 1987 und September 1999 übernommen und es konnten auch hier sehr gute Ergebnisse erreicht werden. Abb. 6 zeigt den Vergleich der Verlandungskörper im Modelltyp M1 und im Modellversuch H0 für das Hochwasserereignis August 1987 und die Ergebnisse der Verlandungsvorganges für das Hochwasserereignis September 1999.

4.4.2 Stauraumspülung

Im Gegensatz zur Stauraumverlandung erforderte die Spülung des Stauraums einen längeren Kalibrierungsprozess. Mit der Reduktion von θcrit und einer Erhöhung des scf-Wertes auf den laut Literatur maximalen Wert von 1.0 konnte der Transport erhöht werden, jedoch waren die Spülfrachten deutlich geringer als im Modellversuch. Daraufhin wurden in Anlehnung an Abschnitt 4.3 Maßnahmen gesetzt, um den Transport weiter zu verbessern. Insbesondere die Veränderung der Anpassungslänge La resultierte in einem starken Anstieg des Geschiebetransportes. Dennoch konnten immer noch nicht die Referenzwerte aus dem Modellversuch erreicht werden. Als letzter Schritt wurde mit einem scf-Wert größer als eins versucht, den Transport zu verstärken. Mit θcrit = 0.030 und scf = 1.5 liegt der Transport noch deutlich unter jenem im Modellversuch (Abb. 7). Eine zusätzliche Steigerung auf 2.0 führte zu guten Resultaten. Ein Test mit scf = 3.0 zeigte einen zu großen Geschiebetransport. Die Parametereinstellungen θcrit = 0.030 und scf = 2.0 wurden daraufhin für die Bestimmung der Stauraumspülung mit den Hochwasserbelastungen August 1987 und September 1999 verwendet. Hier zeigte sich, dass mit einem scf = 2.0 nicht der gewünschte Transport erreicht wird. Damit wurde der scf-Wert weiter erhöht, zunächst auf 2.5, und schließlich auf 3.0. Für beide Hochwasserereignisse konnte mit scf = 3.0 ein Transport ermittelt werden, welcher nah an jenem im Modellversuch liegt (Abb. 7). Beim Hochwasser August 1987 kommt es in den numerischen Berechnungen zu einem verminderten Transport am Ende des Spülvorganges, welcher so im Modellversuch nicht beobachtet werden konnte. Der Versuch einer weiteren Anpassung an die Ergebnisse aus dem Modellversuch konnte auch mit Simulationen basierend auf einen scf-Wert von 4.0 nicht erreicht werden. Insbesondere im Bereich des Grundablasses traten numerische Instabilitäten auf.

4.4.3 Spülung Unterwasserstrecke

Im Bereich der Unterwasserstrecke liegen die hydraulischen Bedingungen näher an gewohnten Fließzuständen in offenen, natürlichen Gerinnen als im Bereich des Stauraums. Im Zuge der Kalibrierung konnte bei der Spülung der halben Jahresgeschiebefracht mit θcrit = 0.030 und einem scf-Wert von 1.0 eine gute Übereinstimmung zwischen Modellversuch und Numerik erreicht werden. Eine Übertragung dieser Stellgrößen zu den Berechnungen der Hochwasserereignisse August 1987 und September 1999 führte auch dort zu Übereinstimmungen. Zusätzlich zeigt die Auswertung der Auflandungs- und Erosionsmuster während der Spülung die gleichen Eigenschaften wie im Modellversuch. Die Auflandungen infolge der hohen Spülfrachten werden mit fortlaufendem Spülvorgang wieder reduziert. Insbesondere bei einer Belastung mit einer halben jährlichen Geschiebefracht können die Auflandungen nach 12 h wieder mobilisiert werden (Abb. 7, Abb. 9). Beim Hochwasserereignis August 1987 kann ein Großteil des Geschiebes aus dem Stauraum innerhalb von 24 h aus der unmittelbaren Unterwasserstrecke transportiert werden. Zu stärkeren Ablagerungen kommt es beim Hochwasserereignis September 1999, wo innerhalb 16 h nur etwa die Hälfte der Ereignisfracht transportiert werden kann (Abb. 7). Hier sind für einen weiteren Abbau der Ablagerungen in der Unterwasserstrecke eine längere Spüldauer und ein höherer Spülabfluss notwendig.

Abb. 9
figure 9

Entwicklung der Geschiebeablagerungen in der Unterwasserstrecke während der Stauraumspülung der halben Jahresgeschiebefracht (1/2 JGF) an der Wasserfassung Gurgler Ache

4.5 Übertragungen der Modellparameter von Modelltyp M1 auf M2 und M3

Die Modellparameter der kalibrierten Modelle M1 wurden schließlich auf den Modelltyp M2 übertragen. Neben einer geometrischen Skalierung der Berechnungsnetze umfasste dieser Vorgang auch die Skalierung der Kornverteilung des Geschiebes mit dem Maßstabsfaktor 30. Auf Basis dieser Einstellungen wurden die gleichen Simulationen wie beim Modelltyp M1 durchgeführt. Der Übertragungsschritt hin zum Modelltyp M3 beinhaltete nun noch die Berücksichtigung der feinsten Anteile in den Kornverteilungen. Auch hier wurden sowohl die Verlandungsvorgänge, die Stauraumspülungen und die Spülungen der Unterwasserstrecke für die Belastung aus einer halben Jahresgeschiebefracht und mit den Hochwasserereignissen August 1987 und September 1999 untersucht.

Die Modellparameter der Simulationen „Gurgler Ache“ Modelltyp M3 für die drei Teilbereiche Stauraumverlandung, Stauraumspülung und Spülung der Unterwasserstrecke wurden in einem letzten Schritt zur numerischen Simulation für die „Venter Ache“ Modelltyp M3 übertragen. Die Simulationen umfassen hier das gleiche Modellierungsprogramm wie bei der Gurgler Ache unter Berücksichtigung eines höheren stationären Abflusses für den Spülvorgang im Stauraum und in der Unterwasserstrecke (Q = 30 m3/s) (Abb. 5). Bedingt durch die Nähe der beiden Standorte der Wasserfassungen und der Rahmenbedingungen für die hydrologische Modellierung zeigen sich qualitativ ähnliche Abflussganglinien für die Hochwasserereignisse wie an der Gurgler Ache. Der Spitzenabfluss beträgt für das Hochwasser August 1987 142 m3/s und für das Hochwasser September 1999 114 m3/s. Die halbe Jahresgeschiebefracht wurde am geplanten Standort der Wasserfassung Venter Ache mit 8 960 m3 berechnet. Die Ereignisfrachten betragen 60 572 m3 für das Hochwasser August 1987 und 21 584 m3 für das Hochwasser September 1999 (Tab. 1).

4.6 Ergebnisse

Abb. 7 zeigt die Gegenüberstellungen der Resultate aus den numerischen Berechnungen mit den Modelltypen M1, M2 und M3 mit jenem aus dem Modellversuch, H0. In den Ergebnissen sind leichte Abweichungen zwischen den Modelltypen erkennbar. Während bei einer halben Jahresgeschiebefracht und beim Hochwasserereignis August 1987 nur geringe Unterschiede auftreten, so erkennt man eine größere Abweichung zwischen den Berechnungen im Modelltyp M1 zu M2 und M3 beim Hochwasserereignis September 1999. Mit einer Gesamtbeurteilung der Resultate lässt sich keine generelle Aussage über die Gründe dieser Ergebnisse treffen. Betrachtet man die Resultate mit einer halben Jahresgeschiebefracht und beim Hochwasserereignis August 1987, so zeigt sich, dass es weder durch die Veränderung des Modellmaßstabs (Modelltyp M1 <> Modelltyp M2, M3), noch aufgrund der Berücksichtigung der Feinanteile (Modelltyp M1, M2 <> Modelltyp M3) zu wesentlichen Änderungen des Transportes kommt. Eine Erklärung kann im starken Abfall des Spülabflusses beim Hochwasserereignis September 1999 liegen, welcher sich in den numerischen Simulationen im Modellmaßstab möglicherweise stärker auswirkt.

4.7 Bewertung der Parameterwahl

Die Verlandungsprozesse sind aufgrund der hydraulischen und morphologischen Randbedingungen (langsame Änderung der Verlandung, kleine Energielinien- und Sohlgefälle, geringe Fließgeschwindigkeiten) mit der 2D-numerischen morphodynamischen Software Hydro_GS-2D sehr gut zu simulieren. Allerdings ist die angenommene dimensionslose kritische Sohlschubspannung θcrit mit 0.030 sehr klein. Die hoch instationären Erosions- und Auflandungsprozesse während der Stauraumspülung (schnelle und große Sohlveränderungen, große Energieliniengefälle und Fließgeschwindigkeiten) führen in der Modellierung zu Problemen, die nicht vollständig gelöst werden konnten. Bei einer zweidimensionalen hydrodynamischen Berechnung sind Vereinfachungen notwendig, die Auswirkungen auf die Berechnungen haben und damit Abweichungen zu den Abläufen in der Natur darstellen. Um näher an die Ergebnisse des physikalischen Modellversuchs zu kommen, sind Parametereinstellungen in den Simulationen zu treffen, die von Literaturwerten abweichen.

Im Bereich der Unterwasserstrecke konnten die Ergebnisse aus dem Modellversuch mit einem scf-Wert von 1.0 erreicht werden, welcher die nach Literaturwerten obere Grenze darstellt und den Einfluss von Formrauheiten nicht berücksichtigt. Auch hier wurde eine kleine dimensionslose kritische Sohlschubspannung (θcrit = 0.030) verwendet.

Trotz der angeführten Parameterwahl zeigt die Gesamtbetrachtung der Ergebnisse, dass ein Modellkonzept, das die Übertragung der Modellparameter eines kalibrierten numerischen Modell Gurgler Ache im Modellmaßstab (M1) auf ein numerisches Modell in Naturmaßstab (M2/M3) mit anschließender Übertragung auf das numerische Modell Venter Ache vorsieht, seine Berechtigung findet. Auch für den Verlandungsprozess an der Venter Ache konnten plausible Resultate erzielt werden. Bei der Simulation der Spülung des Stauraums konnten ähnliche Abhängigkeiten der Spülerfolge von einzelnen Modellparametern (θcrit, scf-Wert) beobachtet werden wie bei der Gurgler Ache (AB Wasserbau 2015a).

5 Naturmessungen und numerische Modellierung Wasserfassung Taschachbach (N1)

5.1 Kurzbeschreibung Wasserfassung Taschachbach

Die Wasserfassung Taschachbach ist die größte Wasserfassung des Kraftwerks Kaunertal und liegt im Pitztal/Tirol auf 1 800 m. ü. A. (Stauziel). Die Fassung befindet sich an einer kleinen Bogenstaumauer, welche überströmbar ausgeführt ist und damit zur Entlastung herangezogen werden kann. Die Fassung wurde als Frontentnahme am Sperrenbauwerk konzipiert und kann bis zu 12 m3/s ausleiten. Die Entnahmeleitung führt durch die Bogenmauer zu den beiden Entsandern am orografisch linken Ufer. Durch den Überleitungstollen wird das Wasser dem Speicher Gepatsch im Kaunertal zugeführt. Das gesamte Einzugsgebiet der Fassung beträgt ca. 60.6 km2 und ist etwa zu einem Fünftel vergletschert. Aufgrund des vorhandenen Moränenmaterials gibt es ein großes Potenzial an Sedimenten, welches in den Stauraum transportiert werden kann. Aus diesem Grund wird der Stauraum mit einer hydraulischen Spülung durch den Grundablass im Mittel zwei- bis dreimal jährlich gespült. Während der Spülung wird kein Wasser eingezogen, womit der volle Zufluss für die Spülung zu Verfügung steht (AB Wasserbau 2015b). Die langjährigen Aufzeichnungen zeigen, dass bei den Regelspülungen sehr gute Spülerfolge erreicht werden (Tschada und Hofer 1990).

5.2 Beschreibung der Naturmessungen

Am 24.07.2014 führte die TIWAG eine Spülung des Stauraums der Wasserfassung Taschachbach durch (Abb. 10). Im Zuge dieser Regelspülung wurde ein umfangreiches Messprogramm abgewickelt (AB Wasserbau 2015b):

Abb. 10
figure 10

Stauraumspülung Wasserfassung Taschachbach am 24.07.2014

  • Vermessung des Stauraums vor und nach der Spülung: Vor der Spülung wurde der Stauraum mit Lotmessungen aus einem Boot vermessen. Nach der Spülung bzw. bei freiem Durchfluss wurde der Stauraum mittels Laser aufgenommen. Damit wurde der Verlandungszustand abgeleitet und in das numerische Modell übertragen. Aufbauend auf den plausiblen Ergebnissen der Verlandungsmodellierung an der Gurgler und Venter Ache wurde auf eine zusätzliche numerische Modellierung der Stauraumverlandung verzichtet. Mit dem Vergleich der Stauraumverlandung vor und nach der Spülung konnte das gespülte Feststoffvolumen (Referenzvolumen) für die numerische Simulation mit 440 m3 bestimmt werden.

  • Aufnahme der hydrologischen Bedingungen: Für die Spülung wurde das zeitliche Intervall der Aufnahme des Abflusses an einem Pegel in der Unterwasserstrecke auf 1 Minute reduziert. Mit dieser Abflussganglinie konnten der Zufluss zur Fassung und der Spülabfluss rekonstruiert werden.

  • Messungen an 7 Querprofilen in der Unterwasserstrecke umfassten u. a. sogenannte Trübemessungen zur Bestimmung des Schwebstoffgehalts.

  • Bestimmung der Kornverteilungen des Verlandungsmaterials: Während der Spülung wurden im Stauraum Proben des Verlandungskörpers entnommen, die im Labor des Arbeitsbereichs Wasserbau gesiebt und ausgewertet wurden. Damit ergeben sich wichtige Informationen über die Kornzusammensetzung, welche schließlich auch in das numerische Modell implementiert werden.

  • Vermessung der Unterwasserstrecke und Bestimmung des Sohlmaterials in der Unterwasserstrecke im Nahbereich der Grundablassöffnung mit Linienzahlanalysen. Diese Informationen von der Ausbildung der Deckschicht und der Unterschicht sind eine wichtige Eingangsgröße für weitere geplante numerischen Simulationen.

  • Begleitende Foto- und Videodokumentation.

Da sich die Daten der Sohllagen im Stauraum auf den Anfangs- und Endzustand im Stauraum beschränken, kann ein genauer zeitlicher Verlauf der Stauraumspülung nicht bestimmt werden und es sind vereinfachte Annahmen zu treffen. Der sehr beschränkte Sedimenttransport vor Erreichen des Freispiegelabflusses kann durch die Trübemessungen im Unterlauf und durch visuelle Beobachtungen bestätigt werden. Der eigentliche Geschiebetransport beginnt erst nach ca. 1 h nach Öffnung des Grundablasses mit Freispiegelabfluss. Aus diesen Erkenntnissen leitet sich eine „Spülkurve“ bzw. ein Bereich nach Abb. 11 ab, der durch die minimale Spüldauer tf,min und die maximale Spüldauer tf,max bestimmt ist. Laut visuellen Beobachtungen und Ableitungen aus den Trübemessungen wurde das Referenzvolumen von 440 m3 innerhalb dieses Zeitraums transportiert.

Abb. 11
figure 11

Ergebnisse der numerischen Simulation der Stauraumspülung an der Wasserfassung Taschach; Spülleistungen in Abhängigkeit von θcrit und dem scf-Wert

5.3 Zielsetzung der numerischen Untersuchung N1

Die numerische Nachrechnung der Stauraumspülung der Wasserfassung Taschachbach ermöglicht eine Verifizierung modellrelevanter Parameter, welche für die Simulation der Spülungen an den geplanten Wasserfassungen Gurgler Ache und Venter Ache verwendet wurden. Die wichtigsten Modellparameter und Einstellungen sind die dimensionslose kritische Sohlschubspannung θcrit, der scf-Wert für die Geschiebetransportformel und die zeitliche und räumliche Diskretisierung des numerischen Modells.

5.4 Wahl der Modellparameter für die numerische Modellierung der Stauraumspülung Taschachbach

Die Modellparameter wurden aufbauend auf den vorangegangenen Untersuchungen an den geplanten Wasserfassungen gewählt. Für eine Variantenuntersuchung wurden sowohl der scf-Wert als auch die dimensionslose kritische Sohlschubspannung θcrit und die Anpassungslänge La variiert. Erste Berechnungen mit hohen Anpassungslängen führten zu sehr geringen Spülleistungen. Damit wurde eine kleine und konstante Anpassungslänge für alle weiteren Berechnungen verwendet. Die Detailuntersuchung reduzierte sich damit auf sechs Varianten mit drei verschiedenen scf-Werten (1.0; 2.0; 3.0) und zwei verschiedenen dimensionslosen kritischen Sohlschubspannungen θcrit (0.030; 0.047).

5.5 Ergebnisse

Die Berechnungsvarianten mit scf = 1.0 zeigen am Ende der Spülung eine kumulative Spülfracht von ca. 400 m3, womit 91 % des Referenzvolumens gespült werden können. Trotzdem sind hier die Ergebnisse nicht zufriedenstellend, da sich klare Abweichungen zu den hohen Spülraten am Beginn der Spülung ergeben und damit die Dauer für die Entleerung des Stauraums nicht mit den Naturbeobachtungen übereinstimmt (Abb. 11). Die Varianten mit θcrit  = 0.030 und einem scf-Wert von 2.0 und 3.0 und jene mit θcrit  = 0.047 und einem scf-Wert von 2.0 zeigen eine kumulative Spülfracht zwischen 96 % und 99 % des Referenzvolumens (416 m3 bis 430 m3). Bei der Variante θcrit = 0.030 und scf = 3.0 fällt der Transport zu groß aus. Hier werden bereits 110 % (478 m3) gespült.

Eine zusätzliche Bestimmung des zeitlichen Verlaufs der Spülung ist bedingt über die Interpretation der Schwebstofffrachten im Unterwasser möglich. Auch wenn eine Gegenüberstellung von Geschiebetransport mit Schwebstofftransport mit Vorbehalt zu verwenden ist, so lässt sich zumindest ein qualitativer Vergleich hinsichtlich des zeitlichen Verlaufes der Spülung des Verlandungsmaterials darstellen. Vor Beginn des Freispiegelabflusses ist nur eine geringe Konzentration zu erkennen. Der Maximalwert wird laut den Naturmessungen nach ca. 10 Minuten nach Beginn des Freispiegelabflusses erreicht (48 000 mg/l) (Abb. 12). Rechnet man nun die Feststofffrachten am Grundablass von [kg/s] vereinfachend in eine Konzentration in [mg/l] um, so zeigt sich ein Vergleich der Feststoffkonzentrationen. Bei den vier Varianten mit einem scf-Wert von 2.0 bzw. 3.0 treten die Maxima auch nach ca. 10 Minuten Freispiegelabfluss auf. Betrachtet man die Spülraten, so zeigt sich, dass die Varianten mit einem θcrit von 0.030 bzw. 0.047 besser mit der Trübemessung übereinstimmen. Da Trübemessungen nach 1 h nach Beginn des Freispiegelabflusses nicht vorhanden sind, kann keine Aussage getroffen werden, inwieweit die Varianten mit θcrit  = 0.030/scf = 2.0 und mit θcrit = 0.047/scf = 2.0 in Folge mit den Messungen übereinstimmen.

Abb. 12
figure 12

Vergleich der Feststoffkonzentration aus Trübemessungen in der Unterwasserstrecke mit jenen aus den numerischen Berechnungen

Mit einer Gesamtbeurteilung der Ergebnisse ist davon auszugehen, dass die numerischen Simulationen mit Modellparameter von θcrit zwischen 0.030 und 0.047 und einem scf-Wert von 2.0 die Spülung sehr gut abbilden. Obwohl die Charakteristiken der Spülungen auch bei den übrigen Berechnungsvarianten zu plausiblen Abläufen führen, ist festzuhalten, dass mit θcrit = 0.030 und einem scf-Wert von 3.0 der Transport überschätzt wird und die Spülraten bei den Varianten mit einem scf-Wert von 1.0 zu gering sind.

6 Zusammenfassende Interpretation des Modellkonzeptes

Bei der numerischen Modellierung von Verlandungs- und Spülvorgängen an den Wasserfassungen Gurgler Ache und Venter Ache werden insbesondere bei der Stauraumspülung komplexe hydraulische und morphologische Vorgänge abgebildet. Durch das Absenken des Wasserspiegels und die rasche Veränderung des Verlandungskörpers treten hoch instationäre Prozesse auf. Die Simulation dieser Vorgänge mit dem gewählten 2D-numerischen geschiebehydraulischem Modell erfordert die Verwendung von Modellparametern, welche von gängigen Literaturwerten abweichen und damit auch zu neuen Fragestellungen führen.

Obwohl den Simulationen Ergebnisse aus einem Modellversuch im Maßstab 1:30 zugrunde liegen und damit sehr belastbare Vergleichsgrößen vorhanden sind, bietet die numerische Nachrechnung einer realen Spülung eine zusätzliche sinnvolle Möglichkeit, Eingangsgrößen in bisherigen Simulationen zu bewerten und Resultate zu verifizieren. Eine Beurteilung der Modellierungen auf Basis aller durchgeführten Simulationen zeigt, dass die Parameterwahl vom untersuchten Teilprozess abhängig ist:

  • Mit den 2D-numerischen Simulationen können die Verlandungsprozesse in den Stauräumen der großen Wasserfassungen sehr gut abgebildet werden. Große und grobkörnige Geschiebefrachten infolge von Hochwasserereignissen können zu lokal unnatürlichen Auflandungen führen, welche Anpassungen einzelner Modellparameter erfordern. Die Steuerung von Auflandungen und Erosionen im Bereich der Zulaufstrecke kann durch geringe Veränderungen des scf-Wertes und der dimensionslosen kritischen Sohlschubspannung im Rahmen gängiger Literaturwerte erfolgen.

  • Im Bereich der Stauraumspülung ergibt sich trotz der Veränderung der Modellparameter im Rahmen der empfohlenen Literaturwerte eine Unterschätzung des Transports um den Faktor 2 bis 3. Ausgehend von der korrekten Darstellung der Erosionsprozesse im Modellversuch und den umfangreichen Naturmessungen bei einer realen Spülung, zeigt sich, dass insbesondere die Erosionsprozesse während einer Stauraumspülung mit den verwendeten Formelsätzen in den numerischen Berechnungen unbefriedigend abgebildet werden. Während eine Verfeinerung der räumlichen und zeitlichen Diskretisierung des numerischen Modells und eine Adaption der Anpassungslänge noch als vertretbare Maßnahmen für die Erhöhung des Geschiebetransportes angesehen werden können, nimmt die Erhöhung des Transports mithilfe einer linearen Skalierung (scf-Wert) eine Sonderstellung ein. Die erforderliche Skalierung ist abhängig vom Verlandungsvolumen, vom Spülabfluss und von der Kornzusammensetzung des Geschiebes, und stützt sich ausschließlich auf die Ergebnisse des Modellversuchs und der Naturmessungen.

  • Für die Spülung der Unterwasserstrecke führen eine Reduktion der dimensionslosen kritischen Sohlschubspannung und die Vernachlässigung von Formverlusten im Gerinne durch entsprechende Definition der Rauheiten zu einer besseren Mobilisierbarkeit des Geschiebes. Zusätzlich kann eine Verstärkung des Transports durch die Erhöhung des scf-Werts erfolgen. Die verwendeten Parameter stellen Grenzwerte der Literaturgrößen dar, womit die besonderen hydraulischen Bedingungen auch während der Spülung in der Unterwasserstrecke verdeutlicht werden.

Die Ergebnisse der Untersuchungen zeigen, dass 2D-numerische Berechnungen mit einer Definition der Parametersätze ohne zugrunde liegende Vergleichsgrößen aus einem Modellversuch und/oder Naturmessungen zu einer großen Unterschätzung der Transportleistungen führen können. Die implementierten Formelsätze sind nicht uneingeschränkt für die Bestimmung der hoch instationären Erosionsprozesse geeignet. Damit sind im Zuge der Kalibrierung teilweise signifikante manuelle Eingriffe in die Parameterwahl notwendig. Trotz dieser Modellierungsprobleme kann mit dem dargestellten Modellkonzept, welches für die 2D-numerischen Berechnungen Kalibrierungs- und Validierungsgrößen aus einem physikalischen Modellversuch und aus Naturmessungen bezieht, eine Beurteilung der Verlandungs- und Spülprozesse an den geplanten Wasserfassungen durchgeführt werden. Es konnte nachgewiesen werden, dass sowohl bei Regelbetrieb als auch bei Hochwasserereignissen die Spülungen des Stauraums und der Unterwasserstrecke erfolgreich durchgeführt werden können.