1 Einleitung und Motivation

Gleichstromtechnik steht aufgrund neuer technischer Möglichkeiten und steigender Nachfrage aus verschiedenen Anwendungsbereichen im Fokus. Die zunehmende Spannungsfestigkeit von Halbleitermaterialien mit großer Bandlücke (Wide Band Gap) ermöglicht den effektiveren Einsatz von Leistungselektronik in Bereichen von einigen Kilovolt [14]. Von der Anwendungsseite her rücken verschiedene neue Anwendungsfälle in den Vordergrund. Allein im Bereich der Mittel- und Niederspannung bestehen eine Vielzahl von Anwendungen, von der lokalen effizienten Kopplung von Photovoltaik, Speicherung und Last bis hin zum großen Bereich der nicht-stationären Energieversorgung [2]. Hier spielen DC-Bordnetze in E‑Fahrzeugen gemeinsam mit entsprechender Ladeinfrastruktur [1] genauso eine Rolle wie DC-Bordnetze auf Schiffen [13] oder in Flugzeugen [12]. Hinzu kommen neue Komponenten für den bereits lange etablierten Bereich von DC-Bahnstromversorgung. Des Weiteren bestehen Potenziale für Effizienzgewinne bei industriellen Anlagen durch weniger Umwandlungsstufen. Auch die Verwendung von DC-Technologien in öffentlichen Stromnetzen ist nicht mehr auf reine Hochspannungsgleichstromsysteme beschränkt. Zunehmend werden auch auf der Mittelspannungs- und Niederspannungsebene AC/DC-Hybridnetze diskutiert [7].

Aufgrund dieser Entwicklungen steigt auch der Bedarf an Prüfmöglichkeiten für neue DC-Komponenten, wie Sicherungen, Schutzgeräte, oder Schaltanlagen. Das AIT Austrian Institute of Technology hat als Prüfzentrum für elektrische und elektronische Komponenten eine neue Anlage für Gleichspannungs-Hochleistungs-Prüfungen („DC Lab“) entworfen und umgesetzt. Diese dient der elektrotechnischen Industrie als Entwicklungs- und Qualifikationsinfrastruktur und eröffnet neue Möglichkeiten der Technologieforschung im Bereich Gleichstromtechnik.

Im Folgenden werden ausgehend vom Stand der Technik der Anforderungskatalog, nach denen ein Entwurf und letztlich auch die Umsetzung durchgeführt wurden, diskutiert (Kapitel 2). Die Auslegung der Impedanzen der Anlage, welche im Sinne eines möglichst hohen Prüfstroms und geringer Anstiegszeiten so klein wie möglich zu halten sind, wurde zunächst in einer Simulation überprüft (Kapitel 3) und danach anhand der realen Anlage (Kapitel 4) validiert. Kapitel 5 gibt schließlich einen Ausblick auf die zukünftige Verwendung.

2 Konzeptionierung und Schaltkreisauslegung

Die in Kapitel 1 beschriebenen Anwendungsfälle führen zu einem sehr breiten Anforderungskatalog für eine geeignete DC-Prüfinfrastruktur. Am Beispiel der Kurzschlussprüfungen von Schaltgeräten im Niederspannungsbereich kann das weite Spektrum der Anforderungen an Prüfkreise einer universellen Laborinfrastruktur für Gleichspannungs-Hochleistungs-Prüfungen illustriert werden. Prüfungen an Geräten für die folgenden Anwendungen werden zunehmend benötigt:

  1. 1.

    Bahnanwendungen auf der DC-Seite von Niederspannungs-AC/DC-Hybridnetzen nach [3]. Kurzschlussströme bei Nennspannungen über 3000 V, hohe Kurzschlussströme und hohe Dauerströme; Mehr als 1,42-faches Überschwingen bei Kurzschluss

  2. 2.

    Industrieanwendungen nach [10, 11] und [4]. Kurzschlussströme bei Nennspannungen bis 440 V; Kurzschlussströme bis 50 kA; Prüfströme bis 1500 A; geforderte Zeitkonstanten 2 bis 15 ms

  3. 3.

    Photovoltaik (PV) und Speichersysteme nach [8] und [9]. Nennspannungen bis 1500 V, Ausschaltvermögen von größer 10 kA; Zeitkonstanten 1 bis 3 ms; weitere Prüfungen bei doppeltem Nennstrom mit Induktivitäten größer 100 µH

  4. 4.

    Automotive Anwendungen nach Herstelleranforderungen. Hohe Kurzschlussströme (etwa 30 kA) und Zeitkonstanten unter 1 ms.

Aus diesen Anforderungen geht hervor, dass die Prüfspannungen und -ströme in einem weiten Bereich einstellbar sein sollten und zudem auch kleine Zeitkonstanten bei den Sprungantworten erreicht werden sollen. Zudem wird eine möglichst geringe Welligkeit der DC-Ausgangsspannung angestrebt. Im Gegensatz zur realen Einsatzumgebung der Prüflinge ist ein möglichst unverzerrtes Spannungs- und Stromverhalten der Anlage zu realisieren. Die Welligkeit der DC-Quelle sollte bereits so gering sein, dass eine Siebkette als nachträglichen Glättung nicht erforderlich ist. Der Einsatz einer solchen Filterung wäre für viele Schaltleistungsprüfungen ungeeignet.

Im Sinne der Wirtschaftlichkeit bei hohen Prüfleistungen und langen Prüfimpulsen wurde eine Lösung der DC-Quelle über einen netzversorgten ungesteuerten Brückengleichrichter favorisiert. Alternative Quellen wie Kondensatorbänke oder Batterien wurden aufgrund der Impulsform und -dauer (Kondensatoren) bzw. der hohen Kosten (Batterien) verworfen.

Für die Konzeptionierung der Anlage konnte so auf bereits bestehende Anlagenteile zurückgegriffen werden. Diese bilden somit auch die Rahmenbedingungen für den Bau und den Betrieb. Als elektrische Quelle steht das öffentliche 110-kV-AC-Netz via Direktleitung zum nächstgelegenen Umspannwerk (Wien Leopoldau) zur Verfügung. Die neue DC-Anlage soll somit als weiterer Abgang an der bestehenden Sammelschiene der Versorgungsanlage angeschlossen werden.

Abb. 1 zeigt den Gesamtüberblick des Anlagenkonzepts. Die Quellenspannung wird zunächst durch einen Stufensteller-Transformator (T0) auf eine im Bereich von etwa 23 bis 34 kV einstellbare Zwischenspannung transformiert. Auf dieser Zwischenspannungsebene befinden sich, die, für das Einstellen eines allenfalls gewünschten Überschwingens des Prüfstromes, erforderlichen Vorimpedanzen (Widerstände RV und Drosselspulen XV) sowie der Haupt-Leistungsschalter (HLS).

Abb. 1
figure 1

Vereinfachtes Übersichtsschaltbild der Prüfanlage für Gleichspannungs-Hochleistungs-Prüfungen

An diese bestehende Zwischenspannungsebene soll nun der neue Teil der Anlage angeschlossen werden, d. h. der Mittelspannungsbereich von 23 bis 34 kV ist zugleich die Auslegungsgrundlage für die Prüftransformatoren (T1 bis T4) von denen dann weitere Prüfspannungen abgeleitet werden können.

Mit diesen Anforderungen wurde die Schaltung wie folgt realisiert: Über die vier Stromrichtertransformatoren (T1 bis T4, siehe Abb. 1) wird je eine B6-Diodenbrücke (G1 bis G4) angespeist. Durch die Möglichkeit die Primärwicklungen der Stromrichtertransformatoren alternativ in Stern- oder Dreieckschaltung zu schalten, kann die Prüfspannung um den Faktor \(\sqrt{3}\) umgestellt werden. Zudem besteht die Möglichkeit entweder alle Stromrichtertransformatoren parallel zu nutzen oder je zwei der Stromrichtertransformatoren als Gruppe primär in Serie zu schalten, sodass jeder nur mit der halben Zwischenspannung angespeist wird.

Je zwei der Stromrichtertransformatoren sind sekundärseitig in Stern geschaltet und je zwei in Dreieck. Somit stehen auf der Sekundärseite zwei um 15° phasenverschobene Drehstromsysteme zur Verfügung, eine Voraussetzung für die Realisierung einer 12-pulsigen DC-Spannung mit entsprechend geringer Welligkeit.

Die Transformatoren speisen je einen B6-Brückengleichrichter. Diese vier Gleichrichter können entweder alle parallel geschaltet werden, je zwei parallel und diese Gruppen in Serie, oder alle vier in Serie geschaltet werden (siehe Abb. 2). Damit ergeben sich Spannungsstufen im Verhältnis von etwa ½:1:2:4.

Abb. 2
figure 2

Schaltungsvarianten für die DC-Prüfung: a Transformatorgruppen primär seriell, alle B6-Gleichrichter parallel, Prüfspannung 400 V; b Transformatorgruppen primär parallel, alle B6-Gleichrichter parallel, Prüfspannung 800 V; c Transformatorgruppen primär parallel, B6-Gleichrichter seriell und B6-Gruppen parallel, Prüfspannung 1500 V; d Transformatorgruppen primär parallel, alle B6-Gleichrichter seriell, Prüfspannung 3000 V

Durch die Übersetzungsverhältnisse der Transformatoren und der Gleichrichter ergibt dies Basisspannungsstufen von etwa 400 V, 800 V, 1500 V und 3000 V. Diese Basisspannungen können durch den vorgeschalteten Stufensteller-Transformator (T0) im Bereich von ±12 × 1,67 % fein eingestellt werden und somit auch die höheren und niedrigeren Spannungen nahezu stufenlos erreicht werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit mithilfe eines Zusatztransformators die Spannung weiter auf etwa ein Sechstel zu reduzieren.

So wird effektiv ein Spannungsbereich von etwa 40 bis 3200 V, bei unterschiedlichen Maximalleistungen, abgedeckt.

Die Maximalleistung bestimmt den verfügbaren Prüfstrom bei der jeweiligen Spannungsstufe. Die Anlage wurde so konzipiert, dass bei der Spannungsstufe 1500 V die maximale Leistung (75 MVA kurzzeitig, 4 MVA dauernd) erreicht wird. Eine Fein-Einstellung der Prüfströme wird über die Stellungen der Vor- und Nachimpedanz (RV, LV und RL, LL, siehe Abb. 1) bewerkstelligt.

Bei den weiteren Spannungsstufen ist der Strom dementsprechend um den Spannungsfaktor dividiert, geringer. Primäre Stern-Dreieck und Gruppenumschaltungen sowie die Verwendung des Zusatztransformators reduzieren die Maximalleistung und somit den Strom weiter, sodass die Spannungs-Stromebene nahezu lückenlos durchfahren werden kann. Die einstellbaren Konfigurationen genügen somit den gestellten Anforderungen.

Aus den genannten Anforderungen und den daraus resultierenden Design-Entscheidungen ergeben sich folgend weitere Parameter, die nur mehr mit erheblichem technischem Mehraufwand frei gewählt werden konnten und dadurch stärker begrenzt sind. Prüfungen bei hohen Dauerströmen etwa werden ebenfalls gefordert. Diese sind im Gegensatz zu den Kurzschlussprüfungen weniger abhängig von der thermischen Kapazität der Dioden, sind aber durch die maximale Wärmeabfuhr der Anlage begrenzt. Durch aktive Kühlung der B6-Diodenbrücken kann der Dauerstrom im Bereich von 3 kA gehalten werden. Die Dioden begrenzen ebenfalls die maximale Prüfdauer bei Kurzschlussprüfungen und Kurzzeitstromprüfungen. Es kann die Wärmeenergie bei kurzen Belastungen nicht ausreichend schnell aus dem Inneren der Diode heraustransportiert werden und macht eine aktive Kühlung ist somit weniger wirksam. Für Kurzzeitstromprüfungen werden Dauern von einigen hundert Millisekunden erwartet.

Durch das modulare Design konnten alle grundlegenden Anforderungen erreicht werden. Bereits in der Design-Phase erwiesen sich die Dioden als Flaschenhals für viele Strom- und Zeit-Parameter. Die Transformatoren und Leitungen haben höhere thermische Kapazitäten, deshalb wurden bereits im Vorfeld konstruktive Vorkehrungen getroffen, um die B6-Diodenbrücken jeweils nochmals parallel zu verdoppeln. Dies hat auch eine weitere Erhöhung der Strom- und Zeitwerte zur Folge und wird zu einem späteren Zeitpunkt nachgerüstet.

3 Konstruktive Auslegung, Modellbildung und Simulation

Aus den in Kapitel 2 dargestellten Rahmenbedingungen und Grundanforderungen ergeben sich folgende Kriterien zur konstruktiven Auslegung der Gesamtanlage.

Das erste Auslegekriterium ist die Notwendigkeit von Prüfspannungen von über 3 kV. Das führt wiederum zu hohen Isolationsabständen (90 mm Luftstrecke und 160 mm Kriechstrecke, nach Basis 7,2/60/170 kV aus [5] sowie [6] mit Sicherheitsreserven) um eine entsprechende Spannungsfestigkeit zu erreichen. Die Anlage wird damit dementsprechend räumlich größer.

Das zweite Auslegekriterium ist die Kurzschlussfestigkeit der Anlage, da Schaltleistungsprüfungen bis hin zum Kurzschluss durchgeführt werden sollen (siehe Kapitel 2). Der angestrebte Zielwert für den maximalen Kurzschlussstrom ist 80 kA (max. 0,4 s) und für Dauerströme etwa 3 kA. Dies führt zu einer massiven Ausführung der Leitungs- und Stützelemente und in weiterer Folge ebenfalls zu einem hohen Platzaufwand.

Das dritte Auslegekriterium ist die Minimierung der Schleifenimpedanzen der Prüfkreise, um eine möglichst steile Flanke bei den Sprungantworten am Prüfling zu gewährleisten.

Die massive Bauweise und die großen Isolationsabstände stehen somit im direkten Widerspruch zu einer möglichst kompakten Bauweise für kleine Schleifenimpedanzen. Es kann also hier nur eine Kompromisslösung durch Optimierung der Geometrie erreicht werden. Das bedeutete jedoch, dass die Geometrie vor dem Bau feststehen musste, um die davon abhängigen Parameter zu bestimmen.

Um diesem Problem zu begegnen, wurde ein elektrisches Simulationsmodell erstellt und davon ein geometrisches Modell abgeleitet.

Nach der Konzeptionierung aller Schaltungsvarianten (siehe Abb. 2) wurden diese in eine Gesamtschaltung zusammengefügt und in einer Simulationsumgebung modelliert. Dieser Schritt war aufgrund der hohen Komplexität und somit der Fehleranfälligkeit notwendig. Die einzelnen Schaltstellungen, sowie die Grundstruktur der Anlagensteuerung und -überwachung wurden darin ebenso berücksichtigt, wie alle möglichen Schaltungsvarianten und Parametereinstellungen der Komponenten der Anlage. Aus diesem möglichst detailgetreuen Bild lässt sich das erwartete Prüfverhalten (z. B. dynamischer Verlauf der Ausgangsströme- und Spannungen, Phasenlagen im System bei unterschiedlichen Schaltstellungen etc.) nachbilden.

Nach der Plausibilitätsprüfung der Simulationsergebnisse entstand aus dem elektrischen Modell ein dreidimensionales geometrisches CAD-Modell (Siehe Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

CAD-Modell (a) und fertiggestellte Anlage (b)

Das geometrische Modell diente einerseits als detaillierte Konstruktionsvorlage für Planung und Bau der realen Anlage (siehe Abb. 3), andererseits konnten so die Abstandsverhältnisse der Impedanzschleifen vorbestimmt werden.

Abb. 4 zeigt die prinzipielle Aufteilung aller Impedanzen im System bzw. im Simulationsmodell.

Abb. 4
figure 4

Vereinfachte Darstellung der Impedanzen im DC-Prüfkreis

Neben den Transformatorimpedanzen (T0–T4) sind die Leitungsimpedanzen der Zuleitungen (MK) und des Prüfkreises bestimmend für das Ausgangsverhalten. Mit den Vor- und Nachimpedanzen (RV; LV bzw. RL; LL) kann das Strom- und Spannungsverhalten am Ausgang zudem künstlich eingestellt werden. Speziell die Impedanz des DC-Prüfkreises (RPK, LPK,) hat sich für das Kurzschlussverhalten und damit zur Bestimmung der maximal möglichen Prüfströme in den Simulationen als ausschlaggebend erwiesen. Die DC-Impedanz ist eine systeminhärente geometrisch abhängige Größe. Deshalb musste dieser Wert, nach der Optimierung der Geometrie im CAD-Modell, rechnerisch bestimmt werden, um damit wiederum die elektrischen Parameter zu verifizieren bzw. plausibilisieren.

Während sich der resistive Anteil der Impedanzen verhältnismäßig einfach abschnittsweise analytisch mittels Widerstandsbelag der Leitungen bestimmen lässt, erweist sich der induktive Anteil aufgrund der räumlichen Kopplung etwas schwieriger abschnittsweise zu berechnen.

Die genaue Berechnung des Induktivitätskreises ist nur mit aufwendigen Modellen und numerischen Methoden machbar, oder mit vernünftigem Aufwand mit Näherungsansätzen, aber dafür mit geringerer Genauigkeit, zu erreichen.

In dem vorliegenden Fall wurde ein Ansatzmit der Methode der „partiellen Induktivitäten“ [15] bzw. [16] mit einer vereinfachten Leitungsanordnung gewählt.

In Abb. 5 wird die Vorgangsweise zur Bestimmung der Impedanzen im DC-Prüfkreis (RPK, LPK,) illustriert.

Abb. 5
figure 5

Sekundärseitige DC-Impedanzschleife, räumliche Anordnung in der Anlage (a), vereinfachte geometrische Darstellung für die Induktivitätsberechnung (b)

In Abb. 5a finden sich die Leiterpfade dargestellt, welche die Impedanz-Anteile von LGKn, RGKn sowie LPK, RPK bestimmen. In Abb. 5b sieht man den DC-Ausgang in die Ebene aufgebreitet und in einzelne Abschnitte für die Berechnung eingeteilt. Die induktiven Kopplungen dieser Abschnitte können in erster Näherung einzeln betrachtet und aufsummiert werden.

Für die gesamte DC-Impedanzschleife errechnen sich daraus L = 6 − °18 µH und R = 90 − 130 \([\text{m}\Omega]\), je nach Stellung der DC-Schaltmatrix. Aufgrund der geometrischen Vereinfachungen und der Methodenwahl sind diese Ergebnisse mit entsprechenden Ungenauigkeiten beaufschlagt. Die Werte befinden sich dennoch in der erwarteten Größenordnung und können als Grundlage der Schaltungssimulation dienen.

Durch die Berechnung dieser Größen für jede Schaltungsvariante und anschließende Berücksichtigung in der Simulation war es in der Konzeptphase möglich, die prinzipielle Eignung der Anlage fundiert abzuschätzen.

4 Inbetriebnahme-Versuche und Überprüfung der Simulations-Ergebnisse

Um eine Aussage bezüglich der zu erreichenden Strom- beziehungsweise Spannungswerte der Anlage zu treffen, wurden verschiedene Szenarien getestet und anschließend mit den errechneten Werten und den Simulationen verglichen. Nachfolgend werden einige der erreichten Prüfwerte dargestellt. Zusätzlich sind in Abb. 6 ausgewählte Simulations- und Messergebnisse grafisch dargestellt.

Abb. 6
figure 6

Gegenüberstellung Simulation und Messung: ausgewählte Variante 1, a Spannungsverläufe, b Stromverläufe, simulierter Verlauf blau, gemessener Verlauf rot

Tab. 1 zeigt die stationären Messwerte der Versuchsreihe. Die Spalte „Spannungsstufe“ gibt hierbei Auskunft über die in Abb. 2 dargestellten Verschaltungen von Transformatoren und Gleichrichtern. RL und LL sind einstellbare ohmsche und induktive Lasten, die verwendet werden, um einerseits den Strom und andererseits die Zeitkonstante τ festzulegen. Die Zeitkonstante beschreibt die Anstiegsgeschwindigkeit der Stromkurve und ist damit ein wesentlicher Parameter bei diversen Prüfungen. Hierbei gilt: τ=L/R, wobei die Zeitkonstante jener Dauer entspricht, die von Beginn des Stromanstiegs bis zum Erreichen von 63 % des Endwerts gemessen wird. RV und LV, also die einstellbaren Widerstände und Induktivitäten auf der Primärseite der Transformatoren, sind für diese Versuche kurzgeschlossen und somit unwirksam. Um einen eingeschwungenen Zustand hinsichtlich der Sättigungsvorgänge der Transformatoren zu erreichen, wurde die Last erst nach mehreren Sekunden mittels Draufschalter zugeschaltet.

Tab. 1 Vergleich tatsächlicher Messwerte mit Simulationsergebnissen

Die erreichte Stromwelligkeit ist abhängig von der Höhe des eingestellten Strom-Mittelwerts. Die Messungen zeigen, dass die Welligkeit für den Strombereich von etwa 5 bis 10 kA bei ungefähr 6,6 % liegt und bei höheren Strömen von 30 bis 58 kA auf etwa 3,6 % zurückgeht.

Der Spannungs- und Stromverlauf von Simulation und Messung aus Prüfung 1 (siehe Tab. 1) ist in Abb. 6 exemplarisch dargestellt.

In Abb. 6 ist ersichtlich, dass die Verläufe der simulierten Größen mit den gemessenen ausreichend gut übereinstimmen. Die Abweichungen können auf die Modellunschärfe der Simulation zurückgeführt werden, da nicht alle physikalischen Effekte (Kapazitäten, Nichtlinearitäten etc.) modelliert wurden. Ein weiterer Grund ist die, in Kapitel 3 beschriebene, nur näherungsweise Bestimmung der Systemgrößen, im speziellen der Prüfkreisinduktivität LPK.

5 Zusammenfassung und Ausblick

Nach einer intensiven Planungsphase konnte die beschriebene DC Prüfinfrastruktur im Herbst 2021 erfolgreich realisiert werden. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit den vorläufigen Ergebnissen des Testbetriebs, bei dem in einzelnen Schritten die Prüfströme zunächst bis 60 kA erhöht wurden. Die Simulationen und das Verhalten der realen Anlage stimmen grundsätzlich überein. Nicht modellierte Effekte wie z. B. der Inrush der Transformatoren können durch technisch konstruktive Maßnahmen kompensiert werden.

Die Anlage kann zukünftig auf vielfältige Weise noch erweitert werden. Neben Themen wie einer schnelleren Umschaltung zwischen Transformatorkonfigurationen durch automatisierte Leistungsschalter kann auch der Maximalstrom weiter gesteigert werden. Konstruktiv bereits vorgesehen ist ein Aufdoppeln der Dioden im Gleichrichter. Durch Selektion von Dioden mit passender Durchlassspannung kann eine Parallelschaltung realisiert werden, bei der beide Zweige nahezu gleich belastet werden. Aufgrund der Impedanzverhältnisse der Gesamtanlage ist jedoch nicht mit einer vollständigen Verdopplung der Stromtragfähigkeit bei dieser Maßnahme zu rechnen.

Mit der neuen Laborinfrastruktur für Gleichspannungs-Hochleistungs-Prüfungen am AIT steht eine leistungsfähige Entwicklungsumgebung für DC-Technologien wie z. B. elektronische Leistungsschalter, DC-Schaltanlagen, DC-Bordnetzkomponenten oder DC-Messtechnik zur Verfügung.