1 Einleitung

Die mit der Energiewende für die Erzielung der Klimaziele eingeleitete Transformation der elektrischen Energieversorgung führt zu einem deutlichen Ausbaubedarf in den elektrischen Verteil- und Übertragungsnetzen. Für die Verteilnetze in der Mittelspannungsebene kann die innovative Mittelspannungs-Gleichstromübertragung (MGÜ) einen wichtigen Beitrag leisten und zu einem sicheren und wirtschaftlichen Netzbetrieb beitragen [1,2,3,4,5,6]. MGÜ-Anwendungen können dabei unter anderem für die verlustarme Einbindung von dezentralen Erzeugungsanlagen, die Erhöhung der Übertragungskapazität von Leitungen (Freileitung, Kabel), die Kopplung verschiedener Verteilnetze und eine flexible Lastflusssteuerung im Mittelspannungsnetz sorgen, wobei aber stets die jeweiligen wirtschaftlichen Aspekte gegenüber Standardlösungen zu berücksichtigen sind. Den im Mittelspannungsbereich überwiegend verwendeten Kabeln kommt bei Überlegungen zur MGÜ eine besondere Bedeutung zu. Es besteht die Möglichkeit bereits in Betrieb befindliche extrudierte Kabelsysteme der Mittelspannungs-Drehstromübertragung (MDÜ) auf Gleichspannungs(DC)-Betrieb umzurüsten, um die Übertragungskapazität zu erhöhen (z. B. Erweiterung und Repowering von Windparks), eine gezielte Lastflusssteuerung oder einen Notbetrieb bei einzelnen Kabelfehlern zu ermöglichen [7, 8]. Bei der Umrüstung bestehender extrudierter MDÜ-Kabelsysteme auf eine MGÜ sind technische Eigenschaften wie z. B. die elektrische Durchschlagfestigkeit des Isoliersystems, der Raumladungsaufbau und das Verhalten der Kabelgarnituren bei unterschiedlichen Temperaturen und Polaritätswechseln zu betrachten. Die vorstehenden Überlegungen gelten auch für einen Einsatz von neuen handelsüblichen MDÜ-Kabelsystemen für die MGÜ [9].

Neben den offensichtlichen technischen Vorteilen werden die wirtschaftlichen Aspekte einer MGÜ-Anwendung bisher wenig betrachtet. Neben den aufgrund der MGÜ-Konverter erhöhten Investitionskosten sind dabei die in den Betriebskosten enthaltenen Verlustkosten ein wichtiger Faktor, der im Rahmen der Analyse der Lebensdauerkosten zu Kostenvorteilen für die MGÜ-Anwendungen führen kann [10].

2 Gleichstromübertragung mit extrudierten DC-Kabeln

Extrudierte Kabel mit hochpolymeren teilkristallinen Isolierstoffen wie vernetztem Polyethylen (VPE) oder Polypropylen (PP) können entsprechend dem Energieniveauschema Ladungsträger in Haftstellen innerhalb der verbotenen Zone speichern. Daraus resultiert eine ausgeprägte nichtlineare Abhängigkeit der elektrischen Leitfähigkeit σ von der Temperatur T und der elektrischen Feldstärke E (Gl. 1).

$$\sigma =\sigma _{o}\cdot e^{\alpha \cdot T}\cdot e^{\beta \cdot E}$$
(1)

Für eine Beanspruchung von extrudierten Kabeln mit Wechselspannung sind die genannten Eigenschaften von geringer Bedeutung, da sich das elektrische Feld entsprechend der geometrischen Elektrodenanordnung und den relativen Dielelektrizitätszahlen einstellt. Im Gegensatz dazu ist das elektrische Strömungsfeld bei Gleichspannung von der elektrischen Leitfähigkeit abhängig. Im Betrieb von DC-Kabeln können daher in Abhängigkeit von der elektrischen Feldstärke und der Temperatur verschiedene Phänomene auftreten: Feldinversion, Aufbau von Raumladungen und thermische Instabilität. Die genannten Phänomene wurden in der Vergangenheit theoretisch und experimentell untersucht und sind weitestgehend verstanden, so dass 1999 das erste extrudierte DC-Kabel in Betrieb genommen wurde („Gotland Link“) und heutzutage extrudierte DC-Kabel für Spannungen von bis zu ± 640 kV zur Verfügung stehen [11,12,13,14]. Die erforderlichen Prüfanforderungen an extrudierte DC-Kabel sind durch IEC-Normen und CIGRE-Dokumente festgelegt [15,16,17]. Extrudierte DC-Kabel wurden bereits in zahlreichen HGÜ-Projekten eingesetzt bzw. ist die Anwendung geplant. Als ausgewählte Beispiele sind zu nennen:

  • ± 60 kV, Troll A: Seekabelverbindung zwischen Norwegen (Kollsnes) und der Offshore Bohrinsel Sea Troll, 70 km, Inbetriebnahme: 2004

  • ± 320 kV, ALEGro: Erdkabelverbindung zwischen Belgien (Lüttich) und Deutschland (Aachen), 90 km, Inbetriebnahme: 2020

  • ± 400 kV, Nemo Link: Seekabelverbindung zwischen Großbritannien (Richborough) und Belgien (Brügge), 140 km, Inbetriebnahme: 2019

  • ± 525 kV, Nord‑A, SüdLink, SüdOstLink: Erdkabelverbindungen, in Umsetzung befindliche Korridorprojekte in Deutschland, bis zu 770 km, Inbetriebnahme: ab 2025

Die für MGÜ-Anwendungen erforderlichen technisch und wirtschaftlich optimierten polymerisolierten MGÜ-Kabel sind bisher nicht am Markt verfügbar und weltweit Gegenstand der aktuellen Forschung und Gremienarbeit. In diesem Zusammenhang wird auch die Umwandlung von bestehenden MDÜ- in MGÜ-Kabelstrecken in Betracht gezogen und durchgeführt (Beispiel: „Angle DC“, [18]) sowie die Anwendung von neuen handelsüblichen MDÜ-Mittelspannungskabeln für die MGÜ erforscht und diskutiert. Als Vorteile der handelsüblichen extrudierten MDÜ-Kabel sind die hohe Verfügbarkeit und der hohe Qualitätsstandard zu nennen. Eigene umfangreiche experimentelle Untersuchungen an am Markt verfügbaren 12/20-kV-VPE-Kabelystemen (Kabel, Garnituren) haben dabei bereits gezeigt, dass die vorgeschriebenen Typprüfungen und Präqualifikationsprüfungen für den Einsatz als ± 55-kV-DC-Kabelsystem bei Anwendungen mit netzgeführten Umrichtern (LCC, Line Commutated Converter) und selbstgeführten Umrichtern (VSC, Voltage Source Converter) bestanden werden können (Abb. 1). Die mittlere DC-Betriebsfeldstärke liegt dabei mit 10 kV/mm deutlich unter der elektrischen Betriebsbeanspruchung von extrudierten HGÜ-Kabeln (ca. 20 kV/mm) [13, 19, 20]. Ergänzende Untersuchungen an Kabelprüflingen und Isolierstoffproben mit Hilfe von Teilentladungs‑, Isolationstrom- und Raumladungsmessungen für Feldstärken von bis zu 30 kV/mm sowie die durchgeführten multiphysikalischen Simulationen belegen ebenfalls die Möglichkeit der Nutzung von MDÜ-Kabelsystemen für die MGÜ [7,8,9]. Die geplante Überarbeitung der bestehenden IEC-Normen und CIGRE-Dokumente soll dabei die Besonderheiten von MGÜ-Kabeln berücksichtigen, wie z. B. geringere Isolierwanddicken und geringere mittlere elektrische Feldstärken, und die erforderlichen Qualifizierungsprüfungen vereinfachen [19, 21, 22].

Abb. 1
figure 1

Versuchsaufbau für Langzeit-DC-Kabelprüfungen

3 Übertragungskapazität von MGÜ-Kabelstrecken

Die maximale Übertragungskapazität von Kabelstrecken ergibt sich im Wesentlichen aus der zulässigen Erwärmung der Kabel in Verbindung mit der Verlegeart, dem Leiterstrom und der maximal zulässigen Leitertemperatur. Die Erwärmung von erdverlegten Mittelspannungskabeln basiert dabei hauptsächlich auf den stromabhängigen Verlusten im Kabelleiter und die Wärmeabgabe durch den Erdboden an die Umgebung, wobei das Phänomen der Bodenaustrocknung zu berücksichtigen ist. Für Übertragungsleitungen im Drehstromnetz berechnet sich die Übertragungskapazität PAC mit der Außenleiterspannung UAC und dem Leiterstrom IAC nach Gl. 2 und für bipolare Leitungen in der Gleichstromübertragung mit der DC-Nennspannung UDC und dem Leiterstrom IDC nach Gl. 3.

$$P_{AC}=\sqrt{3}\cdot U_{AC}\cdot I_{AC}$$
(2)
$$P_{DC}=2\cdot U_{DC}\cdot I_{DC}$$
(3)

Im Vergleich mit MDÜ-Kabelstrecken können bipolare MGÜ-Kabelstrecken bei Verwendung identischer VPE-isolierter Mittelspannungskabel eine deutlich höhere Übertragungskapazität aufweisen, was auf den Entfall des Skin- und Proximity-Effekts und die damit bessere Ausnutzung des Leiterquerschnitts sowie auf eine gegenüber der AC-Betriebsspannung höhere DC-Betriebsspannung zurückzuführen ist [23]. Detaillierte Simulationen für erdverlegte 12/20-kV-VPE-Kabelstrecken mit Al-Leiterquerschnitten von 150 mm2, 240 mm2 und 1000 mm2 zeigen unter Berücksichtigung des Effekts der Bodenaustrocknung und für Leitertemperaturen von 90 °C Übertragungskapazitäten von 10 MW, 13 MW und 26 MW (Abb. 2, Anordnung M1). Eine bis zu 4,3-fach höhere Übertragungskapazität ergibt sich für eine aus identischen VPE-Kabeln bestehende ± 55-kV-MGÜ-Kabelstrecke (39 MW, 51 MW und 113 MW). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die wesentliche Steigerung der Übertragungskapazität aus der Erhöhung der Betriebsspannung resultiert (P(U)) und der Wegfall des Skin- und Proximity-Effekts bei MGÜ-Kabelstrecken erst bei größeren Leiterquerschnitten nennenswert zur Erhöhung der Übertragungskapazität beiträgt (P(I)).

Abb. 2
figure 2

Betrachtete Übertragungstechnologien und Kabelanordnungen sowie die Übertragungskapazitäten für verschiedene Leiterquerschnitte (Leitertemperatur: 90 °C)

Für eine erdverlegte 110-kV-VPE-HDÜ-Kabelstrecke mit einem Leiterquerschnitt von 1000 mm2 (Anordnung M7) konnte mit Hilfe der Simulation eine Übertragungskapazität von 129 MW bestimmt werden, die nur um ca. 12 % größer ist als die Übertragungskapazität von 113 MW einer auf 12/20-kV-VPE-Kabeln basierenden ± 55-kV-MGÜ-Kabelstrecke (Anordnung M4). Es ist festzuhalten, dass eine aus nur zwei 12/20-kV-Kabeln bestehende ± 55-kV-MGÜ-Kabelstrecke eine 110-kV-HDÜ-Kabelstrecke in Bezug auf die Übertragungskapazität nahezu ersetzen kann. Der genannte Sachverhalt gewinnt an Bedeutung, wenn der überwiegende Teillastbetrieb von Kabelstrecken berücksichtigt wird.

4 Wirtschaftlichkeit von MGÜ-Kabelstrecken auf Basis der Übertragungsverluste

Eine vollständige Betrachtung der Wirtschaftlichkeit von MGÜ- im Vergleich zu MDÜ-Kabelstrecken muss die gesamten Investitions- und Betriebskosten umfassen. Zu den Investitionskosten zählen u. a. die Trassenkosten, Kosten für die Kabel und Garnituren, Kosten für die Kabelverlegung und -montage, Planungskosten sowie die Kosten für die MGÜ-Konverter. Bei den Betriebskosten sind u. a. die Wartungskosten, Kosten für eventuelle Reparaturen und die Verlustkosten der Kabelstrecke (Übertragungsverluste) und MGÜ-Konverter (Konversionsverluste) zu berücksichtigen.

Bei den bisher realisierten MGÜ-Anlagen wie z. B. dem Projekt „Angle DC“ in Wales handelt es sich allerdings um Pilotprojekte, bei denen die Erprobung der Technologie im Vordergrund steht und eine zukunftsorientierte Kostenoptimierung nicht das primäre Ziel war. Insbesondere die für einen Großteil der Investionskosten verantwortlichen MGÜ-Konverter sind derzeit noch nicht technisch und wirtschaftlich optimiert und erschweren so die Wirtschaftlichkeitsanalyse. Die Betrachtung der Wirtschaftlichkeit von MGÜ-Kabelstrecken erfolgt daher an dieser Stelle auf der Basis der Übertragungs- und Konversionsverluste.

Für die Betrachtung der Übertragungsverluste wird beispielhaft eine 20-kV-MDÜ für eine Übertragungsleistung von P = 15 MW mit einer ± 30-kV-MGÜ verglichen (Abb. 3). Bei der 20-kV-MDÜ wird ein handelsübliches erdverlegtes 12/20-kV-VPE-Kabelsystem mit Einleiterkabeln und einem Al-Leiterquerschnitt von 240 mm2 verwendet (Tab. 1). Die als Alternative in Form eines symmetrischen Monopols betrachtete ± 30-kV-MGÜ besteht aus den bei der MDÜ verwendeten Kabeln (allerdings nur zwei Kabel anstelle von drei Kabeln, die bei einer MDÜ notwendig sind) und zwei MGÜ-Konvertern für einen bidirektionalen Betrieb, deren Betriebsverluste im gesamten Arbeitsbereich der Konverter mit 1 % der maximalen Übertragungsleistung je Konverter angenommen werden [24]. Weitere Komponenten wie z. B. Filterkreise werden bei den Betrachtungen vernachlässigt.

Abb. 3
figure 3

Untersuchte Punkt-zu-Punkt-Übertragung mit einer 20-kV-MDÜ und ± 30-kV-MGÜ

Tab. 1 Kabelparameter

Abb. 4a zeigt die resultierenden MDÜ- und MGÜ-Übertragungsverluste für eine übertragene Leistung von P = 15 MW in Abhängigkeit von der Länge der Übertragungsstrecke. Neben den längenabhängigen Übertragungsverlusten der MDÜ-Kabelstrecke PV,MDÜ-Kabel sind die Verluste der MGÜ-Kabelstrecke PV,MGÜ-Kabel und der gesamten MGÜ-Anlage PV,MGÜ-gesamt, d. h. inklusive der Konverterverluste PV,Konverter, dargestellt. Es zeigt sich, dass die MGÜ-Kabelverluste immer kleiner sind als die MDÜ-Kabelverluste. Die Berücksichtigung der MGÜ-Konversionsverluste führt zu erhöhten MGÜ-Übertragungsverlusten und zu einem Schnittpunkt der relevanten Verlustkurven. Der Punkt gleicher Übertragungsverluste („break-even distance“) in Höhe von 370 kW ergibt sich bei maximaler Übertragungsleistung für eine Streckenlänge von ca. 4 km. Für Streckenlängen größer als 4 km sind die MGÜ-Gesamtverluste stets kleiner als die MDÜ-Verluste.

Abb. 4
figure 4

Übertragungsverluste in Abhängigkeit von der Streckenlänge und der übertragenen Leistung a Übertragungsleistung: 15 MW, b Streckenlänge: 10 km, 1 p.u. = 15 MW

Für eine Streckenlänge von 10 km ergeben sich Übertragungsverluste von 469 kW für die MGÜ gegenüber 906 kW für die MDÜ, was einer Reduktion der Übertragungsverluste um 48 % entspricht. Für den Fall eines kontinuierlichen Volllastbetriebs der MGÜ ergeben sich dadurch bei den Übertragungsverlusten Einsparungen von 3,8 GWh/a bzw. 268.000,– €/a bei Berücksichtigung eines Kostensatzes für Verlustenergie in Höhe von 0,07 €/kWh. Die im Abb. 4a gestrichelt dargestellte Linie entspricht Verlusten in Höhe von 5 % der maximalen Übertragungsleistung und ist ein Hinweis auf die maximal zulässige Länge der Übertragungsstrecke. Für Streckenlängen, die zu Verlusten von mehr als 5 % führen ist für die Energieübertragung ggf. eine höhere Spannungsebene zu verwenden.

Im Hinblick auf den üblicherweise vorliegenden Teillastbetrieb von Übertragungsstrecken ist für relevante Streckenlängen die Ermittlung der Verluste in Abhängigkeit der übertragenen Leistung von Interesse. Dabei zeigt sich, das für geringe Übertragungsleistungen die MDÜ Vorteile aufweist und die MGÜ-Verluste erst für höhere Übertragungsleistungen geringer sind (Abb. 4b). Der Schnittpunkt der Verlustkurven („break-even power“) der beiden betrachteten Übertragungssysteme ist abhängig von der Länge der Übertragungsstrecke. Für die in Abb. 4b betrachtete Streckenlänge von 10 km liegt der Schnittpunkt bei einer Leistung von 0,4 p.u. bzw. 6 MW. Demzufolge ist eine ggf. volatile Strombelastung einer Übertragungsstrecke bei der Ermittlung der Übertragungsverluste zwingend zu berücksichtigen.

Die Ergebnisse der vorherigen Überlegungen lassen sich in den in Abb. 5 dargestellten Diagrammen darstellen, wobei die beiden Kabelquerschnitte von 240 mm2 und 1000 mm2 für die 20-kV-MDÜ und ± 30-kV-MGÜ berücksichtigt sind. In Abhängigkeit der zu übertragenden Leistung und der Streckenlänge ist die aus Sicht der Übertragungsverluste vorteilhafte Technologie zu ermitteln. Die durchgezogenen Linien beschreiben die Schnittpunkte gleicher Übertragungsverluste in Form einer Paritätslinie. Im Bereich der schraffierten Flächen ist die MDÜ vorteilhaft in Bezug auf die Übertragungsverluste. Für den mit „MGÜ“ gekennzeichneten Bereich zeigt die MGÜ entsprechende Vorteile, wobei die gestrichelte Line die 5‑%-Verlustgrenze für die MGÜ darstellt. Die Verwendung von 12/20-kV-VPE-Mittelspannungskabeln mit einem Leiterquerschnitt von 1000 mm2 führt zu einem insgesamt erweiterten Einsatzbereich für die MDÜ und MGÜ (Übertragungskapazität: 30 MW), wobei sich aber die Verschiebung der Paritätslinie gleicher Übertragungsverluste vorteilhaft für MDÜ-Anwendungen auswirkt.

Abb. 5
figure 5

Paritätslinie für die Übertragungsverluste einer Punkt-zu-Punkt-Übertragung mit einer 20-kV-MDÜ und ± 30-kV-MGÜ in Abhängigkeit von der Streckenlänge („break-even distance“) und übertragenen Leistung („break-even power“) für verschiedene Leiterquerschnitte

Es ist anzumerken, dass eine ± 30-kV-MGÜ eine Übertragungskapazität von ca. 28 MW (Kabel mit einem Leiterquerschnitt von 240 mm2) bzw. von ca. 62 MW (Kabel mit einem Leiterquerschnitt von 1000 mm2) zur Verfügung stellt und demzufolge bei den durchgeführten Betrachtungen nicht das volle Potenzial der MGÜ genutzt wurde. Darüber hinaus bleibt festzustellen, dass für eine vollständige wirtschaftliche Betrachtung von MGÜ-Kabelstrecken auch die Investitionskosten zu berücksichtigen sind. Allerdings ergeben sich bereits durch die bei einer MGÜ reduzierten Übertragungsverluste und damit verbundenen Kosteneinsparungen deutliche wirtschaftliche Anreize für die Realisierung von MGÜ-Übertragungsstrecken. Die wirtschaftlichen Anreize verstärken sich um ein Vielfaches, wenn eine unidirektionale Energieübertragung mit dem Einsatz eines Diodengleichrichters (DRU, Diode Rectifier Unit) anstelle eines vollwertigen Konverters bzw. der Anwendungsfall eines MGÜ-Strahlennetzes in Frage kommen.

5 Zusammenfassung und Ausblick

Die für die Erzielung der Klimaziele eingeleitete Transformation der elektrischen Energieversorgung führt auch zu einem deutlichen Ausbaubedarf in den Verteilnetzen der Mittelspannungsebene. Die innovative Mittelspannungs-Gleichstromübertragung kann hierbei eine wichtige Unterstützung leisten, da MGÜ-Leitungen eine hohe Übertragungskapazität aufweisen, die Übertragungsverluste gering sind und u. a. eine gezielte Lastflusssteuerung möglich ist.

Die Betrachtung der Übertragungskapazitäten von Kabelstrecken zeigt, dass eine auf 12/20-kV-VPE-Kabeln mit einem Leiterquerschnitt von 1000 mm2 basierende ± 55-kV-MGÜ-Kabelstrecke gegenüber einer entsprechenden 20-kV-MDÜ-Kabelstrecke eine bis zu 4,3-fach höhere Übertragungskapazität bereitstellen und eine 110-kV-HDÜ-Kabelstrecke mit gleichem Leiterquerschnitt nahezu ersetzen kann. Für die Analyse der Wirtschaftlichkeit von MGÜ-Kabelstrecken auf Basis der Übertragungsverluste wird beispielhaft eine 20-kV-MDÜ mit einer ± 30-kV-MGÜ in Abhängigkeit der Streckenlänge und der übertragenen Leistung verglichen. Die Anwendung einer MGÜ führt dabei bereits für kurze Streckenlängen zu einer deutlichen Reduktion der Übertragungsverluste. Die für eine Kabelstrecke aus Sicht der Übertragungsverluste vorteilhafte Technologie kann anhand der vorgestellten Methodik identifiziert werden. Im Rahmen zukünftiger Betrachtungen sollten im Hinblick auf eine zukunftsorientierte Evaluierung und Gestaltung der elektrischen Energieinfrastruktur für den Vergleich von MDÜ- und MGÜ-Anwendungen neben den Investitions- und Betriebskosten zunehmend auch umweltrelevante Aspekte wie der Ressourceneinsatz und Energieaufwand bei der Herstellung von Komponenten und Geräten (Kabel, Konverter etc.) und die entsprechende CO2-Bilanz im Rahmen einer Lebensdaueranalyse mit berücksichtigt werden.