1 Einleitung

Permanentmagneterregte Synchronmaschinen (PMSM) sind als hocheffiziente Antriebsmaschinen in der Industrie weit verbreitet. Speziell ihre sehr hohe Energiedichte macht sie unersetzlich für Anwendungen mit begrenztem Bauraum. Um diese sehr hohen Energiedichten erreichen zu können, werden PMSMs im hohen Drehzahlbereich betrieben [8], wobei die mechanische Abtriebsenergie mittels nachgeschaltetem Getriebe in den tieferen Drehzahlbereich transformiert wird.

Der sogenannte Planetenmotor, eine Multirotor-PMSM, stellt eine Sonderanwendung dieses Konzepts dar. Durch den verteilten Multirotor-Aufbau der Maschine ist ein Getriebe bereits integraler Bestandteil des Motors, wodurch das nachgeschaltete Getriebe zum Herabsetzen in den tieferen Drehzahlbereich entfallen kann [5]. Dies ermöglicht zum einen eine Reduktion des notwendigen Bauraums und somit auch des Gewichts als auch der Kosten. Zum anderen bietet auch die verteilte Geometrie des Motors mit den synchron drehenden Rotoren Möglichkeiten, sich an konkrete Anwendungen speziell anzupassen. In der vorliegenden Arbeit wird dies anhand eines Linearaktuators demonstriert.

Abb. 1 zeigt das 3D CAD-Modell des Linearmotors in Planetenmotorkonfiguration. Hierbei stellt das zentrale Modul den Planetenmotor einschließlich Steuer- und Leistungselektronik dar, wobei der Linearschlitten direkt durch die vier Rotoren gelagert ist.

Abb. 1
figure 1

3D CAD-Modell des Linear-Planetenmotors

2 Mathematisches Modell

Um einen Überblick über die verwendete mathematische Nomenklatur zu erhalten, sei im folgenden Kapitel kurz auf das zugrundeliegende mathematische Modell eingegangen. Die verwendeten Gleichungen sind, wenn nicht explizit anders vermerkt, in bezogener Form dargestellt. Wie bereits anfangs erwähnt, verhält sich der Planetenmotor aufgrund des Aufbaus und der Verschaltung des Wicklungssystems wie eine herkömmliche dreiphasige PMSM [7]. Somit lässt sich der Flussverkettungsraumzeiger \(\underline{\psi}_{\text{s}}\) in gewohnter Form gemäß

$$\begin{aligned}\underline{\psi}_{\text{s}}=l_{\text{s}}\,\underline{i}_{\text{s}}+\underline{\psi}_{M}\end{aligned}$$
(1)

angeben. Die Größen \(l_{\text{s}}\) und \(\underline{\psi}_{M}\) repräsentieren hierbei die bezogene Statorinduktivität bzw. den bezogenen Flussverkettungsraumzeiger hervorgerufen durch die Permanentmagnete, wobei \(\underline{i}_{\text{s}}\) den bezogenen Statorstromraumzeiger darstellt. Um das Modell möglichst einfach zu halten, wurde die kaum ausgeprägte Achsigkeit der Maschine näherungsweise vernachlässigt. In anderen Worten sind die bezogene Längsinduktivität \(l_{\text{s},d}\) und die bezogene Querinduktivität \(l_{\text{s},q}\) näherungsweise gleich groß (\(l_{\text{s},d}\approx l_{\text{s},q}\approx l_{\text{s}}\)), wodurch die somit entstandenen Modellfehler bei der untersuchten Maschine vertretbar gering sind. Mit der Flussverkettungsraumzeiger-Gleichung (1) lässt sich folglich die Gleichung für den bezogenen Statorspannungraumzeiger \(\underline{u}_{\text{s}}\) wie folgt angeben

$$\begin{aligned}\underline{u}_{\text{s}}=r_{\text{s}}\,\underline{i}_{\text{s}}+l_{\text{s}}\,\frac{\mathrm{d}\,\underline{i}_{\text{s}}}{\mathrm{d}\tau}+j\,\omega_{\text{el}}\,\underline{\psi}_{\text{s}}\,,\end{aligned}$$
(2)

wobei \(r_{\text{s}}\) den bezogenen Statorwiderstand, \(\tau\) die bezogene Zeit und \(\omega_{\text{el}}\) die bezogene Winkelgeschwindigkeit der Maschine repräsentiert. Schlussendlich kann das bezogene Drehmoment \(t\) gemäß

$$\begin{aligned}t=\left|\underline{\psi}_{M}\right|\,i_{\text{s},q}\end{aligned}$$
(3)

angegeben werden. Dabei stellt \(i_{\text{s},q}\) die orthogonale Statorstromkomponente auf den Flussverkettungsraumzeiger \(\underline{\psi}_{M}\) dar.

3 Design des Linear-Planetenmotors

Um die Funktionalität des Linear-Planetenmotors verifizieren zu können, wurde im ersten Schritt die Entwicklung eines Demonstrator-Prototyps angestrebt. Dabei werden die verwendeten Spannungen auf den Niederspannungsbereich und auch die mechanische Energie auf ein ausreichend geringes Maß begrenzt. Tab. 1 zeigt die Nenndaten des aufgebauten Prototyps.

Tab. 1 Nenndaten des Prototyps

Bei voller elektromagnetischer Ausnutzung kann der Prototyp um ca. \(400\,\%\) überlastet werden.

3.1 Elektromagnetische Modifikationen

Das elektromagnetische Design des Planetenmotors basiert auf der in [6] vorgestellten Version. Für Linearantriebe, mit welchen hinreichend genau positioniert werden soll, ist ein geringes Rastmoment unverzichtbar. Um das Rastmoment der Maschine auf ein ausreichend geringes Maß zu reduzieren, wurden die \(4\) Rotoren aus zwei um 23\({}^{\circ}\) versetzten Teilrotoren aufgebaut. Abb. 2 zeigt hierbei beispielhaft den Aufbau eines der Rotoren.

Abb. 2
figure 2

Diskret geschrägter Rotor aus zwei gegeneinander versetzten Teilrotoren

Ausgehend von einem rotatorischen Planetenmotor-Prototyp wurde eine lineare Version entwickelt. Desweiteren war das zugrundeliegende elektromagnetische Design der Maschine für eine Zwischenkreisspannung von \(U_{\text{ZK}}=400\,\text{V}\) ausgelegt. Um den Anforderungen der Niederspannung zu genügen, wurde im nächsten Schritt das Wicklungssystem auf eine Zwischenkreisspannung von \(U_{\text{ZK}}=48\,\text{V}\) adaptiert.

Neben diesen Änderungen des Spannungsniveaus war eine Abänderung der Anordnungen der Wicklungen notwendig um eine lineare Bewegung des Schlittens zu ermöglichen. Damit sich der Linearschlitten links-rechts bewegen kann, müssen sich jeweils die oberen bzw. die unteren Rotoren paarweise in die selbe Richtung drehen (siehe Abb. 1). Um dies zu bewerkstelligen, wurden die Spulen im Vergleich zu den bisherigen Planetenmotor-Designs gemäß Abb. 3 angeordnet. Diese Anordung der Statorspulen bewirkt im Luftspalt der oberen Rotoren ein Drehfeld, das sich in die mathematisch positive Richtung dreht, wobei das Drehfeld der unteren Rotoren in die mathematische negative Richtung rotiert.

Abb. 3
figure 3

Anordnung des Wicklungssystems

3.2 Lagerung des Schlittens

Einer der größten Vorteile des Linear-Planetenmotors ergibt sich direkt aus der Geometrie des Motors selbst. Durch eine geschickte Platzierung der Rotoren kann die Lagerung des Linearschlittens direkt über die Rotorwellen erfolgen.

Wie Abb. 4 zeigt, wird hierfür auf der verlängerten Rotorwelle direkt nach dem Abtriebsritzel eine Führungsrolle fixiert. Diese Führungsrolle muss den selben Kontaktpunkt wie das Ritzel aufweisen, wodurch eine Entlastung des Ritzels gewährleistet ist und keine Gleitbewegungen in den Lagerungen auftreten. Durch diese Anordnung kann auf zusätzliche Lagerungen, wie z. B. in [3] verwendet, verzichtet werden, was wiederum die Kosten des Linearantriebs verringert, ohne die Komplexität des Systems wesentlich zu erhöhen [4].

Abb. 4
figure 4

Lagerung des Linearschlittens

3.3 Kompakter integrierter Umrichter

Um eine PMSM feldorientiert betreiben zu können, ist typischerweise ein Spannungszwischenkreis-Umrichter notwendig, welcher idealerweise integriert am bzw. im Motor sitzt. Wie in Abb. 3 gut ersichtlich ist, bietet sich hierfür im Fall des Linear-Planetenmotors der freie Bereich im Zentrum des Planetenmotors an.

Bei dem in Abb. 5 dargestellten Umrichter handelt es sich um einen dreiphasigen MOSFET Umrichter. Dieser Umrichter wurde so einfach wie möglich konzipiert, um den begrenzten Bauraum bestmöglich zu nutzen. Tab. 2 listet hierzu die wesentlichen Merkmale des Umrichters auf.

Abb. 5
figure 5

Kompakter Spannungszwischenkreis-Umrichter

Tab. 2 Nenndaten des Umrichters

Gemeinsam mit dem vorgestellten integrierten Umrichter stellt der Linear-Planetenmotor eine sehr kompakte Linearantriebseinheit dar, welche in diversen Industrieapplikationen Anwendung finden kann. Um den platz- und kostensparenden Gedanken noch weiter zu treiben, wäre außerdem noch die Implementierung einer geberloser Regelung des Planetenmotors denkbar [1]. Diese würde neben dem platzsparenden Effekt noch zusätzlich die Kosten des Antriebssystems senken und dessen Ausfallssicherheit steigern. Die Implementierung einer geberlosen feldorientierten Regelung wird in einem nachfolgenden Projektschritt umgesetzt.

4 Messungen am Prototyp

Um die Leistungsfähigkeit des Linear-Planetenmotors zu charakterisieren, wurden Messungen am Prototyp durchgeführt, welche zum einen die elektrischen Aspekte des Motors beleuchten und zum anderen auf die mechanischen Eigenschaften des Linearantriebs eingehen. Abschließend wurde noch das dynamische Verhalten des Antriebssystems anhand einer Stabilisierung eines inversen Pendels in der instabilen Ruhelage untersucht.

4.1 Elektrische Messungen

Im ersten Experiment wurde die induzierte Spannung des Linear-Planetenmotors messtechnisch erfasst. Hierfür wurde der Linearantrieb bei offenen Anschlussklemmen extern aktuiert und die Außenleiterspannungen des Motors aufgenommen.

Abb. 6 zeigt den zugehörigen Verlauf der gemessenen Außenleiterspannungen bei einer Drehzahl von \(1441\,\text{min}^{-1}\). Es ist erkennbar, dass die Maschine bezüglich ihrer drei Phasen weitgehend symmetrisch ist und dass die gemessenen Spannungen einen nahezu sinusförmigen Verlauf aufweisen. Dies lässt auf einen geringen Oberschwingungsanteil schließen, was ebenfalls durch die Analyse des Spektrums in Abb. 7 verifiziert werden konnte.

Abb. 6
figure 6

Gemessene induzierte Außenleiterspannung bei einer Drehzahl von \(1441\,\text{min}^{-1}\)

Abb. 7
figure 7

Gemessenes Frequenzspektrum der induzierten Außenleiterspannung bei einer Drehzahl von \(1441\,\text{min}^{-1}\)

Abb. 8
figure 8

Zeigerdiagramm des Linear-Planetenmotors in bezogener Darstellung bei Volllast und einer Drehzahl von 7800 min\({}^{-1}\)

Desweitern konnte aus dieser Messung der Betrag des Flussverkettungsraumzeigers hervorgerufen durch die Permanentmagnete zu \(\left|\underline{\Psi}_{M}\right|=15{,}9\,\text{m}\text{Wb}\) bestimmt werden. Gemeinsam mit der gemessenen Statorinduktivität \(L_{\text{s}}=0{,}394\,\text{m}\text{H}\), dem gemessenen Statorwiderstand \(R_{\text{s}}=22\,\text{m}\Omega\) und den Gleichungen aus Abschn. 2 lässt sich ein Zeigerdiagramm des Linear-Planetenmotors unter Volllast bei einer Drehzahl von \(7800\,\text{min}^{-1}\) ableiten und ein Leistungsfaktor von \(\cos\left(\varphi\right)=0{,}8268\) bestimmen.

4.2 Mechanische Messungen

Die in diesem Abschnitt behandelten Untersuchungen beschäftigen sich mit den mechanischen Aspekten des Linearantriebs. Im ersten Experiment wurde die Zugkraft des Antriebs als Funktion des Betrags des Statorstroms messtechnisch aufgenommen.

Um dies zu bewerkstelligen wurde der Linearschlitten des Antriebs über eine Krafterfassung fixiert und drehmomentbildender Strom in die Maschine eingeprägt. Abb. 9 gibt den Verlauf der Zugkräfte bei unterschiedlichen Statorströmen wieder. Der nahezu lineare Verlauf der Kurve lässt auf einen weiten Überlastbereich der Maschine schließen bis sich Sättigungseffekte der elektromagnetischen Aktivteile eistellen. Bei einem Einsatz des Linearantriebs in einer Industrieanwendung kann der Eisenkreis wesentlich höher ausgenutzt werden.

Abb. 9
figure 9

Zugkraft als Funktion des Statorstrom-Betrags \(\left|i_{\text{s}}\right|\)

Im nächsten Experiment wird die Maschine mit maximal verfügbarer Zugkraft hin und her beschleunigt, um die Dynamik des Systems untersuchen zu können. Abb. 10 zeigt die zugehörigen Verläufe der Zugkraft, der Geschwindigkeit und der Position des Schlittens. Um die entsprechenden Größen in einem einzelnen Diagramm darstellen zu können, wurde diese auf ein Bezugssystem gemäß Tab. 3 normiert.

Abb. 10
figure 10

Beschleunigungs-Experiment mit maximaler Zugkraft in bezogener Darstellung

Tab. 3 Bezugssystem für Abb. 10

Trotz der Leistungslimitierung des Demonstrator-Prototyps konnten hohe Beschleunigungen des Linearschlittens erreicht werden, was auf eine hohe Dynamik des Linar-Planetenmotors schließen lässt. Es können folglich Linearanwendungen mit sehr hoher Dynamik realisiert werden.

4.3 Dynamisches Verhalten

Im letzten Experiment dieser Abhandlung soll das dynamische Verhalten des Motors anhand einer instabilen Regelstrecke gezeigt werden. Hierfür wird, wie in Abb. 11 dargestellt, ein inverses Pendel in dessen instabiler Ruhelage unter Zuhilfenahme des Linear-Planetenmotors als Aktuator stabilisiert. Um dies bewerkstelligen zu können, ist ein hohes Maß an dynamischem Verhalten sowie einer hohen Positionsgenauigkeit erforderlich. Die Regelung dieses Experiments basiert auf einem Riccati-Regler (LQR), siehe z. B. [2].

Abb. 11
figure 11

Stabilisierung eines inversen Pendels in der instabilen Ruhelage unter Verwendung des Linear-Planetenmotors

Um das Pendel initial von dessen stabiler (unterer) in die instabile (obere) Ruhelage zu bringen ist ein entsprechender Aufschwingvorgang notwendig. Abb. 12 zeigt die zugehörige Trajektorie der gemessenen Pendelposition, der gemessenen Pendelwinkelgeschwindigkeit und des vom Regler vorgegebenen Pendeldrehmoments. Wie man den Verläufen der Pendelposition wie auch der Pendelwinkelgeschwindigkeit entnehmen kann, folgen diese den vom Regler vorgegebenen Sollwerten sehr gut.

Abb. 12
figure 12

Trajektorie des Aufschwingvorgangs von der unteren in die obere Ruhelage

5 Zusammenfassung

In der vorliegenden Arbeit wurde ein Linearmotor in Planetenmotorstruktur vorgestellt und dessen Leistungsfähigkeit messtechnisch erfasst. Um eine lineare Bewegung mittels der bisherig vorgestellten rotatorischen Planetenmotoren bewerkstelligen zu können, waren verschiedene Modifikationen notwendig. Zum einen musste das Wicklungssystem des Stators dahingehend verändert werden, dass die Rotationen der einzelnen Rotoren in die richtige Richtung möglich sind. Zum anderen wurde eine Lagerung des Linearschlittens vorgestellt, welche eine weitere externe Lagerung überflüssig macht und somit die Kosten des Systems reduziert und die Geometrie des Motors bestmöglich ausnutzt. Zusammen mit dem intergierten Umrichter konnte somit ein kompakter Linearantrieb realisiert werden.

Mittels Messungen am Prototyp wurden schlussendlich die elektrischen Parameter des Motors bestimmt und die Leistungsfähigkeit des Demonstrations-Prototyps verifiziert. Anhand der Regelung einer instabilen Strecke wurden die hervorragenden dynamischen Eigenschaften des Systems verifiziert. In zukünftigen Untersuchungen wird das vorliegende Konzept hinsichtlich einer industriellen Anwendung optimiert, um die volle Leistungsfähigkeit des Linear-Planetenmotors zu untersuchen.