1 Einleitung und Methodik

Durch die steigende Beliebtheit von Swimmingpools und dem gleichzeitig steigenden Verkabelungsgrad in urbanen und suburbanen Gebieten kommt es vermehrt zu Anfragen hinsichtlich etwaiger Personengefährdung durch Annäherungen zwischen Mittelspannungskabeln und Swimmingpools. Im Bereich von Swimmingpools halten sich Personen barfüßig auf. Dies führt dazu, dass verringerte Zusatzwiderstände als bei Personen mit Schuhwerk bei der Beurteilung von Schritt- und Berührungsspannungen berücksichtigt werden müssen.

Mittelspannungskabel können aus Alterungsgründen, durch Beschädigung der Isolierung im Zuge der Verlegung oder durch äußere Einflüsse (z. B. Grabungsarbeiten, Schalthandlungen, Blitzschläge) ihre Isolationsfestigkeit verlieren. Dies führt in weiterer Folge zu Isolationsfehlern, meist zu einpoligen Erdschlüssen. Bei solchen Erdschlüssen kann ein Teil des Fehlerstroms IF an der Fehlerstelle in das umgebende Erdreich treten. Der Stromanteil über Erde, der Erdungsstrom IE, ist für eine Anhebung des Potentials an der Erdoberfläche im Bereich des erdverlegten Kabels und somit für eine etwaige Gefährdung von Personen durch Schritt- und Berührungsspannungen verantwortlich. Tritt ein Erdschluss in einer Ortsnetzstation (Transformatorstation) oder bei einem Kabelaufführungsmast auf, so fließen in den daran angeschlossenen Kabelbegleiterdern Erdungsströme. Diese führen ebenso zu Potentialanhebungen entlang der Kabeltrasse und damit auch im Bereich von Swimmingpools.

Mittelspannungsnetze werden im D‑A-CH-Raum überwiegend mit Erdschlusskompensation betrieben. Im Vergleich zu Netzen mit niederohmig geerdetem Sternpunkt treten bei erdschlusskompensierten Netzen vergleichsweise kleine Erdschlussströme auf. Da gemäß ÖVE-B 1/1976 [1] die Notwendigkeit für weiterführende Untersuchungen hinsichtlich der induktiven Beeinflussung von Fernmeldeanlagen bei Erdschlussrestströmen bis zu 60 A in 20-kV-Netzen bzw. bei 67 A in 30-kV-Netzen mit Erdschlusskompensation entfallen darf, wurden diese Stromwerte in der Betriebspraxis bisher häufig als Orientierungswert für Erdschlussüberlegungen herangezogen. Betriebsinterne Festlegungen in technischen Ausführungsbestimmungen für die Auslegung der Erdungsanlagen von Ortsnetzstationen berücksichtigen meist diesen Orientierungswert. Daher werden auch die hier beschriebenen Untersuchungen auf Basis dieser Stromwerte durchgeführt.

Erdschlüsse im Bereich von Mittelspannungskabeln werden in Netzen mit Erdschlusskompensation nach erfolgreicher Fehlerortung so rasch wie möglich behoben. Entsprechend der jeweiligen Betriebsphilosophie kann das erdschlusskompensierte Netz aufgrund des vergleichsweise kleinen Fehlerstromes jedoch auch längere Zeit mit anstehendem Erdschluss weiterbetrieben werden. Dies bedeutet bei der Betrachtung der Personengefährdung, dass in diesem Fall für die Bestimmung der höchstens zulässigen Berührungsspannung UTp Fehlerdauern tF von größer als 10 s herangezogen werden müssen. Gemäß ÖVE/ÖNORM EN 50522:2011 [2] ergibt sich damit als Grenzwert der zulässigen Berührungsspannung \(U_{\mathrm{Tp}}=80\) V.

Die im Folgenden zu untersuchenden Fragestellungen, welche für Netzbetreiber und Anrainer von Interesse sind, lauten daher:

  • Wie groß ist das Risiko einer Gefährdung von Personen im Annäherungsbereich von Mittelspannungskabel und Swimmingpools im Erdschlussfall?

  • Welche Maßnahmen müssen bei Mittelspannungskabeln ergriffen werden, um ein etwaiges Risiko auf ein vertretbares Maß zu reduzieren?

In diesem Fachbeitrag werden zwei Fehlerszenarien untersucht, welche zu einer Personengefährdung führen könnten:

  • Erdschlüsse bei Kabelfehler in unmittelbarer Umgebung eines Swimmingpools

  • Erdschlüsse in einer nahegelegenen Ortsnetzstation oder an einem Kabelaufführungsmast und die dadurch verursachten Potentialverschleppungen über mitverlegte Kabelbegleiterder im Bereich von Swimmingpools

In Abschn. 2 werden die im Zusammenhang mit den Fehlerszenarien und der Erdung bestehenden Begriffe beschrieben. Abschn. 3 behandelt das Fehlerszenario von Kabelfehlern und Abschn. 4 die Auswirkung der Potentialverschleppung über Kabelbegleiterder. Erkenntnisse werden in Abschn. 5 zusammengefasst.

2 Wesentliche Begriffe bezüglich Erdung

Die folgenden Begriffe sind in Anlehnung an [2] für die oben angeführten Fragestellungen wesentlich.

Für eine Anhebung des Potentials an der Erdoberfläche und somit für eine etwaige Gefährdung durch Schritt- oder Berührungsspannungen ist der Erdungsstrom \(\underline{{I}}_{{\mathrm{E}}}\) verantwortlich. Dies ist jener Teil des Erdfehlerstromes \(\underline{{I}}_{{\mathrm{F}}}\), der an der Fehlerstelle in das Erdreich fließt. Ein Erder ist nach [2] ein „leitfähiges Teil, das […] in elektrischem Kontakt mit Erde steht“. Bei beschädigtem Kabelmantel und -schirm kann die blanke Fehlerstelle am Kabel wie ein Erder betrachtet werden.

Bei der Potentialanhebung im Fehlerfall wird als Bezug ein weit entfernter Punkt – die „ferne Erde“ oder Bezugserde – herangezogen. Die Erdungsspannung \(\underline{{U}}_{{\mathrm{E}}}\) ist in weiterer Folge die Spannung zwischen dem Erder und der Bezugserde. Berührungsspannungen UT sind Spannungsabfälle, die an Personen beim Berühren von leitfähigen Teilen auftreten; Schrittspannungen US sind Spannungsabfälle bei einem Stromweg von einem Fuß zum andern. Die Schrittweite S ist dabei mit 1 m festgelegt.

Die Erdungsimpedanz \(\underline{\boldsymbol{Z}}_{\boldsymbol{E}}\) einer Erdungsanlage ergibt sich aus dem Verhältnis von Erdungsspannung \(\underline{U}_{E}\) und Erdungsstrom \(\underline{I}_\mathrm{E}\). Der Ausbreitungswiderstand RE bezeichnet den Widerstand zwischen einem örtlich begrenzten Erder und Bezugserde.

Gefährlich für Personen ist insbesondere ein Stromfluss über das Herz, welcher groß genug ist, um Herzkammerflimmern hervorzurufen. Auf der Basis von 5‑%-Schwellwerten für Körperströme IB gemäß [3] sindmittels einer Gewichtung für verschiedene Strompfade durch den Körper in [2] zulässige Berührungsspannungen UTp in Abhängigkeit der Fehlerdauer tf festgelegt. Die höchste zulässige Berührungsspannung UTp ergibt sich nach [2] für Fehlerdauern \(t_\mathrm{f}> 1\) s zu 80 V. Zulässige Schrittspannungen sind in [2] nicht angegeben, können aber mit dem dort beschriebenen Berechnungsverfahren ermittelt werden. Ein Strompfad Fuß zu Fuß ist für das Herz wesentlich unkritischer als die anderen Strompfade wie z. B. Hand zu Fuß. Daher können für Schrittspannungen wesentlich höhere Grenzen als für Berührungsspannungen zugelassen werden.

Nach [2] kann mit Zusatzwiderständen für z. B. Schuhwerk oder dem Ausbreitungswiderstand des Standortes auf eine höchste zulässige Leerlauf-Berührungsspannung UvTp umgerechnet werden. Die Leerlauf-Berührungsspannung UvT ist die Spannungsdifferenz zwischen zwei Punkten, an denen eine Berührung stattfinden kann, jedoch ohne tatsächlich Berührung, also ohne Stromfluss über den menschlichen Körper. Sie kann direkt aus dem Verlauf des an der Erdoberfläche gemessenen oder berechneten Potentials φ ermittelt werden. In Abb. 1 sind für das Beispiel eines einfachen Erders E, der an einen metallenen Steher angeschlossen ist, im Verlauf des Oberflächenpotentials φ die Leerlauf-Berührungsspannung UvT und der Leerlauf-Schrittspannung UvS skizziert.

Abb. 1
figure 1

Skizze für den Verlauf des Oberflächenpotentials φ eines Erders E (\(\underline{{U}}_\mathrm{E}\) Erdungsspannung, UvT Leerlauf-Berührungsspannung, UvS Leerlauf-Schrittspannung, \(\underline{I}_\mathrm{E}\) Erdungsstrom)

In den betrachteten Fehlerszenarien im Bereich eines Swimmingpools ist eine Berührung der Erder wie in Abb. 1 dargestellt nicht möglich, da die Fehlerstelle bzw. der Kabelbegleiterder im Erdreich liegt. Jedoch ist ein Berührungsszenario einer Person etwa in Liegestützstellung nach Abb. 2 möglich. Nach ÖVE-EH 41/1987 [4] war deshalb speziell für Campingplätze und Freibäder zu überprüfen, dass „die Spannung zwischen zwei beliebigen, 1,5 m voneinander entfernten Punkten“ die zulässige Berührungsspannung nicht überschreitet. Im Folgenden wird daher zusätzlich zur Leerlauf-Schrittspannung UvS die Leerlauf-Berührungsspannung einer liegenden Person – im Folgenden als Leerlauf-Liegestützspannung UvL bezeichnet – nach Abb. 2 betrachtet.

Abb. 2
figure 2

Skizze für den Verlauf des Oberflächenpotentials φ bei einem Kabelfehler (UvL Leerlauf-Liegestützspannung bzw. Leerlauf-Berührungsspannung einer liegenden Person, UvS Leerlauf-Schrittspannung, \(\underline{I}_\mathrm{E}\) Erdungsstrom, a horizontaler Abstand vom Fehler, T Verlegetiefe des Kabels)

Die zulässigen Werte für die Leerlauf-Liegestützspannung werden nach [2, Anhang A] berechnet.

Für eine zulässige Liegestützspannung ULp bzw. die zulässige Leerlauf-Liegestützspannung UvLp ergeben sich demnach mit Gl. 1 bzw. Gl. 2:

$$U_{\mathrm{Lp}}=I_{B}\left(t_\mathrm{f}\right)\cdot \frac{1}{HF}\cdot Z_\mathrm{T}\left(U_\mathrm{T}\right)\cdot BF$$
(1)
$$U_{\mathrm{vLp}}=I_\mathrm{B}\left(t_\mathrm{f}\right)\cdot \frac{1}{HF}\left(Z_\mathrm{T}\left(U_\mathrm{T}\right)\cdot BF+R_\mathrm{H}+R_\mathrm{F}\right)$$
(2)

mit:

IB(tf):

Körperstrom für Kurve c2 aus [3], für \(t_\mathrm{f}> 10\,\mathrm{s}\) ergibt sich \(I_\mathrm{B}=50\) mA

HF:

Herzstromfaktor aus [3], für den Strompfad beide Hände – beide Füße ergibt sich \(HF\)= 1,0

ZT(UT):

Körperimpedanz aus [3, Tab. 1], muss wegen der Abhängigkeit von UT iterativ bestimmt werden

BF:

Korrekturfaktor für die Körperimpedanz; für den Strompfad beide Hände – beide Füße ergibt sich \(BF\)= 0,5

RH, RF :

Zusatzwiderstände für Hand und Fuß, barfüßig für die Liegestützposition gegeben durch die Standortwiderstände von Händen und Füßen; analog nach [2, Anhang B] ergibt sich z. B. \(R_\mathrm{F}=R_\mathrm{H}=1,5\,\mathrm{m}^{-1}\rho _\mathrm{E}\)

Damit resultiert eine zulässige Liegestützspannung von ULp von 58 V und eine zulässige Leerlauf-Liegestützspannung UvLp von 73 V bei \(\rho_\mathrm{E} = 100\,\Omega\mathrm{m}\) bzw. 208 V bei \(\rho_\mathrm{E}=1000\,\Omega\mathrm{m}\).

3 Erdschlüsse bei Kabelfehlern

In diesem Abschnitt werden die Modellierung, die Berechnung und die Ergebnisse für das Fehlerszenario Erdschluss bei einem Kabelfehler beschrieben. Ausgehend vom Ausbreitungswiderstand der Fehlerstelle in Abschn. 3.1 wird die Ermittlung der wirksamen Fehlerimpedanz in Abschn. 3.2 zuerst ohne Berücksichtigung der Kabelschirme und anschließend in Abschn. 3.3 mit Berücksichtigung der Schirme beschrieben. Ziel ist dabei das Bestimmen des Erdungsstromes IE an der Fehlerstelle in Abhängigkeit von verschiedenen Parametern. Mit dem Erdungsstrom wird in Abschn. 3.4 der Potentialverlauf an der Erdoberfläche und daraus die Leerlauf-Schritt- und die Leerlauf-Liegestützspannung im Bereich des Kabelfehlers ermittelt. In Abschn. 3.5 werden einige ausgewählte Parametervariationen hinsichtlich der Schritt- und Berührungsspannungen bewertet.

3.1 Modellierung der Fehlerstelle

Unter der Annahme, dass sowohl der Kabelmantel als auch der Kabelschirm beschädigt sind, wird die blanke Stelle des Kabels an der Fehlerstelle wie ein Erder modelliert.

An der Fehlerstelle des Kabels (siehe Abb. 3) kann durch den entstehenden Lichtbogen ein Teil der Isolierung und des Schirmes sowie des Kabelmantels weggebrannt werden. Der Innenleiter liegt dann an dieser Stelle frei. Diese freiliegende metallene Fläche wirkt nun wie ein im Erdreich eingebetteter Erder. Für die Bestimmung des Ausbreitungswiderstandes RE,F wird die Fehlerstelle als Kreisplattenerder modelliert [5]:

$$R_\mathrm{E,F}=\frac{\rho _\mathrm{E}}{4\,\sqrt{A/\pi }}$$
(3)

mit:

RE,F:

Ausbreitungswiderstand der Fehlerstelle

ρE:

spezifischer Widerstand des umgebenden Erdreichs

A:

Fläche der Fehlerstelle

Durch die Auswertung mehrerer Fehlerstellen bei Mittelspannungskabeln konnte für die blanken Stellen eine Fläche von höchstens etwa 10 cm2 bestimmt werden.

Abb. 3
figure 3

Beispiel einer Fehlerstelle eines Mittelspannungskabels. (Quelle: eigenes Foto)

Eine genauere Modellierung der Fehlerstelle führt wegen der Unsicherheit bei wesentlichen Parametern – wie Größe der Fehlerstelle und spezifischer Bodenwiderstand des umgebenden Erdreichs – in der Praxis nicht zu genaueren Ergebnissen.

Für die als Kreisplattenerder modellierte Fehlerstelle ergibt sich daher beispielsweise bei einem spezifischen Bodenwiderstand von \(\rho _{E}=100\,\Omega\mathrm{m}\) ein Ausbreitungswiderstand RE,F von 1,4 kΩ.

3.2 Modellierung des Netzes

Bei der Ermittlung von Potentialverläufen bei Erdfehlern wird häufig von eingeprägten Strömen ausgegangen. Hier wird dafür der höchste zu berücksichtigende Erdschlussreststrom IF,max an der Fehlerstelle betrachtet. Nach Abschn. 1 wird dieser bei einem mit Erdschlusskompensation betriebenen 30-kV-Netz mit 67 A, bei 20-kV-Netzen mit 60 A angenommen.

Bei dem in Abschn. 3.1 bestimmten Ausbreitungswiderstand der Fehlerstelle RE,F von 1,4 kΩ, würde dabei bei einem eingeprägten Fehlerstrom IF von 67 A rechnerisch eine Erdungsspannung UE (Spannung von der Fehlerstelle zur fernen Erde) von 93 kV auftreten. Diese hohe Spannung kann jedoch bei einer Netznennspannung von 30 kV weder stationär noch transient auftreten. Technisch korrekt wird das Netz in weiterer Folge anstatt mit einer eingeprägten Stromquelle als Spannungsquelle mit Ersatzimpedanzen in symmetrischen Komponenten modelliert.

In symmetrischen Komponenten sind die Komponentensysteme bei einem einpoligen Fehler in Reihe zu schalten; es ergibt sich die in Abb. 4 dargestellte Ersatzschaltung. Dabei ist:

\(\underline{U}_\mathrm{q}\):

Quellenspannung \(\left(U_\mathrm{n}/\sqrt{3}\right)\)

\(\underline{Z}_{1},\underline{Z}_{2},\underline{Z}_{0}\):

Ersatzimpedanzen des Netzes von der Fehlerstelle aus betrachtet

\(\underline{Z}_\mathrm{F}\):

Fehlerimpedanz

Abb. 4
figure 4

Vollständiges Ersatzschaltbild in symmetrischen Komponenten im einpoligen Fehlerfall

\(\underline{Z}_{1}\) und \(\underline{Z}_{2}\) sind in heute typischen kompensierten Netzen um den Faktor 20–200 kleiner als \(\underline{Z}_{0}\) und können daher vernachlässigt werden. Damit ergibt sich das vereinfachte Ersatzschaltbild nach Abb. 5.

Abb. 5
figure 5

Vereinfachtes Ersatzschaltbild im Komponentensystem für ein Netz mit Erdschlusskompensation bei einem einpoligen Erdschluss

Die Resistanz der Ersatzimpedanz im Nullsystem \(\underline{Z}_{0}\) kann hier ebenfalls vernachlässigt werden. Im typischerweise überkompensiert betriebenen Netz ergibt sich \(\underline{Z}_{0}=\mathrm{j}X_{0}\). Die minimale Nullreaktanz X0 ergibt sich aus:

$$X_{0}=\frac{3U_\mathrm{q}}{I_{\mathrm{F},\max }}$$
(4)

mit:

X0:

Ersatzreaktanz des Netzes im Nullsystem von der Fehlerstelle aus gesehen

Uq:

Quellspannung (höchste Netzspannung \(U_\mathrm{n}/\sqrt{3}\))

IF,max:

maximaler Fehlerstrom für \(\underline{Z}_\mathrm{F}=0\)

Der Fehlerstrom \(\underline{I}_\mathrm{F}\) ergibt sich zu:

$$\underline{I}_\mathrm{F}=\frac{\underline{U}_\mathrm{q}}{\underline{Z}_{0}/3+\underline{Z}_\mathrm{F}}$$
(5)

Vernachlässigt man vorerst die Wirkung der Kabelschirme, so wirkt als Fehlerimpedanz \(\underline{Z}_{F}\) einzig der Ausbreitungswiderstand der Fehlerstelle RE,F. Der Fehlerstrom \(\underline{I}_\mathrm{F}\) entspricht dem Erdungsstrom IE und die Erdungsspannung \(\underline{U}_\mathrm{E}\) der Fehlerstelle, ergibt sich mit Gl. 5:

$$\underline{U}_\mathrm{E}=\underline{U}_\mathrm{q}\frac{R_\mathrm{E,F}}{\underline{Z}_{0}/3+R_\mathrm{E,F}}$$
(6)

Für ein 30-kV-Netz mit einem angenommenen maximalen Fehlerstrom von 67 A und einer maximalen Netzspannung Un von 36 kV ergibt sich eine Ersatzimpedanz im Nullsystem \(\underline{Z}_{0}\) von j930 Ω. Beispielsweise ergibt dies gemeinsam mit einem Ausbreitungswiderstand RE,F von 1,4 kΩ einen Fehlerstrom IF von 14,5 A und damit eine Erdungsspannung UE von 20 kV, was ca. 98 % der Quellspannung (\(| \underline{U}_\mathrm{q}|\) = 20,8 kV) entspricht.

3.3 Fehlerimpedanz unter Berücksichtigung geerdeter Kabelschirme

Abb. 6 zeigt eine vereinfachte Netzstruktur im ländlichen Raum, welche im Weiteren für die Berechnung der Fehlerimpedanz \(\underline{Z}_\mathrm{F}\) unter Berücksichtigung der Kabelschirme und des Erdungsstromes IE verwendet wird.

Abb. 6
figure 6

Untersuchte ländliche Netzstruktur (ES Erdungssysteme, FL Freileitungen,  Kabelaufführungsmast, ONS Ortsnetzstationen, F Fehlerstelle, L Länge des Kabels, LF Entfernung des Fehlers vom KÜ, PEN PEN-Leiter der Niederspannungsversorgung)

Schirme von Mittelspannungskabeln werden üblicherweise an beiden Enden an Erdungsanlagen angeschlossen. Tritt ein Isolationsfehler im Kabel auf, führen die Kabelschirme einen Teil des Fehlerstromes zu den Erdungsanlagen, an welche sie angeschlossen sind (in Abb. 6, ES A und ES B). Dadurch wird die Fehlerimpedanz ZF kleiner und der Fehlerstrom IF steigt, jedoch verringert sich der Anteil des Stromes – der Erdungsstrom IE – der an der Fehlerstelle F über den Ausbreitungswiderstand der Fehlerstelle RE,F in die Erde fließt und dort eine Potentialanhebung verursacht. Zusätzlich trägt die induktive Kopplung von Innenleiter und Schirm zu einer weiteren Reduktion des Erdungsstromes bei. Ist jedoch, wie hier untersucht, der Fehler in der Nähe einer vergleichsweise hochohmigen Erdungsanlage des Kabelaufführungsmastes, kommt dieser durch den Kabelreduktionsfaktor beschriebenen Effekt nur begrenzt zu tragen und wird in Folge vernachlässigt. Die Länge des Kabels zwischen den Ortsnetzstationen (ONS) und dem Kabelaufführungsmast beträgt häufig nicht mehr als L = 3 km.

Die Erdungsimpedanz eines Kabelaufführungsmastes (KÜ, ES A) liegt häufig im Bereich von 2–10 Ω, in Ausnahmefällen kann sie jedoch bis zu 100 Ω betragen. Das zweite Ende des Kabelschirms ist an das Erdungssystem ES B der Ortsnetzstation (ONS) angeschlossen. Die Erdungsimpedanz ZE,B des Erdungssystems ES B der ONS ist meist wesentlich kleiner als die Erdungsimpedanz ZE,A des Erdungssystem ES A bei einem Kabelaufführungsmast, da an die Erdungsanlage einer ONS im Allgemeinen die PEN-Leiter und damit die Erder im Niederspannungsnetz angeschlossen sind.

In Österreich sind an die PEN-Leiter gemäß der Nullungsverordnung aus dem Jahre 1998 auch die Erder neuer Verbraucheranlagen anzuschließen, wenn der Verteilernetzbetreiber den betreffenden Netzbereich für die Anwendung der Nullung als Maßnahme des Fehlerschutzes in den angeschlossenen Niederspannungsanlagen freigegeben hat; auch die Umstellung bestehender Verbraucheranlagen auf die Nullung wurde vergleichsweise einfach ermöglicht.

Eine Kabelverbindung zur nächsten ONS wirkt bei geerdeten Kabelschirmen ebenfalls reduzierend auf die Erdungsimpedanz ZE,B von ES B. Im Allgemeinen liegt die Erdungsimpedanz einer ONS im Bereich von 0,5–5 Ω.

In Abb. 7 ist die Ersatzschaltung zur Bestimmung der Fehlerimpedanz \(\underline{{Z}}_\mathrm{F}\) und des Erdungsstroms \(\underline{I}_\mathrm{E}\) an der Fehlerstelle F dargestellt.

Abb. 7
figure 7

Ersatzschaltung zur Bestimmung der Fehlerimpedanz \(\underline{{Z}}_\mathrm{F}\) (RE,F Ausbreitungswiderstand der Fehlerstelle (abhängig vom örtlichen spezifischen Bodenwiderstand sowie der Fläche an der Übergangsstelle zum Erdreich), RB Übergangswiderstand zwischen Kabelinnenleiter und -schirm (hauptsächlich bestimmt durch den Fehlerlichtbogen), LF Entfernung des Kabelfehlers vom Kabelaufführungsmast, \(\underline{Z}_\mathrm{E,A}\) Erdungsimpedanz der Erdungsanlage A, z. B. beim Kabelaufführungsmast, \(\underline{Z}_\mathrm{E,B}\) Erdungsimpedanz des Erdungssystems B, z. B. bei einer Ortnetzstation (ONS) einschließlich der Berücksichtigung weiterer über Kabelschirme und über PEN-Leiter verbundener Erdungssysteme, \(\underline{Z}'_\mathrm{S}\) Impedanz des Kabelschirms (etwa j0,6 Ω/km))

Ausgangspunkt für die Bestimmung des Erdungsstroms und der Schritt- und Berührungsspannungen für die verschiedenen Fälle in Abschn. 3.5 ist ein Basisszenario mit großteils typischen Werten. Ausgehend von diesem werden einzelne Parameter variiert. Die Parameter des Basisszenarios sind in Tab. 1 angegeben.

Tab. 1 Parameter des Basisszenarios

Ausgehend vom Basisszenario ist in Abb. 8 die Abhängigkeit des Erdungsstrom IE vom spezifischen Bodenwiderstand ρE und vom Übergangswiderstande RB dargestellt. \(R_\mathrm{B}=\infty \,\Omega\) entspricht dem Fall, dass keine Verbindung der Fehlerstelle zum Schirm angenommen wird.

Abb. 8
figure 8

Erdungsstrom IE in Abhängigkeit vom Übergangwiderstand RB und vom spezifischen Bodenwiderstand ρE für das Basisszenario

Selbst für den ungünstigen Fall mit \(R_\mathrm{B}=\infty\,\Omega\) und einen niedrigen spezifischen Bodenwiderstand ρE von z. B. 50 Ωm liegt der Erdungsstrom IE deutlich unter dem maximalen Fehlerstrom IF,max von 67 A. Für das Basisszenario ergibt sich ein Erdungsstrom \(I_\mathrm{E}=0,6\) A und eine Erdungsspannung \(U_\mathrm{E}=\) 783 V.

3.4 Potentialverlauf an der Oberfläche

Mit dem aus Abschn. 3.3 ermittelten Erdungsstrom IE können der Verlauf des Potentials φ an der Erdoberfläche sowie daraus die resultierenden Leerlauf-Spannungen \((U_{\mathrm{vT},}U_{\mathrm{vS}},U_{\mathrm{vL}})\) berechnet werden. Leerlauf-Berührungsspannungen UvT  können im Fall eines inneren Fehlers nur als Leerlauf-Liegestützspannungen UvL  auftreten, da die Fehlerstelle im Erdreich liegt und keine metallisch leitfähigen Teile zur Oberfläche führen.

Die Ausdehnung der Fehlerstelle ist im Vergleich zur Verlegetiefe T des Kabels sehr klein \(\left(\sqrt{\frac{A}{\pi }}\ll T\right)\). Die Potentialverteilung an der Erdoberfläche ist daher in guter Näherung von der Form des Erders unabhängig. Die Fehlerstelle kann somit hinreichend genau auch als Kugelerder in einer Tiefe T angenommen werden. Damit können die bekannten Formeln für den Kugelerder zur Untersuchung verwendet werden [5]. Das an der Erdoberfläche auftretende Potenzial φ der Fehlerstelle gegenüber Bezugserde kann folgendermaßen berechnet werden [5]:

$$\varphi =\frac{I_\mathrm{E}\rho _\mathrm{E}}{2\pi \sqrt{a^{2}+T^{2}}}$$
(7)

mit:

IE:

Erdungsstrom in A

ρE:

spezifischer Widerstand des umgebenden Erdreiches in Ωm

a:

horizontaler Abstand zur Fehlerstelle in m

T:

vertikaler Abstand zwischen Oberfläche und Fehlerstelle in m

Die maßgeblichen Schritt- und Liegestützspannungen im Leerlauf (UvS, UvL ) im horizontalen Abstand a (siehe Abb. 2) werden aus Gl. 7 mit Gl. 8 bestimmt. Die Schrittweite S beträgt für UvS nach [2] 1 m, für UvL ergibt sich in Anlehnung an [4] \(S=1,5\)m.

$$U_\mathrm{v}\left(a\right)=\varphi \left(a-\frac{S}{2}\right)-\varphi \left(a+\frac{S}{2}\right)=\frac{I_\mathrm{E}\rho _\mathrm{E}}{2\pi }\left(\frac{1}{\sqrt{\left(a-S/2\right)^{2}+T^{2}}}-\frac{1}{\sqrt{\left(a+S/2\right)^{2}+T^{2}}}\right)$$
(8)

Der Potentialverlauf φ und die Schritt- und Liegestützspannungen im Leerlauf (UvS, UvL ) an der Oberfläche hängen somit nach Gln. 7 und 8 vom Produkt IEρE ab.

Für das mit den Werten aus Tab. 1 beschriebene Basisszenario ist in Abb. 9 unter Berücksichtigung der Kabelschirme für die Variation des Übergangwiderstandes RB und des spezifischen Bodenwiderstands ρE die Auswertung für den Ausdruck IEρE dargestellt.

Abb. 9
figure 9

IEρE in Abhängigkeit vom Übergangswiderstand RB und vom spezifischen Bodenwiderstand ρE für das Basisszenario

Es ist ersichtlich, dass das Produkt IEρE im Wesentlichen für \(\rho _\mathrm{E}> 50\) Ωm unabhängig von ρE ist. Für das Basisszenario mit \(R_\mathrm{B}=\) 10 Ω ergibt sich \(I_\mathrm{E}\rho _\mathrm{E}=56\)Vm. In Abb. 10 sind der Verlauf des Oberflächenpotentials φ gemäß Gl. 7 sowie die Schritt- und Liegestützspannungen im Leerlauf (UvS, UvL ) nach Gl. 8 für typische Verlegetiefen T dargestellt. Die höchste Potentialanhebung über der Fehlerstelle beträgt hier 14,8 V. Die höchste Leerlauf-Liegestützspannung UvL tritt bei einem horizontalen Abstand der Körpermitte (gemäß Abb. 2) von ca. 0,8 m seitlich der Kabeltrasse auf und liegt deutlich unter der zulässigen Berührungsspannung UTp von 80 V.

Abb. 10
figure 10

Verlauf des Oberflächenpotentials φ eines in der Tiefe T = 0,6 m verlegten Kabels sowie die Schrittspannungen UvS und Leerlauf-Liegestützspannungen UvL für verschiedene Verlegetiefen T in Abhängigkeit des seitlichen Abstands zur Kabeltrasse a für das Basiszenario mit \(I_\mathrm{E}\rho _\mathrm{E}=56\,\mathrm{Vm}\)

Abb. 11 zeigt in Abhängigkeit vom spezifischen Bodenwiderstand ρE die zulässige Leerlauf-Liegestützspannung UvLp sowie die für verschiedene Übergangswiderstände RB auftretenden höchsten Leerlauf-Liegestützspannungen UvL. Man erkennt, dass nur in Ausnahmefällen (\(R_\mathrm{B}=\infty\)) die Leerlauf-Berührungsspannung für liegende Personen UvLp überschritten wird und die zulässige Berührungsspannung \(U_{\mathrm{Tp}}=80\,\mathrm{V}\) überschritten ist.

Abb. 11
figure 11

Höchste auftretende Leerlauf-Liegestützspannungen UvL für das Basiszenario und Verlegetiefe T = 0,6 m in Abhängigkeit vom spezifischen Bodenwiderstand ρE und vom Übergangswiderstand RB, UvLp zulässige Leerlauf-Liegestützspannung

3.5 Szenarien

Für eine umfassende Untersuchung werden neben dem zuvor beschriebenen Basiszenario (Fall 1) auch mehrere andere Szenarien untersucht. Die Parameter und Ergebnisse sind zusammenfassend in Tab. 2 dargestellt. Nach [2] ist das Risiko einer Personengefährdung vertretbar, wenn die auftretenden Schritt- und Berührungsspannungen (hier UvS,UvL) die zulässige Berührungsspannung \(U_{\mathrm{Tp}}=80\,\mathrm{V}\) bzw. die entsprechende zulässige Leerlauf-Berührungsspannung nicht überschreiten.

  • Fall 1 (Basisszenario): Für das beschriebene Basiszenario ergibt sich ein Fehlerstrom IF beinahe in der Höhe des maximalen Fehlerstroms IF,max von 67 A, jedoch beträgt der für die Potentialanhebung relevante Erdungsstrom IE nur etwa 1/100 des Fehlerstroms. Für die höchste Leerlauf-Schrittspannung UvS ergibt sich 7,5 V, für die Leerlauf-Liegestützspannung UvL 9,4 V. Sie liegen damit deutlich unter der zulässigen Berührungsspannung UTp von 80 V bzw. der zulässigen Leerlauf-Liegestützspannung von UvLp = 73 V.

  • Fall 2 und 3: In diesen Fällen wird der Fehlerort LF variiert. Dies hat im Vergleich zum Basisszenario keine wesentlichen Auswirkungen auf die Schritt- und Liegestützspannungen.

  • Fall 4 und 5: Hier wird die Erdungsimpedanz der Erdungssysteme des Kabelaufführungsmastes ZE,A  und der Ortsnetzstation ZE,B  gegenüber dem Basisszenario (Fall 1) auf maximal zu erwartende Werte erhöht. Im Fall 5 sind beide Erdungsimpedanzen erhöht; selbst hier sind die höchsten Leerlauf-Liegestützspannungen UvL von 11,8 V weit unter dem zulässigen Wert \(U_{\mathrm{Tp}}\)= 80 V.

  • Fall 6: Die Berechnung wurde hier mit einer Netz-Nennspannung von 20 kV und daher mit einem höchsten Erdschlussreststrom von 60 A. gerechnet. Die maximale Leerlauf-Liegestützspannung ist um 11 % niedriger als beim Basisszenario mit 30 kV.

  • Fall 7 und 8: Die in diesen beiden Fälle beschriebenen Szenarien, welche typische Betriebsfälle darstellen. D. h. bei diesen Fällen sind für den Fehlerstrom und für die Erdungsimpedanzen typische Werte statt der vergleichsweise hohen Werte beim Basisszenario angenommen. Der Fehlerstrom ist mit 10 A angenommen. Fall 7 berücksichtigt dabei den Fall einer Verbindung der Kabelschirme zwischen einem Kabelaufführungsmast und einer Ortsnetzstation, während Fall 8 einer Verbindung der beiden Enden der Kabelschirme mit einer gut geerdeten Ortsnetzstation entspricht. Die Leerlauf-Liegestützspannungen UvL sinken dabei im Vergleich zu Fall 1 auf sehr geringe Werte von 1,4 V bzw. 0,7 V

  • Fall 9 und 10 sind Extremszenarien mit einer sehr schlechten (Fall 9) oder einer fehlenden (Fall 10) Verbindung des Kabelschirmes zu den benachbarten Erdungsanlagen, sowie weiters einem örtlich niedrigen spezifischen Bodenwiderstand. Bei Fall 9 wird die zulässige Leerlauf-Berührungsspannung UvLp unterschritten, während sie bei Fall 10 rechnerisch überschritten wird. Im Fall 10 ergibt sich die Erdungsspannung mit 17 kV, bei der ein Lichtbogen zum Kabelschirm jedenfalls zünden würde. Bei den zumindest einseitig geerdeten Kabelschirmen von Mittelspannungskabeln kann dieser Fall 10 daher gar nicht auftreten.

Tab. 2 Berechnungsergebnisse für die Fälle 1–10 mit Variation einzelner Parameter (fett gekennzeichnet), Verlegetiefe der Kabel T = 0,6 m

In den Fällen 1–9 wird die zulässige Berührungsspannung \(U_{\mathrm{Tp}}=80\,\mathrm{V}\) bzw. die Leerlauf-Liegestützspannung UvLp nicht überschritten. Der Fall 10 ist nicht praxisrelevant (siehe oben). Gemäß [2] ist daher im Nahbereich des Kabelfehlers das Risiko einer Gefährdung von Personen vertretbar.

4 Potentialverschleppung durch Begleiterder

Ein weiteres hier zu betrachtendes Szenario im Bereich von Mittelspannungskabeln besteht bei Erdschlüssen in Ortsnetzstationen bzw. Kabelführungsmasten. Hier können allfällige Begleiterder der Kabel Oberflächenpotentiale und damit Liegestützspannungen und Schrittspannungen im Bereich der Kabeltrasse verursachen. In Abschn. 4.1 wird das für die Berechnungen verwendete Modell erläutert, in Abschn. 4.2 die relevante Erdungsimpedanz für verschiedene Fälle untersucht, um so die ungünstigsten Fälle und die Einflussparameter analysieren zu können. Für den ungünstigsten Fall hinsichtlich der Erdungsspannung werden in Abschn. 4.3 die Oberflächenpotentiale und daraus die Schritt- und Liegestützspannungen entlang der Kabeltrasse mit den Begleiterdern ermittelt.

„Klassische“ Berührungsspannungen UT im Bereich des Begleiterders könnten nur auftreten, wenn der Begleiterder direkt berührbar wäre oder eine Verbindung mit anderen geerdeten, leitfähigen Objekten, die von der Erdoberfläche aus berührbar sind, bestehen würde. Dies wird hier nicht näher betrachtet.

4.1 Modellbildung

Bei Mittelspannungskabeln werden häufig Bänder oder Runddrähte aus verzinktem Stahl als Begleiterder mitverlegt. Diese Begleiterder reduzieren die Erdungsimpedanz im Bereich der Ortsnetzstationen und haben – da sie über dem Kabel verlegt werden – eine Schutzwirkung hinsichtlich atmosphärischer Einwirkungen (Blitzeinschlägen).

Zwei typische Verlegearten können unterschieden werden:

  • Der Begleiterder wird durchgängig über die gesamte Länge des Kabels mitverlegt und an beiden Enden mit den Erdungssystemen, an die auch die Kabelschirme angeschlossen werden, verbunden (Abb. 12a).

  • Von beiden Kabelenden wird je ein Bund Erdband – entspricht in der Regel etwa 50 m – mitverlegt (Abb. 12b).

Abb. 12
figure 12

Verlegung von Begleiterdern, (a): durchgängig, (b): beiderseits jeweils 50 m weit

Das Erdungssystem ES A stellt analog zum Abschn. 3.4 die Erdungsanlage eines Kabelaufführungsmastes dar, das Erdungssystem ES B repräsentiert die Erdungsanlage einer Ortsnetzstation.

Die Fehlerimpedanz \(\underline{Z}_\mathrm{F}\) ist durch die Gesamtimpedanz der verbundenen Erdungssysteme gegeben. Sie ist durch den Begleiterder nun wesentlich niederohmiger als die Ersatzimpedanz des Netzes (siehe Abschn. 3.2). Damit ist eine Modellierung des speisenden Netzes als Stromquelle gerechtfertigt. Es wird daher bei der Untersuchung von einem eingeprägten Strom ausgegangen. In das Erdungssystem ES A wird entsprechend einem Fehlerfall am Kabelaufführungsmast der maximale Fehlerstrom von IF,max = 67 A eingespeist.

Für die Berechnung der Erdungsimpedanzen als auch der Schritt- und Berührungsspannungen wird das Programm XGSLabTM, Modul XGSA FD [6] verwendet. Das Modul XGSA FD erlaubt es, die Längsimpedanzen der Kabelschirme und der Begleiterder sowie Kopplungen zwischen diesen Leitern zu berücksichtigen. Die Berücksichtigung der Längsimpedanzen ist wegen der verhältnismäßig großen Ausdehnung des durchgehenden Begleiterders von Bedeutung.

ES A und ES B werden vereinfacht als Ringerder um ein Quadrat mit einer Seitenlänge von 2 m modelliert. Die an das ES B angeschlossenen Erdungssysteme werden mit Hilfe einer zusätzlichen Impedanz \(\underline{Z}_\mathrm{E,B\_ {PEN}}\) berücksichtigt. Die typische Länge des Kabels wird mit 500 m angenommen.

4.2 Gesamterdungsimpedanz

Für die Untersuchung der Auswirkungen der Begleiterder im Zusammenhang mit Erdschlüssen in Ortsnetzstationen bzw. Kabelführungsmasten werden im Folgenden Szenarien mit unterschiedlichen Verbindungen zwischen den erdfühligen Elementen berücksichtigt. Dabei wird die gesamte Erdungsimpedanz der verbundenen Erdungsanlagen bestimmt, um die Abhängigkeit von der Verbindungsart zu zeigen. Der spezifische Bodenwiderstand wird in allen Fällen vorerst einheitlich mit 100 Ωm angenommen.

Folgende Fälle werden untersucht und in Tab. 3 zusammenfassend dargestellt:

  • Fall A: Hier wird nur das Erdungssystem ES A der Ortsnetzstation alleine berücksichtigt, d. h. es sind hier weder Kabelschirme noch Begleiterder angeschlossen. Der Betrag der Erdungsimpedanz \(\underline{Z}_\mathrm{F}\)ergibt sich zu 19,2 Ω.

  • Fälle B–C: An ES A werden Begleiterder angeschlossen, im Fall B mit einer Länge von 50 m und im Fall C mit 500 m. Der Betrag der Gesamterdungsimpedanz \(\underline{Z}_\mathrm{F}\) sinkt dadurch auf 3,6 Ω bzw. 1,15 Ω. Bemerkenswert ist der bereits stark induktive Anteil mit einem Winkel von 19° bei einem 500 m langen Begleiterder.

  • Fälle D–F: Diese beiden Fälle zeigen den Einfluss der Verbindung der beiden Erdsysteme ES A und ES B über den gegen Erde isolierten Kabelschirm, jedoch als Mittelspannungskabel ohne Begleiterder. Im Fall D führt dies zu einer Halbierung von \(\underline{Z}_\mathrm{F}\) im Vergleich zu Fall A. Die Fälle E und F berücksichtigen über PEN-Leiter oder Kabelschirme angeschlossene Impedanzen mit \(\underline{Z}_\mathrm{E,B\_ \mathrm{PEN}}\). Mit einer Impedanz \(\underline{Z}_\mathrm{E,B\_ \mathrm{PEN}}\) von 10 Ω ∠ 0° (Fall E) entsprechend dem typischen Ausbreitungswiderstandes eines einzelnen Einfamilienhauses sinkt der Betrag der Gesamterdungsimpedanz \(\underline{Z}_\mathrm{F}\) bereits auf rund 5 Ω. Bei Fall F mit \(\underline{Z}_\mathrm{E,B\_ \mathrm{PEN}}\)= 2 Ω ∠ 0° (entspricht in etwa der Erdungswirkung der Fundamenterder von 5 Wohnhäusern) ergibt sich ein \(\underline{Z}_\mathrm{F}\) = 1,79 Ω ∠ 8°.

  • Fälle G–I: Bei Fall G und Fall H sind zusätzlich 50 m lange Begleiterder an ES A und ES B angeschlossen. Dadurch sinkt die Erdungsimpedanz weiter ab. Im Vergleich zu Fall B ohne Verbindung der Kabelschirme halbiert sich die Impedanz im Fall G bzw. sinkt im Fall H der Betrag der Impedanz auf 0,6 Ω wenn \(\underline{Z}_\mathrm{E,B\_ \mathrm{PEN}}\)= 2 Ω ∠ 0° beträgt. Fall J hat im Vergleich zu Fall H ein ohmsch-induktives \(\underline{Z}_\mathrm{E,B\_ \mathrm{PEN}}\)= 2 Ω ∠ 45°, dabei steigt die Gesamtimpedanz auf 1,19 Ω ∠ 45°.

  • Fälle J–K: Diese Fälle zeigen Ähnliches wie die Fälle G–I, nur ist angenommen, dass durchgehend Begleiterder verlegt sind. Im Fall K bringt der durchgehende Begleiter gegenüber den beiden 50 m langen Begleiterderabschnitten (Fall H) in Bezug auf die Erdungsimpedanz kaum einen Vorteil, da die Erdungsimpedanz wesentlich von der Verbindung zu den PEN-Leitern des Niederspannungsverteilernetzes bestimmt wird.

Tab. 3 Erdungsimpedanzen \(\underline{Z}_\mathrm{F}\)für die Szenarien mit den Begleiterdern

Für die weitere Überlegungen wird vom Fall G ausgegangen, bei dem am Mittelspannungskabel an beiden Seiten ein 50 m langer Begleiterder mitverlegt ist. Diese Auswahl ist dadurch begründet, dass einerseits die Auswirkung der Begleiterder auf die Schritt- und Liegestützspannungen untersucht werden soll und andererseits dieser Fall hinsichtlich der Erdungsimpedanz den ungünstigsten der betrachteten Fälle der Mittelspannungskabel mit Begleiterdern darstellt.

Die Erdungsimpedanz bei Fall G steigt bei einem spezifischen Bodenwiderstands \(\rho _\mathrm{E}\)= 1000 Ωm auf \(\underline{Z}_\mathrm{F}\)= 17,8 Ω. Dies bedeutet, das selbst für hohe spezifische Bodenwiderstände die Erdungsimpedanz im Vergleich zur Ersatzimpedanz des Netzes (siehe Abschn. 3.2) gering ist, und dadurch die Vorgangsweise mit dem eingeprägten Strom IF,max auch für höhere spezifische Bodenwiderstände anwendbare Werte ergibt. Daher wird die weitere Untersuchung in diesem Abschnitt mit eingeprägtem Strom durchgeführt.

4.3 Oberflächenpotentiale, Schritt- und Liegestützspannungen

Für den Fall G sind in Abb. 13 die Isolinien des Potentials φ an der Erdoberfläche, in Abb. 14 die Isolinien der Leerlauf-Schrittspannungen UvS und in Abb. 15 die Isolinien der Leerlauf-Liegestützspannungen UvL im Bereich des Begleiterders angrenzend an das Erdungssystem A dargestellt. Der Begleiterder liegt bei y = 0 m in einer Tiefe 0,6 m und verläuft von x = 0 m bis x = 50 m. Die Erdungsanlage ES A liegt im Bereich x = −2 m bis x = 0 m. Wie in Abb. 14 und Abb. 15 ersichtlich, treten die höchsten Schritt- und Liegestützspannungen am Ende des Begleiterders auf. In Abb. 16 sind das Oberflächenpotential φ, die Leerlauf-Schrittspannungen UvS und die Leerlauf-Liegestützspannungen UvL quer über dem Begleiterder für verschiedenen Positionen x dargestellt.

Abb. 13
figure 13

Isolinien des Oberflächenpotentials φ in V im Bereich des Begleiterders von x = 0–50 m

Abb. 14
figure 14

Isolinien der Leerlauf-Schrittspannungen UvS in V im Bereich über dem Begleiterder (von x = 0–50 m)

Abb. 15
figure 15

Isolinien der Leerlauf-Liegestützspannungen UvL in V im Bereich über dem Begleiterder (von x = 0–50 m)

Abb. 16
figure 16

Oberflächenpotential φ, Leerlauf-Schrittspannungen UvS und Leerlauf-Liegestützspannungen UvL quer über dem Begleiterder für verschiedenen Positionen x entlang der Kabeltrasse

Die höchsten auftretenden Leerlauf-Schritt- und Leerlauf-Liegestützspannungen bei \(\rho _\mathrm{E}=100\,\Omega\mathrm{m}\) betragen \(U_{\mathrm{vS}}\)= 16,7 V und \(U_{\mathrm{vL}}=\)22,9 V und liegen weit unter der zulässigen Berührungsspannung UTp = 80 V.

Für einen vergleichsweise hohen spezifischen Bodenwiderstand von \(\rho _\mathrm{E}=1000\,\Omega\mathrm{m}\) ergibt sich eine höchste Leerlauf-Schrittspannung UvS = 164 V und eine höchste Leerlauf-Liegestützspannung \(U_{\mathrm{vL}}=\)228 V. Die zulässige Leerlauf-Liegestützspannung von 208 V gemäß Abschn. 2 wird dabei geringfügig überschritten. Für solch eine Konfiguration mit sehr hohen spezifischen Bodenwiderständen \(\rho _\mathrm{E}\geq 1000\,\Omega\mathrm{m}\) sind für die tatsächlich vorherrschenden Gegebenheiten genauere Untersuchungen und gegebenenfalls Maßnahmen notwendig, die dazu führen, dass die zulässigen Leerlauf-Liegestützspannungen nicht überschritten werden.

Somit ist auch für den Fall eines Fehlers bei einem Kabelübergangsmast bzw. einer Ortsnetzstation gezeigt, dass in den meisten Fällen (\(\rho _\mathrm{E}< 1000\,\Omega\mathrm{m}\)) die Spannungsverschleppungen über Kabelbegleiterder zu keinen unzulässigen Schritt- und Berührungsspannungen im Bereich der Mittelspannungskabel führen.

5 Zusammenfassung

In erdschlusskompensierten Mittelspannungsnetzen mit Nennspannungen bis 30 kV werden Schritt- und Berührungsspannungen bei Kabelfehlern und Fehlern bei Kabelaufführungsmasten bei Annäherung der Kabeltrassen an Swimmingpools untersucht.

Bei Kabelfehlern an Mittelspannungskabeln treten keine unzulässigen Leerlauf-Schrittspannungen UvS und Leerlauf-Liegestützspannungen für UvL auf, da der Anteil des für die Potentialanhebung verantwortlichen Stromes mit steigendem Ausbreitungswiderstand der Fehlerstelle RE,F bzw. durch die an Erdungsanlagen angeschlossenen Kabelschirme deutlich absinkt. Selbst bei Extremszenarien sind in praktischen Fällen keine gefährlichen Spannungen zu erwarten. Dabei wird berücksichtigt, dass sich Personen in der Nähe von Swimmingpools auch barfuß aufhalten.

Begleiterder führen im Falle eines Erdschlusses bei einer Ortsnetzstation oder auch im kritischeren Fall eines Fehlers bei einem Kabelaufführungsmasten zu Potentialverschleppungen. Es sind in den meisten Fällen hier keine gefährlichen Schritt- oder Berührungsspannungen zu erwarten. Für Gebiete mit sehr hohen spezifischen Bodenwiderständen \((\rho _\mathrm{E}\geq 1000\,\Omega\mathrm{m})\)ist eine detailliertere Untersuchung der tatsächlich auftretenden Liegenstütz-Spannungen notwendig und es sind gegebenenfalls Maßnahmen zu ergreifen, um das Risiko einer Gefährdung auf ein vertretbares Maß zu reduzieren. Weiters ist festzuhalten, dass ein Szenario mit dem direkten Berühren eines Begleiterders im Bereich eines Swimmingpools als nicht realistisch einzuschätzen ist, und daher nicht weiter untersucht wurde.

Es sind daher im Zusammenhang mit der Annäherung von Mittelspannungskabeln an Swimmingpools im Allgemeinen bei den untersuchten Szenarien keine besonderen Maßnahmen zur Verringerung von Liegestütz- und Schrittspannungen erforderlich.