1 Einleitung

Durch den stetigen Zuwachs an erneuerbaren Energieerzeugungsanlagen hat der Umgestaltungsprozess der heutigen Energieversorgungsnetze, die sogenannte Energiewende, bereits begonnen. Neben Zielen, wie effiziente Nutzung fossiler Energieträger oder Entwicklung neuer Speichertechnologien, steht auch die Gewährleistung einer nachhaltigen Energieversorgung im Fokus der Energiewende. Eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende, erfordert den Aufbau von intelligenten Energieverbundsystemen, welche neben dem Sektor Strom, auch die Bereiche Wärme sowie die Energieversorgung der Mobilität berücksichtigen. In sogenannten Smart Grids werden intelligente Erzeuger, Speicher, Verbraucher und Netzbetriebsmittel in Netzen zur Energieübertragung und -verteilung mit Hilfe von Informations- und Kommunikationstechnik mit einander vernetzt und gesteuert [1].

In der konventionellen Netztopologie speisen zentral positionierte Großkraftwerke Energie in die Höchst- und Hochspannungsebene ein. Diese wird über die Hoch- und Mittel- in die Niederspannungsebene, transportiert und dezentral an kommunale Verbrauchersysteme abgegeben. Auch in der Mittelspannungsebene können große Verbraucher (z. B. Industriebetriebe) angeschlossen sein. Heute sind die meisten Windkraft- und Photovoltaikanlagen an das MS-Netz (Mittelspannung) angeschlossen. Photovoltaikanlagen, dessen Leistungen sich im zweistelligen kW-Bereich befinden (z. B. Anlagen auf Hausdächern), speisen in das Niederspannungsnetz ein. Die elektrischen Netze sind, wie sich aus der oben beschriebenen Historik bereits erahnen lässt, auf massive Einspeisungen von erneuerbaren Erzeugungsanlagen auf der Verteilungsebene nicht ausgelegt. Für den Fall einer reinen Leistungsentnahme entlang einer Leitung sinkt die Spannung zum Ende hin einer Leitung ab. Wird an der gleichen Stelle einer Leitung nicht nur Leistung durch Verbraucher entnommen, sondern auch durch die Errichtung von erneuerbaren Erzeugungsanlagen eingespeist, ist eine Spannungsanhebung zu verzeichnen. Diese Anhebung kann zur Überschreitung von oberen Spannungsgrenzen führen, weshalb diese bei der Errichtung berücksichtigt werden müssen. Zudem ist auch die thermische Belastbarkeit der Betriebsmittel ein wichtiger Faktor bei der Errichtung und Netzintegration von erneuerbaren Erzeugungsanlagen. Eine Überschreitung der thermischen Belastbarkeit, werkstoffspezifische Grenztemperaturen, von Betriebsmitteln kann zu einer Veränderung der physikalischen und chemischen Eigenschaften führen und die Lebensdauer reduzieren. In elektrischen Netzen liegt ein zeitlich andauerndes Gleichgeweicht zwischen Verbrauchs- und Erzeugungsleistung vor, auch die im Netz verursachten Verluste sind in diesem Gleichgewicht zu berücksichtigen. Da Lastzu- und Lastabschaltungen zu Änderungen der Netzfrequenz und der Netzspannung führen, muss ein hoher Anteil an „gesicherter“ Leistung bereitgestellt werden, um Netzstörungen und etwaige Stromausfälle zu verhindern. Dieser Anteil wird aufgrund der Witterungsabhängigkeit von erneuerbaren Energieerzeugungsanlagen heute hauptsächlich in fossilen und nuklearen Kraftwerken erzeugt. Erneuerbare Energieerzeugungsanlagen können ihren sehr geringen Anteil an „gesicherter“ Leistung bezogen auf die installierte Leistung in Zukunft nur erhöhen, insofern diese mit Speichertechnologien kombiniert werden. Neben dieser Kombination und deren optimalen Einbindung in das Netz werden auch hocheffiziente Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, virtuelle Kraftwerke und Hybridkraftwerke an Bedeutung gewinnen [13].

Aufgrund der Komplexität und Größe von elektrischen Netzen, werden Lastflussberechnungen in der Praxis anhand von Jahreslastgängen nicht durchgeführt. Vielmehr werden für vier klassische Fälle (Winter und Sommer, bei minimaler und maximaler Belastung) jeweils zwei signifikante Wochen berechnet. Um möglichst rasch Informationen, wie die Möglichkeit der Implementierung von erneuerbaren Erzeugungsanlagen, Deckungsgrade, Jahresdauerlinien usw., zu erhalten, wird am Lehrstuhl Energieverbundtechnik, Montanuniversität Leoben, der zellulare Ansatz verfolgt. Anhand dessen soll mit Hilfe eines Modells, welches möglichst rasch und auch mit wenigen Daten aussagekräftige Ergebnisse liefern kann, ein Kompromiss zwischen Abbildungsgenauigkeit und Rechenaufwand ermöglicht werden.

Um ein besseres Verständnis für die Methodik bei der Entwicklung eines Modells für das elektrische Netz unter Anwendung des zellularen Ansatzes zu schaffen, soll in einem ersten Schritt dieser Ansatz vorgestellt werden. Es soll aufgezeigt werden in wie weit ein komplexes System unter Anwendung des zellularen Ansatzes so vereinfacht werden kann, um ein aussagekräftiges und ausreichend genaues Modell für die Mittelspannungsebene eines elektrischen Netzes zu entwickeln. In einem nachfolgenden Schritt werden die Ergebnisse, welche im Rahmen des „FFG – Smart Cities Demo“ Projektes „Smart Exergy Leoben“ (Projektnummer: 8500030, bereits abgeschlossen) erarbeitet wurden und das elektrische Netz betreffen, vorgestellt. Neben der Betrachtung möglicher Ausbauszenarien für theoretische Photovoltaikpotentiale, werden die Lastflüsse in die übergeordnete Netzebene sowie die Überlastungen von Betriebsmitteln untersucht.

2 Der zellulare Ansatz

Das Ziel des zellularen Ansatzes ist die Entwicklung eines Zellenmodells, welches für individuelle Bedürfnisse einen Kompromiss zwischen Abbildungsgenauigkeit und Rechenaufwand ermöglicht. In Energieversorgungssystemen erfolgt mit diesem Ansatz die Einteilung in Energiezellen. Die gewählte Größe einer solchen Zelle ist anwenderspezifisch, so können große Einheiten, wie einzelne Staaten oder Regionen, aber auch kleine Einheiten, wie ein einzelnes Einfamilienhaus als Energiezelle definiert werden. Mit Hilfe des zellularen Ansatzes soll aufgezeigt werden, in wie weit ein ausbalancieren zwischen Verbrauch und Erzeugung innerhalb einer Zelle auf der niedrigst möglichen Ebene denkbar ist [4].

Im Rahmen des Projektes „Smart Exergy Leoben“ wird der zellulare Ansatz auf die Mittelstadt Leoben angewendet. Wie in Abb. 1 dargestellt, erfolgt die Zelleneinteilung jedoch bis zu den Gemeindegrenzen. Im Rahmen dieses Sondierungsprojektes wird der Ansatz für die Energieträger Strom, Gas und Wärme angewendet. Neben der Topografie orientiert sich die vorgenommene Zelleneinteilung auch an Besiedelungs- und Netzstrukturen (Fernwärme- und Gasnetz) [5].

Abb. 1.
figure 1

Zelleneinteilung: Projekt „Smart Exergy Leoben“

3 Modellentwicklung

Bei der im Folgenden beschriebenen Methodik wird ein vollständiger Stromnetzplan, welcher neben ausführlichen Last- und Einspeisedaten ebenso eine geografische Verortung der einzelnen elektrischen Betriebsmittel (Lasten, Erzeuger, Speicher, Leitungen, Ortsnetztransformatoren, Transformatoren zur Umspannung auf die einzelnen Spannungsebenen, …) beinhaltet, vorausgesetzt. Die prinzipielle Vorgehensweise der Modellentwicklung für ein Mittelspanungsnetz unter Anwendung des zellularen Ansatzes soll mit Hilfe der Abb. 2 veranschaulicht werden. Ausgehend von einer bestehenden Zelleneinteilung und einem Stromnetzplan erfolgt, wie im rechten oberen Bereich der Abb. 1 dargestellt, die Identifizierung und Zuordnung aller elektrischen Betriebsmittel (Lasten, Erzeuger, Speicher, Leitungen, Transformatoren, …) zu den einzelnen Energiezellen. Im Anschluss werden jeweils die einzelnen Last-, Erzeuger-, und Speicherstrukturen, welche sich innerhalb derselben Zelle befinden, in einen gemeinsamen Netzknoten in Abhängigkeit der Spannungsebene zusammengefasst. Je nach Vorhandensein von Last-, Erzeuger-, und Speicherstruktur werden unter Verwendung von zeitlich aufgelösten Messdaten oder unter Anwendung der Standardlastprofile des VDEW bzw. der standardisierten Lastprofile der E-Control ein bis drei viertelstündlich aufgelöste Jahreslastgänge je Zelle und Spannungsebene erhalten. Diese Lastgänge, sowie alle weiteren Daten und Informationen werden nach der Erfassung dem jeweiligen Netzknoten eindeutig zugeordnet. Der Netzknoten repräsentiert den geografischen Zellenmittelpunkt jeder Zelle und kann im Falle des Mittelspannungsnetzes als fiktiver Ortsnetztransformator der jeweiligen Zelle interpretiert werden.

Abb. 2.
figure 2

Vorgehensweise Modellierung eines Mittelspannungsnetzes

Nach der Erfassung und Zuordnung der Informationen und Daten der einzelnen Zellen erfolgt die Modellerstellung unter Anwendung der Software NEPLAN [6]. Zu Beginn werden, abhängig von der Anzahl der vorhandenen Spannungsebenen der einzelnen Zellen, für jede Zelle ein oder zwei Sammelschienen, welche die fiktiven Ortsnetztransformatoren repräsentieren, modelliert. Die Vorgehensweise der anschließenden Leitungsimplementierung wird mit Hilfe der Abb. 3 anhand von ausgewählten Leitungen veranschaulicht und erfolgt entsprechend der ursprünglichen Netzstruktur. Das heißt es werden all jene Leitungen in das Modell integriert, welche aktiv an einem Zellenübertritt teilnehmen. Ob eine Leitung aktiv an einem Zellenübertritt teilnimmt, wird anhand der Zuordnung der Ortsnetztransformatoren, mit denen die einzelnen Leitungen im realen Netz verbunden sind, ermittelt. Alle Leitungen innerhalb der Zellen werden in einem ersten Schritt vernachlässigt und nachfolgend als „fehlende Leitungen“ bezeichnet. Neben der Implementierung des Einspeiseknotens für die nächsthöhere Spannungsebene (110-kV-Ebene), erfolgt die Integration aller vorhandenen Transformatoren, welche die 30-kV- mit der 5-kV-Ebene verbinden. Zudem werden die Lasten, Erzeuger und Speicher in die einzelnen Netzknoten implementiert. Bevor der Status quo des Modells für das elektrische Netz unter Anwendung des zellularen Ansatzes erhalten wird, erfolgt in einem letzten Schritt die Überprüfung der Genauigkeit.

Abb. 3.
figure 3

Leitungsimplementierung

Zur Überprüfung der Genauigkeit des Modells wird in einem ersten Schritt eine Lastflussberechnung für den größtmöglichen Belastungsfall (maximale Lastspitzen, bei minimalen dezentralen Einspeisespitzen) durchgeführt. Anschließend erfolgt ein Vergleich der Lastflüsse des realen Netzes mit jenen des Modells. Während sich die Summe aller Wirkleistungsflüsse auf einen ersten Blick mit guter Genauigkeit abbilden lässt, weisen die Blindleistungsflüsse deutliche Abweichungen auf. Diese sind auf die Vorgehensweise der Leitungsimplementierung und den damit verbundenen „fehlenden Leitungen“ zurückzuführen. Kabel werden meist unternatürlich betrieben und liefern kapazitive Blindleistung. Aufgrund der Reduzierung der zahlreichen Leitungen auf rund ein Viertel bezogen auf die Gesamtanzahl der vorhandenen Leitungen im realen Netz, wird dementsprechend weniger kapazitive Blindleistung im Modell erzeugt. Um dieser Tatsache entgegen zu wirken, wird versucht über Nachbildung der Leitungsverluste eine Verbesserung der Abbildungsgenauigkeit zu erwirken. Die verursachten Blindleistungsverluste für den größtmöglichen Belastungsfall im realen Netz werden für jede Leitung ermittelt. Es folgt die Aufsummierung der Blindleistungsverluste der „fehlenden Leitungen“ für die einzelnen Zellen. Unter Anwendung der allgemeinen Formel zur Berechnung der Blindleistung \(Q\), siehe Formel (1), und anschließendem Einsetzen der Formeln für den kapazitiven bzw. induktiven Blindwiderstand \(X\), siehe Formeln (2) und (3), können entsprechend der Formeln (4) und (5) die Ersatzkapazitäten \(C_{komp}\) und -induktivitäten \(L_{komp}\) für jede Zelle berechnet werden. Für die Spannung \(U\) wird abhängig von der Spannungsebene der Betrag der anliegenden verketteten Spannung eingesetzt (5 kV bzw. 30 kV).

$$\begin{aligned} &Q= \frac{U_{eff}^{2}}{X} \end{aligned}$$
(1)
$$\begin{aligned} & X_{C} =-j \frac{1}{\omega\cdot C_{komp}} \end{aligned}$$
(2)
$$\begin{aligned} &X_{L} =j\omega\cdot L_{komp} \end{aligned}$$
(3)
$$\begin{aligned} & C_{komp} =- \frac{Q_{ver}}{j\omega\cdot U_{eff}^{2}} \end{aligned}$$
(4)
$$\begin{aligned} & L_{komp} = \frac{U_{eff}^{2}}{j\omega\cdot Q_{ver}} \end{aligned}$$
(5)

Im Anschluss an die Ermittlung werden für jeden Netzknoten die berechneten Ersatzkapazitäten \(C_{komp}\) und -induktivitäten \(L_{komp}\) in den Netzplan des Modells mit Hilfe von E-RLC-Modulen integriert. Bei diesen Modulen handelt es sich um eine Serienschaltung bestehend aus einem Ohm‘schen Widerstand R, einer Spule L und einer Kapazität C, welche zwischen Phase und Erde geschaltet ist, siehe Abb. 4.

Abb. 4.
figure 4

E-RLC-Modul: Aufbau

Mit Hilfe der Nachbildung der Blindwiderstände kann der relative Fehler zwischen den Blindleistungsflüssen des Modells und jenen des realen Netzes von 220 % auf 24 % gesenkt werden, sodass diese Annäherung für eine erste Analyse als ausreichend genau eingestuft werden kann. In einer abschließenden Analyse erfolgt eine Gegenüberstellung der Wirkleistungsflüsse des realen Netzes mit jenen des Modells. Eine Erfassung der Wirkleistungsverluste der „fehlenden“ Leitungen erbrachte eine Verbesserung der Genauigkeit von weniger als 3 %, weshalb darauf verzichtet wird, diese zu berücksichtigen und im E-RLC-Modul der ohmsche Widerstand auf 0 gesetzt wird. Eine genauere Betrachtung der Auslastung der Leitungen bzw. der zu transportierenden Leistungen zeigt eine Lastverschiebung zwischen dem realen Netz und dem Modell auf. Während sich im näheren Umfeld der Stichleitungen und in den äußeren Zellen des Modells der Lastfluss des Modells jenem des realen Netzes um bis zu 5 % annähert, zeichnen sich im Bereich der 30-kV-Ebene und in den Umspannungsknoten auf die 5-kV-Ebene Abweichungen des Lastflusses ab. Diese beeinflussen wiederum die 5-kV-Ebene im dicht vernetzten Teil des Modells, weshalb eine stärkere bzw. schwächere Belastung in einigen Bereichen im Vergleich zum realen Netz auftritt. Diese Abweichungen der Wirkleistungslastflüsse im dicht vernetzten Teil des Modells sind auf Verzweigungen der Leitungen innerhalb der Zellen, welche vom Modell nicht erfasst werden, zurückzuführen. Es entstehen im Modell teilweise Verbindungen, welche im realen Netz nicht existieren. Auch wenn dadurch teilweise Abweichungen von bis zu 40 % auftreten, kann die Summe aller Lastflüsse mit einer Genauigkeit von rund 2 % nachgebildet werden. Das entwickelte Modell ermöglicht im Rahmen der hier beschriebenen Methodik eine Abbildung von Lastflüssen in der Mittelspannungsebene sowie in die nächsthöhere Spannungsebene. Während in der Praxis lediglich zwei signifikante Wochen für vier Fälle berechnet werden, eröffnet das Modell aufgrund seiner Vereinfachungen die Möglichkeit, Lastflussberechnungen mit viertelstündlich aufgelösten Jahreslastgängen durchzuführen. Unter der Tatsache eine solche Berechnung für ein Mittelspannungsnetz innerhalb von drei Stunden zu gewährleisten, können die oben beschriebenen Lastverschiebungen und Abweichungen toleriert werden.

4 Ergebnisse

Im Rahmen des Sondierungsprojektes „Smart Exergy Leoben“ werden verschiedene Ausbauszenarien entwickelt. Hierbei gilt es unter anderem zu Überprüfen in welchem Ausmaß in der Gemeinde Leoben Photovoltaik(PV)-Anlagen auf Hausdächern ausgebaut werden können, ohne Überlastungen im elektrischen Netz hervorzurufen. Hierfür wird nach der in Abschn. 3 „Modellentwicklung“ beschriebenen Methodik vorgegangen. Nach Erhalt des Status quo werden mögliche theoretische PV-Potentiale erhoben.

Für die Potentialerhebung wird der 2013 veröffentlichte Solardachkataster des Landes Steiermark und Wetterdaten aus dem Jahr 2014, welche in 10-Minuten-Mittelwerten vorliegen und von der ZAMG zu Verfügung gestellt wurden, herangezogen. Ein eigens entwickeltes Modell, welches den direkten, diffusen und reflektierenden Anteil berücksichtigt, wird zur Berechnung der solaren Erträge eingesetzt. Weiters bezieht das Modell jene Dachflächen ein, welche im Solardachkataster als „sehr gut“ und „gut“ eingestuft werden. Das erhaltene Ergebnis ist ein Jahreslastgang in Abhängigkeit der Außentemperatur und Einstrahlung der ermittelten Gesamtfläche je Zelle [5].

Im Anschluss an die Erhebung werden die ermittelten PV-Potentiale in den Status quo des Modells integriert. In Abb. 5 ist der Netzplan des entwickelten Modells abgebildet. Wie darin zu erkennen, besteht das Verteilernetz der Mittelspannungsebene in Leoben aus einer 30-kV- (Endung _30) und einer 5-kV-Ebene.

Abb. 5.
figure 5

Netzplan für das Modell des elektrischen Netzes

Ausgehend von einer 100-%-Nutzung des theoretischen PV-Potentials werden verschiedene Abstufungen des Potentials vorgenommen, um „Schwachstellen“ im elektrischen Netz zu identifizieren und die mögliche maximale Ausbaurate der Photovoltaikeinspeisung abzuschätzen. Abbildung 6 zeigt einen Modellausschnitt mit einer 100-%-Nutzung des PV-Potentials, inklusive Überlastungen. Bei einer Nutzung von 100 % des PV-Potentials treten neben Überschreitungen der oberen Spannungsgrenzen, Leitungsüberlastungen sowie die Überlastung des Transformators zwischen der 30-kV- und der 110-kV-Spannungsebene auf. Bei einem gleichmäßigen Ausbau der PV-Potentiale von 50 % treten keinerlei Störungen mehr auf.

Abb. 6.
figure 6

Identifizierung von Überlastungen – Modellausschnitt mit Nutzung von 100 % des PV-Potentials

In weiteren Schritten wird die maximale Ausbaurate bei „intelligenter“ Herabsetzung und Verteilung der Photovoltaik-Einspeisepotentiale gesucht, bei der kein Netzausbau erfolgen muss. Intelligente Herabsetzung bedeutet, dass in einigen Zellen durchaus eine Ausbaurate von 100 % angestrebt werden kann, während diese in anderen Zellen bis auf maximal 30 % reduziert werden muss. In einem ersten Schritt wurde das Potential in jenen Zellen gesenkt, bei welchen Überschreitungen der Grenzspannungen auftreten oder die überschüssige Leistung, ohne Überlastungen bei Leitungen hervorzurufen, nicht in benachbarte Zellen transportieren können. Im Anschluss wurde das Potential im innerstädtischen Bereich soweit gesenkt, sodass am Transformator zwischen der 30-kV- und 110-kV-Ebene keine Überlastungen mehr auftreten (siehe Abb. 6). Unter Anwendung dieser Methodik kann in Summe eine durchschnittliche Ausbaurate von 62 % erreicht werden d. h. 62 % des gesamt möglichen PV-Potentials können ohne Störungen und Überlastungen hervorzurufen in das elektrische Netz von Leoben eingespeist werden. In Abb. 7 wird eine solche Verteilung des PV-Potentials dargestellt. Die Abbildung stellt nur eine von vielen Möglichkeiten einer solchen „intelligenten“ Herabsetzung dar. Ein alternatives Szenario könnte ein Vollausbau des innerstädtischen Bereichs sein, während die Randbereiche einen geringen Ausbau aufweisen.

Abb. 7.
figure 7

Mögliche PV-Verteilung bei intelligenter Herabsetzung

Diese 62-%-ige Nutzung des PV-Potentials entspricht einer Energiemenge von rund 60 GWh/a. Fast ein Drittel des Gesamtverbrauchs von Leoben kann durch PV-Erzeugung dezentral erzeugt und in das Netz eingespeist werden. Die größte „Schwachstelle“ stellt der Transformator zwischen der 30-kV- und 110-kV-Spannungsebene dar, welcher vor allem in den Mittagsstunden die hohen Einspeisespitzen in die 110-kV-Ebene rückspeisen muss und auch bei 62 % Ausbaurate an heißen Sommertagen Auslastungen bis zu 98 % erreicht. Für eine etwaige Entlastung des Transformators kann der vorhandene zweite Transformator (Redundanz) kurzzeitig zugeschaltet werden. Die Folgen einer solchen Auslastung auf eine mögliche Verkürzung der Lebensdauer der Betriebsmittel werden jedoch nicht näher betrachtet.

Abbildung 8 zeigt die Gegenüberstellung der zu importierenden Jahresenergiemenge zur Exportierenden. Bei steigender Nutzung des PV-Potentials sinkt wie zu erwarten die zu importierende Leistung, während die zu exportierende Leistung steigt. Bereits im Status quo wird eine geringe Menge (<1 GWh/a) an elektrischer Energie in die 110-kV-Ebene gespeist. Während bei einer theoretischen Nutzung von 20 % des PV-Potentials die zu exportierende Leistung nur auf 3 GWh/a erhöht werden kann, sinkt der Import um rund 20 GWh/a. Bei einem theoretischen Einsatz aller Photovoltaikeinspeisepotentiale kann die zu importierende elektrische Energie auf rund 55 % (55 GWh/a) gesenkt werden. Für das Szenario der „intelligenten“ Herabsetzung und Verteilung entspricht diese Reduktion 62 %, gleich jenem Anteil an theoretischem Photovoltaikpotential der integriert werden kann.

Abb. 8.
figure 8

Energieexport und -import in Abhängigkeit der Nutzung des PV-Potentials

5 Zusammenfassung und Ausblick

Im Rahmen des Projektes „Smart Exergy Leoben“ konnte aufgezeigt werden, dass eine Entwicklung eines Modells für ein elektrisches Netz unter Anwendung des zellularen Ansatzes prinzipiell möglich ist. Die Entwicklung eines solchen Modells ermöglicht eine Lastflussberechnung mit viertelstündlich aufgelösten Jahreslastgängen. Dadurch können relativ rasch Erkenntnisse über mögliche „Schwachstellen“ im elektrischen Netz identifiziert und mögliche Ausbaupotentiale für PV-Anlagen bestimmt werden. Auf Basis der verwendeten Methodik werden jedoch nicht einzelne Ortsnetztransformatoren sondern Bereiche als „Schwachstellen“ identifiziert. Im Rahmen des Sondierungsprojektes „Smart Exergy Leoben“ war diese Identifizierung ausreichend, weshalb vorerst darauf verzichtet wurde eine Methodik zu entwickeln, mit Hilfe derer die Lastflüsse innerhalb der Zellen und in die darunter liegende Niederspannungsebene nachgebildet werden können. Bevor diese Thematik aufgegriffen wird, soll in den nächsten Schritten vorerst die wohl größte Schwäche des vorhandenen Modells, die Genauigkeit, verbessert werden. Denn obwohl für eine erste Analyse für eine Lastflussberechnung für den größtmöglichen Belastungsfall (maximale Lastspitzen, bei minimaler dezentralen Einspeisespitzen) eine akzeptable Abweichung von durchschnittlich 15 % zwischen den Lastflüssen des realen Netzes und jenen des Modells erreicht wird, können einige Punkte aufgezeigt werden, die im nachfolgenden genauer untersucht werden müssen. Zu diesem gehört neben der korrekten Nachbildung der „fehlenden“ Leitungen die Beseitigung von Lastflussverschiebungen.

Zur Verbesserung der Genauigkeit werden zur Behandlung der Thematik der „fehlenden“ Leitungen und deren bestmögliche Erfassung im Modell verschiedene Ansätze näher betrachtet. Neben der Überlegung Leitungstypen über eine Gewichtung zu bestimmen und in das Modell zu integrieren, wird ebenso der Ansatz der Ermittlung fiktiver Leitungsparameter betrachtet. Um Lastflussverschiebungen zu vermeiden, soll eine Methodik entwickelt werden, welche den Leitungsverlauf des realen Netzes im Modell bestmöglich berücksichtigt, um vor allem Verbindungen, welche in der Realität nicht existieren, zu vermeiden. Im Rahmen der Untersuchungen zur Verbesserung der Genauigkeit, sollen zudem Parameter identifiziert werden, welche wenn möglich eine Anwendung des zellularen Ansatzes zur Entwicklung eines Modells für jedes beliebige elektrische Netz ermöglichen und gewährleisten.

Die in diesem Artikel beschriebene Methodik bei der Entwicklung eines Modells für ein Mittelspannungsnetz unter Anwendung des zellularen Ansatzes soll die Basis für das gegenständliche „FFFG- Stadt der Zukunft“-Projekt „Move2Grid“ darstellen. Im Rahmen dieses Projektes soll unter mit Einbeziehung von Verkehrsanalysen und gesamtsystematischen Rahmenbedingungen aufgezeigt werden wie Elektromobilität langfristig mit erneuerbaren Ressourcen versorgt und in das Verteilernetz implementiert werden kann.