1 Einleitung

Die Modifikation von Einschlüssen über den Verlauf von Prozessen hinweg ist ein Aspekt der Metallurgie, welcher zunehmend in den Fokus der Forschung rückt. In Werkstoffen für spezielle Anwendungen stellt die Stahlreinheit in ihrer Gesamtheit sowohl ein entscheidendes Qualitätsmerkmal, das einen direkten Einfluss auf die Materialeigenschaften hat, als auch ein wesentliches Kriterium, das die Stabilität der Herstellungsprozesse maßgeblich beeinflusst, dar [1,2,3].

Verschiedene Tracing-Verfahren etwa bieten die Möglichkeit, die Entwicklung von Einschlüssen in metallurgischen Verfahren zu untersuchen. Bei diesen Techniken kommen verschiedene Stoffe zum Einsatz, welche dem Prozess zu bestimmten Zeitpunkten zugegeben werden, um die Modifikation von NME zu beobachten [4, 5]. Dabei stellt das Tracing mittels Seltener Erden (SE) die aktuell am häufigsten verwendete Variante dar.

Auch wenn die Zugabe von Seltenen Erden zum Tracing von Einschlüssen zunehmend an Bedeutung gewinnt, ist der Einfluss von SE auf die Eigenschaften der Einschlüsse sowie deren Charakterisierungtrotz einiger Publikationen noch nicht gänzlich erforscht [6, 7].

Um daher die Modifikation von Einschlüssen durch das Tracing besser zu verstehen, wird im Zuge der vorliegenden Arbeit der Einfluss von SE auf die Ergebnisse der Analyse untersucht. Dabei werden besonders Methoden zur Analyse der 3D-Morphologie verwendet [8].

Des Weiteren wird im Rahmen des Beitrags eine statistische Methode untersucht, welche die Berechnung der Einschlussdichte pro Volumen aus einem 2D-Bild der Oberfläche ermöglicht. Die statistische Berechnung soll durch das innovative Verfahren der Single Particle Optical Sensing (SPOS) validiert werden [9, 10].

Da beim Tracing mit SE primär Desoxidationsprodukte und daher Oxide untersucht werden, befasst sich die vorliegende Arbeit hauptsächlich mit dieser Einschlussklasse.

2 Material und Methoden

Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit der Untersuchung des Verhaltens von NME in Ti-stabilisierten ULC-Stählen mit erhöhten Gehalten an SE während der auf Extraktion basierenden Präparation von Einschlüssen. Als Ausgangsmaterial wurde zu diesem Zweck eine Legierung mit der in Tab. 1 gezeigten, mittels Funkenspektrometrie gemessenen Zusammensetzung im Labormaßstab hergestellt.

TABELLE 1 Chemische Zusammensetzung der untersuchten Legierung

Als nächstes erfolgte aus dem erzeugten Material, die Herstellung von Probenwürfeln mit einer Kantenlänge von ca. 1 cm für die sequenzielle chemische Extraktion sowie von Platten mit den Abmaßen 0,5 cm × 2 cm × 1 cm für die elektrolytische Extraktion. Darüber hinaus wurden die Prozessproben zur anschließenden Untersuchung mittels Rasterelektronenmikroskopie mit energiedispersiver Röntgenspektroskopie (REM/EDX) geschnitten, eingebettet, geschliffen und poliert. Die analysierte Probenfläche betrug etwa 100 mm2.

Die Untersuchung der Proben erfolgte sowohl durch chemische Extraktion in einer sequenziellen Ausführung mittels einer 5 % Nital-Lösung (5 vol-%. Salpetersäure in Ethanol) als auch durch elektrolytische Extraktion mit dem Elektrolyten 10 % AA (4 vol.-% Salicylsäuremethylester, 1 vol.-% Tetramethylammoniumchlorid in Methanol) [8]. Nach den entsprechenden Filtrationsschritten mithilfe einer vakuumunterstützten Filtrationsvorrichtung (Einsatz von 12 µm und 1 µm Filtern) konnten die Filterkuchen unter Zuhilfenahme von REM/EDX untersucht werden. In dieser Arbeit wurde für die REM/EDX Analyse ein JEOL 7200F (JEOL Germany GmbH, Freising, Deutschland) verwendet.

Zur Ermittlung der Einschlussdichte pro Volumen durchlief das Filtrat des Filterkuchens der elektrolytischen Extraktion (Filterkuchen E) eine Untersuchung mittels der SPOS Methode [9]. Aus den Daten der automatisierten REM/EDX Analyse der präparierten Schliffprobe konnte basierend auf der statistischen Methode der Woodhead-Analyse ebenfalls eine Einschlussdichte pro Volumen errechnet werden, welche zur Validierung der Ergebnissen der SPOS Methode diente.

3 Ergebnisse und Diskussion

Bei einer REM/EDX-Untersuchung wurde eine Messfläche von ca. 100 mm2 abgerastert was eine Bestimmung der chemischen Zusammensetzung der in diesem Bereich detektierten NME ermöglichte. Dies erfolgte, wie in Abb. 1 zu sehen, durch das Auftragen derAnzahl der NME pro Fläche über die verschiedenen Arten von Einschlüssen. Es ist zu erkennen, dass es sich bei der am häufigsten auftretenden Gruppe von Einschlüssen im untersuchten Stahl um Oxide handelt.

Abb. 1
figure 1

Anzahl von NME pro Fläche über die verschiedenen Arten von Einschlüssen

Auch bei der dreidimensionalen Untersuchungsmethode der NME in der Probe durch chemische und elektrolytische Extraktion mit anschließenden manuellen REM/EDX Analysen konnten Oxide als die häufigste Art von Einschlüssen bestimmt werden.

In Abb. 2 ist beispielhaft einer der in der REM/EDX Analyse des Filterkuchens der chemischen Extraktion (Filterkuchen C) gefundenen Einschlüsse zu sehen. Es ist zu erkennen, dass es sich dabei um ein Agglomerat verschiedener Einschlusstypen handelt, wobei neben Oxiden auch Nitride Teil des Agglomerates sind. Bei einigen Teilbereichen des mehrphasigen Einschlusses ist des Weiteren deutlich erkennbar, dass es sich um Oxide mit Anteilen an Ce handelt, was auf einen Erfolg der SE-Zugabe in der Herstellung des Stahls hinweist.

Abb. 2
figure 2

REM-Aufnahme eines im Filterkuchen C gefundenen Einschlusses

Durch die im Zuge der Analyse der auf Filterkuchen C detektierten Typen von Einschlüssen konnte die Stabilität der untersuchten Oxide während der chemischen Extraktion im sequenziellen Ablauf bestätigt werden. Dies ermöglicht die Beurteilung dieses Präparationsschrittes als ein geeignetes Untersuchungsverfahren von SE-modifizierten Einschlüssen im analysierten Stahl.

Auch bei der REM/EDX Analyse des Filterkuchens E konnten vergleichbare Ergebnisse hinsichtlich Einschlusstyp beobachtet werden. Dieser Umstand bestätigt erneut die Eignung der chemischen Extraktion, da kein Einschlusstyp in der weniger aggressiven elektrolytischen Extraktion gefunden werden konnte, welcher nicht auch bei der chemischen Extraktion auftritt. Beispielhaft ist einer der gefundenen Einschlussagglomerate in Abb. 3 zu sehen.

Abb. 3
figure 3

REM-Aufnahme eines im Filterkuchen E gefundenen Einschlusses

Der Filterkuchen E wurde auch für die Analyse des Stahls mittels SPOS herangezogen. Zu diesem Zweck erfolgte das Abwaschen eines Viertels des Filters in Methanol, sodass eine Suspension der Einschlüsse mit Alkohol entstand.

Die SPOS Messung ermöglichte die Anzahl der Einschlüsse in der vorbereiteten Suspension der NME aus dem Filterkuchen E nach Größenordnung zu erheben. Die SPOS Messung basiert dabei auf der Detektion von Unterbrechungen eines Lichtstrahls, welche durch die Einschlüsse in der durchgeleiteten Suspension ausgelöst werden. Dabei wird neben der Anzahl auch die Größe der Unterbrechungen erhoben. Diese Werte lassen in weiterer Folge auf Anzahl und Ausdehnung der Einschlüsse schließen. Der Vergleich mit dem aufgelösten Volumen (Erhebung mittels Wägung der Probe vor und nach dem Extraktionsschritt) ermöglichte die Berechnung der Einschlussdichte pro Volumen, einschließlich der Klassifizierung nach Größe. Die ermittelten Einschlüsse pro Volumen, erhoben durch die SPOS Methode, sind in Abb. 4 aufgeteilt nach Größen der Einschlüsse als schwarze Punkte eingetragen.

Abb. 4
figure 4

Vergleich der Ergebnisse der SPOS Messungen (schwarze Punkte) mit den berechneten Werten der Woodhead-Analyse (orange Balken)

Als weitere Methode zur Bestimmung der Einschlussdichte pro Volumen wurde anhand der Ergebnisse der automatisierten REM/EDX-Messung der Schliffprobe eine statistische Auswertung durchgeführt.

Die Woodhead-Analyse ist eine Methode, die die Schnittwahrscheinlichkeiten von Kugeln wi,j in einem Volumen nutzt, um die tatsächliche räumliche Ausdehnung ni‑true sowie die Einschlussdichte pro Volumen zu berechnen. Durch die Präparation werden Einschlüsse an verschiedenen Stellen geschnitten. Durch das Schleifen wird in einem Bild eine kreisförmige Fläche bei sphärischen Partikeln sichtbar. Aus der Größe dieser Kreisflächen ni und den berechneten Schnittwahrscheinlichkeiten lässt sich auf die tatsächliche Größe des Einschlusses schließen. Aus der tatsächlichen räumlichen Ausdehnung der Einschlüsse kann dann das Volumen berechnet werden, womit schließlich die Anzahl der Einschlüsse pro Volumen ermittelt wird. Dabei erfolgt die Berechnung der Schnittwahrscheinlichkeiten von Kugeln und der tatsächlichen räumlichen Ausdehnung eines Einschlusses über folgende Zusammenhänge:

$$n_{i-\mathrm{true}}=\frac{n_{i}-{\sum }_{j< i}^{n}n_{j}*w_{i{,}j}}{w_{i{,}i}}$$
$$w_{i{,}j}=\frac{1}{2*j-1}*\left(\sqrt{\left(2*j\right)^{2}-4*\left(i-1\right)^{2}}-\sqrt{\left(2*j\right)^{2}-4*\left(i\right)^{2}}\right)$$

Die berechneten Einschlussdichten pro Volumen, sind neben den Ergebnissen der SPOS Messung in Abb. 4, als Balken aufgetragen.

Durch den Vergleich der mittels SPOS Messung sowie Woodhead-Analyse erhobenenEinchlussdichten pro Volumen (siehe Abb. 4) kann eine Bewertung der Eignung der statistischen Methode durchgeführt werden. Dabei zeigt sich, dass die Ergebnisse der beiden Methoden vor allem bei geringen Einschlussgrößen ähnliche Verläufe aufweisen. Jedoch ist mit ansteigender Größe der Einschlüsse eine zunehmende Abweichung der beiden Verläufe zu erkennen. Dies lässt sich mit der Tatsache erklären, dass die Woodhead-Analyse, wie zuvor beschrieben, auf der Schnittwahrscheinlichkeit von Kugeln basiert und größere Einschlüsse, wie in Abb. 2 und 3, im untersuchten Stahl als nicht-sphärische Agglomerate vorzufinden sind. In Abb. 5 ist hingegen ein deutlich kleinerer Einschluss zu sehen, welcher eine sphärische Form aufweist.

Abb. 5
figure 5

REM-Aufnahme eines im Filterkuchen E gefundenen Einschlusses

Aus dem durchgeführten Vergleich kann somit geschlossen werden, dass die Woodhead-Analyse für den untersuchten Stahl, speziell für den Bereich mikroskopischer Einschlüsse, eine geeignete Methode zur Ermittlung der Einschlussdichten pro Volumen ist.

4 Zusammenfassung

Nichtmetallische Einschlüsse im Stahl sind sowohl für die Produktqualität als auch die Prozessstabilität wesentlich. Dies hat zur Folge, dass immer mehr innovative Methoden, wie das Tracing von Einschlüssen, eingesetzt werden, um den Ursprung von NME besser verstehen und deren Modifikation genauer untersuchen zu können. Dabei kommt mit einer Steigerung der Komplexität der Einschlüsse durch deren Modifikation aufgrund des Tracings auch der Analyse von NME eine immer wichtigere Rolle zu. Im Rahmen dieser Arbeit erfolgte die Untersuchung des Einschlussverhaltens anhand einer Testschmelze durch verschiedener Methoden der Einschlussanalyse.

Die Eignung sowohl chemischer als auch elektrolytischer Verfahren der Einschlussextraktion für Ce-getracte, Ti-stabilisierte ULC-Stähle wurde untersucht. Dabei konnte die Stabilität der auftretenden Typen von Einschlüssen in beiden Methoden bestätigt werden. Speziell für die elektrolytische Extraktion konnte die Stabilität der Einschlüsse im Stahl auch durch die Ergebnisse der SPOS Messung verifiziert werden.

Auch konnte die statistische Methode der Woodhead-Analyse mit Messwerten der SPOS Messungen verglichen und speziell für Einschlüsse im mikroskopischen Größenbereich validiert werden. Dabei stellte sich heraus, dass das Woodhead-Modell vor allem für kleine sphärische Partikel eine gute Prognose zur Ermittlung der Einschlussdichte pro Volumen liefert.

Die gewonnenen Erkenntnisse dienen als Grundlage für weitere Forschungen im Bereich der Einschlussmodifikation bei der Herstellung von Spezialstählen sowie im Bereich des Tracings mittels Seltenen Erden.