1 Einleitung

Untertägige Infrastrukturen, wie zum Beispiel Tunnelbauwerke, Pumpkraftspeicher oder unterirdische Bahnhöfe, können in Ernstfällen, wie Bränden oder terroristischen Anschlägen, äußerst komplexe Szenarien für das Militär und Einsatzkräfte bilden. Um die Sicherheit von Zivilisten und Einsatzkräften dabei zu verbessern, wurde in den letzten Jahren intensive Forschung betrieben, die auch in den kommenden Jahren dringend notwendig ist und fortgesetzt werden muss. Um die Forschungsergebnisse der vergangenen Jahre zusammenzubringen, zu analysieren, weiterzuentwickeln und in der Praxis anzuwenden, fand vom 11. Juli 2022 bis 14. Juli 2022 am Zentrum am Berg auf dem steirischen Erzberg (Österreich) die IRON NIKE Forschungswoche statt. Im Zuge dieser Forschungs- und Entwicklungstage wurden verschiedene Projekte wie NIKE DHQ – RADIV, NIKE Bluetrack, NIKE SubMoveCon und NIKE RasPos getestet und zusammengeführt. All diese Projekte können mit Hilfe von SOMT (Subsurface Operations Mission Tool) visualisiert werden, wodurch eine virtuelle Umgebung geschaffen wird, in der militärische Operationen geplant und Einsatzkräfte in Echtzeit verfolgt werden können. Eine absolute Revolution ist dabei, dass Forschungspartner aus komplett unterschiedlichen Sparten ihre Entwicklungen gemeinsam mit Einsatzkräften wie Bundesheer, Feuerwehr, der Grubenrettung etc. in einem Tunnelbauwerk unter realen Bedingungen testen konnten.

Das „Zentrum am Berg“ (ZaB) bietet dafür als unterirdische Forschungs- und Versuchsanlage das perfekte Umfeld (Abb. 1). Es besteht aus zwei parallel geführten Straßen- und zwei parallel geführten Eisenbahntunneln von je 400 Metern Länge, die miteinander untertägig verbunden sind. Die gesamte unterirdische Infrastruktur ist etwa 4 km lang und bietet Versuchs- und Trainingsflächen. Die Straßentunnel sind voll ausgebaut und am neuesten Stand der Technik, wodurch eine einzigartige Testanlage geboten wird [1].

Abb. 1
figure 1

Einsatz der Grubenwehr Untertage (ZaB)

Um zu verdeutlichen, wie einzigartig das Konzept der IRON NIKE Forschungstätigkeit war, wird folgendes Beispiel angeführt: Die Grubenwehr hatte einen Einsatz (Suche und Bergung) in einem Tunnelbauwerk am ZaB, in dem ein Bus Feuer gefangen hat und die Umgebung komplett verraucht war (Abb. 2). Eine speziell für die unterirdische Infrastruktur entwickelte Drohne lieferte Bilder, so dass sich die Einsatzkräfte ein Bild von der Lage machen konnten. Die Grubenwehr machte sich daraufhin bereit und begann ihren Einsatz, während sie gleichzeitig in einer Leitstelle außerhalb des Tunnels mit SubMoveCon überwacht und geortet wurde. Mit diesem System können Personen auch dann erkannt und geortet werden, wenn der Tunnel durch einen Brand völlig verraucht ist und die Standardkameras keine auswertbaren Bilder liefern [2].

Abb. 2
figure 2

Bergung eines Opfers im verrauchten Tunnel rechts (ZaB)

2 Projekte im Zuge der IRON NIKE Forschungstätigkeit 2022

2.1 NIKE DHQ-RADIV (Digital Head Quarter-Entwicklung RApid Data Integration and Visualization)

Partner: Montanuniversität Leoben, Syncpoint GmbH, REALSIM, Ingenieurbüro Laabmayr & Partner ZT GesmbH., Meixner Vermessung ZT GmbH, Bundesministerium für Landesverteidigung, OHB Digital Solutions GmbH, JOANNEUM RESEARCH Forschungsgesellschaft mbH

Da die Einsatzszenarien in unterirdischen Infrastrukturen oft sehr komplex sind, ist es notwendig ein umfassendes Lagebild zu erstellen, um den Entscheidungsträgern eine Führungsgrundlage zu bieten. Dies erfordert die Integration und Visualisierung von heterogenen Datensätzen. Die Betreiber von Infrastrukturen sammeln eine Vielzahl wichtiger Informationen, die in den meisten Fällen jedoch nur in Notfällen zugänglich sind und von Experten auf diesem Gebiet ausgewertet werden müssen, um für die Einsatzleitung nützlich zu sein. NIKE DHQ-RADIV zielt darauf ab dieses Problem zu lösen, indem eine schnelle Datenintegration und Visualisierung dieser Informationen in einem „truly comprehensive Common Operational Picture“ ermöglicht werden soll. Wichtig ist dabei, dass die laterale Durchgängigkeit verschiedener Visualisierungssysteme in der gesamten „Reality – Virtuality“ Raum gewährleistet ist. Gegenwärtig sind nur Einzelanwendungen möglich. Mit Hilfe von Rapid Data Integration and Visualisation (RADIV) soll die gleichzeitige Verarbeitung und Darstellung unterschiedlicher Umgebungen möglich werden [3].

2.2 NIKE Bluetrack (BLUE Force TRACKing)

Partner: OHB Digital Solutions GmbH, Ingenieurbüro Laabmayr & Partner, Montanuniversität Leoben, Bundesministerium für Landesverteidigung, TU Graz – Institut für Geodäsie

Eine große Problematik bei Einsätzen unter Tage bilden meist schlechte Lichtverhältnisse, wenig oder keine Bewetterung, eine verzweigte und große untertägige Infrastruktur und auf militärischer Ebene zusätzlich ein Feind beziehungsweise Gegner, der gerade Untertage kaum geortet werden kann. Diese Vielzahl von Einflussfaktoren bringen die Einsatzkräfte schnell an ihre Leistungsgrenzen und es kristallisiert sich die Wichtigkeit heraus, in solchen Szenarien die Orientierung beizubehalten [4].

NIKE Bluetrack wurde in erster Linie für den militärischen Einsatz in unterirdischen Bauwerken entwickelt, da dadurch auch ohne GPS Signal eine genaue Positionierung von Personen möglich ist. Im Zuge der IRON NIKE Forschungswoche wurden an drei Tagen unterschiedliche Szenarien mit dem Militär erprobt. Die Soldaten bekamen dabei IMU und UWB Sensoren an Helm und Schuhen montiert, diese dürfen beim Einsatz nicht stören. Die aufgezeichneten Bewegungstrajektorien der Soldaten sind in blauer Farbe in Abb. 3 links oben ersichtlich. Die zivilen Forschungsteile konnten anhand des Bewegungsprofils einer Truppe im Rollover-Anflug auf eine Gefahrenquelle einsatznahe Bewegungen messen. Am Ende konnte die Leistung der Messgeräte ermittelt werden, gemessen an der Umgebung und der Geschwindigkeit der Soldaten [5].

Abb. 3
figure 3

NIKE Bluetrack Daten integriert in die Visualisierung aus NIKE DHQ-Radiv (Bild:Laabmayr)

Im Rahmen der Forschungswoche konnten nun die generierten Daten aus NIKE Bluetrack mit den Darstellungen von NIKE DHQ Radiv zusammengeführt werden, sodass sich ein Gesamtlagebild generieren ließ (Abb. 3). Basierend auf der entwickelten Systemarchitektur wurde ein Echtzeit-Positionierungsfilter in Form eines Partikelfilters entwickelt, der Positionsänderungen aus einem fußmontierten INS („inertial navigation system“), UWB („ultra-wideband“) -Entfernungen und Karteninformationen aus einem 3D-Tunnelmodell zusammenführt. Im Zuge dessen wurde für das Fuß-INS ein Stillstandsphasendetektor in Form eines rekurrenten neuronalen Netzes entwickelt.

2.3 NIKE SUBMOVECON (Subsurface Movement Control)

Partner: JOANNEUM RESEARCH Forschungsgesellschaft mbH, GrünesKreuz Steiermark, ERC Experience Research & Consulting e. U., Ingenieurbüro Laabmayr & Partner ZT GesmbH., Ing. Richard Feischl, Montanuniversität Leoben, Bundesministerium für Landesverteidigung

Mit Hilfe von NIKE-SubMoveCon soll die Sicherheit von Zivilisten und Einsatzkräften in einer unterirdischen Infrastruktur deutlich verbessert werden. Im Zuge dieses Projektes soll der Einsatz von intelligenten, mobilen und tragbaren Multisensorlösungen vor Ort und am Mann ermöglicht werden. Weiters soll eine echtzeitnahe Generierung eines Gesamtlagebildes erfolgen. Mittels des Lagebildes und technischer Assistenzsysteme soll eine optimierte Einsatzführung möglich sein [6]. Die Aufgabenbereiche der Partner in der NIKE-SubMoveCon gliedern sich in die Bereitstellung von Bildmaterial, Kontrollpunkten und ersten Näherungswerten für die Kameraparameter durch das ZaB und die Berechnung der Kameraparameter und Bildverarbeitung. Dies ermöglichet die Lokalisierung von Personen in der Tunnelanlage nach ihrer automatischen Detektion mit der Videoüberwachungsanlage sowie den Zugriff auf die Kamera aus der Virtual Reality mit der geografisch richtigen Position und Ausrichtung. Die eingesetzten Kameras entsprechen üblichen in Tunneln verwendeten Kameratypen und arbeiten im optischen und thermalen Wellenlängenbereich.

Auch in diesem Projekt war der große Wissenschaftssprung, das Zusammenführen der einzelnen Projekte und die Weiterentwicklung der bisherigen Projektergebnisse gegeben. Abb. 4 zeigt nun die Echtzeitübertragung der Thermalkameras in NIKE SubmoveCon in die Virtual Reality Darstellung von NIKE DHQ-Radiv. Zusätzliche Versuche der Unterscheidung des Verhaltens (Schießen, Laufen, Stehen, etc.) der Personen im Tunnel zeigten erste gute Ergebnisse.

Abb. 4
figure 4

NIKE SubMoveCon Thermalkamerabild integriert in Virtual Reality aus NIKE DHQ Radiv (Bild: Laabmayr)

2.4 NIKE RasPos (Subsurface People Detection and Localization using Wi-Fi Probe Request)

Im Falle von unterirdischen Krisenszenarien, wie Unfällen, Bränden etc., erweist es sich ausgesprochen wichtig, Personen orten zu können. Dadurch erleichtert man Einsatzkräften, diese Personen schnellstmöglich zu finden und sicher zu evakuieren. Da die Lokalisierung von Personen mittels Standardkameras oft nur eingeschränkt möglich ist, zum Beispiel durch eine starke Rauchentwicklung bei einem Fahrzeugbrand, wurde NIKE RasPos entwickelt und im Rahmen der IRON NIKE getestet.

Prinzipiell sollen mobile Wi-Fi-fähige Geräte erkannt und angezeigt werden. Stetig nimmt die Zahl der Smartphone-Nutzer weltweit zu. Wenn einzelne Smartphones in einem bestimmten Gebiet, wie zum Beispiel einem Tunnel, gescannt und erkannt werden könnten, dann könnte man in einem Ereignisfall fast 90 % der betroffenen Personen lokalisieren (Abb. 5).

Abb. 5
figure 5

Straßentunnel am ZaB mit integrierten Informationen im SOMT

Die Ortung findet mit Hilfe von Signalen statt, in diesem Fall mit Probe Requests. Wi-Fi Probe Requests sind ein aktiver Mechanismus zur Beschleunigung des Verbindungsaufbaus und werden etwa einmal pro Minute an die Geräte gesendet. Somit erhält man die MAC-Adresse des Geräts und andere Informationen [7].

3 Schlussfolgerung

Großartige Forschungsprojekte haben oft Probleme, den Weg in die tatsächliche Nutzung zu finden, oder schaffen nur sehr schwer die Vernetzung zu anderen Nischennutzungen. Die hier gezeigten Forschungsprojekte, die in der IRON NIKE Forschungswoche zusammengekommen sind, gehen hier einen ganz neuen Weg. Die Möglichkeiten, die sich hier mit dem Zentrum am Berg in einer perfekten Forschungsumgebung finden lassen, werden die Forschungsprojekte noch effizienter machen und eine Nutzung in anderen Bereichen und die Weiterentwicklung in neuen Projekten vorantreiben. Eine solche Vielzahl an unterschiedlichen Spitzenforschern zusammenzubringen, sollte auch für die Zukunft ein Ziel sein.

Abb. 6 zeigt dabei wie alle vier Projekte auch in Zukunft miteinander verschmelzen können. Die Forschungswoche hat jedoch auch noch Punkte aufgezeigt, die noch in der Zukunft bearbeitet und weiterentwickelt werden müssen. So können in Zukunft Militär und Einsatzkräfte optimal bei einem komplexen Szenario Untertage unterstützt werden.

Abb. 6
figure 6

Alle 4 NIKE Projekte vereint in einer Darstellung