1 Allgemeines

Measurement-While-Drilling (MWD) ist die Echtzeit-Erfassung von Bohrparametern entweder in festgelegten Abstandsintervallen (z. B. 20–100 mm) oder in festgelegten Zeitintervallen (z. B. 5–10 s). Mit der stetigen Fortentwicklung von Bohrwägen stehen in Vortrieben immer häufiger beim Bohren registrierte MWD-Daten bereit. Die MWD-Daten enthalten Kategorien, wie Penetrationsrate, Bohr- und Wasserdruck u. ä., die sich aus Logdaten und Headerangaben der Bohrung und der Baustelle zusammensetzen [1]. Die Untersuchung von MWD-Daten auf ihre Aussagekraft zur Charakterisierung des Gebirges und Gesteins ist Fokus zahlreicher Studien. Für die Aufnahmefähigkeit von Injektionsmaterial durch das Gebirge sind vorhandene durchlässige Strukturen im Gebirge maßgeblich, die teils einen großen Verbrauch von Injektionsgut verursachen.

Das Potenzial der Verwendung von MWD-Daten zur Charakterisierung des Gebirges vor der Ortsbrust wurde in der Literatur untersucht, beispielsweise zur Ableitung von Gesteinseigenschaften, wie RQD und RMR [2,3,4,5], und zur Schätzung der Festigkeit intakten Gesteins [6]. Von besonderer Bedeutung für die Injektionsoptimierung ist das Vorhandensein durchlässiger Strukturen, sogenannter Diebeszonen, die große Mengen von Injektionsmaterial aufnehmen und die Abbruchkriterien beeinflussen können. Im heterogenen Gebirge können diese durchlässigen Strukturen lokal ausgeprägt sein und sich durch die Verarbeitung der MWD-Daten identifizieren lassen. Es hat sich gezeigt, dass selbst kleine Merkmale,wie einzelne offene Klüfte, das MWD-Signal so stark beeinflussen, dass sie identifiziert werden können [7]. Die mäßig geklüftete Beschaffenheit des Gebirges in einem Skandinavischen Tunnel legt nahe, dass Methoden der MWD-Datenprozessierung sich zur Identifikation lokal hoch durchlässiger Merkmale besser eignen als solche zur Ableitung von Parametern des Gebirgseigenschaften.

In diesem Beitrag stellen wir eine Methode zur Verarbeitung von Bohrdaten vor, mit der geologische Strukturen identifiziert werden können, die ein großes Volumen von Injektionsmaterial aufnehmen können.

2 Verifizierung mittels MWD-Daten

Da die MWD-Daten im Bauprozess vor der Injektion ermittelt werden, liegt der Schluss nahe, sie für die Identifikation lokaler, durchlässiger Strukturen in einem vorliegenden Skandinavischen Projekt zu nutzen. Entlang einem Sektor von zirka 170 m der beiden vorgetriebenen Röhren des Projekts ergeben sich zirka 2150 räumlich in Bezug auf das Projektkoordinatensystem zu verarbeitende Bohrdaten. Die dazu eingesetzten Composite-Indizes werden für die Detektion von Klüften adaptiert, um maschinen- oder steuerungsbedingte Artefakte in den MWD-Aufzeichnungen zu minimieren, die keinen geologischen Strukturmerkmalen entspringen und den Detektionserfolg von Klüften schmälern. [2] zeigten mit einer Hauptkomponentenanalyse anhand MWD-Daten die wichtigsten Bohrparameter zur Gebirgscharakterisierung, die sind: Vorschub‑, Dämpfungs- und Bohrdruck sowie Penetrationsrate. [2] zeigten den gleichzeitigen Abfall aller Parameter, während das Bohrgestänge verlängert wird. [7] entwarfen einen für die Kluftdetektion konzipierten Composite Index, der anhand eigens erstellter Probebohrkörper getestet wurde und Dreh‑, Vorschubdruck und Penetrationsrate verknüpft. [7] stellten einen Anstieg der Penetrationsrate fest, während Vorschub- und Drehdruck abfallen, sobald der Bohrvorgang künstliche Strukturen in Probebohrkörpern aus Beton antrifft. [1] entwickelten einen Fracturing Index, der Penetrationsrate und Drehdruck einbezieht, und wandten ihn auf zirka 2500 Bohrungen mit registrierten MWD-Daten an. Diese Anwendung zielt auf die Gegenüberstellung des Fracturing Index mit einem hinsichtlich Durchlässigkeit für Injektionsgut kategorisierten Gebirgsverhalten ab. Bei der Verarbeitung der MWD-Daten des Tunnels in eguana SCALES fanden wir heraus, dass Vorschub‑, Dämpfungs- und Bohrdruck sowie Penetrationsrate die Tendenz aufweisen, an gleichen Stellen auf Variationen in den MWD-Datenreihen zu reagieren. In manchen Fällen fallen alle MWD-Parameter in der gleichen Bohrteufe ab, was in Bezug zur Verlängerung des Gestänges steht (Abb. 1). In anderen Fällen gehen Bohrparameter wie Vorschub- und Dämpfungsdruck zurück, während Drehdruck und Bohrfortschritt anwachsen, was nahelegt, dass dies eine Antwort auf Anomalien also auf lokale Änderungen der Gebirgseigenschaften ist (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

eguana SCALES Datenvisualisierung mit dem Unterschied zwischen Bohrgestängeverlängerung (Abfall aller Bohrparameter) und lokalen Ereignissen (Anstieg und Abfall jeweils zweier Bohrparameter) in den MWD-Daten

Die 3D-Erfassung potenziell aufnahmefähiger Klüfte bedarf der Zusammenführung unterschiedlicher Datenquellen, wie der MWD-Daten, der Injektions-Druck-Mengenschriebe, der ingenieurgeologischen Kartierungen und der Tunnelachse, um Kluftsysteme räumlich darstellen zu können. Wir wählten als Methode der MWD-Datenprozessierung den Fracture Index (FI) aus, welcher den von [1] vorgeschlagenen abwandelt, um Peaks im Signal zu verstärken. In der gegenständlichen Veröffentlichung wird ein modifizierter Fracture Index (FImod) (1) vorgeschlagen. FImod verbindet Penetrationsrate (PR), Dreh- (RP), Dämpfungs- (Damp) und Vorschubdruck (Feed) wie in (1) ersichtlich und bezieht sie auf den jeweiligen Mittelwert (avg) des jeweiligen Bohrparameters. Für die Mittelwertbildung werden die MWD-Daten an den Positionen vor und nach der Gestängeverlängerung ausgeblendet, da diese Ausreißer darstellen und den Mittelwert erheblich beeinflussen können, was die Vergleichbarkeit von FImod von einer zur nächsten Bohrung einschränkt. Die für den jeweiligen Bohrparameter abgeleitete Variable wird auf den Mittelwert bezogen (1).

$$FI_{\mathrm{mod}}=\sqrt{\frac{PR_{\mathrm{var}}}{PR_{\mathrm{avg}}}}\cdot \sqrt{\frac{RP_{\mathrm{var}}}{RP_{\mathrm{avg}}}}\cdot \sqrt{\frac{\mathrm{Damp}_{\mathrm{var}}}{\mathrm{Damp}_{\mathrm{avg}}}}\cdot \sqrt{\frac{\mathrm{Feed}_{\mathrm{var}}}{\mathrm{Feed}_{\mathrm{avg}}}}$$
(1)

Die Variable des jeweiligen Bohrparameters, stellvertretend mit MWD bezeichnet, errechnet sich nach [8] mit einer Sampleanzahl N=5.

$$\mathrm{MWD}_{\mathrm{var}}={\sum }_{i}^{N+i}abs\left(\frac{{\sum }_{i}^{N+i}\mathrm{MWD}_{i}}{N+1}-\mathrm{MWD}_{i}\right)$$
(2)

FIMod ist so konzipiert, dass er Anomalien des Bohrprozesses hervorhebt, die geologischen Ursprungs sind und nicht wie andere Ereignisse, wie z. B. Gestängeverlängerungen, auf den Bohrprozess zurückgehen. Abb. 2 zeigt die Ergebnisse des auf die MWD-Daten angewandten FIMod über eine Länge von zirka 45 m entlang beiden Tunnelachsen des Projekts. Strahlenförmig streben darin die dem Injektionsschirm zugehörigen Bohrungen auseinander. Der Vortrieb erfolgt in Abb. 2 von oben nach unten. Die mit FIMod identifizierten Anomalien heben sich mit grüner bis roter Farbe in den beiden mit A und B gekennzeichneten Querschnitten ab (Abb. 2a) und setzen sich in die parallele Röhre fort, wo sie weniger deutlich ausgebildet ebenso vorkommen. In A und B liegt eine Aufnahme von Injektionsgut von 13 l/m und 11 l/m vor. In Abb. 2b werden A und B ausgeblendet, sodass nur der gegenüber A und B jeweils zeitlich vorauseilende Querschnitt hervortritt. Die zeitlich vorauseilenden Querschnitte weisen eine Injektionsgutaufnahme von 4 l/m und 6 l/m auf. Abb. 2a,b verdeutlichen die lagemäßige Übereinstimmung scharf ausgeprägter Anomalien der MWD-Daten in vier Querschnitten, wobei der jeweils vorauseilende Querschnitt eine viel geringere Aufnahmefähigkeit von Injektionsgut besitzt und das Kluftsystem infolge des Vorauseilens natürlich in größerer Bohrteufe antrifft.

Abb. 2
figure 2

a Abbildungen der Injektionsbohrlöcher zweier paralleler Tunnel mit Farbkodierung entsprechend FImod. Zwei Querschnitte mit den Anomalien (A & B) sind hervorgehoben, wo viele Bohrlöcher einen hohen FImod entlang einem Lineament besitzen. b rechter Tunnel von a mit ausgeblendeten Bohrlöchern der Querschnitte A und B. Dieses Bild zeigt das Vorkommen der gleichen Anomalie an derselben Stelle in den Bohrlöchern der vorangehenden Querschnitte an

Abb. 3 zeigt die Verifizierung der detektierten Anomalie anhand der ingenieurgeologischen Kartierung und der Fotos der ungesicherten Tunnellaibung in unmittelbarer Nähe der Anomalie B. Es bestärkt die Beobachtung der Bruchzone an der gleichen Station, wo auch die Anomalie des FImod der MWD-Daten auftritt. Eine ähnliche Bruchzone ist auch an der Position der Anomalie A im Kartierungsbericht feststellbar.

Abb. 3
figure 3

Abbildung der Injektionsbohrlöcher mit Farbkodierung entsprechend FImod für Anomalie B samt Fotos und ingenieurgeologischer Kartierung der Tunnellaibung der gleichen Stelle. Die Abbildung verdeutlicht das Auftreten einer Bruchzone an derselben Stelle

3 Zusammenfassung und Ausblick

In diesem Beitrag stellen wir eine Methode zur Verarbeitung von MWD-Daten vor, um geologische Merkmale zu identifizieren, die sich auf die Injektion auswirken könnten. Wir haben erfolgreich gezeigt, dass das modifizierte FI verwendet werden kann, um Anomalien in den MWD-Daten zu identifizieren, die über mehrere Bohrlöcher in benachbarten Querschnitten übereinstimmen. Wir haben auch gezeigt, wie diese Anomalien mit geologischen Strukturen übereinstimmen, die während der Tunnelkartierung beobachtet wurden. Diese Methode kann schließlich automatisiert dargestellt werden, um eine Prognose der Gebirgsverhältnisse für die Injektionsoptimierung zu erstellen.