1 Einleitung

Mit dem Abschluss des Pariser Klimaabkommens und dem damit einhergehenden Ziel, die Klimaerwärmung möglichst auf +1,5 °C zu limitieren, sowie den Nachhaltigen Entwicklungszielen der Vereinten Nationen ist die Umstellung des Energiesystems auf erneuerbare Energien zu einer zwingenden Notwendigkeit geworden [1]. Weltweit verfolgen Länder die Energiewende und bauen die Kapazitäten von erneuerbaren Energiesystemen mit großer Geschwindigkeit aus [2].

Der Ausbau erneuerbarer Energien hat jedoch enorme Auswirkungen auf die Nachfrage von mineralischen Rohstoffen, die für den Bau von Anlagen und Infrastruktur benötigt werden [3]. Lithium und Grafit zählen zum Beispiel zu den Rohstoffen, deren Nachfrage einen besonders großen Anstieg erfährt. Bis 2050 gehen Hund et al. von einer Zunahme des jährlichen Bedarfs durch Energietechnologien um beinahe 500 % verglichen mit der Produktion im Jahr 2018 aus [4]. Die Primär- und Sekundärproduktion von Rohstoffen wird dadurch enorm unter Druck gesetzt.

Darüber hinaus ist die Rohstoffgewinnung häufig mit negativen Auswirkungen auf Mensch, Umwelt und Wirtschaft verbunden, darunter Treibhausgasemissionen, Menschenrechtsverletzungen und Korruption (z. B. [5, 6]). Auch bei der Herstellung und dem Recycling von Anlagen zur Energieerzeugung können Nachhaltigkeitsprobleme auftreten. Zum Beispiel die Freisetzung giftiger Abgase bei der Herstellung von Solarmodulen oder die zurzeit begrenzte Wiederverwertung der Rotorblätter von Windkraftanlagen [7, 8].

Initiativen für eine verantwortungsvolle Beschaffung als Teil der umfassenderen Nachhaltigkeitsagenda widmen sich diesen Herausforderungen nicht nur im Bergbausektor, sondern entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Es wurden bereits zahlreiche Ansätze entwickelt, die auf spezifische Probleme (z. B. sichere und faire Arbeitsbedingungen [9]) oder Sektoren (z. B. verantwortungsvolle Praktiken im Bergbau [10]) abzielen und meist freiwillige Leitlinien und Standards anbieten [11]. Allerdings ist nicht klar, ob diese Initiativen ausreichen, um für nachhaltige Wertschöpfungsketten und eine gerechte Energiewende zu sorgen.

1.1 Verantwortungsvolle Wertschöpfungsketten für die Energiewende – das RE-SOURCING Projekt

Verantwortungsvolle Beschaffung wird für immer mehr Unternehmen, politische Entscheidungsträger und zivilgesellschaftliche Organisationen (CSOs) zur Realität. Alle sind bestrebt, den sich rasch entwickelnden ökologischen und sozialen Bedürfnissen, Unternehmenspraktiken, Geschäftsmodellen, staatlichen Vorschriften und Initiativen der Zivilgesellschaft einen Schritt voraus zu sein [2].

Als Reaktion darauf wurde 2019 die globale Stakeholder-Plattform RE-SOURCING ins Leben gerufen. RE-SOURCING wird im Rahmen des Horizon 2020 Programms der Europäischen Union (EU) finanziert und ist ein vierjähriges Projekt, mit einem Projektkonsortium bestehend aus zwölf Partnern innerhalb und außerhalb der EU. Die Vision des Projekts ist es, verantwortungsvolle Beschaffung auf internationaler Ebene zu fördern und zu etablieren [12].

Um einen tiefgreifenden und umfassenden Rahmen für verantwortungsvolle Beschaffung zu gewährleisten, verfolgt RE-SOURCING einen ganzheitlichen Ansatz, indem es diverse Stakeholdergruppen über die mineralischen Wertschöpfungsketten von drei Sektoren hinweg einbezieht. Behandelt werden die Sektoren der erneuerbaren Energie, Mobilität und Elektronik, welche alle eine entscheidende Rolle für den EU „Green Deal“ und den Übergang zu sauberer Energie spielen [2].

2 Methode – Der Roadmap Prozess

Das RE-SOURCING Projekt verfolgt das Ziel, für drei Sektoren (erneuerbare Energie, Mobilität und Elektronik) sektorspezifische Roadmaps zu erstellen, mit Empfehlungen für Politik, Industrie und Zivilgesellschaft, wie verantwortungsvolle Wertschöpfungsketten erreicht werden können. Die Methode des „Roadmapping“ eignet sich gut für dieses Bestreben, da sie die Einbindung aller relevanten Stakeholder, d. h. europäische und internationale politische Entscheidungsträger, Unternehmen entlang der Wertschöpfungsketten der betrachteten Rohstoffe, CSOs und der Forschung ermöglicht. Zur Verwirklichung einer gemeinsam festgelegten Vision werden konkrete Handlungsempfehlungen erarbeitet [13].

Die erste Roadmap wurde für den Sektor der erneuerbaren Energie gemäß einem vorher definierten Prozess erstellt (Abb. 1; [2]). Zunächst wurden die Rohstoffe, Technologien und Stufen der Lieferkette, die betrachtet werden sollen, festgelegt. Auf Basis der Empfehlungen von Experten, der erwarteten Marktentwicklung und vorhandenen Herausforderungen, wurde folgende Auswahl getroffen: (i) Rohstoffe – Kupfer, Seltene Erden und Quarz bzw. Silizium; (ii) Technologien – Windkraft und Photovoltaik; und (iii) Stufen der Lieferkette – Bergbau und Aufbereitung, Produktion und Recycling der Windkraft- bzw. Photovoltaikanlagen. Für diese Bereiche wurde im nächsten Schritt ein „State of Play“ Bericht erarbeitet, der die aktuelle Situation des Sektors (inkl. Herausforderungen, relevante Stakeholder, Initiativen und Standards) untersucht. Dieser Bericht dient als Ausgangspunkt für den dritten und letzten Schritt im Prozess, die Roadmap.

Abb. 1
figure 1

Der Roadmapping Prozess für das RE-SOURCING Projekt [13]

Die detaillierte Ausarbeitung der Roadmap für den erneuerbaren Energiesektor mit konkreten Handlungsempfehlungen für Politik, Industrie und CSOs, sowie Wissenschaft und Forschung, um die Vision des RE-SOURCING Projektes bis 2050 zu erreichen, basiert wiederum auf einem umfassenden Konsultationsprozess (Workshop, Webinare, Interviews und schriftliche Stellungnahmen). Einen weiteren Beitrag zur Roadmap liefert die „Good Practice Guidance“ für politische Entscheidungsträger und Unternehmen auf der Grundlage spezifischer Fallstudien: (i) ein Multi-Stakeholder-Konsultationsprozess für die Entwicklung der chilenischen Bergbaupolitik; (ii) die Entwicklung einer kohärenten Nachhaltigkeitspolitik durch Antofagasta Minerals; (iii) Audits für verantwortungsvolle Beschaffung am Beispiel der Wacker Chemie AG und Together for Sustainability Supplier Assessments und (iv) das Kreislaufgeschäftsmodell von First Solar [12, 14].

3 Ergebnisse

3.1 State of Play

Kupfer ist ein wesentlicher Rohstoff für zahlreiche Anwendungen im Energiesektor [15]. Während der größte Bedarf durch große Betriebe (LSM) aus Chile gedeckt wird, spielt auch der Kleinst- und Kleinbergbau (ASM), vor allem in der Region des Kupfergürtels in Kongo und Sambia, eine wichtige Rolle (7 % bzw. 4 % der weltweiten Kupferproduktion 2019) [16]. Die Nachbarschaft von LSM und ASM ist häufig Auslöser von Konflikten, da der LSM lokalen Bevölkerungsgruppen, die auf Einkünfte aus dem ASM angewiesen sind, die Lebensgrundlage entziehen kann. Zudem bestehen Risiken der Kinder- und Zwangsarbeit sowie der Korruption [17, 18].

Der wichtigste Produzent von Seltenen Erden (REE) ist China [16]. REE sind essentiell für die Herstellung von Permanentmagneten für bestimmte Arten von Windkraftanlagen. Beim Abbau und der Aufbereitung von REE gibt es zahlreiche Risiken, die zu einer erheblichen Umweltverschmutzung mit Chemikalien, Schwermetallen und radioaktiven Elementen führen können [19]. Auch die mangelnde Ressourceneffizienz darf nicht außer Acht gelassen werden. Chinesische Betriebe verwenden unter anderem Flotationsverfahren mit sehr niedrigen Ausbringungsraten von nur 40–60 % bzw. In Situ Laugung mit etwa 75 % [19].

Silizium für die Verwendung in Photovoltaikmodulen wird in Form von Quarz abgebaut. Die Verarbeitung von Quarz zu hochreinem Silizium (Polysilizium) stellt einen ausgesprochen energieintensiven Prozess dar und ist daher abhängig von der Energiequelle ein großer Treibhausgasproduzent. Darüber hinaus ist der wichtigste Lieferant von Polysilizium für die Photovoltaikindustrie die chinesische Region Xinjiang, wo Menschenrechtsverletzungen und Zwangsarbeit festgestellt wurden [20]. Die USA haben bereits Sanktionen gegen bestimmte Solarprodukte aus der Region Xinjiang verhängt und auch von Großbritannien werden ähnliche Maßnahmen angedacht [21].

In der nachgelagerten Lieferkette zeigen sowohl die Hersteller von Windkraft- als auch von Photovoltaikanlagen ein mangelndes Engagement für Menschenrechte, einschließlich der Achtung von Bodenrechten, der Rechte indigener Völker und der Geschlechtergleichstellung [22, 23]. Bei der Herstellung von Windkraftanlagen muss auch die Arbeitssicherheit berücksichtigt werden. Zum einen sind die Beschäftigten während der Produktion potenziell Epoxidharzen, Glasfasern, Lärm und Staub ausgesetzt, zum anderen stellt die Arbeit in großen Höhen und engen Räumen ein Risiko dar [24]. Die Produktion der für Photovoltaikmodule benötigten Siliziumwafer hat mit Materialverlusten von über 40 % zu kämpfen [25].

Die Sammlung und das Recycling von Windkraftanlagen und Photovoltaikmodulen scheitern aktuell vor allem an der mangelnden Wirtschaftlichkeit, sowie gesetzlichen Hindernissen für den grenzübergreifenden Transport. Beide weisen jedoch bereits eine hohe technische Wiederverwertbarkeit von etwa 90 % auf. Bei den Rotorblättern von Windkraftanlagen sind Innovationen erforderlich, um eine effiziente Wiederverwendung der Verbundwerkstoffe zu gewährleisten, insbesondere in Anbetracht der zunehmenden Abfallströme in den kommenden Jahren [2, 12].

3.2 Roadmap

Die fünf Hauptbereiche, die in der Roadmap identifiziert und behandelt werden, sind: (i) Kreislaufwirtschaft und Reduzierung des Ressourcenverbrauchs, (ii) Pariser Klimaabkommen und ökologische Nachhaltigkeit, (iii) soziale Nachhaltigkeit und verantwortungsvolle Produktion, (iv) verantwortungsvolle Beschaffung und (v) gleiche Wettbewerbsbedingungen (Abb. 2). (Die Nummerierung stellt keine Priorisierung dar.)

Abb. 2
figure 2

Roadmap für den erneuerbaren Energiesektor mit den fünf Zielen für eine verantwortungsvolle Beschaffung bis 2050 [12]

Diese Ziele unterscheiden sich unter anderem im Zeithorizont, bis zu welchem sie spätestens erreicht werden müssen. Soziale Nachhaltigkeit, verantwortungsvolle Produktion (Ziel 3) und gleiche Wettbewerbsbedingungen (Ziel 5) müssen von allen beteiligten Stakeholdern so schnell wie möglich umgesetzt werden, um eine gerechte Verteilung der Vor- und Nachteile der Energiewende zu gewährleisten. Die Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen bildet aber auch eine wichtige Grundlage für die Erreichung der anderen Ziele. Die Roadmap beinhaltet sehr ehrgeizige Ziele für die Umsetzung und Verwirklichung der Pariser Klimaziele und der ökologischen Nachhaltigkeit (Ziel 2) mit 100 % erneuerbaren Energien und Netto-Null-Emissionen bis 2040. Dahingehende Bestreben müssen aber zwingend von Verbesserungen der Energieeffizienz und Konsumreduktion begleitet werden.

Das Ziel der verantwortungsvollen Beschaffung (Ziel 4) beinhaltet Aspekte aller anderen Ziele, aber mit Blick auf die gesamte Wertschöpfungskette. Hohe Sozial- und Umweltstandards dürfen nicht nur in der eigenen Produktion, im eigenen Land, sondern müssen in allen Regionen, in denen ein Unternehmen oder eine Regierung tätig ist und Geschäftsbeziehungen unterhält, eingehalten werden.

Nur das Ziel der Kreislaufwirtschaft und des reduzierten Ressourcenverbrauchs (Ziel 1) hat einen Zeithorizont bis 2050. Das ist darin begründet, dass dieses Ziel grundlegende, systemische Veränderungen des Wirtschaftssystems erfordert – weg von kontinuierlichem Wirtschaftswachstum und stetig steigendem Konsum.

4 Schlussfolgerung

Einerseits werden in der Roadmap für alle Stakeholdergruppen Handlungsempfehlungen angeführt, die spezifisch auf den erneuerbaren Energiesektor ausgerichtet sind; andererseits sind auch zahlreiche allgemeine Empfehlungen enthalten, die für die Wertschöpfungsketten verschiedener Rohstoffe und Technologien gültig sind. Damit soll dem systemischen Charakter vieler Nachhaltigkeitsprobleme Rechnung getragen werden, die sich nicht rein den Rohstoffen und Technologien, die in dieser Roadmap betrachtet werden, zurechnen lassen.

Eine grundlegende Erkenntnis der Roadmap ist, dass die Öffentlichkeit in die Energiewende von Beginn an mit eingebunden werden muss. Die Bevölkerung muss die Energiewende aktiv unterstützen, gestalten und vor allem auch umsetzen. Die Einbindung muss über den bloßen Informationsaustausch hinausgehen. Es muss Vertrauen geschaffen werden. Vertrauen, dass die Energiewende sozial gerecht und umweltfreundlich sein wird. Entschlossenes und gemeinsames Handeln von Politik, Wirtschaft, Forschung und CSOs ist notwendig, dieses Vertrauen zu schaffen und die Nachhaltigkeit der Energiewende zu garantieren.

Die Roadmap ist bis zum Jahr 2050 ausgelegt. In den Konsultationen ist jedoch klar geworden, dass jetzt und in den nächsten zwei Jahrzehnten erhebliche Veränderungen bei Beschaffung, Produktion und Konsum erforderlich sind. Dies spiegelt sich auch in den Empfehlungen für die fünf übergreifenden Ziele der Roadmap wider (Abb. 2). Für die Erreichung der Vision 2050 ist es aber ebenso essentiell, alle fünf Bereiche der Roadmap gleichzeitig und koordiniert zu bearbeiten. Ein Rückstand bei nur einem Ziel gefährdet die Erreichung der anderen. So ist es beispielsweise unmöglich, den Übergang zu 100 % erneuerbaren Energien zu schaffen, ohne den Energieverbrauch zu senken und die Energieeffizienz zu erhöhen. Ebenso kann eine verantwortungsvolle Produktion nicht erreicht werden, ohne die Auswirkungen entlang der gesamten Lieferkette zu berücksichtigen.

Der State of Play Bericht und die Roadmap haben nicht nur viele aktuelle Probleme und entsprechende Lösungen aufgezeigt, sondern auch Lücken identifiziert, in denen noch wichtige Informationen fehlen. Forschung und Entwicklung zu Verbrauchsreduzierung, Ressourcen- und Energieeffizienz sowie die Substitution von umweltschädlichen Stoffen sind dringend erforderlich, um konkrete Ziele festlegen und Maßnahmen umsetzen zu können.

Abschließend muss noch die Notwendigkeit der Zusammenarbeit aller Akteure entlang der gesamten Lieferkette hervorgehoben werden. Herausforderungen und Probleme müssen gemeinsam gelöst werden, indem man sich engagiert und gegenseitig unterstützt, nicht indem man Geschäftsbeziehungen beendet. Keines der genannten Ziele kann von einer Stakeholdergruppe allein erreicht werden.