1 Nachhaltige Entwicklung – Projekt UniNEtZ + SDGs

Die Organisation der Vereinten Nationen (UNO) hat im September 2015 die Agenda 2030 für Nachhaltige Entwicklung beschlossen. Somit sind alle Mitgliedstaaten der UNO in der Pflicht, auf die Umsetzung der 17 Sustainable Development Goals (SDGs) (Ziele für Nachhaltige Entwicklung) bis 2030 hinzuarbeiten. Hierfür hat der Staat Österreich per Ministerratsbeschluss von 12. Jänner 2016 sämtliche Bundesministerien zur Implementierung der Agenda 2030 beauftragt.

Eine wichtige Rolle bei der Umsetzung der SDGs spielen die Universitäten. Dieser Impuls sorgte für die Entwicklung eines gemeinsamen Projektes der Allianz Nachhaltiger Universitäten in Österreich unter dem Namen UniNEtZ- Universitäten und Nachhaltige Entwicklungsziele.

An diesem Projekt sind aktuell 18 Universitäten und Forschungseinrichtungen beteiligt – mit dem Ziel der Erstellung eines Optionenpapiers für die österreichische Bundesregierung. Dieses Optionenpapier erfasst an der Zukunft orientierte wissenschaftliche Beiträge als Handlungsoptionen im Sinne der umzusetzenden Agenda 2030 und arbeitet diese aus. Des Weiteren soll nachhaltige Entwicklung an den Universitäten in Lehre und Forschung verankert werden.

Die Montanuniversität Leoben (MUL) beteiligt sich zusammen mit anderen Universitäten am UniNEtZ an den SDGs 4 (Hochwertige Bildung), 7 (Leistbare und saubere Energie), 12 (Nachhaltige Produktion und Konsum) und SDG 13 (Maßnahmen zum Klimaschutz). Das Resources Innovation Center Leoben (RIC) befasst sich im Rahmen dieser Initiative schwerpunktmäßig mit den folgenden Entwicklungszielen:

  • SDG 12: Nachhaltige Produktion und Konsum

  • SDG 13: Maßnahmen zum Klimaschutz

2 Allgemeines zu SDG 12 aus UniNEtZ

Das SDG 12 „Nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sicherstellen“ [1] zielt darauf ab, nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster zu entwickeln sowie deren Wettbewerbsfähigkeit, Realisierbarkeit und Praktikabilität sicherzustellen. Um die Unterziele 12.1–12.8 und 12.a–12.c zu erreichen, ist die Anwendung eines breiten Instrumentariums notwendig, welches sowohl die Unternehmen der produzierenden Industrie, Service- und Handelsunternehmen in der gesamten Wertschöpfungskette beinhaltet als auch die Endkonsument_innen miteinbezieht. Expert_innen sind sich dabei einig, dass weitreichende – und nicht bloß inkrementelle oder konventionelle – gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen notwendig sein werden, die direkt die Probleme einer weltweit steigenden Konsumption, der Emission von Treibhausgasen und der wachsenden Ungleichheit und Armut aufgreifen [2, 3].

Die Targets, die im Rahmen von SDG 12 berücksichtigt werden, sind:

  • 12.2: Die effiziente und effektiveFootnote 1 Nutzung der natürlichen Ressourcen

  • 12.3: Die Reduktion der Nahrungsmittelverschwendung sowie die bestmögliche Nutzung nicht vermeidbarer Lebensmittelabfälle

  • 12.4: Ein umweltverträglicher Umgang mit Abfällen und Chemikalien

  • 12.5: Die Reduktion des Abfallaufkommens durch Vermeidung, Verminderung, Wiederverwendung und Wiederverwertung

  • 12.6: Die Einführung nachhaltiger betrieblicher Aktivitäten und Maßnahmen sowie Berichterstattung darüber durch Unternehmen

  • 12.7: Nachhaltige Beschaffung

  • 12.8: Die Förderung des Bewusstseins und vor allem auch des Handelns im Sinne eines nachhaltigen Lebensstils in der Bevölkerung

Der Fokus der Bearbeitung von SDG 12 wird auf die oben beschriebenen Targets 12.2–12.8 gesetzt. Als Bezugsrahmen und konzeptionelle Brücke für diese Targets wird dabei die Kreislaufwirtschaft herangezogen [3].

Die methodische Erarbeitung der Handlungsoptionen für SDG 12 erfolgte in der Arbeitsgruppe durch Wissens- und Informationsaustausch in sieben SDG 12-Workshops und zahlreichen Target-bezogenen Workshops sowie durch Forecasting- und Backcasting-Methoden. Erstere basieren auf der Analyse relevanter bestehender Initiativen und Programme (#mission 2030, Ref-NEKP, österreichisches Regierungsprogramm 2020, European Green Deal, New Circular Economy Action Plan) und der Strukturierung, Bewertung sowie Ergänzung dieser. Aus der Kombination dieser Szenario-Techniken ergab sich ein Pool an möglichen Optionen, aus dem das finale Optionen-Set ausgewählt wurde (siehe Abb. 1). Die Ausarbeitung der Optionen erfolgte in Sub-Arbeitsgruppen [3].

Abb. 1
figure 1

Methodische Vorgehensweise im Rahmen von SDG 12. Quelle: Eigene Darstellung [3]

Um für dieses breite Themenfeld und die relevanten Akteur_innen (Produzenten, Handel, Konsument_innen, Unternehmen der Abfall- und Recyclingwirtschaft) eine gemeinsame Zielorientierung zu schaffen und eine kongruente Zielintegration zu ermöglichen, ist ein gemeinsamer Bezugsrahmen notwendig (siehe Abb. 2). Sowohl aufgrund der wesentlichen regulatorischen Entwicklungen als auch aufgrund der inhaltlichen Abdeckung bietet sich hierzu das Konzept der Zirkulärwirtschaft bzw. Kreislaufwirtschaft an. Das übergeordnete Ziel der Kreislaufwirtschaft (engl. Circular Economy) ist es, mit den natürlichen Ressourcen effizienter umzugehen sowie auch eine bessere Kompatibilität der eingesetzten und genutzten Stoffe mit der natürlichen Umwelt zu erreichen. In der EU werden seit Ende 2014 durch die Beschließung des 1. Circular Economy Packages („Towards a circular economy: a zero waste programme for Europe“) und mit dem im März 2020 neu veröffentlichten „New Circular Economy Package“ wesentliche Weichen für Nachhaltige(n) Konsum und Produktion gestellt [4, 5]. Hierbei wird ein breiter Ansatz vertreten, der weit über das stoffliche Recycling (so genannte „Closing“-Strategien) hinausgeht und auch die Produktlebensdauer und damit verbundene Konsumgewohnheiten (so genannte „Slowing“-Strategien) adressiert [6, 7]. Im folgenden Circular Economy (CE) Framework als Bezugsrahmen werden die Abdeckung, die Systemgrenzen und der Zusammenhang der einzelnen Targets sichtbar (dargestellt als strichlierte färbige Linien mit den entsprechenden Verweisen auf die jeweiligen Targets) [3].

Abb. 2
figure 2

Bezugsrahmen für SDG-12 anhand des Circular Economy Frameworks der Ellen MacArthur Foundation [8]

Die Grundidee der CE basiert auf dem aus den 1970er-Jahren bekannten Konzept der Kreislaufwirtschaft, welches heute als produktlebenswegbezogene Innovationsstrategie neu interpretiert wird [9,10,11,12]. Der CE-Ansatz steht im Gegensatz zur traditionellen linearen Stoffdurchflusswirtschaft (take-make-use-dispose) und berücksichtigt technische Kreisläufe für Gebrauchsprodukte und biologische Kreisläufe für Verbrauchsprodukte [6, 13] im Kontext zunehmender Nutzung erneuerbarer Energien [3].

Der beschriebene Bezugsrahmen, der zugleich die inhaltliche Systemgrenze für das SDG 12 darstellt, umfasst deshalb sowohl eine Produkt- und Nutzungs- als auch eine Standortperspektive und bezieht sämtliche daran beteiligten und betroffenen Akteur_innen mit ein. Damit einhergehend verstehen wir den Bezugsrahmen der CE als einen, der alle drei Dimensionen der Nachhaltigkeit in einer integrierten Sichtweise miteinbezieht (embedded view) und damit die häufig isolierte Sichtweise der so genannte „drei Säulen“ der Nachhaltigkeit aufzuheben versucht [14]. Der Bezugsrahmen fokussiert damit auf ökologische und soziale Sachverhalte, etwa im Bereich der Zulieferkette von Produkten (d. h. unter welchen ökologischen und sozialen Rahmenbedingungen werden Materialien abgebaut, verarbeitet und Produkte hergestellt), sowie in der Nutzungsphase, wo ebenfalls soziale und auch psychologische Aspekte eine wesentliche Rolle spielen. Im Rahmen der CE wird die Ökonomie (im Sinne des wirtschaftlichen Handelns) einerseits als Instrument verstanden, diese ökologischen und sozialen Sachverhalte entsprechend umzusetzen, andererseits wirkt sich eine sinnvoll umgesetzte CE auch positiv auf ökonomische Aspekte. Alle Akteure (Unternehmen, Konsument_innen, öffentliche Hand, NGOs) können durch entsprechend aufeinander abgestimmte Handlungsweisen zu Veränderungen im Sinn der SDGs beitragen. Hierzu braucht es Rahmenbedingungen, die innovatives Handeln, Pioniergeist, Risikobereitschaft und neue Kooperationsformen aller diesen Akteursgruppen fördern [3, 15].

Die räumliche Systemgrenze ist im österreichischen Kontext und Verantwortungsbereich angesiedelt. In den heutzutage üblichen globalen Wertschöpfungsketten können nicht immer alle Faktoren in den Zulieferketten beeinflusst werden. Die Grenze für SDG 12 ist also hier zu ziehen, wo österreichische Unternehmen und Akteure keinen Wirkungseinfluss mehr auf vor- oder nachgelagerte Lieferketten haben. Die zeitliche Systemgrenze reicht über das Jahr 2030 hinaus, da die Erreichung einiger der Targets von SDG 12 langfristige Maßnahmen erfordern [3].

3 Target 12.2

Die Montanuniversität Leoben mit ihrer langjährigen Expertise im Bereich Rohstoffe und Werkstoffe befasst sich speziell mit dem Subziel 12.2 (Die effiziente und effektive Nutzung der natürlichen Ressourcen). Da die Thematik Ressourcen ein sehr breites Feld aufweist, wurde der Fokus speziell auf mineralische Rohstoffe gelegt, da dies auch den größten Teil der Ressourcennutzung in Österreich ausmacht. (siehe Abb. 3). Im Jahr 2018 wurden ca. 103 Mt/a an mineralischen Rohstoffen (Nichtmetallische und metallische Rohstoffe) in Österreich verbraucht und untermauert den zuvor erwähnten Fokus [3].

Abb. 3
figure 3

Der österreichische Materialverbrauch (DMC) nach Materialkategorien, 2018 [16]

Da jedoch Rohstoffe in einer Kreislaufwirtschaft einen langen Weg mit vielen Akteuren_innen und verschiedenen Bereichen aufweist, war eine zusätzliche Fokussierung nötig, da die weiteren Subziele des SDG 12 sich ebenfalls mit der Thematik Rohstoffe befassen, wie bspw. Recycling, Konsum, Beschaffung und mehr. Diese betrachten jedoch den Rohstoff nur innerhalb der Kreislaufwirtschaft. Es ist wichtig zu verstehen, dass Rohstoffe laufend in eine Kreislaufwirtschaft eingeführt werden müssen, damit Waren, Güter und Produkte hergestellt und wiederverwertet werden können. Daher liegt das Hauptaugenmerk des Subziels 12.2 auf den Bereich vor der Kreislaufwirtschaft, von der Exploration über die Gewinnung bis zur Herstellung von Halbfabrikaten, wie bspw. Rohre, Schienen, Bleche und mehr. Abb. 4 zeigt die Systemgrenze innerhalb des Subziels 12.2. Die Einteilung erfolgt in Primär- und Sekundärsektoren. Der Primärsektor bezieht sich auf den klassischen Bergbau. Im Anschluss werden die gewonnen Rohstoffe in den jeweiligen Industrien zu Werkstoffen, Baumaterialien, Verpackungen und mehr weiterverarbeitet. Der Sekundärsektor bezieht sich auf die Gewinnung von Rohstoffen aus dem Recycling und der Wiederaufbereitung. Zusätzlich wurden noch mögliche Potenziale der Rohstoffgewinnung ermittelt [3].

Abb. 4
figure 4

Systemgrenze von Target 12.2. Quelle: Eigene Darstellung [3]

Mit den damit definierten Rahmen (CE, mineralische Rohstoffe, Systemgrenze) wurden Maßnahmen zur Erreichung des Subziels 12.2 entwickelt. Die einzelnen Maßnahmen sind zu drei Maßnahmenkombinationen gebündelt, die eine nachhaltige Entwicklung der einzelnen Schritte des Rohstoffweges (von der Exploration über den Abbau bis hin zur Herstellung von Halbfabrikaten) fördern, wobei der Fokus auf folgenden Bereichen liegt.

  • Nachhaltige Gestaltung von Produktionsprozessen der rohstoffverarbeitenden Industrie

  • Ganzheitliche Verwendung von Rohstoffen und alternativen Rohstoffquellen

  • Nachhaltiges und intelligentes Rohstoffmanagement

Gesamt wurden im SDG 12 sieben Optionen mit Maßnahmen entwickelt, um die einzelnen Subziele von SDG 12 zu erreichen.

  • Option 1: Nachhaltiger Umgang mit mineralischen Rohstoffen von der Gewinnung bis inklusive Halbzeugherstellung

  • Option 2: Aktionsplan Hochwertige Recycling: Design for Recycling, Schadstofffreiheit & Einsatz von Sekundärrohstoffen

  • Option 3: Reduzierung von Lebensmittelverlusten

  • Option 4: Änderung des Abfallregimes (Beginn und Ende der Abfalleigenschaft) zur Verlängerung der Kreislaufwirtschaft

  • Option 5: Forcierung nachhaltiger Unternehmen

  • Option 6: Integration von Ökobilanzen in öffentliche Bau-Ausschreibungsverfahren unter Berücksichtigung der Pre- und Post-Procurement-Phase

  • Option 7: Konsum von Gebrauchsgütern in einer Kreislaufwirtschaft: nachhaltig und transformativ