1 Einleitung

Aufgrund der ambitionierten politischen Rahmenbedingungen zur Erreichung der Klimaneutralität in Österreich bis 2040 [1] und in der EU bis 2050 [2] wird es vielfältiger Kraftanstrengungen und fachübergreifender Forschungsinitiativen bedürfen. Insbesondere die energieintensive Grundstoffindustrie kann hier maßgebliche Akzente zur CO2-Reduktion setzen. So wird beispielsweise in der Metallurgie intensiv daran gearbeitet und geforscht, das Reduktionsmittel „Kohlenstoff“ durch „Wasserstoff“ zu ersetzen, um prozessbedingte CO2-Emissionen zu vermeiden. Als weiteres Beispiel sei Airbus S.A.S. angeführt, das Mitte 2020 mit ZEROe ein Konzept für mit Wasserstoff anstelle von Kerosin betriebene Flugzeuge vorgestellt hat [3].

Noch im Jahr 2010 wurde ein Großteil, nämlich 96 % [4], der globalen Wasserstoff-Produktion durch Einsatz fossiler Brennstoffe erzeugt. Die Produktion erfolgt insbesondere durch Dampfreformierung (1) in Kombination mit der Wassergas-Shift-Reaktion (2). Dieses Wasserstoff-Produkt wird aufgrund der CO2-Bilanz auch als „grauer Wasserstoff“ bezeichnet, im weltweiten Durchschnitt fallen hierbei etwa 12 kg CO2 pro kg erzeugtem H2 an [5].

$$\mathrm{CH}_{4(\mathrm{g})}+\mathrm{H}_{2}\mathrm{O}_{(\mathrm{g})}\rightleftharpoons \mathrm{CO}_{(\mathrm{g})}+3\mathrm{H}_{2(\mathrm{g})}$$
(1)
$$\mathrm{C}\mathrm{O}_{(\mathrm{g})}+\mathrm{H}_{2}\mathrm{O}_{(\mathrm{g})}\rightleftharpoons \mathrm{C}\mathrm{O}_{2(\mathrm{g})}+\mathrm{H}_{2(\mathrm{g})}$$
(2)

Die Zukunft gehört allerdings anderen Herstellungsverfahren, an denen derzeit intensiv geforscht wird. Zwei Verfahren stehen im Fokus, nämlich die Produktion von Wasserstoff mittels Elektrolyse von Wasser („grüner Wasserstoff“) und mittels Pyrolyse („türkiser Wasserstoff“) gemäß den nachstehenden Formeln (3) und (4). Während bei der Elektrolyse aus Wasser als Nebenprodukt „Sauerstoff [O2(g)]“ (3) gebildet wird, fällt bei der Pyrolyse fester, in der Regel fein- bis feinstdisperser „Kohlenstoff [C(s)]“ (4) als Zusatzprodukt an. Beide Verfahren befinden sich aktuell in der Entwicklung und sind entweder aufgrund des Entwicklungsstandes noch nicht im industriellen Maßstab anwendbar oder aufgrund der Kosten noch nicht konkurrenzfähig.

$$2\mathrm{H}_{2}\mathrm{O}_{(\mathrm{l})}\rightleftharpoons 2\mathrm{H}_{2(\mathrm{g})}+\mathrm{O}_{2(\mathrm{g})}$$
(3)
$$\mathrm{C}\mathrm{H}_{4(\mathrm{g})}\rightleftharpoons 2\mathrm{H}_{2(\mathrm{g})}+\mathrm{C}_{(\mathrm{s})}$$
(4)

Zwei von namhaften österreichischen Industrieunternehmen wie auch vom Rektorat der Montanuniversität Leoben initiierte Forschungsinitiativen widmen sich schwerpunktmäßig der „türkisen“ Verfahrensroute, der „Methan-Pyrolyse zur Wasserstoffgewinnung“.

2 Kurzabriss zum Entwicklungsstand der Methan-Pyrolyse

Bereits seit Beginn des 20. Jahrhunderts wird auf dem Gebiet der Methan-Pyrolyse geforscht [6, 7]. Eine deutliche Verbesserung, insbesondere in Bezug auf die Bereitstellung quantitativ belastbarer Daten, ermöglichte die Einführung der Gaschromatographie in den 1950er-Jahren [8]. Während der Fokus der Forschung lange Zeit auf dem Kohlenstoffprodukt lag, verschiebt sich dieser aufgrund der Herausforderungen der Klimakrise immer weiter in Richtung Wasserstoff.

Bis heute wird an mehreren Verfahren geforscht, eine grobe Einteilung liefert Abb. 1. Der Großteil befindet sich auf einem TRL (Technology Readiness Level) von 3–4 [9]. Einzelne Verfahren sind weiter fortgeschritten, das Kværner-Verfahren erreichte mit einem Plasma-basierten Pyrolyse-Prozess bereits TRL 8 und wurde durch Monolith Materials weiterentwickelt. Monolith Materials plant, im Jahr 2021 TRL 9 zu erreichen und neben 600 kg/h H2 eine Menge von 14.000 t Carbon Black pro Jahr zu erzeugen [10]. Ebenfalls zu erwähnen ist die Firma Carbotopia aus Wien, die bereits eine kontinuierliche Pilot-Anlage errichten konnte [11] und sich auf TRL ≥ 6 befindet [12].

Abb. 1
figure 1

Grobe Einteilung der Verfahren der Methan-Pyrolyse [13]

3 Kohlenstoff aus der Methan-Pyrolyse

Wie in der Natur bilden sich unter Einfluss der Umgebungsbedingungen auch bei der Methan-Pyrolyse diverse allotrope Kohlenstoff-Formen aus. In Abhängigkeit von Katalysator und Temperatur werden Kohlenstoff-Vorkonzentrate gebildet, die in Abb. 2 einander vergleichend gegenübergestellt werden. Tab. 1, welche auf Basis einer Tabelle von Dagle et al. in [14] angefertigt wurde, stellt die unterschiedlichen Kohlenstoff-Produkte, die weltweite Produktionsmenge pro Jahr sowie die daraus zu produzierende Wasserstoffmenge dar. Sollte die Methan-Pyrolyse einen signifikanten Beitrag an der beständig steigenden weltweiten Wasserstoffproduktion (117 Mio. t [15]) leisten, müssen neue sinnstiftende Anwendungsgebiete für den anfallenden Kohlenstoff erschlossen werden.

Abb. 2
figure 2

Morphologie der Kohlenstoff-Vorkonzentrate aus diversen Pyrolyse-Prozessen in Abhängigkeit von Temperatur und Katalysator [16]

TABELLE 1 Kohlenstoffformen, ihre Anwendungsgebiete, jährlichen globalen Produktionsmengen und theoretisches Wasserstoff Produktionspotenzial

4 Motivation aus aufbereitungstechnischer Sicht

Wie auch immer die verfahrenstechnische Umsetzung der in Abb. 3 vereinfacht dargestellten Reaktion der Methan-Pyrolyse ausgestaltet werden wird, fallen im Zuge der H2-Produktion erhebliche Mengen an prozesstechnisch unvermeidbaren Kohlenstoff-Vorkonzentraten an.

Abb. 3
figure 3

Vereinfachte schaubildliche Darstellung der bei der Methan-Pyrolyse ablaufenden Reaktion ([22,23,24,25] in Anlehnung an interne Dokumentation, Projektbesprechung, Montanuniversität Leoben, vom 29.05.2020)

Ganz im Sinne des „Zero Waste“-Gedankens bedarf es also in Ergänzung zu den Bemühungen zur Erzeugung qualitativ hochwertiger H2-Produkte auch einer Schwerpunktsetzung auf die möglichst vollständige Nutzung der anfallenden Kohlenstoff-Vorkonzentrate, die – und auch das geht aus der Abb. 3 eindrucksvoll hervor – mengenmäßig dominieren.

Einer möglichst vollständigen Verwertung der anfallenden Kohlenstoff-Produkte, es handelt sich um drei Tonnen pro produzierter Tonne Wasserstoff, kommt dabei eine entscheidende Rolle zu, um Wirtschaftlichkeit und Akzeptanz des Verfahrens wesentlich zu verbessern.

Die bisherigen Untersuchungen haben aufgezeigt, dass die anfallenden Kohlenstoff-Vorkonzentrate – je nachdem, welche pyrolytischen Prozesse eingesetzt werden – einer gezielten Aufbereitung und allfälliger Veredlungsschritte bedürfen, um daraus qualitativ hochwertige Kohlenstoff-Produkte mit definierten Produkt-Spezifikationen zu erzeugen.

5 Herangehensweise

Auf Basis umfangreicher Erfahrungen zur Charakterisierung, Aufbereitung und Veredlung von natürlichen und synthetischen Grafiten sowie anderer Kohlenstoffträger hat sich der Lehrstuhl für Aufbereitung und Veredlung dieses Themas angenommen und folgendes grobes Arbeitsprogramm skizziert:

  1. 1.

    Erhebung/Evaluierung der geforderten Produkt-Spezifikationen für die verschiedenen Kohlenstoff-Anwendungen.

  2. 2.

    Erarbeitung und Festlegung einer aufbereitungstechnischen Strategie zum Erreichen der geforderten Produkt-Spezifikationen.

  3. 3.

    Durchführung umfassender und systematischer Aufbereitungsversuche (Sortierversuche).

  4. 4.

    Durchführung umfassender und systematischer Versuche zur mechanischen, chemischen und thermischen Nachbehandlung für die Herstellung definierter und hoher (innerer) Oberflächen als wesentliches Qualitätskriterium für hochwertige Kohlenstoff-Produkte.

  5. 5.

    Zuordnung der erzeugten Kohlenstoff-Produkte in eine „Anwendungs-Datenbank“, um den Rohgutwert zu maximieren und um schnell und effizient verschiedene Verwendungsmöglichkeiten von Kohlenstoff-Produkten unterschiedlicher Qualität aufzeigen zu können.

Darüber hinaus hat sich der Lehrstuhl für Aufbereitung und Veredlung auch apparativ verstärkt. Um die Bewertung und Vergleichbarkeit der Vorkonzentrate sowie der Produkte einzelner Aufbereitungsprozesse zu verbessern, wurde ein erster Schwerpunkt auf die Erweiterung der Analysetechnik gelegt. Zur Bestimmung der relevanten Kenngrößen, Kohlenstoff-Gehalt und spezifische Oberfläche, wurde der „LECO SC 832-MC“ Schwefel-Kohlenstoff-Analysator von LECO Corporation und das Gemini V Oberfächenmessgerät von Micromeritics Instrument Corporation angeschafft.

6 Erste Erkenntnisse

Folgende Herausforderungen haben sich bislang abgezeichnet und die vorläufige Auswahl des Sortierverfahrens bestimmt:

  • Die bei der Methan-Pyrolyse erzeugten Kohlenstoff-Vorkonzentrate fallen zum einen in großen Mengen und zum anderen in feinst- und polydispersen Körnerkollektiven an.

  • Es werden höchste Anforderungen an die Reinheit der Kohlenstoff-Produkte gestellt (z. B. vollständige Metallentfrachtung).

Im Zuge erster systematischer Versuchsreihen zur Erzeugung hochwertiger Kohlenstoff-Produkte aus Vorkonzentraten der Methan-Pyrolyse wurde die Möglichkeit einer Sortierung in trockener Betriebsweise, umgesetzt mittels Elektroscheidung, untersucht. Aufgrund der prozessbedingten Feinheit der Kohlenstoff-Vorkonzentrate (< 100 µm) wurde ein triboelektrostatischer Bandscheider im Labormaßstab eingesetzt. Dieser weltweit einzigartige Labor-Elektroscheider vom Hersteller ST Equipment & Technology LLC ermöglicht die trockene Sortierung solch feinkörniger Kohlenstoff-Vorkonzentrate.

Die Vorderansicht eines Bandscheiders im Pilotmaßstab ist in Abb. 4 ersichtlich.

Abb. 4
figure 4

Vorderansicht eines triboelektrostatischen Bandscheiders vom Hersteller ST Equipment & Technology LLC im Pilotmaßstab [26]

Die Sortierversuche am triboelektrostatischen Bandscheider wurden auf Basis eines statistischen Versuchsplans (Typ 25‑1) abgewickelt, um effizient möglichst viele Einstellparameter und deren Wechselwirkung zueinander zu untersuchen. Der eingesetzte Versuchsplan hat sich bereits für die Sortierung zahlreicher Rohgutproben am triboelektrostatischen Bandscheider bewährt.

Im Zuge dieser Sortierversuche konnte eine eindeutige Anreicherung des Kohlenstoffs und eine Abreicherung der Begleitbestandteile im Konzentrat erzielt werden. Die Bilanztafel zum besten Versuch ist in Tab. 2 dargestellt. Bei diesem einstufigen Versuch konnte der Kohlenstoffgehalt im Konzentrat, verglichen mit der Aufgabe, um 0,9 %-Punkte gesteigert werden. Dabei wurde ein Kohlenstoffgehalt von 95,0 %, bei einem Inhaltsausbringen von 97,0 %, erreicht.

TABELLE 2 Bilanztafel des Besten, auf Basis des statistischen Versuchsplans vom Typ 25‑1, durchgeführten Sortierversuches

Im Zuge dieser orientierenden Untersuchungen zur Aufbereitung von Kohlenstoff aus der Methan-Pyrolyse mittels elektrostatischer Sortierung konnten somit An- und Abreicherungseffekte erkannt werden. Zur Auffindung von optimierten Sortierlösungen, abgestimmt auf die große Bandbreite unterschiedlicher Kohlenstoff-Vorkonzentrate aus der Methan-Pyrolyse, bedarf es aber noch intensiver Forschungstätigkeit, welche im Rahmen des, in diesem Artikel vorgestellten Dissertationsprojekts realisiert werden soll.