1 Einleitung

1.1 Problemstellung und Ausgangslage

Auf Empfehlung der „Ad-Hoc Working Group on defining critical raw materials“ der Europäischen Kommission wird eine Reihe von seltenen Metallen als Rohstoffe eingestuft, deren Versorgung für Länder der EU in Zukunft als kritisch gilt. Zu diesen Metallen gehören unter anderen die sogenannten High Tech-Metalle (HT-Metalle) Indium (In), Germanium (Ge), und Gallium (Ga), im weiteren Sinne auch Cobalt (Co) und Antimon (Sb), die z. B. in Solarpanel-Halbleitern, Licht & Optik (LCD, LED) und Speziallegierungen Anwendung finden und deren natürliches mineralisches Vorkommen in ökonomischen Konzentrationen auf wenige Lagerstättentypen beschränkt ist. Hinsichtlich des Potentials für diese Metalle wird im Rohstoffplan Österreichs den Kupfer-Blei-Zink Lagerstätten der Ostalpen ein sicherungswürdiger bzw. bedingt sicherungswürdiger Status zugeschrieben [1]. Obwohl die recht umfassenden petrographischen und bereichsweisen geochemischen Analysen der verschiedenen Buntmetallvorkommen zu einem akzeptablem Wissen bezüglich der Metallogenese geführt haben [2], sind die Spurenelementverteilungen und deren Anreicherungsprozesse weitestgehend unerforscht [3, 4].

Im Zuge der GBA Mineralrohstoffinitiative wurden von 2015–2019 drei Forschungsprojekte durchgeführt, welche die wichtigen ostalpinen Sulfidvorkommen auf ihre High-Tech-Metalle untersuchen (Tab. 1). Folgende Ziele wurde mit den drei Projekten verfolgt:

  1. 1.

    Erweiterung der Geochemie- und Isotopen-Datenbasis von österreichischen Lagerstätten und Integration in existierende GBA-Datenbasen (IRIS).

  2. 2.

    Neue Diskriminierung der Erzvorkommen gemäß ihrer chemischen Charakteristika.

  3. 3.

    Entwicklung spezieller Genesemodelle der Buntmetallvorkommen im ÖSK und darauf aufbauend eines empirischen Modells, welches die Abhängigkeiten der HT-Metalle von geologischen Faktoren beschreibt.

  4. 4.

    Neubewertung der Sicherungswürdigkeit der Buntmetall-Lagerstätten und Vorkommen hinsichtlich der Ressourcenpotentiale für HT-Metalle.

TABELLE 1 Übersicht der drei MRI-Projekte

Über Ergebnisse der Leobner Projekte wurde bereits berichtet [5]. In diesem Beitrag werden die Ergebnisse der drei Projekte zusammenfassend dargestellt sowie für den Bereich des Ötztal-Stubai-Kristallins (ÖSK) exemplarisch auf ihre genetische Relevanz diskutiert (Masterarbeiten)Footnote 1.

1.2 Allgemeines zu Spurenelementen in Sulfiden

Spurenelementanalysen in Sulfiderzen erleben derzeit eine Renaissance, da das wirtschaftliche Interesse an Sulfiden als potenzieller Wirt für HT-Metalle erheblich gestiegen ist. Das HT-Metall-Potenzial der einzelnen Minerale, die im metallurgischen Aufbereitungsprozess konzentriert werden können, kann durch in-situ Analysen erfasst werden [6]. Hier gilt die Laserablations-ICP-MS (LA-ICP-MS) als die bevorzugte Methode. Eine Reihe von in-situ LA-ICP-MS Arbeiten stellen die generelle Varianz der Spurengehalte in Sulfiden (namentlich Sphalerit, Chalkopyrit und Galenit) verschiedener Buntmetalllagerstättentypen heraus [7,8,9,10]. Sphalerit, und im Falle für In auch Chalkopyrit, stellen die bei weitem wichtigsten Wirtsminerale für die HT-Metalle Ga, Ge und In (aber auch Sn, Sb, Cd und Tl) dar, während Galenit als eher unbedeutender Wirt erscheint, der allerdings typischerweise Ag- und Sb-angereichert ist. Nach Stand der Forschung unterliegt die relative Verteilung der meisten Spurenelemente zwischen co-genetischen Erzphasen keinen eindeutig vorhersagbaren Regeln [11]. Daraus folgt, dass die Prozesse der Spuren-Anreicherung in Erzphasen, wie z. B. syngenetisch- und epigenetisch-hydrothermale Mineralisation und metamorphe Überprägung, nur im Ansatz verstanden sind.

1.3 Übersicht der ostalpinen Buntmetallsulfidvorkommen

In den prä-mesozoischen Abfolgen der Ostalpinen Decken [12,13,14] sind zahlreiche Lagerstättenprovinzen dokumentiert. Die Eisen‑, Buntmetall- (Cu, Pb, Zn) und Edelmetallvorkommen (Au, Ag) sind entweder syngenetisch, bereichsweise durch nachfolgende Metamorphose und metasomatische Ereignisse überprägt, oder gänzlich epigenetisch gebildet worden. Intrusion von sauren Schmelzen während einer variszischen orogenen Phase im Karbon führte regional zu granitgebundenen Lagerstätten. In den mesozoischen Decksedimenten sind ebenfalls syngenetische und epigenetische Mineralisationen erhalten. Die bedeutenden Siderit-Buntmetall, Magnesit und Pb-Zn Mineralisationen sind an extensionsbedingte Fluidmobilisation während Trias und Jura gebunden. Während der kretazischen bis neogenen alpidischen Orogenese bildeten sich strukturgebundene Gang- und Verdrängungslagerstätten.

Als tektonisch liegendste Lagerstättenprovinz haben die Erze in den Subpenninischen Decken im Tauernfenster (Venedigerdecke) eine besondere Bedeutung: hier treten vor allem stratiforme Cu, Ni, Pb-Zn sowie granitgebundene W‑ und Mo-Vererzungen auf (Abb. 1). Diese Deckeneinheiten werden von geringmächtigen mesozoischen Sedimenten überlagert und von mächtigen Ophiolith- und Flyschabfolgen der penninischen Decken überschoben. Diese führen zahlreiche Cu-Pyrit-Vererzungen, die als vulkanogene Massivsulfide interpretiert werden. Subpenninisches und Penninisches Deckensystem werden von den ostalpinen Decken überschoben, die sich tektonisch wiederum in unter- und oberostalpine Einheiten und zahlreiche Deckensysteme gliedern lassen. Die Kristalleinheiten sind vor allem im Bereich des ÖSK reich an Fe, Cu und Pb-Zn Vererzungen. Die bedeutendsten Metallanreicherungen in den ostalpinen Decken sind an niedrig- bis mittelgradig metamorph überprägte paläozoische Gesteine in einem West-Ost-streichenden Korridor zwischen Arlberg und Semmering gebunden. Diese früher als Grauwackenzone bezeichneten Einheiten sowie die stratigraphisch ähnlichen Gurktaldecken und das Grazer und Eisenkappeler Paläozoikum zeigen eine Vielzahl von Fe-Cu-Pb-Zn-Ag-Vorkommen. Die permomesozoischen Decksedimente führen bedeutende Pb-Zn Lagerstätten in mitteltriassischen Karbonatsedimenten („Bleiberg Typ“/„Alpiner Typ“). Strukturgebundene Vererzungen innerhalb der penninischen und ostalpinen Deckensysteme sind vor allem reich an Fe (Waldenstein: Hämatit; Hüttenberg: Siderit), Cu (Mitterberg) und Au (Tauerngold, Flatschach, Pusterwald).

Abb. 1
figure 1

Geologisch-tektonische Karte von Österreich mit Lage der untersuchten Vorkommen. Abkürzungen: 1 = Nauders (ÖSK Pb-Zn); 2 = Tösens (ÖSK Pb-Zn); 3 = Wörgetal (ÖSK Cu-Fe); 4 = Schneeberg (ÖSK Pb-Zn); 5 = Obernberg (Pb-Zn); 6 = Serles (Pb-Zn); 7 = Silberleiten (Pb-Zn); 8 = Lafatsch (Pb-Zn); 9 = Mittenwald (Pb-Zn); 10 = Bertagänge (Cu-Fe); 11 = Peitingalm (Cu); 12 = Hochfeld (Cu); 13 = Brenntal (Cu-Fe); 14 = Achselalpe (Zn-Pb-F); 15 = Haidbach (Cu-Ni); 16 = Grub (Cu-Ni); 17 = Leogang (Cu-Zn); 18 = Rauschenberg (Pb-Zn); 19 = Mitterberg (Cu); 20 = Radhausberg (Au); 21 = Sprinzgasse (Cu-Zn-Au); 22 = Walchen (Cu-Fe); 23 = Metnitz (Pb-Zn); 24 = Meiselding (Cu-Pb-Ag); 25 = Kalwang (Cu); 26 = Fröschnitzgraben (Zn-Pb); 27 = Arzberg (Pb-Zn-Ag); 28 = Grazer Paläozoikum westlich der Mur (Pb-Zn-Ag); 29 = Remschenigg (Cu-Pb-Zn); 30 = Mezica (Pb-Zn); 31 = Koprein (Pb-Zn); 32 = Hochobir (Pb-Zn); 33 = Raibl (Pb-Zn); 34 = Bleiberg-Kreuth (Pb-Zn); 35 = Radnig (Pb-Zn); 36 = Drassnitz (Pb-Zn-Ag); 37 = Jauken (Pb-Zn); 38 = Pirkach (Pb-Zn); 39 = Salafossa (Pb-Zn). Kartenbasis: GBA, IRIS Rohstoffe

2 Probenherkunft und Untersuchungsmethoden

Insgesamt wurden in den drei MRI-Projekten über 450 Proben aus mehr als 50 Vorkommen in den Ost- und Südalpen mittels LA-ICP-MS untersucht (Tab. 1). Dabei wurden 25 Neben- und Spurenelemente bestimmt. Der Fokus lag auf Sphalerit (6800 Messpunkte). Im zweiten MRI-Projekt wurden Chalkopyrit, Pyrit und Pyrrhotin aus Pb-Zn, Cu und einigen Au-Lagerstätten analysiert. Der Probensatz für das Innsbruck-Projekt umfasst 62 Stück und ist eine repräsentative Auswahl von 18 Vorkommen, darunter 13 aus der Pb-Zn (mit drei untergeordneten Cu-Fe Vorkommen) und 5 aus der Cu-Fe Domäne. Neben diesen Proben gibt es einen speziellen Satz aus dem Schneeberger Poschhausstollen (Masterarbeit Gasteiger & Volgger 2018, Uni Innsbruck). Sphalerit, Chalkopyrit und Silikate wurden analysiert. Messungen der Gesteinsgeochemie, Kohlenstoff- und Sauerstoff-Isotopie, Strontium Isotopie, sowie Mikrochemie an Mikrosonde und Nano-SIMS komplettieren diese Detailuntersuchung des ÖSK.

3 Spurenelementverteilungen in Sulfiden der Ostalpinen Vorkommen

Die Ergebnisse belegen eine große Variabilität in der Zusammensetzung von Sphalerit, Chalkopyrit, Pyrit und Pyrrhotin. Selbst in genetisch verwandten Vorkommen variieren die Spurenelementkonzentrationen sehr stark. Zwei Sphalerittypen können klar abgegrenzt werden: [1] in nicht metamorphen Karbonatsedimenten sind die Sphalerite typischerweise arm an Fe (<1 %), Mn, Co, Ga, In, Sn und Sb. Sie können jedoch zum Teil erhebliche Konzentrationen der Elemente Ge (bis > 500 µg/g), As, Tl und Pb aufweisen (Abb. 2a; [2]). In stratiformen und Ganglagerstätten in niedrig- bis mittelgradig metamorphen Gesteinen sind die Sphalerite angereichert an Fe, Co, Ni, Cu, Ag, In und Sn (Abb. 2b). In dem Diagramm Ga/Ge versus In/Sn können diese Typen weitestgehend diskriminiert werden (Abb. 2c).

Abb. 2
figure 2

Boxplots für a Ge und b In in Sphalerit verschiedener Vorkommen. c Ga/Ge und In/Sn aus Medianwerten aus Sphalerit verschiedener Vorkommen in den Ostalpen. Nummern siehe Abb. 1

Die Sphalerite in der ladinischen und karnischen Stufe des Drauzug-Gurktal-Deckensystems (Typlagerstätte Bleiberg) und des Südalpins (Raibl, Salafossa, Mezica) sind recht ähnlich und unterscheiden sich im Wesentlichen in der Magnitude ihrer Elementanreicherungen. Vorkommen in gleichaltrigen Gesteinen der Nördlichen Kalkalpen (Tirolisch-Norisches Deckensystem) sind demgegenüber an Ag angereichert. Sphalerite in Triaskarbonaten des Brennermesozoikums (Ötztal-Bundschuh Deckensystem) sind auffallend arm an Spurenelementen. Die stratiformen Erzlager des Grazer Paläozoikums und der Gurktaldecke führen generell Fe-reichere Sphalerite (1–9 % Fe), die meist nur gering an Co, Ag, Ga, Sb und In angereichert sind. In der polymetallischen Lagerstätte Walchen (Ennstaler Phyllitzone, Koralpe-Wölz Deckensystem) treten Fe-In-Co-Cu-reiche Sphalerite gemeinsam mit In- und Sn-reichem Chalkoyprit auf. Die stratiforme Lagerstätte Schneeberg im ÖSK (Südtirol) ist ebenfalls durch die Assoziation Fe-Co-Cu-In charakterisiert. Kleinere stratiforme und polymorphe Vorkommen im ÖSK sind Fe-reich und führen Co, In, Ag und Hg als wichtige Spurenelemente. Ganglagerstätten können erhöhte Konzentrationen aller Spurenmetalle führen, sind teilweise aber auch auffallend arm an HT-Metallen, z. B. Achselalm (Habachserie des Tauernfensters).

Chalkopyrite aus 26 Vorkommen führen Zn, Ag, Sn, Se, Pb und Mn als wichtigste Spurenelemente. Die Mediankonzentrationen von Ag und Sn können mehrere 100 µg/g bis einige Zehntelprozent erreichen. Die Ag-reichsten Chalkopyrite mit Medianwerten > 600 µg/g stammen aus den Vorkommen Meiselding und Drassnitz. Medianwerte für In erreichen in den Vorkommen Walchen und Drassnitz Werte > 40 µg/g. Die Konzentrationen der kritischen Rohstoffe Co, Ge und Ga sind dagegen niedrig und übersteigen nur in Ausnahmen 10 µg/g. Am Glücksgrat im Stubaital wurden ungewöhnlich hohe Se, In (360 µg/g), Sn und Ge-Konzentrationen ermittelt.

Pyrite aus 26 Vorkommen führen Co, Ni und As als häufigste Spurenelemente, gefolgt von Mn, Pb, Zn und Cu. Die Konzentrationen von In, Ge und Ga erreichen maximal 20 µg/g. Die Co- und Ni-reichsten Pyrite wurden im Vorkommen Haidbach (Median 3754 µg/g Co, 935 µg/g Ni) analysiert [15]. Co-Medianwerte in Pyrit aus Vorkommen im Grazer Paläozoikum, Walchen und Mitterberg liegen bei etwa 500 µg/g, jene aus vielen Ganglagerstätten und karbonatgebundenen Pb-Zn Erzen deutlich darunter.

Pyrrhotin wurde in lediglich in 6 Vorkommen analysiert. Hier sind Co, Ni und Mn die einzigen relevanten Spurenelemente. In der Hälfte der Vorkommen ist Ni gegenüber Co dominant (Median 5755 µg/g Ni, Haidbach), während in Leogang, Walchen und Drassnitz Co überwiegt (Median 250 µg/g Co, Leogang). Konzentrationen von Ge, Ga und In liegen meist deutlich unter 1 µg/g.

Eine statistische Übersicht für das ÖSK zeigt die heterogene Verteilung der Vorkommen (Abb. 3a). Das Diagramm Cd gegen Mn/Co (Abb. 3b) wurde entwickelt, um eine möglichst komplette Diskriminierung der Vorkommen anhand der Sphaleritchemie zu erzielen. Das Diskriminierungsdiagramm Sn versus In zeigt eine recht gute Abtrennung der Vorkommen (Abb. 3c).

Abb. 3
figure 3

a Statistische Darstellung der HT-Metalle in Sphalerit in Vorkommen des ÖSK. b Cd vs Mn/Co in Sphalerit. Der „Ostalpine Sphalerit-Median“ (Median der Mediane aller Vorkommen) hat folgende Werte (in µg/g): Mn 62, Fe 35010, Co 33, Ni 0,2, Cu 264, Ga 4,5, Ge 0,3, As 0,7, Se 12, Ag 14, Cd 2184, In 1,7, Sn 0,37, Sb 3,5, Tl 0,03, Pb 30

4 Sulfidmineralisationen des ÖSK im geologischen Kontext

Der polymetallische (Cu-Fe-Zn-Pb±Ag±Bi±As±Ni±Co±Sb±Au) Erzbezirk Ötztal-Stubai (z. B. Tösens, Nauders, Schneeberg) ist von weitestgehend stratiformen Sulfidvererzungen in spät-präkambrischen/paläozoischen Paragneisen, lokal auch in Karbonaten und Amphiboliten, gekennzeichnet (Abb. 4). Zwei regional getrennte Erzmetall-Domänen sind markant: eine Cu-Fe dominierte im Norden und eine Pb-Zn dominierte im Süden [16]. Ob das ÖSK eine beckensystematische Einheit darstellt oder sich aus mehreren Teilen zusammenfügte, ist noch ungeklärt. Die Buntmetall-Lagerstätten sind als submarin-exhalative „SEDEX“ Lagerstätten zu deuten, während assoziierte Gangerze syn-metamorphe Remobilisate darstellen [16]. Die Metalle in SEDEX Systemen stammen aus der liegenden Beckenstratigraphie und wurden durch zirkulierende Fluide (erhitztes Meerwasser und Solen aus den Sedimenten) mobilisiert [17,18,19,20,21]. Im ÖSK ist die Metallherkunft aus der umgebenden Lithostratigraphie durch Pb-Isotopendaten bekräftigt worden [2, 22, 23]. Die Einarbeitung in die variszische und eoalpidische Orogenese führte zu einem strukturell komplexen Deckenbau mit niedrig- bis hochtemperatur- und lokal hochdruckbetonten metamorphen Überprägungen [24,25,26,27,28,29,30]. Der prägende Metamorphosegrad nimmt generell nach Südosten zu, mit höchstfazieller eoalpidischer Ausprägung im Schneeberg-Revier. Im Westen (Tösens, Nauders) ist die variszische amphibolitfazielle Metamorphose grünschieferfaziell retrograd überprägt worden.

Abb. 4
figure 4

Geologisch-tektonische Karte von Ötztal-Stubai-Kristallin (nach [32]), mit metamorphen Zonengrenzen [33] und Lokalitäten der Zn-Pb und Cu-Fe Vorkommen (nach [16])

Die generell fünf-phasigen Entwicklungen der Erze in den Revieren des ÖSK sind in Abb. 5a zusammengefasst. Feinlaminierte Sulfid-führende Glimmerschiefer und Sphalerit-Phyllonite sind als Relikt einer synsedimentären Ablagerung (Phase 0 der Entwicklung), wahrscheinlich als tonreiche Sulfidschlämme, zu sehen. Primäre Sulfidphasen sind durch Überprägung nicht mehr vorhanden, früheste erhaltene Sulfide werden der Peakmetamorphose zugeordnet (Phase 1, Abb. 5b, c). Diese Überprägung fand entweder während der variszischen Orogenese (Nauders, Tösens) oder im Fall von Schneeberg der eoalpidischen Orogenese statt. Die Phase 2 ist eine Sequenz aus deformationskontrollierter Remobilisation der Primärerze, die in Tösens und Nauders als hydrothermale Gang- und Brekzienvererzung (Abb. 5d,e) und in Schneeberg als lagige Intraremobilisation ausgeprägt ist. Karbonatisierung ist eine typische Begleiterscheinung solcher Remobilisate. Es ist anzunehmen, dass sich im Zuge orogener Spröd-Deformationen druckgetriebene Formations- oder metamorphe Wässer durch die obere Kruste bewegten und Sulfidphasen remobilisierten. Diese wurde in Folge wieder metamorphisiert: Phase 3 und 4 sind niedrigradige/retrograde metamorphe Überprägungen mit statischer Textur-Equilibrierung und dynamischer Rekristallisation in Scherzonen (Abb. 5f,g). Diese Verformung samt Metasomatose wird als spätere eoalpidische Phase interpretiert. Da Pyrrhotin stets als Einschlüsse bzw. Klasten im Rekristallisat vorkommt, sind hier Temperaturen von maximal 300 °C anzunehmen [31].

Abb. 5
figure 5

a Paragenetische Sequenz; bg Petrographie der Erztypen im ÖSK

5 Faktoren der Spurenelementverteilung in Sulfiden des ÖSK

Die Studie im ÖSK ergab eine Reihe geologischer und mineralogisch-geochemischer Eigenschaften (Faktoren), die charakteristisch für Domänen, Reviere, Vorkommen und Proben sind. Aufgrund dessen wurde ein Vergleich der Sphalerit- und Chalkopyrit-Chemie durchgeführt, um die Signifikanz jener Faktoren zu evaluieren.

Abb. 6
figure 6

Synthese der räumlich-temporalen Ausprägung des Mineralsystems im ÖSK, basierend auf Lagerstättengröße sowie Indikatoren der Gesamtgesteins-Geochemie (Dank an G. Hobiger, Geologische Bundesanstalt Wien), Karbonat-Isotopie (Dank an C. Spötl, Geologisches Institut, Universität Innsbruck) und Strontium-Isotopie (Dank an M. Regelous, Universität Erlangen)

5.1 Faktor Becken-Tektonik, Magmatismus, Lithostratigraphie

Auf dem regionalen Maßstab ist zwischen der südlichen Pb-Zn und nördlichen Cu-Fe metallogenen Domäne zu unterscheiden. Die regionale Variation des sedimentär-magmatischen Ablagerungsraums hat einen direkten Einfluss auf die Metallisation und Sphalerit-Chemie. Es zeigt sich, dass Sphalerite in der Cu-Fe Domäne reicher an Cu, Mn, Ag, Bi, As und ärmer an Co, Ni, Hg sind. Im Falle von Cu ist die Anreicherung sicher auf den Überschuss im mineralisierenden Fluid zurückzuführen. Die Anreicherungen von Ag, Bi und As sind vom Cu-Gehalt abhängig. Erhöhtes Mn zeigt allgemein keine Korrelation zu Cu und ist daher eine unabhängige Signatur der Cu-Fe-Domäne. Andererseits sind Hg, Co und Ni Signaturen der Pb-Zn-Domänen.

5.2 Faktor lokales Ablagerungsmillieu (Lithostratigraphie, Vent-Proximalität, Vererzungstyp)

Die Nähe zum Exhalationsherd wird für viele SEDEX Lagerstätten als einer der wichtigen Faktoren erachtet, der Chemismus und Mineralogie der Erze beeinflusst [20]. Daneben haben auch Lithostratigraphie und Vererzungstyp/-Paragenese enormen Einfluss auf die lokale Sulfidchemie.

Einige Vorkommen in der südlichen Pb-Zn Domäne sind mit Amphiboliten assoziiert, und diese Vorkommen führen typischerweise Cu-Fe±Zn Erze. Anhand des Chalkopyrits lassen sich Aussagen treffen, in wie weit sich das lokale Vorhandensein von Amphiboliten auf die Spuren in Sulfiden auswirkt. Der Vergleich zeigt höhere Co, Bi, Se Werte in Chalkopyriten in Cu-Fe±Zn Erzen gegenüber höheren Ga, Ge, Pb, Ag, Sb, Sn Werten in solchen der Pb-Zn±Cu Erze. Die letztere Element-Gruppe ist mit Sulfosalzen assoziiert, woraus sich rückschließen lässt, dass die Spurenelement-Zusammensetzung der Chalkopyrite vom Gesamtchemismus der Erzparagenese abhängt. Andererseits sind die Elemente Co, Bi und Se Indikatoren für Amphibolite in den Umgebungsgesteinen. Mit Sphalerit ließ sich diesbezüglich keine Aussage machen, da die Cu-Fe±Zn Erze kaum messbaren Sphalerit führten.

Metallverhältnisse der Gesamtgesteinsgeochemie sind Indizien für die Nähe zum Exhalationsherd, d. h. Fluid‑, Stoff- und Hitzequelle [20]. Im ÖSK ließen sich anhand der Gesamtgesteinsgeochemie auf regionalem und lokalem Maßstab recht klare Trends bzgl. einer solchen Proximalität herleiten (Abb. 6). Auf regionalem Maßstab ist Fe in Sphalerit ein Indikator für Proximalität zum Vent (vergleichbar mit Ergebnissen von [34]). Eine Abreicherung von Cu, As, und Bi in proximalen Sphaleriten ist wahrscheinlich eine Folge der bevorzugten Partitionierung in paragenetisch assoziierten Chalkopyrit [20, 21]. Auf lokalem Maßstab im Schneeberger Poschhausstollen sind diese Proxies nicht eindeutig ausgeprägt. Hier zeigen sich aber andere Trends: Cd, Hg, Pb, Mn, As, Sb, Cr im Sphalerit steigen mit Nähe zum prognostizierten Exhalationsherd an, während Co, In, Ga, Sn, Bi abfallen. Erhöhte Cd und Fe Werte werden von höheren Temperaturen kontrolliert, während Pb, Hg, As, Sb mit Sulfosalz-Einschlüssen einher gehen. Die relative Abreicherung von Co, In, (Ga) mit Nähe zum Exhalationsherd erscheint konsistent auf regionalem und lokalem Maßstab.

5.3 Faktor hydrothermale Erz-Remobilisation

In Schneeberg zeigt sich, dass in den Remobilisaten Cd, Hg, Mn, Pb, Ag, Sb, As ansteigen und Co, In, Ga, Ge, Sn, Bi abfallen. Die typischen Sulfosalzmetalle Ag, Sb, As sind deswegen erhöht, da diese Erze weniger Sulfosalz führen, und die Metalle vom Sphalerit (und Galenit) aufgenommen werden. In den Remobilisat-Gängen im Tösens Oberbergler Gang sind Cu, In, Ga, Ge, erhöht und nur Bi signifikant verringert. Die Brekzienvererzungen in Tösens Unterbergler Gang verhalten sich ähnlich, wie auch die Nauders Brekzienerze, mit Ausnahme des stark angereicherten As. Ähnlich zu Schneeberg ist ein niedriges Ag/Bi Verhältnis in Tösens und Nauders ein Proxy für Remobilisat-Erze. Das unterschiedliche Verhalten von Cu, In, Ga, Ge belegt jedoch unterschiedliche Metallbudgets der Remobilisation in den Lokalitäten, die am ehesten auf Umgebungsgesteine (z. B. Cu und In aus den Diabasgängen in Tösens) zurückzuführen sind.

In den Chalkopyrit-reichen Gangerzen wirkt sich die Partitionierung unter den co-genetischen Phasen auf die Sphaleritchemie aus: Es zeigt sich, dass Chalkopyrit der präferierte Wirt für Sn, Ge, Ag und Bi ist.

5.4 Faktor prograde Metamorphose (Rekristallisation)

Obwohl prä-Alpine und eoalpine Metamorphosen systematisch auf dem regionalen Maßstab variieren, ist nur eine qualitative Bewertung der Zusammenhänge zwischen Metamorphose und Sulfidchemie möglich – hier sind andere Faktoren relevant. An metamorphen hydrothermalen Erzparagenesen, die mineralogisch vergleichbar sind mit den Tösens und Nauders Gangerzen, wurde gezeigt, dass mit zunehmender metamorpher Umwandlung Sn, Ga und In in co-genetischen Chalkopyrit partitionieren [11]. Dies kann mit Daten des ÖSK bestätigt werden. Bemerkenswert ist das zuvor nicht beschriebene Verhalten von Ge, das auch in Chalkopyrit partitioniert. Sulfid-Kassiterit ± Stannit Paragensen in Tösens und Glücksgrat [35] deuten auf einen Ausschluss von Sn aus der Struktur des peakmetamorphen Sphalerits hin. Wenngleich mineralogische Umwandlungen der prograden Metamorphose Einfluss auf die Metall-Partitionierung haben, ändern diese das Budget jedoch nicht entscheidend.

5.5 Faktor retrograde Rekristallisationen und Fluid-assistierte Deformation

Die Mobilisierung von Fe und Cu ist von metamorpher Fazies, fluider Phase, und Deformation-Typus abhängig. Die in Schneeberg und Tösens häufigen Cu-Sulfid-Girlanden entlang statisch-equilibrierter Korngrenzen zeigen, dass die höheren P/T Bedingungen dort eine ortsgebundene Ausfällung von verschiedenen Cu-Sulfiden ermöglichten (Abb. 7a). In niedrig-gradigen Nauders Erzen führte dynamische Rekristallisation bei höherem Fluidfluss zu einem signifikanten Abtrag von Cu (Abb. 7b). Generell sind Diffusion und Fluid-gestützter Transport entlang von Korngrenzen wichtig. Bei statischer Rekristallisation erfährt nur Hg einen signifikanten Abfall, die dynamische Rekristallisation geht allerdings einher mit signifikantem Abfall an Hg, In, Co, und Ga und Anstieg an Fe, Cu, Ge, Ag, Sb (Abb. 7c). Für diesen selektiven Anstieg im Rekristallisat könnten fein verteilte Sulfosalzkörner verantwortlich sein, welche durch Mylonitisierung von ursprünglich gröberen Körnern hervorgerufen wurden.

Abb. 7
figure 7

Rasterelektonen-Rückstreubilder und Mikrosonden-Elementverteilungskarten für Fe und Cu von Sphalerit-Texturen aus a Tösens und b Nauders. c Box Plots zeigen die Chemismen der Sphalerit-Deformationstypen auf

6 Forschungsfazit und Aussicht

Unter Nutzung der umfangreichen Datensätze können Aussagen über die Präferenz von Spurenelementen in Fe-Cu-Zn-Sulfidparagenesen getroffen werden. Die Elemente Mn, Ga, Se und Cd werden präferentiell in Sphalerit eingebaut; Co, Ni in Pyrit und Pyrrhotin; As in Pyrit; Ag und Sn im Chalkopyrit. Germanium wird in Sphalerit (karbonatgebundene Pb-Zn Erze) und/oder Chalkopyrit eingebaut (Cu-reiche Erze), selten in Pyrit. Indium ist gleichfalls entweder an Sphalerit oder an Chalkopyrit gebunden. Antimon, Tl, Bi, Mo können in allen beteiligten Sulfidphasen eingebaut werden. Die Temperaturabhängigkeit der Sphaleritzusammensetzung wurde genutzt, um systematische Trends in der Zusammensetzung von Begleitsulfiden zu testen. Es scheint eine Temperaturabhängigkeit der Sn/Ag und Cd/Zn-Verhältnisse im Chalkopyrit zu bestehen, die durch weitere Daten und experimentelle Untersuchungen überprüft werden sollte.

Der erbrachte Nachweis von komplexen, syngenetischen Verteilungsabhängigkeiten sowie metamorph-metasomatischen Remobilisierungs-Prozessen seltener Metalle in Sphalerit-reichen Erzen hat Auswirkungen auf die genetischen Untersuchungen von Erzen. Das gute Verständnis kann auch die metallurgische Aufbereitung von Spurenmetallen aus Sulfidkonzentraten verbessern. Die Faktoren lithostratographischer Kontext, Proximalität zum Exhalationszentrum, und metamorph-metasomatische Remobilisation und Partitionierung sind entscheidend. Metamorphe Überprägung hat keinen nennenswerten Effekt auf die Zn-Pb Höffigkeit eines Vorkommens und eher geringe Auswirkungen auf die HT-Metall-Partitionierung.

Nach der Durchführung dreier MRI Projekte zum Thema Sulfidchemie sind weiterhin Fragen offen, die in Folgeprojekten bearbeitet werden sollten: physicochemische Faktoren, die den Einbau von Metallen in Sulfiden und co-genetischer Gangart (Silikate) bestimmen, sind ungeklärt und können durch experimentelle Untersuchungen entschlüsselt werden. Die Aufarbeitung der primären Beckenstratigraphie des ÖSK ist, gerade im Hinblick auf die variable Metallogenese, ein nicht nur regionalgeologisch interessanter Forschungsaspekt. Und nicht zuletzt warten die magmatogenen Vorkommen des Südalpins auf eine eingehende Untersuchung ihres HT-Metall-Potentials.

7 Ökonomisches Fazit

Eine wirtschaftliche Bewertung der untersuchten Vorkommen scheitert an fehlenden oder verifizierbaren Reservedaten. Ein Bewertungsversuch auf der Basis von Durchschnitts-Erzzusammensetzungen und derzeitigen Marktpreisen ergibt Metallinhalte zwischen 100 und 600 €/Tonne Erz, die zum großen Teil auf Zn und Cu zurückzuführen sind. In karbonatgebundenen Pb-Zn Vorkommen vom Bleiberg-Typ können 10–30 % des Gesamterzwertes an Ge gebunden sein. Kobalt, Ag und In tragen nur maximal 5 % (Co, Ag) bzw. 1 % (In) des Metallwertes bei; Gallium spielt keine Rolle. In den großen Lagerstätten des ÖSK sieht die Situation derart aus, dass in Schneeberg In den Löwenanteil an den HAT-Metallen ausmachen würde (75 %), gefolgt von Ga (23 %); in Tösens (Unterbergler Gang) wäre wiederum Ge (69 %) wichtig, gefolgt von Ga (17 %) und In (11 %). Aus geometallurgischer Sicht sind die gewonnenen Erkenntnisse zur Partitionierung in Sulfiden und metamorphen Mineralphasen aufschlussreich.