1 Archäologisches Umfeld

Ein wichtiges Handwerk der Römerzeit war die Steinbearbeitung, welche für Bauwerke, Statuen, Stelen usw. nötig war. In der sogenannten „Lupa-Datenbank“ sind dazu zahlreiche Beispiele zu finden [1]. Um entsprechende Steindenkmäler herzustellen, benötigt man einerseits geeignete Steine, wie z. B. Marmor [2, 3], und andererseits Werkzeuge für die Bearbeitung [4,5,6,7].

Einer der bekanntesten römerzeitlichen Marmorsteinbrüche im Südostalpenraum ist der sogenannte Spitzelofen am Westabhang der Koralpe (Sankt Georgen im Lavanttal, Bezirk Wolfsberg) der zwischen 2015 und 2020 eingehend montanarchäologisch untersucht wurde [8]. Untersuchungen zur Herkunftsbestimmung des Marmors von römerzeitlichen Steindenkmälern in Kärnten erlaubten bereits vor längerer Zeit die Identifizierung und Zuordnung einiger Objekte zur Marmorlagerstätte am Spitzelofen [9].

Da im Steinbruchrevier Spitzelofen in der Neuzeit kein Marmor mehr abgebaut wurde, kann die römerzeitliche Gewinnung und Verwertung des Marmors ungestört untersucht werden. An den Steinbruchwänden und -sohlen sind charakteristische Abbauspuren (Schrämspuren, Keiltaschen, Schrote) zu erkennen, einzelne liegengebliebene bearbeitete Blöcke lassen darauf schließen, dass bereits im Steinbruch die herausgebrochenen Blöcke zu Rohprodukten (zu Halbfertigprodukten) weiter bearbeitet wurden. Weiters sind noch Transportwege zwischen den einzelnen Abbaustufen sowie ein zentraler Abtransportweg in Richtung des Lavanttals gut zu erkennen. Neben den Bergbauspuren wurden auch zahlreiche Werkzeuge wie Doppelspitzschlägel, Vorschlaghammer, Setzkeile oder Brechstangen gefunden. Holzkohleschichten in den Abraumhalden wurden untersucht und als Schmiedeessen identifiziert, was bedeutet, dass die Werkzeuge vor Ort nachbearbeitet wurden.

Die genaue Herkunft des Eisens für die Werkzeuge ist nicht belegt, aber das „norische Eisen“ (ferrum Noricum) aus dem Südostalpenraum war bei den Römern ein Synonym für Qualität und Härte [10, 11]. Die Eisenproduktion selbst erfolgte in sogenannten Rennfeuern, dessen Wirkungsweise bereits ausführlich in der Literatur beschrieben wurde [12, 13]. Aus dem Rennfeuer wurde eine sogenannte Luppe erhalten, welche einem Eisen mit variablem Kohlenstoffgehalt entspricht, wobei aber die Eigenschaften von Stahl gewünscht waren [14, 15]. Wichtig bei diesem Prozess ist, dass die Temperatur der Luppe unterhalb der Schmelztemperatur von Gusseisen bleibt (Fe‑C Eutektikum bei ca. 1150 °C), damit das Eisen nicht zu viel Kohlenstoff aufnehmen kann und flüssig wird. Gusseisen wiederum kann nur unter Schwierigkeiten geschmiedet werden, da es bei üblichen Schmiedevorgängen aufschmelzen kann [16]. In einer Luppe können der Kohlenstoffgehalt sowie auch Schlackeneinschlüsse sehr ungleichmäßig verteilt sein. Durch die Schmiedetemperatur, aber auch durch das Schmieden selbst, erfolgt eine Homogenisierung der Kohlenstoffverteilung und Schlacken werden entsprechend verformt.

Um größere Eisenobjekte zu erhalten, wurden mehrere Luppen mittels Feuerverschweißen beim Schmieden verbunden. Ein übliches Halbprodukt zu dieser Zeit waren die Spitzbarren, wobei manche Schweißnähte aufweisen, die bereits mit freiem Auge gut zu erkennen sind [17, 18]. Aufgrund der Ähnlichkeit von Doppelspitzschlägel und Spitzbarren könnten letztere als Ausgangsmaterial für die Herstellung gedient haben. Es ist ebenfalls davon auszugehen, dass die Werkzeuge nach ihrem Einsatz im Steinbruch durch Schmieden nachbearbeitet wurden. Auch eine Härtung der Oberfläche durch Abschrecken könnte erfolgt sein.

2 Ein Doppelspitzschlägel vom Spitzelofen

Da insgesamt 10 vollständig erhaltene Doppelspitzschlägel gefunden wurden, konnte ein Exemplar (Objektnummer: Has-12; [8]) für metallographische Untersuchungen zur Verfügung gestellt werden (Abb. 1a). Ziel dieser Untersuchungen war es, das Gefüge und die Härte dieses aus der römischen Kaiserzeit (1. bis 3. Jahrhundert n. Chr.) stammenden Eisenwerkzeugs zu bestimmen. Da der Doppelspitzschlägel der Länge nach getrennt werden musste und keine entsprechend große Bandsäge zur Verfügung stand, hat sich die Firma Vana Anlagenbau GmbH bereit erklärt, den Schnitt mittels Wasserstrahls durchzuführen (Abb. 1b, c).

Abb. 1
figure 1

Römischer Doppelspitzschlägel aus dem Marmorsteinbruchrevier Spitzelofen. a Gesamtansicht, b,c beide Schnittflächen nach dem Trennen mittels Hochdruckwasserstrahls

Für vergleichende Untersuchungen wurde von Wolfgang Scheiblechner ein Doppelspitzschlägel nachgeschmiedet, mit dem auch Versuche der Steinbearbeitung im Steinbruch Spitzelofen durchgeführt wurden (Abb. 2a). Um die Einhärtung beim Abschrecken nach dem Schmieden untersuchen zu können, wurden auch zwei Spitzen für metallographische Untersuchungen angefertigt (Abb. 2b).

Abb. 2
figure 2

Nachgeschmiedeter Doppelspitzschlägel. a Gesamter Schlägel mit angebrachtem Holzstiel (aus Eibe) für Versuche im Marmorsteinbruch, b zwei nachgeschmiedete und gehärtete Spitzen für werkstoffkundliche Untersuchungen

3 Metallkundliche Untersuchungen

Es wurden eine Spitze des römischen Doppelspitzschlägels sowie die beiden nachgeschmiedeten Spitzen metallographisch untersucht. Größere Proben wurden mit einer Labortrennmaschine in geeignete Stücke zerteilt. Nach der metallographischen Präparation mittels Schleifen und Polieren wurden die Schliffe sowohl ungeätzt als auch nach einer Ätzung mit 3 %iger Nital-Lösung im Lichtmikroskop (LOM) untersucht. Um die vorliegenden Stahlgefüge besser beurteilen zu können, wurden Mikrohärtemessungen nach Vickers HV0,1 durchgeführt.

4 Gefüge des römischen Doppelspitzschlägels

Auf den beiden Schnittflächen des Doppelspitzschlägels sind Risse, Spalten und Schlackeneinschlüsse zu sehen (Abb. 1b, c). Die Risse könnten durch das Verbinden mehrerer Luppen mittels Feuerschweißen entstanden sein, wobei möglicherweise vorhandene Oxidbeläge eine homogene Verschweißung der Teile verhindert haben.

Das Eisen des Doppelspitzschlägels besteht weitgehend aus Stahl mit eutektoidem (0,8 % C) Kohlenstoffgehalt. Jedoch findet man an verschiedenen Stellen untereutektoiden Stahl (<0,8 % C). Die unregelmäßige Kohlenstoffverteilung ist einerseits auf Inhomogenitäten in den verwendeten Luppen [16, 17] und andererseits auf Entkohlung beziehungsweise Aufkohlung während der Schmiedevorgänge zurückzuführen [19]. Bei Schmiedetemperaturen über 900 °C kann Kohlenstoff vom Stahl aufgenommen werden und bei niedrigeren Temperaturen kann Entkohlung auftreten.

Das Vorliegen von nahezu kohlenstofffreiem Ferrit an der untersuchten Spitze des Schlägels deutet auf Entkohlung während des Schmiedens hin. Abb. 3a zeigt eine Übersichtsaufnahme der Spitze des Doppelspitzschlägels nach einer Ätzung mit 3 % Nital-Lösung. Um die vorliegenden Stahlgefüge besser zuordnen zu können, wurden Mikrohärtemessungen mit HV0,1 durchgeführt. In den hellen Bereichen wurden Härten um 130 HV0,1 gemessen, was einem ferritischen Gefüge mit geringem Zementitgehalt entspricht. Die dunkleren Bereiche enthalten mehr Kohlenstoff, wodurch die Härte auf 270 HV0,1 ansteigt, ein typischer Wert für eine perlitische Mikrostruktur. Die braun gefärbten Bereiche enthalten etwa 0,8 wt.% Kohlenstoff, was ein eutektoides Gefüge anzeigt und es wurden Härten zwischen 330 und 370 HV0,1 gemessen, ein Hinweis auf die Anwesenheit von feinem Perlit und Zwischenstufe. In Abb. 3b ist eine Überblicksaufnahme aus einem mittleren Bereich des Doppelspitzschlägels zu sehen. Es wurde ein Härtegradient von 170 zu 118 HV0,1 gemessen, was durchwegs einem untereutektoiden Stahl entspricht.

Abb. 3
figure 3

Metallographische Schliffe mit eingetragenen Werten der Mikrohärte HV0,1. Ätzung mit 3 % Nital. a Spitze des Doppelspitzschlägels, b Randbereich

In Abb. 4 sind die verschiedenen Gefüge des Doppelspitzschlägels dargestellt.

Abb. 4
figure 4

Gefüge des Doppelspitzschlägels im LOM. a–c Bereich der Spitze, a poliert, b,c Ätzung mit Nital 3 %, d–f Gefüge im Innenbereich des Schlägels, Ätzung mit 3 % Nital, g–i Randzone mit inhomogener Kohlenstoffverteilung, Ätzung mit 3 % Nital

Die Spitze des Doppelspitzschlägels zeigt einerseits längliche Schlackeneinschlüsse und Korrosionsprodukte an der Oberfläche (Abb. 4a). Nach einer Ätzung erkennt man eine ungleichmäßige Verteilung von Kohlenstoff, welcher in unterschiedlichen Gefügen von Ferrit/Zementit vorliegt (Abb. 4b). Im Randbereich nahe der Schlackeneinschlüsse liegt nahezu reiner Ferrit vor und weiter Richtung Probeninneres steigt der Kohlenstoffgehalt an. Dies entspricht auch den in Abb. 3a beschriebenen Härtegradienten. In Abb. 4c ist ebenfalls ein Kohlenstoffgradient zu sehen, wobei die helleren Bereiche weniger und die dunkleren Bereiche mehr Kohlenstoff enthalten. In Bereichen mit weniger Kohlenstoff sieht man Widmannstättsche Ferritanordnung neben perlitähnlichen Strukturen gemischt mit Zwischenstufe (Abb. 4d). Bei höheren Kohlenstoffkonzentrationen überwiegen Gemische aus Zwischenstufe und feinem Perlit (Abb. 4d). Teilweise werden auch Spalten beobachtet, die vermutlich während des Feuerverschweißens von Eisenteilen entstanden sind (Abb. 4f). Die Kohlenstoffverteilung in diesem Bereich ist jedoch sehr homogen. Die Abb. 4g–i zeigen wiederum einen Randbereich mit inhomogener Kohlenstoffverteilung. Detailaufnahmen (Abb. 4h, i) zeigen wiederum unterschiedliche Verteilungen von Widmannstättschem Ferrit, feinem Perlit sowie Zwischenstufe.

Die beobachteten Gefüge bestätigen somit die Herstellung des Doppelspitzschlägels aus Rennfeuern gewonnener Luppen sowie die Bearbeitung durch Schmieden. Da angenommen werden kann, dass nach dem Schmieden eine Abkühlung in Wasser erfolgte, stellte sich die Frage, warum kein Martensit gefunden wurde. Um zu klären, ob bei derartigen Spitzen Martensit überhaupt entsteht, wurden zwei Spitzen nachgeschmiedet und in Wasser abgeschreckt. Aber auch in diesem Fall konnte kein Martensit nachgewiesen werde.

Erklärungen für das Fehlen von Martensit wären:

Die Abschrecktemperatur (übereutektoide Temperaturen, > 730 °C sollten vorliegen) war zu niedrig für die Martensitbildung. Dies könnte der Fall sein, wenn während des Schmiedens die Temperatur bereits abgefallen ist oder dass das Werkstück nur oberflächlich erwärmt wurde und dadurch rascher abkühlte.

Die notwendige Abkühlgeschwindigkeit für die Martensitbildung wurde aufgrund der Masse des Schlägels nicht erreicht, wodurch sich bevorzugt die Zwischenstufe ausbildete.

Verschleiß beim Einsatz im Steinbruch oder Korrosion während der Lagerung im Erdreich können zum Abtrag der Oberfläche und somit des Martensits geführt haben.

5 Gefüge der nachgeschmiedeten und gehärteten Spitzen

Aus einem Baustahl mit untereutektoidem Kohlenstoffgehalt (ca. 0,5 % C) wurden zwei Spitzen nachgeschmiedet (Abb. 2b). Um definierte Härtebedingungen sicherzustellen, wurden die Spitzen in einem Ofen auf 850 °C erhitzt und danach in Wasser abgeschreckt. In Abb. 5a sind längliche Einschlüsse zu sehen, welche durch das Schmieden entstanden sind. Die Abb. 5b–f zeigen typische Gefüge im Bereich der Oberfläche der Spitze bestehend aus Widmannstättschem Ferrit und Zwischenstufe. Es konnte kein Martensit festgestellt werden, was bedeutet, dass die Abkühlgeschwindigkeit zu langsam war. Dies erklärt sich möglicherweise durch die Masse der Spitze, da aufgrund der Wärmeleitfähigkeit im Stahl die Temperatur nicht rasch genug abgesenkt werden kann. Es erfolgte somit in den Randbereichen eine Härtung zur Zwischenstufe, da auch kein Perlit festgestellt wurde. Nahe der Oberfläche wurden in Bereichen mit Zwischenstufe Härten von etwa 400 HV0,1 gemessen. Richtung Probeninneres sanken diese Werte auf ca. 350 HV0,1 was auf eine etwas gröbere Zwischenstufe schließen lässt. Bereiche mit höheren Ferritanteilen besitzen eine Härte um 280 HV0,1.

Abb. 5
figure 5

Gefüge der nachgeschmiedeten Spitzen im LOM. a Gefüge mit verformten Einschlüssen (poliert), b,c Spitze 1, d–f Spitze 2 (Ätzung mit 3 % Nital)

6 Zusammenfassung

Ein römerzeitlicher Doppelspitzschlägel aus dem Marmorsteinbruchrevier Spitzelofen in Kärnten wurde werkstoffkundlich untersucht, um Daten über seinen Aufbau und das Gefüge zu erhalten. Daraus kann abgeleitet werden, wie diese Werkzeuge hergestellt wurden und auch wie sie sich beim Einsatz im Marmorsteinbruch verhalten haben. Die Römer beherrschten die Herstellung von Eisen in Rennfeuern, wobei Luppen erhalten wurden, welche entsprechend ihrem Kohlenstoffgehalt als Stahl bezeichnet werden können. Größere Eisenteile wurden durch Feuerverschweißen mehrerer kleinerer Luppen hergestellt. Ob dies für die Herstellung des vorliegenden Doppelspitzschlägels notwendig war, ist nicht bekannt, aber die im Querschnitt sichtbaren Spalten könnten so entstanden sein.

Das Eisen des Doppelspitzschlägels besteht weitgehend aus Stahl mit eutektoidem (0,8 % C) und geringeren untereutektoidem (<0,8 % C) Kohlenstoffgehalt. Die Kohlenstoffverteilung in der untersuchten Spitze des Schlägels ist relativ inhomogen, denn neben nahezu kohlenstofffreiem Ferrit wurden auch eutektoide Gefüge (0,8 % C) gefunden. Ob diese Kohlenstoffgradienten aus der verwendeten Luppe stammen oder während des Schmiedens durch Entkohlung beziehungsweise Aufkohlung entstanden sind, kann nicht beurteilt werden. Die beobachteten Stahlgefüge entsprechen den bekannten Gefügen wie z. B. Ferrit, Widmannstättschem Ferrit, Zwischenstufe, Perlit. Die durchgeführten Härtemessungen bestätigten die metallographischen Beobachtungen. Es wurde jedoch kein Martensit beobachtet, dessen Entstehung beim Abschrecken des Werkzeugs in Wasser, zumindest an der Oberfläche, entstanden sein könnte. Um dies zu überprüfen, wurden zwei Spitzen ähnlicher Geometrie nachgeschmiedet und gehärtet, wobei auch hier kein Martensit beobachtet wurde. Daraus kann geschlossen werden, dass aufgrund der Masse des Werkzeugs die Abkühlgeschwindigkeit für eine Martensitbildung nicht erreicht wird.

Mit dem nachgeschmiedeten Doppelspitzschlägel wurde auch versucht, im Marmorsteinbruchrevier Spitzelofen an ausgewählten Stellen den Marmor zu bearbeiten; so wurde an einem Marmorblock ein kleiner Schrotschlitz damit angelegt (Abb. 6). Dabei stellte sich heraus, dass die Spitzen relativ rasch abstumpfen und daher eine Nachbearbeitung durch Schmieden in relativ kurzen Abständen notwendig wird. Experimentelle Untersuchungen in Thasos konnten zeigen, dass Meißeln alle zwei Stunden nachgeschmiedet werden mussten [20] bzw. – und dies ist auch bei den Doppelspitzschlägeln anzunehmen – mit einem Set von Werkzeugen gearbeitet wurde, die bei Feierabend alle auf einmal nachgeschmiedet wurden. Die Haltbarkeit der Werkzeuge ist sicherlich auch von der Technik der Werkzeugführung abhängig, die uns leider nicht bekannt ist. Dies bedeutet, dass die römischen Steinbrucharbeiter vermutlich länger mit den Werkzeugen arbeiten konnten als unsere Versuche gezeigt haben. Es wurden im Steinbruch aber Schmiedeplätze nachgewiesen, was nahelegt, dass die Werkzeuge vor Ort nachbearbeitet wurden.

Abb. 6
figure 6

Nachgeschmiedeter Doppelspitzschlägel in originalem Schrämgraben