1 Einleitung

Es gibt zahlreiche Publikationen, die die digitale Transformation im Tief- und Tunnelbau propagieren und bereits prototypisch implementiert haben [1, 2]. Als Lösungsansatz wird dabei immer wieder Building Information Modeling (BIM) genannt und die Umsetzung der digitalen Transformation basierend auf dieser Methodik gefordert. BIM hat im Hochbau schon vor längerer Zeit erfolgreich Einzug gehalten und ist in der Abwicklung von Hochbauprojekten nicht mehr wegzudenken. Im Untertagebau, und gerade im konventionellen Tunnelvortrieb, besteht jedoch noch ein gewisser Aufholbedarf. Im Unterschied zum Hochbau hat ein Tunnelbauwerk prototypischen Charakter, wodurch sich Tunnelbauwerke in hohem Maße hinsichtlich Ausgangsparameter in der Planung, Errichtung und Erhaltung unterscheiden [3]. Eine standardisierte Vorgehensweise ist daher nicht einfach zu implementieren. Zudem erstreckt sich ein Tunnelbauwerk linear im Gegensatz zur vertikalen Hochbauweise. Diese lineare Ausdehnung von Infrastrukturanlagen bedingt spezielle Softwareanforderungen bspw. hinsichtlich der Integration von Koordinatensystemen (GIS Modelle), um Maßstabsfaktoren für die Massenermittlung entsprechend zu adressieren [3, 4]. Das bedeutet auch, dass durch eine Vielzahl von beteiligten Fachdisziplinen im Untertagebau unterschiedliche Softwaretools, mit zumeist proprietären (nicht standardisierten) Datenformaten, zum Einsatz kommen. Durch diese in sich geschlossenen Datenmodelle ist eine BIM konforme Zusammenarbeit über die Lebenszyklusphasen hinweg nur schwer zu realisieren [5].

Die BIM-Modellierung wird generell von einigen wenigen Softwareherstellern dominiert. Wie internationale Studien und nationale Erhebungen belegen besitzt AutodeskFootnote 1 mit seinen Produktfamilien eine starke Marktdominanz [6, 7]. Obwohl von den Softwareherstellern benutzerdefinierte Erweiterungen sowie Schnittstellen bzw. APIs (Application Programming Interfaces) bereitgestellt werden, zeigt die gängige Praxis, dass diese nicht ausreichen, um einen medienbruchfreien Austausch unterschiedlicher Datenformate zu gewährleisten [3]. In seiner einfachsten Form ist BIM ein Serialisierungsstandard, der Geometrie mit nicht-geometrischen Informationen über mehrere Fachdisziplinen hinweg koppelt [8]. In der fortgeschrittenen Form umfasst BIM die Geschäftslogik mit Detaillierungsstufen sowie eine Versionskontrolle [9]. Generell ist BIM nicht auf einen einzigen Datenaustauschstandard beschränkt. Dennoch hat sich in den letzten Jahren das standardisierte und offene Datenaustauschformat IFC (Industry Foundation ClassesFootnote 2, ISO 16739-1:2018) etabliert. Der von der buildingSMARTFootnote 3 Initiative entwickelte Standard wird von einer großen Anzahl unterschiedlicher Tool-Hersteller eingesetzt und unterstützt eine breite Palette von Hardwaregeräten, Softwareplattformen sowie Schnittstellen für viele verschiedene Anwendungsfälle. Der bidirektionale Datenaustausch basierend auf IFC verläuft jedoch selbst in der AEC (Architecture, Engineering and Construction Industry) Domäne nicht fehlerlos [3, 10, 11]. Dieser Umstand ist unter anderem den unterschiedlichen Sichtweisen der am Projekt beteiligten Akteuren geschuldet und der unterschiedlichen Informationsgranularität, basierend auf der jeweiligen Lebenszyklusphase, um hier nur zwei Beispiele zu nennen.

Um künftig im Sinne von BIM erfolgreich im Untertagebau digital und kollaborativ zusammenzuarbeiten, hat der Lehrstuhl Subsurface Engineering der Montanuniversität Leoben unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. mont. Robert Galler das Forschungsthema der digitalen Transformation im Untertagebau zentral in die Forschungsagenda aufgenommen und dafür eine neue Professur mit dem Forschungsschwerpunkt „Digitale Transformation im Tunnelbau“ geschaffen. Bewusst wurde diese Position durch eine Informatikerin, Frau Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Mag. Dr.techn. Alexandra Mazak-Huemer, besetzt, da die digitale Transformation nur interdisziplinär gelingen kann. Das bedeutet, dass neben dem Domänenwissen aus dem Tunnelbau gerade die Informatik eine zentrale Rolle einnimmt, wenn es nachhaltig gelingen soll, innovative und digital durchgängige Lösungen über den Lebenszyklus eines Untertagebauwerks hinweg, zu entwickeln. Diese interdisziplinäre Herangehensweise an das Thema wird durch zwei studienrichtungs- und universitätsübergreifende Forschungskooperationsprojekte am Lehrstuhl umgesetzt. Beide Projekte werden nachfolgend vorgestellt. Das Zentrum am BergFootnote 4 (ZaB) dient in beiden Forschungskooperationsprojekten als zentrale Infrastruktur zu Evaluierungszwecken. Das Forschungszentrum ZaB umfasst sowohl Straßen- als auch Eisenbahntunnel mit allen spezifischen Bauelementen (inklusiver elektrotechnischer Ausstattung) zeitgemäßer untertägiger Infrastrukturen.

2 Collective Research: Interdisziplinäres BIM-basiertes Planungs‑, Bau- und Betriebsprozessmanagement

Der Forschungsfokus eines durch die Österreichische Forschungs- und Förderungsgesellschaft (FFG) in der Programmlinie Collective Research geförderten Projekts liegt auf dem BIM basierten Planungs‑, Bau- und Betriebsprozessmanagement im Tunnelbau. Das Projekt „Collective BIM“ wurde durch die Österreichische BautechnikervereinigungFootnote 5 (ÖBV) in Auftrag gegeben, motiviert durch das Ziel, Daten- und Informationen über den gesamten Lebenszyklus eines Untertagebaus in einem digitalen Modell zu halten. Damit soll dem Grundgedanken von BIM Rechnung getragen werden. Der Lebenszyklus beinhaltet neben der Planung und Bauphase, den Betrieb sowie die Wartung und Sanierung, wodurch das Projekt durch eine Vielzahl unterschiedlicher Fachdisziplinen (Geologen, Geotechniker, Infrastrukturbetreiber, Bauunternehmen, Statiker, Planer, Informatiker, Wirtschaftsinformatiker, Baubetriebler, u. a.) geprägt ist. Das Kooperationsforschungsprojekt startete am 1. Juli 2020.

2.1 Problemstellung und Motivation

Jede Fachdisziplin hat neben eigenen Methodiken vor allem auch unterschiedliche Softwaretools im Einsatz. Jedes Tool, auch wenn es aus derselben Softwarefamilie kommt, hat sein eigenes proprietäres Datenformat, wodurch die Interoperabilität zwischen den eingesetzten Tools eine große Herausforderung im Projekt darstellt. Damit der kollaborative Datenaustausch unter den unterschiedlichen am Tunnelbau beteiligten Stakeholdern gelingt, sind im Projekt namhafte Unternehmen als Projektpartner vertreten, um entsprechende Anwendungsfälle in den unterschiedlichen Phasen (Planen, Bauen, Betreiben) eines Untertagebauprojekts bereitzustellen. Diese praxisbezogenen Anwendungsfälle werden am ZaB maßstabsgetreu nachempfunden.

Neben den unterschiedlich eingesetzten Softwaretools (z. B. AutoCADFootnote 6, RevitFootnote 7, ArchicadFootnote 8, AllplanFootnote 9, Civil 3DFootnote 10, u. a.) erschweren firmeninterne Standards zusätzlich die Zusammenarbeit in Infrastrukturprojekten, wodurch das Fortschreiben und konsistent halten eines „BIM-Modells“ eine große Herausforderung darstellt. Die Praxis zeigt, dass das Planoperat eines untertägigen Infrastrukturprojekts nach wie vor größtenteils auf 2D-Plänen basiert. Zudem kommt es zu redundanten und widersprüchlichen Datenbeständen und daraus resultierenden räumlichen wie auch terminlichen Kollisionen der kooperierenden Gewerke bspw. in der Planungsphase. Dabei entsteht oft eine sehr zeitaufwändige und fehleranfällige „Re-Digitalisierung“ von Informationen für die Weiterverarbeitung in anderen Fachdisziplinen. Hinzukommt in der Bauphase die Datenflut in der Baudokumentation, in der Auswertung der obertägigen sowie untertägigen geotechnischen Vermessungen und in der geologischen Aufnahme des Baugrunds. Das bedeutet, dass es zwischen unterschiedlichen Datenformaten und den projektbezogenen Plänen zu einer tiefgehenden Desintegration und somit zu einer Behinderung eines offenen, im Sinne von „Open BIM“ konformen, Datenaustauschs kommt. Die Erfahrung der Projektpartner zeigt, dass es in der Praxis gegenwärtig keine Realisierung von Open BIM gibt. Dieser Vision steht die schon erwähnte Marktdominanz einiger weniger Softwarehersteller gegenüber.

Neben geometrischen und geologischen Aspekten spielen insbesondere baubetriebliche Daten bei der Dokumentation von Tunnelbaustellen eine erhebliche Rolle. Die Dokumentation des baubetrieblichen Ist-Zustandes findet bei einer für den Tunnelbau adaptierten Form des Bautagesberichtes, dem sogenannten Vortriebsbericht, seinen Ursprung. Der Vortriebsbericht enthält neben Aufzeichnungen über die Verwendung bzw. den Verbrauch von Ressourcen (Personal, Material) auch eine genaue Darstellung der ausgeführten Prozessschritte. Abb. 1 veranschaulicht den Dokumentationsprozess einer Tunnelbaustelle. Dieser dient als Datenquelle für (i) die Abrechnung, (ii) umfangreiche Analysen und (iii) als Datenquelle im Zusammenhang mit Mehrkostenforderungen [12]. IFC bietet grundsätzlich die Möglichkeit, derartige Informationen standardisiert zu modellieren. Froese et al. [13] haben bspw. anhand einfacher Szenarien ein Konzept entwickelt, um Prozesse und die damit verbundenen Ressourcen mithilfe von IFC in Version 2 abzubilden. Xue et al. [14] unternehmen ähnliche Anstrengungen auf Basis von IFC in Version 4. Die Abb. 1 zeigt jedoch, dass nach wie vor das beherrschende Format der Datenaufzeichnung MS Excel ist, neben handschriftlichen Aufzeichnungen und im PDF-Format gespeicherten oder gescannten Dokumenten (z. B. 2D-Pläne).

Abb. 1
figure 1

Dokumentationsprozess einer Tunnelbaustelle mit Legende [15]

Die Tunnelinfrastruktur ist durch IFC4Footnote 11 auch nur in einem geringen Detaillierungsgrad abbildbar. Bereits 2016 gab es in einem Artikel von Lee et al. [16] Bestrebungen, das Datenschema von IFC für die NATM (New Austrian Tunnelling Method) zu erweitern (siehe Abb. 2). Jedoch liegt die NATM nach wie vor hinsichtlich des Reifegrades einer IFC-basierten Umsetzung von BIM hinter dem maschinellen Tunnelvortrieb zurück. In der Praxis werden beim Exportieren proprietärer Formate auf IFC, die Standardelemente IfcProxy und IfcAnnotation verwendet. IfcProxy ist eine Art Container zum Umhüllen von Objekten, die durch zugehörige Eigenschaften definiert sind und die eine geometrische Darstellung und Platzierung im Raum haben oder nicht. Ein Proxy kann eine semantische Bedeutung haben, die durch das Attribut „Name“ definiert ist sowie Eigenschaftsdefinitionen, die durch Eigenschaftszuweisungen angehängt werden [17]. Bei IfcAnnotation handelt es sich um eine grafische Darstellung innerhalb des geometrischen (und räumlichen) Kontexts eines Projekts, die den Objekten, aus denen das Projektmodell besteht, eine Anmerkung oder Bedeutung hinzufügt. Annotationen umfassen zusätzliche Punkte, Kurven, Text, Bemaßungen, Schraffuren und andere Formen grafischer Notizen. Sie umfassen auch symbolische Darstellungen zusätzlicher Modellkomponenten, die keine Produkte oder räumlichen Strukturen darstellen, wie bspw. Vermessungspunkte, Konturlinien oder ähnliches [18].

Abb. 2
figure 2

IFC Erweiterung für einen NATM Tunnel [16]

Eine Langzeitarchivierung und Lesbarkeit der Projektdaten ist somit durch IFC (IfcBuildingElementProxies) sichergestellt. Jedoch liegt IFC ein sehr komplexes Datenmodell zu Grunde, dessen vollständige Integration für Softwarehersteller kein vordringliches wirtschaftliches Anliegen ist [19].

Eine weitere Herausforderung, der sich das Projekt widmet, ist die Implementierung einer digital durchgängigen Projektdatenverwaltung. Die Hauptaufgabe in den Phasen Bauen und Betrieb besteht darin, unterschiedliche Dokumente thematisch und zeitlich zu ordnen. Der Dokumentationsprozess während der Bauphase der untertägigen Infrastrukturanlage ist zurzeit ein vielschichtiger Prozess mit einem Nebeneinander digitaler und handschriftlicher Informationen (vgl. Abb. 1). Diese Form der Dokumentation reicht jedoch nicht aus, um den für Entscheidungen notwendigen räumlichen Bezug herzustellen.

Auch die Entwicklung und Nutzung benutzerdefinierter Schnittstellen (APIs) und Erweiterungen (Plug-ins oder Add-ons) stellen keine nachhaltige Lösung dar. Diese helfen zwar, die durch proprietäre Datenformate eingeschränkten Nutzungsumfänge zu umgehen, sie sind jedoch häufig auf ein konkretes Infrastrukturprojekt beschränkt und somit nicht auf andere Projekte übertragbar. Dieser Umstand resultiert aus der individuellen (benutzerdefinierten) Implementierung und der daraus abgeleiteten unterschiedlichen Semantik. Daher stehen nach wie vor keine „Leitfäden“ aus Vorprojekten zur Verfügung, die als Referenzmodelle genutzt werden können, um bspw. bestehende BIM-Anwendungsfälle oder die Auftraggeberinformationsanforderung (AIA) wieder zu verwenden. Dies würde gerade in der Planungsphase Zeit und Kosten einsparen. Neue Entwicklungen wie bspw. die BIM-Plattform BIMQFootnote 12, zur Verwaltung und zentralen Bearbeitung der AIAs, finden ebenso im Projekt Berücksichtigung.

Diese hier dargestellte komplexe und vielschichtige Gemengelage führt unter anderem zu einer heterogenen „BIM-Readyness“ der Fachdisziplinen und damit zu einer Erschwernis der Open BIM konformen Kooperation in Untertagebauprojekten.

2.2 Zielsetzung des Projekts Collective BIM

Das Ziel des Forschungsvorhabens ist es, einen anwendungsorientierten BIM-basierten Referenzprozess für den Tunnelbau am Beispiel des ZaBs zu entwickeln, der die Anforderungen aller im Bauwerkslebenszyklus involvierten Fachdisziplinen gleichermaßen berücksichtigt. Dadurch soll ein durchgängig digitaler und offener Datenaustausch, von der Planung über die Ausführung bis zum Betrieb, ermöglicht werden. Um der Vision von Open BIM näher zu kommen, sollen prototypische Implementierungen mit gängigen Softwarelösungen interagieren. Beabsichtigt ist ebenso die Mitentwicklung am Aufbau eines IFC Tunnel-Releases, die das Expert Panel rund um „IFC Tunnel“ bei der Formulierung von Anwendungsfällen für den Datenaustausch und die Datenhaltung in den verschiedenen Phasen eines untertägigen Infrastrukturprojekts unterstützt und alternative Standards der stationären Industrie (z. B. AutomationMLFootnote 13) miteinbezieht. Zudem soll es auch gelingen, komplexe Geometrien nicht nur abbilden, sondern auch austauschen zu können, ohne dass man dabei Gefahr läuft, nur eine Menge unorganisierter Polygone exportieren bzw. importieren zu können, sprich mit einer sogenannten „Polygonsuppe“ hantieren zu müssen.

Diese definierten Ziele sollen für die Digitalisierung des österreichischen Tunnelbauwesens und dessen überregionale Bedeutung weitere Wettbewerbsvorteile und eine günstige wirtschaftliche Fortentwicklung ermöglichen. Die Zusammensetzung des Projektkonsortiums umfasst alle rund um die Wertschöpfung einer untertägigen Infrastrukturanlage angesiedelten Unternehmen, sodass alle wichtigen Stakeholder entlang der Lebenszyklusphase eines Untertagebauwerks Projektpartner sind. Dabei sind alle Größen von Unternehmen (Klein‑, Mittel- und Großbetriebe) in gleichem Maße eingebunden. Damit soll Sorge getragen werden, auch künftig im internationalen Vergleich wettbewerbsfähig zu bleiben und die Entwicklungen der Zukunft proaktiv mitgestalten zu können.

3 Interdisziplinäres und Universitäten übergreifendes Forschungskooperationsprojekt zur digitalen Transformation im Tief- und Tunnelbau

Parallel zum Projekt Collective BIM wird im interdisziplinären Forschungskooperationsprojekt TransITFootnote 14 (Digitale Transformation im Tief- und Tunnelbau) die digitale Zukunft von morgen gestaltet. Universitätsübergreifend arbeiten Forschungsgruppen der Montanuniversität Leoben (MUL), der TU Wien (TUW) und der Johannes Kepler Universität Linz (JKU) mit komplementären Expertisen an innovativen und nachhaltigen digitalen Lösungen für den untertägigen Infrastrukturbau. Die interuniversitäre Zusammenarbeit in einem offenen Kooperationsmodell ist dabei ein Markenzeichen von TransIT. Denn nur durch die Zusammenführung der Kernkompetenzen (Subsurface Engineering, interdisziplinäres Bauprozessmanagement, Bauphysik, Inter-organisationale Systeme, Software und Industrial Engineering) der beteiligten Institute und Arbeitsgruppen der drei Universitäten kann das Thema der Digitalisierung im Tief- und Tunnelbau umfassend behandelt und nachhaltig in Forschung und Lehre verankert werden. Zielsetzung ist es ein disziplinenübergreifendes technologisches Fundament, das alle notwendigen Aspekte des Tief- und Tunnelbaus, Bauingenieurwesens, der Informatik und Wirtschaftsinformatik berücksichtigt, zu schaffen. Dabei werden auch neue Wege bei der Verwertung von Forschungsergebnissen beschritten. TransIT startete am 01. April 2020 und wird vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung in der AusschreibungFootnote 15 zur Unterstützung von Vorhaben zur digitalen und sozialen Transformation in der Hochschulbildung gefördert.

3.1 Problemstellung und Motivation

Laut der Roadmap zur Digitalisierung von Planen, Bauen und Betreiben in Österreich braucht es eine Bündelung von Kräften unterschiedlicher Disziplinen zur Umsetzung der digitalen Transformation [20]. Für den Untertagebau schafft das Kooperationsforschungsprojekt TransIT dafür die notwendigen Weichenstellungen.

Im Projekt werden die beiden Leitprinzipien „Data only Once“ und „Digital by Default“ konsequent verfolgt, um systemische Lösungen für Herausforderungen, die sich aus dem Technologie-Lifecycle (Konzeption-Entwicklung-Betrieb-Migration) ergeben, zu lösen. Die dazu nötige Anforderungsanalyse erfolgt iterativ-inkrementell. Nach dem erstgenannten Leitprinzip soll auf Basis von Open BIM eine „Single Source of Truth“ in Form einer offenen, kollaborativen Plattform für alle im Tief- und Tunnelbau involvierten Akteure geschaffen werden, um Modelle ab ihrem Entstehen durchgängig über die Engineering-Kette hinweg zu nutzen. Gemäß dem zweiten Leitprinzip (Digital by Default) sollen existierende papiergebundene Prozesse kritisch hinterfragt und durch digital optimierte Prozesse ersetzt oder sogar auch eliminiert werden. Beide Leitprinzipien dienen dazu, die Digitalisierung entlang des Lebenszyklus nahezu bruchstellen- und verlustfrei zu implementieren.

Dazu bedarf es der Schaffung offener Schnittstellen und Datenformate für die softwaretechnische Unterstützung mittels einer geeigneten Werkzeugkette. Zielsetzung dabei ist es, die Artefakte (z. B. Fachmodelle, Teil-Fachmodelle, Kooperationsmodelle) entlang des Lebenszyklus durchgängig verknüpft und rückverfolgbar zu machen. Zurzeit stehen dafür, wenn überhaupt, nur einzelne paarweise Verbindungen zwischen den Werkzeugen zur Verfügung. Hinzu kommt, dass sich Daten nur per spezifischer bilateraler Integration für ein anderes Werkzeug zugänglich machen lassen. Möchte man die Integration funktional erweitern, ist eine neue Anpassung oder Erweiterung des Datenzugriffs erforderlich.

3.2 Zielsetzung des Projekts TransIT

Gemäß Open BIM und dem darin propagierten offenen standardisierten Datenaustausch arbeitet das Forschungskonsortium daran, die im Projekt eingesetzten Werkzeuge nicht isoliert, sondern integriert zu nutzen, dabei soll die Verknüpfung von Artefakten über Werkzeuge und die Zuordnung von Verantwortlichkeiten über Prozesse hinweg, ohne beschwerlichen manuellen Overhead erfolgen. Zur Schaffung durchgängiger Datenketten und Regelkreise werden die vorhandenen digitalen Inseln identifiziert und aufgebrochen. In einem weiteren Schritt wird ein Ansatz entwickelt, um einen durchgängigen und möglichst verlustfreien Datenaustausch zwischen den Akteuren und unterschiedlichen Softwaretools zu gewährleisten. Daten sollen ab ihrem Entstehen durchgängig über die Engineering-Kette hinweg verlustfrei genutzt werden können. Dafür wird ein digitaler Modellierleitfaden mit geeigneten Konzepten und Methoden zur Abfrage, Konsistenz- und Konfliktbehandlung sowie zur Versionierung von Modellen über den gesamten Lebenszyklus erarbeitet. Diese Schritte sind notwendig, um Interoperabilität zu gewährleisten und um ein paralleles Arbeiten in evolvierenden Tief- und Tunnelbauprojekten überhaupt zu ermöglichen. Abb. 3 zeigt eine solche „Shared Open Platform for Lifecycle Collaboration“. Die in den vielschichtigen Tasks entlang der unterschiedlichen Engineering Prozesse entstehenden Artefakte (z. B. Teilmodelle, Fachmodelle, 3D-Modelle, u. a.) werden dezentral in einem Versionskontrollsystem auf Basis von GitFootnote 16 verwaltet. Eine auf GraphenFootnote 17 basierte Datenbank dient zur Speicherung von Metadaten über die im Git verwalteten Modelle. Zur besseren Nachvollziehbarkeit und Rückverfolgbarkeit wird auf dieser Ebene eine Blockchain (HyperledgerFootnote 18) implementiert. Die darauf aufsetzende Middleware beinhaltet ein explizites Rollenmanagement für die Zugriffsrechte und Operationen, die auf den Modellen durchgeführt werden können, sowie ein Releasemanagement (Git Workflow Engine). Diese Teile werden in einem sogenannten „Megamodel“ verwaltet. Der Austausch mit dem darunter liegenden Layer erfolgt über APIs.

Abb. 3
figure 3

Open Platform for Lifecycle Collaboration

Um diese ganzheitliche Strategie auch nachhaltig zu verankern, wird die proaktive Teilnahme an bestehenden Initiativen (z. B. DAUBFootnote 19, buildingSMART Austria, Austrian StandardsFootnote 20) angestrebt. Dabei sollen etablierte Standards, wie bspw. IFC, AutomationML oder SysML V2Footnote 21, genutzt und für die Anwendungsdomäne spezifisch weiterentwickelt werden. Dabei wird sowohl eine horizontale wie auch vertikale Integration angestrebt, um eine flexible und standardisierte Referenzinformationsarchitektur zu implementieren.

Neben der Schaffung dieser technischen Voraussetzungen müssen auch domänenspezifische und wirtschaftliche Überlegungen mitberücksichtigt werden, um die Wertschöpfungskette, im Sinne der oben erwähnten Leitprinzipien, in geeignete digitale Modelle zu transformieren. Das schafft die nötige Flexibilität und Durchgängigkeit der Prozesse innerhalb der Phasen Planen, Bauen und Betreiben und darüber hinweg. Durch die dadurch ermöglichte volle Datenverfügbarkeit und die evolvierenden Modelle kann eine „Digital Twin“ Umgebung, wie sie aus der stationären Industrie bekannt ist, geschaffen werden. Ein solcher digitaler Zwilling ermöglicht es, Tunnelbauprojekte in der Vorplanung virtuell zu planen, zu bauen und zu betreiben. Die simulierten Modelle können dann in den nachfolgenden Phasen Bauen und Betreiben über die Zeit mitgezogen und kontinuierlich durch reale Daten angereichert, angepasst und optimiert werden. Zu jedem Zeitpunkt können so verschiedene Prognosemodelle für die zukünftige Entwicklung des Projekts (z. B. Best/Worst Case) simuliert werden.

Leitgedanke des Forschungsnetzwerks ist „Open Science“. Zu diesem Zweck wird eine virtuelle universitätsübergreifende Forschungsplattform implementiert, ein sogenannter „Shared Open Space for Science and Innovation“. Damit greift TransIT die Open Innovation StrategieFootnote 22 des Bundes zentral auf. Diese gemeinsame geschaffene Forschungsplattform, der sogenannte „Tunnelling Hub“, ermöglicht eine offene Zugänglichkeit von wissenschaftlichen Resultaten, die im Zuge von TransIT entstehen. Dabei sollen koordinierte Dienste nicht nur für die am Forschungsprojekt beteiligten Partneruniversitäten, sondern global für alle Universitäten, Unternehmen und die interessierte Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, wodurch Forschungsresultate nachhaltig verankert werden sollen. Der Tunnelling Hub dient dazu, Forschungsgruppen unterschiedlicher Disziplinen sowie Studierende national wie auch international zu vernetzen, um gemeinsam und interdisziplinär an Lösungen anwendungsgetriebener Problemstellungen von morgen zu arbeiten. Dadurch treibt TransIT die Verwirklichung eines vitalen Europäischen ForschungsraumFootnote 23 (ERA) weiter voran und fördert so auch die europäische Forschungspolitik in Österreich, indem eine grenzüberschreitende Forschungs- und Technologiezusammenarbeit aktiv forciert wird.

4 Fazit

In den vorgestellten Forschungsprojekten werden die komplementären Expertisen von drei Universitäten multidisziplinär genutzt, um in den kommenden Jahren an der nachhaltigen Umsetzung von Digitalisierungsthemen im Tief- und Tunnelbau anwendungsorientiert zu forschen. Durch die Vernetzung unterschiedlicher Forschungsstandorte wird ein Höchstmaß an digitaler Kompetenz erzielt. Somit sind diese Projekte von großer Wichtigkeit für den Universitätssektor und die Industrie, um Österreichs Frontrunnerposition im zyklischen Vortrieb und die Aus- und Weiterbildung in diesem Bereich zu stärken und nicht Gefahr zu laufen, diese Rolle mangels Digitalisierungskonzepten zu verlieren.