1 Einleitung

Die gegenwärtige Entwicklung, komplexe Bauteile über die additive Fertigung herzustellen, um dadurch den Materialeinsatz zu minimieren und die Endbearbeitung der Teile zu reduzieren, geht auch auf Materialsysteme wie Titanaluminid (TiAl)-Legierungen über [1,2,3,4]. Die in dieser Arbeit verwendeten Legierungen bestehen zum größten Teil aus der intermetallisch geordneten γ‑TiAl-Phase und weisen ein optimales Eigenschaftsprofil für Hochtemperaturanwendungen in der Luftfahrt sowie Automobilindustrie auf [5]. In diesem Bereich haben sie das Potential etablierte Ni-Basislegierungen zu substituieren, da sie in etwa die Hälfte der Dichte, gute Oxidations- sowie Kriecheigenschaften und eine hohe spezifische Festigkeit besitzen [5, 6]. Vor allem die hohe spezifische Festigkeit ermöglicht ein schnelleres Ansprechverhalten von beschleunigten Teilen in Automobilen, z. B. Turboladerlaufrädern und Ventilen, und bietet zudem durch Reduktion des Gewichts im Flugzeugbau ein Einsparungspotential von Treibhausgasen, wie CO2 und NOx [7]. Um den strengen Emissionsvorschriften zu entsprechen und einen entscheidenden Kostenvorteil gegenüber den im Betrieb befindlichen Triebwerken zu erlangen, werden diese Werkstoffe bereits von den führenden Triebwerksherstellern in modernen Flugzeugturbinen eingesetzt. Bei der konventionellen Herstellung der TiAl-Turbinenschaufeln wird ein mehrfach umgeschmolzenes Vormaterial über einen Umformschritt auf eine endkonturnahe Form gebracht [5]. Das Gussverfahren begrenzt seigerungsbedingt die maximale Größe der Bauteile. Durch eine Herstellung über die additive Formgebung kann diese Größenbarriere aufgrund der kleinen Schmelzpoolgröße im additiven Herstellprozess auf die Dimension des Bauraums der 3D Drucker erhöht und gleichzeitig eine größere Formenvielfalt erreicht werden. Bei dieser Herstellungsart kommt es jedoch aufgrund der Pulverqualität und der noch mangelnden Erfahrung hinsichtlich der Prozessparameter zur Ausbildung von unterschiedlichen Defekten [8,9,10]. Um den zyklischen Belastungen innerhalb der geplanten Lebensdauer eines Triebwerks standzuhalten, dürfen die Gefüge jedoch keinesfalls größere Defekte aufweisen, als dies bei konventionell erzeugten Bauteilen der Fall ist. Ziel dieser Studie ist es daher, die Pulver auf ihre Eignung für eine additive Fertigung zu untersuchen und auftretende Defekte zu identifizieren.

2 Experimentelles

Die zu untersuchenden TiAl-Pulver wurden über das VIGA- (Vakuum-Induktionsschmelzen mit Inertgas-Verdüsung) Verfahren hergestellt. Dazu werden die Vorlegierungen sowie Legierungselemente in einem Vakuuminduktionsofen, dem sogenannten „Skull Melter“, unter Inertgas erhitzt. Dieser Vorgang erfolgt induktiv, sorgt im Schmelzbad für eine ausreichende Durchmischung und führt dadurch zu einer homogenen Schmelze. Anschließend wird diese über einen geheizten Kanal zum Zerstäuber geführt, wo sie mithilfe eines starken Inertgasstroms pulverisiert wird. Bei der Fertigung über einen additiven Prozess werden besonders homogene Pulver, welche von gleichbleibender Qualität sind, gebraucht. Daher wurde die verwendete Pulverfraktion von 45 bis 125 µm im Querschliff sowie als solche im Rasterelektronenmikroskop (REM) vom Typ Evo50 der Firma Zeiss, Deutschland, mittels Rückstreuelektronen (RE) auf Poren, Form und Satelliten untersucht. Der Schliff wurde durch Vermengen von Pulverpartikel mit gemörserter PolyFast Einbettmasse von Struers, Dänemark, realisiert. Durch lockeres Aufbringen der Pulver auf ein Kupferband und anschließendes Bedampfen mit Gold konnten die Oberflächen der Partikel im REM unter Sekundärelektronenkontrast (SE) untersucht werden. Die Analyse der Größenverteilung erfolgte durch eine Partikelgrößenmessung mittels Laserbeugung mit dem Gerät HELOS der Firma Sympatec, Deutschland. Anschließend wurden die verschiedenen Pulver nach üblichem Stand der Technik bei einer Temperatur von 1200 °C und 200 MPa über eine Dauer von 4 h heißisostatisch gepresst (HIP) [5].

Die dadurch erhaltenen zylindrischen und dichten Proben wurden mit einem Trennschleifer vom Typ AbrasiMatic 300 der Firma Buehler, Deutschland, entsprechend Abb. 1 getrennt und anschließend metallographisch präpariert. Hierzu wurde die Stirnseite der Probe mit Schleifpapier mit einer Körnung von 500, 800, 1000, 2000 und 4000 nass geschliffen und mittels 3 µm sowie 1 µm Diamantsuspension poliert. Danach wurden die Proben mit einem Elektropoliergerät vom Typ LectroPol-5 und unter Verwendung des A3-Elektrolyt von Struers, Dänemark, sowie einer nachfolgenden Farbätzung nach [11] für großflächige lichtmikroskopische (LIMI) Aufnahmen präpariert. Anhand dieser konnte die Position der Defekte gefunden und nachfolgend durch drei Härteeindrücke (HV0.1) mit einem Mikrohärteprüfer Micro-Dumat 4000 der Firma Reichert-Jung, Deutschland, und einem Makrohärteeindruck (HV10) von einem Universalhärtemesser vom Typ M4C 025 G3M der Firma EMCO Test, Österreich, markiert werden (Abb. 1). Um die Defekte auch auf ihre Chemie hin zu untersuchen, musste die durch die vorhergehende Ätzung aufgebrachte Oxidschicht wieder entfernt werden. Diese konnte durch erneutes Polieren mit Diamantsuspension (3 und 1 µm) und nachfolgendem 30–40 s Polieren mit OPS beseitigt werden. Durch die vorhergehende Markierung konnten die einzelnen Defekte im REM gefunden und mittels energiedispersiver Röntgenspektroskopie (EDX) flächenmäßig analysiert werden. Bei dem verwendeten EDX System handelt es sich um das X‑MaxN Messsystem der Firma Oxford Instruments, England.

Abb. 1
figure 1

Skizze über den Ablauf der Probenentnahme aus den geHIPten Rohlingen und Schema zur Markierung der zu analysierenden Defekte

3 Ergebnisse und Diskussion

3.1 Charakterisierung der Pulver

Um die Eignung des VIGA Prozesses zur Herstellung von TiAl-Pulver zu verifizieren, wurden diese mittels REM und Laserbeugungsmessungen klassifiziert. In Abb. 2a und b sind SE Aufnahmen der Oberflächen und RE Aufnahmen der Schliffe der gesiebten Pulverfraktion dargestellt.

Abb. 2
figure 2

Darstellung der Pulverpartikel im SE Kontrast und deren Querschliffe als RE Aufnahmen der Legierung 1 in a und Legierung 2 in b. Dabei konnten Domänenstrukturen, Satelliten, sogenannte „Shells“ sowie vereinzelt innere Defekte, welche mit Pfeilen gekennzeichnet sind, an den Pulvern gefunden werden

Die Pulverpartikel besitzen teilweise Satelliten und zeigen vereinzelt spratzige Anhaftungen. Beide Merkmale wirken sich negativ auf die Rieselfähigkeit aus und behindern so eine optimale Verteilung im Pulverbett [12]. Die Oberflächen weisen unterschiedlich große Domänen auf, deren Ursprung auf Dendritenbildung während der Erstarrung zurückgeführt werden kann [13]. Die Größe der Domänen ist unabhängig von der Pulvergröße und setzt sich innerhalb der Partikel fort. An den Domänengrenzen kommt es zu einer Anreicherung von Al während der Erstarrung [13]. In den Querschliffen konnten vereinzelt Inhomogenitäten festgestellt werden, welche mittels Pfeile markiert sind. Der Anteil an Partikel mit inneren Poren ist äußerst gering und wurde daher in dieser Arbeit vernachlässigt. Die beiden betrachteten Legierungen besitzen eine sehr ähnliche Größenverteilung der Pulverpartikel und sind daher gut miteinander vergleichbar. Die Mediane der Normalverteilungen liegen mit 67 µm (Leg. 1) und 69 µm (Leg. 2) relativ mittig in der gewünschten Siebfraktion (Abb. 2). Daher entspricht auch der größte Anteil der Pulverpartikel mit annähernd 80 % der gewünschten Fraktion von 45–125 µm.

3.2 Defektanalyse der Mikrostruktur

Ein additiver Fertigungsschritt wurde in dieser Untersuchung bewusst nicht durchgeführt, um die Einflüsse aus dem Herstellungsprozess der Pulver genauer analysieren und Artefakte aus dem Druckprozess ausschließen zu können. Um dennoch ein dichtes Material für weitere Analysen zu erhalten, wurden die Pulver durch einen HIP Vorgang zu Rohlingen verdichtet (Abb. 1). In der Mikrostruktur der geHIPten Rohlinge kann die für Pulver typische Domänenstruktur nicht mehr festgestellt werden. Dies lässt vermuten, dass die Al Mikroseigerungen durch die Wärmebehandlung gleichmäßig verteilt wurden. Allerdings treten in beiden Legierungen Defekte auf, welche durch Zulegieren von hochschmelzenden Legierungselementen (Nb, Mo) entstanden sein könnten [10, 12]. Diese Legierungselemente sind ausschlaggebend für die Anwendbarkeit des untersuchten Legierungstyps und sind dabei besonders für die gute Umformbarkeit bei hohen Temperaturen und auch für den Erhalt einer homogenen Mikrostruktur durch die Erstarrung über die β Phase verantwortlich [5]. Aufgrund der Differenz der Schmelzpunkte zu Al und Ti werden die Legierungselemente als Vorlegierungen – in Kombination mit anderen Elementen – hinzugegeben. Können diese Vorlegierungen nicht gänzlich aufgeschmolzen werden, kommt es zu charakteristischen Defekten, wie es in [10] bereits für Nb Anreicherungen gezeigt wurde. In Abb. 3 ist in (a) ein Mo und in (b) ein W reicher Defekt dargestellt. Wegen ihrer ähnlichen Wirkung auf das Legierungssystem stabilisieren beide Elemente die bei Raumtemperatur spröde und geordnete βo Phase [14]. Über die Darstellung von Al im EDX Flächenscan können durch eine Kontraständerung die Grenzen der Einflusszone des Defekts ermittelt werden, wodurch die Kontraständerung zur Bestimmung der Defektgröße herangezogen werden kann. Die Größe der Defekte in Legierung 1 reicht von 75 bis 133 µm und beträgt durchschnittlich 95 µm, während in Legierung 2 W-haltige Defekte von 85 bis 124 µm auftreten und durchschnittlich 105 µm groß sind. Innerhalb der Mo-reichen Defekte kann in Abb. 3a eine γ Phase gefunden werden, welche sich während des HIP Prozesses bildet [15]. Die chemische Zusammensetzung der Defekte wurde an ausgewählten Punkten quantitativ bestimmt und beträgt an Position S1 etwa 10 at.% Mo, was dem 10-fachen der nominellen Zusammensetzung dieser Legierung entspricht. An Position S2 nimmt der Mo Gehalt auf etwa 1,7 at.% ab und normalisiert sich außerhalb des γ‑Saums mit 1,3 at.% auf den Wert, welcher konstant über die Probe gemessen wurde. In Abb. 3b ist ein ähnlicher Defekt dargestellt, welcher jedoch an W angereichert ist. In der durch W stabilisierten βo Phase konnte an Position S3 ein Anteil von 3,6 at.% gemessen werden, was dem ca. 3-fachen der angestrebten Zusammensetzung entspricht. Etwa 25 µm neben dem Defekt fällt der Wert auf 1,1 at.% W ab, was wiederum mit dem gewünschten Legierungsgehalt übereinstimmt. Bei näherer Betrachtung enthält der Defekt aus Legierung 2 auch globulare α2 und γ Körner, aber keinen definierten γ Saum und auch keinen scharfen Übergang zwischen dem Defekt und der umliegenden Matrix. Dies kann durch den niedrigeren W Gehalt im Vergleich zu dem in Legierung 1 vorkommenden Mo-Defekt erklärt werden. In beiden Fällen konnte das elementar eingebrachte Refraktärmetall nicht durch die nachfolgende Homogenisierung des HIP Prozesses verteilt werden, da die beiden Elemente eine geringere Neigung zur Diffusion besitzen als das zuvor erwähnte Al [12].

Abb. 3
figure 3

Darstellung eines an Mo und W angereicherten Defekts aus den untersuchten Legierungen 1 und 2. Bei der in den REM Bildern (RE-Kontrast) hell erscheinenden Phase handelt es sich um die durch diese Elemente stabilisierte βo Phase. Die EDX Flächenscans lassen durch ortsaufgelöste Information der Al und W Gehalte Aussagen über die Elementverteilung, Größe und Matrixinteraktion in den Defekten zu

4 Zusammenfassung

In diesem Beitrag wurden zwei unterschiedliche TiAl-Legierungspulver auf ihre Eignung zur Herstellung von 3D gedruckten Teilen in Hinblick auf das Auftreten von Defekten untersucht. Dabei konnten im Querschliff der Ausgangspulver mittels REM vereinzelt Inhomogenitäten gefunden werden. Durch HIPen wurden dichte und quasi unbeeinflusste Proben für großflächige LIMI Untersuchungen aus den gesiebten Pulvern hergestellt. Darin konnten Inhomogenitäten mit einer durchschnittlichen Größe von ca. 100 µm und einer maximalen Größe von bis zu 133 µm gefunden werden. Um ausgewählte Defekte im REM wieder zu finden, konnten diese mittels Härteeindruck dauerhaft markiert werden. Danach wurden die markierten Inhomogenitäten mittels EDX Flächenscan analysiert und entsprechend der vorkommenden Legierungselemente analysiert und ausgewertet. Dazu stellte sich besonders der Al-Gehalt als ein guter Indikator heraus, da dieser sensibel auf Phasenänderungen und daher auch auf auftretende Defekte reagiert. Darüber hinaus konnten die Verteilung der Elemente, die Größe der Inhomogenität und auch deren Anbindung zur Matrix untersucht werden. Defekte mit einem Durchmesser von 100 µm sind für hochbelastete Bauteile als kritisch anzusehen, da sie zurzeit nicht zerstörungsfrei im Bauteil nachgewiesen werden können. Durch einen additiven Prozessschritt kommt es zu einem nochmaligen Aufschmelzen der Pulver und damit auch der eingebrachten W‑ und Mo-haltigen Partikel, was zu einer Beeinflussung der Größe der Defekte führen kann. Wie sehr diese dadurch ausgebildeten Reaktionszonen die Eigenschaften des Bulkwerkstoffes beeinflussen, ist Gegenstand einer weiterführenden Untersuchung. Aus den Ergebnissen dieser Studie ist ableitbar, dass für additiv gefertigte Bauteile, die aus Pulvern der Fraktion 45–125 µm gefertigt werden, neue zerstörungsfreie Prüftechniken und Methoden entwickelt werden müssen, um im Pulver sowie im Bauteil Kontaminationsprodukte und Defektgrößen detektieren bzw. bewerten zu können. Basierend auf dieser Arbeit konnten die Auslöser für zwei Defektarten in den Mikrostrukturen der beiden Legierungen gefunden werden. Dadurch ergab sich die Möglichkeit bei der Herstellung der Pulver Verbesserungen in der Prozessführung zur Verhinderung dieser Defekte durchzuführen.