Die Anzahl automatisierter Materialflusssysteme stieg in den letzten beiden Jahrzehnten in vielen Industriebranchen stark. Ebenso stiegen die jeweiligen installierten elektrischen Anschlussleistungen. Für Intralogistik-Anlagen wurden hinsichtlich eines energieoptimalen Betriebs bis vor wenigen Jahren kaum Untersuchungen angestellt. Dennoch besteht in der Logistik besonderer Energieeffizienzbedarf [6]. Große Logistikanlagen erfordern elektrische Gesamtleistungen von 200 kW und mehr.
Am Institut für Technische Logistik der TU Graz werden umfangreiche Untersuchungen zur Steigerung der
Energieeffizienz an Materialflussanlagen durchgeführt. Ziel der Projekte sind Maßnahmenkataloge zur
Energieverbrauchsminimierung für unterschiedliche Logistikanlagen. Der erste Schwerpunkt lag bei innerbetrieblicher
Stückgutfördertechnik. Die nachfolgenden Ausführungen veranschaulichen die konkreten Aufgabenstellungen. Neben den
messtechnischen Umsetzungen wurde auch ein Energieeffizienz-Kennzahlensystem erarbeitet, dass die Vergleichbarkeit
ermöglicht, unabhängig von Förderertyp oder Hersteller.
Messsystem – Anforderungen, Konzepte, Spezifikationen
Nachfolgend werden der Aufbau eines Tangentialriemenförderers (TRF) (Abb. 6), die benötigten Messpunkte zur Bestimmung der Teilverluste und die wesentlichen Anforderungen an die Messgrößen veranschaulicht. Dargestellt sind die drei Hauptbaugruppen: Drehstrom-Getriebemotor mit Frequenzumrichter, gemeinsamer Antriebsstrang für die Staurollensegmente mit zentral angetriebenem Flachriemen und zuschaltbare Staurollensegmente.
Abb. 7 erläutert die benötigten Messpunkte und die Methodik zur Bestimmung der Einzelverluste. Es wird das sogenannte Strip-Down-Verfahren angewendet.
Das Messsystem ist durch elektrische und mechanische Messgrößen gekennzeichnet. Zur Bestimmung der elektrischen Leistung am Fördersystem ist die messtechnische Ermittlung der Spannungs- und Stromgrößen im dreiphasigen Versorgungssystem erforderlich. Die Messgrößen Spannung und Strom werden für den Messpunkt 1 (MP1) am Eingang des Frequenzumrichters abgegriffen, der Messpunkt 2 befindet sich zwischen Frequenzumrichter und dem gespeisten Antriebsmotor (Drehstrommotor).
Wesentlich ist, alle benötigten Messgrößen auf gleicher Zeitbasis zu erfassen. Ebenso ist die Abtastung der Messsignale mit ausreichender Rate sicher zu stellen. Die am Institut vorhandene leistungsfähige Messtechnik ermöglicht Abtastraten bis 500kHz. Die Anforderungen an Messtechnik und Messsoftware zur Berechnung der elektrischen Leistung sind bei Umrichterbetrieb sehr hoch (vgl. [7]). An den Messpunkten 1 und 2 treten Spannungs- und Stromverläufe auf, welche durch einen nicht-sinusförmigen Verlauf gekennzeichnet sind. Diese hochfrequenten Signalanteile können einen wesentlichen Anteil an der Gesamtleistung verursachen und sind daher geeignet zu berücksichtigen. Mittels Fourier Transformation sind erst für die drei Phasen (Spannungen, Strom) die Harmonischen zu berechnen, weiters die Effektivwerte und resultierenden Einzelleistungsanteile sowie abschließend die Gesamtleistung (1) [8].
$$P_{nh}=U_{nh}\cdot I_{nh}\cdot \cos \varphi _{nh},P_{n}=\sum_{h=1}^{H}P_{nh},P_{\mathrm{ges}}=\sum _{N=1}^{3}P_{n}$$
(1)
wobei
-
\(U_{nh}\)
:
-
Effektivwert der Spannung der betrachteten Harmonischen;
-
\(n\)
:
-
Phasennummer 1, 2 oder 3;
-
\(h\)
:
-
Ordnung der Harmonischen (Oberschwingung);
-
\(H\)
:
-
Anzahl der Harmonischen;
-
\(P_{nh}\)
:
-
Wirkleistung der betrachteten Harmonischen;
-
\(\varphi _{nh}\)
:
-
Phasenverschiebungswinkel der Harmonischen aus FFT-Analyse;
-
\(P_{n}\)
:
-
Wirkleistung einer Phase;
-
\(P_{\mathrm{ges}}\)
:
-
Wirkleistung des gesamten
Signals.
Um den Leistungsbedarf des mechanischen Anlagenteils ohne Antriebseinheit zu bestimmen, ist es notwendig, die mechanische Leistung an der Abtriebswelle der Antriebseinheit zu erfassen (Getriebe oder Direktantrieb). Zur Leistungsberechnung (2) sind die Messgrößen Drehmoment und Drehzahl entsprechend zu bestimmen.
$$P_{\mathrm{mech}}=M\cdot \omega =F\cdot r\cdot \omega$$
(2)
wobei
-
\(P_{\mathrm{mech}}\)
:
-
mechanische Leistung;
-
\(M\)
:
-
Drehmoment;
-
\(F\)
:
-
Kraft;
-
\(r\)
:
-
wirksamer Hebelarm des Kraftangriffspunktes;
-
\(\omega\)
:
-
Winkelgeschwindigkeit.
Konstruktiv befinden sich die Getriebemotoren entweder starr befestigt an einer Konsole oder direkt an der Antriebswelle (Getriebe mit Hohlwelle). Bei der Hohlwellenausführung wird die Aufnahme des Reaktionsdrehmomentes mittels Drehmomentstütze realisiert (Abb. 8). Alternativ kommt ein Drehmomentenmessflansch zum Einsatz (ohne Darstellung). Die Drehzahlerfassung erfolgt direkt an der Getriebeausgangswelle des Antriebsmotors. Zum Einsatz kommen Tachogeneratoren oder alternativ inkrementelle Drehgeber.
Um die Teilleistungen der mechanischen Komponenten (z.B. Tragrollensysteme) zu ermitteln werden Relativmessungen vorgenommen (Abb. 7). Die Einzelkomponenten werden dazu schrittweise abgebaut (Strip-Down).
Exemplarisches Messergebnis
Die Auswertung der Messdaten (Abb. 9), aus einer gesamten Versuchsreihe für den Tangentialriemenförderer, gibt klaren Aufschluss über die erheblichen Optimierungspotenziale. Somit können gezielt Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz durch Verringerung der Verlustleistungen erarbeitet werden.
Energieeffizienz-Kennzahlensystem Fördertechnik
In technischen Anwendungen werden Kennzahlen üblicherweise spezifisch angegeben. Im Fall der Technischen Logistik ist es naheliegend, den „Logistischen Ertrag“ (Nutzen, Output) eines Prozesses als Bezug zu definieren. Es wird ein „Spezifischer Energiebedarf“ eingeführt. Dieser spezifische Energiebedarf bezieht die zugeführte Energie auf den Logistischen Ertrag. Formal bildet sich der spezifische Energiebedarf aus dem Reziprokwert der Energieeffizienz (3), wie folgt
$$E_{\mathrm{C}}=\frac{1}{E_{\mathrm{eff}}}=\frac{E_{\mathrm{E}}}{W_{\mathrm{L}}}$$
(3)
wobei
-
E
C
:
-
Spezifischer Energiebedarf des Prozesses (Förderung);
-
E
E
:
-
Energiebedarf (Input);
-
W
L
:
-
Logistischer Ertrag (Output).
Für eine gültige Bestimmung des spezifischen Energiebedarfs ist es wesentlich, geeignete repräsentative Arbeitsspiele zu definieren. Es müssen die für den Einsatz entsprechenden realen Lastverhältnisse (Volllast, Teillast, Leerlauf) berücksichtigt werden. Eine reine Nennpunktbetrachtung ist in den meisten Fällen nicht ausreichend [8]. Eine nähere Betrachtung des Logistischen Ertrags, im Bereich der Fördertechnik, legt einerseits die Normierung auf einen Meter Förderstrecke und andererseits die Fallunterscheidung Stückgut (Ladungseinheit) bzw. Schüttgut (Masse) nahe. Damit ergeben sich die beiden nachfolgenden Energieeffizienz-Kennzahlen (4), (5).
$$E_{C/\left (M,s\right )}=\frac{E_{E}}{W_{L}}=\frac{\sum \limits_{i=1}^{n}P_{i}\cdot t_{i}}{\Lambda _{N}\cdot M_{N}\cdot L_{F}\sum \limits_{i=1}^{n}\lambda _{i}\cdot t_{i}\cdot m_{i}}\left [\frac{Ws}{kg\cdot m}\right ]$$
(4)
$$E_{C/\left (M,s\right )}=\frac{E_{E}}{W_{L}}=\frac{\sum \limits_{i=1}^{n}P_{i}\cdot t_{i}}{\Lambda _{N}\cdot M_{N}\cdot L_{F}\sum \limits_{i=1}^{n}\lambda _{i}\cdot t_{i}\cdot m_{i}}\left [\frac{Ws}{kg\cdot m}\right ]$$
(5)
wobei
-
P
i
, t
i
:
-
Leistungs- bzw. Zeitanteil des Arbeitsspielanteils i;
-
L
F
:
-
Länge des Förderers;
-
Λ
N
, M
N
:
-
gesamter Durchfluss bzw. gesamte Masse des Arbeitsspiels;
-
λ
i
, m
i
:
-
relativer Durchfluss bzw. relative Masse des Arbeitsspielanteils i.
Zur Vergleichbarkeit der Ergebnisse der Effizienzkennzahlen war es unerlässlich, einerseits den Ablauf und die Einzelschritte, andererseits die spezifischen Messbedingungen eindeutig festzulegen [9], [10].