Geschildert werden klinische Beobachtungen bei 7 Patienten (2 Frauen und 5 Männer). Die Ursachen ihrer neuropathischen Schmerzen waren: 2-mal Postzosterneuralgie, 1-mal Mononeuropathia multiplex, 1-mal postoperative Neuralgie, 1-mal Deafferenzierungsschmerz, 1-mal Phantomschmerz und 1-mal unklare Fußneuropathie.
Die durchschnittlichen Schmerzen der Patienten lagen auf einer numerischen Rating-Skala (NRS) zwischen 4/10 und 6/10, die maximalen Schmerzen zwischen 6/10 und 10/10 (Tab. 1). Die Schmerzreduktionen betrugen zwischen 2 und 8 Punkten (NRS). Die Patienten beobachteten eine Schmerzreduktion innerhalb von 5–30 min, die 3 bis > 8 h anhielt (Tab. 1). Bei 5 Patienten lagen zusätzlich Schmerzattacken vor, die sich in allen Fällen reduzierten. Klare funktionelle Verbesserungen (körperliche Aktivität, gesteigerte Beweglichkeit, Schlafverbesserungen, Arbeitsfähigkeit u. Ä.) bemerkten 4 der 7 Patienten. Keiner der Patienten berichtete Nebenwirkungen, insbesondere keine Hautveränderungen.
Tab. 1 Diagnosen und Schmerzcharakteristika der behandelten Patienten
Für keinen Patienten bestand die Medikation ausschließlich in dieser Behandlung, alle hatten fortbestehende Primärmedikationen mit z. T. wechselnder Dosierung über die teils lange Behandlungszeit. Der Patient mit der längsten Behandlungsdauer verwendet topisches Ambroxol seit 48 Monaten (Patient 1), die kürzeste Kasuistik (Patient 4) überblickt 9 Monate (Tab. 2).
Tab. 2 Schmerzlinderungen durch topisches Ambroxol. Anwendungsdauer, Nebenwirkungen und Funktionsverbesserungen
Allodynie
Eine dynamische Allodynie lag bei 6 der 7 Patienten vor, eine Hyperalgesie auf Pinprick-Reize bei 4 Patienten. In 4 Fällen lagen beide Formen gemeinsam vor, ein Patient hatte weder das eine noch das andere. Eine dynamische Allodynie allein fand sich 2-mal, ausschließlich auf Pinprick-Reize empfindlich war kein Patient (Tab. 1). Unabhängig von diesen Konstellationen waren alle Patienten ambroxolsensibel.
Vorbehandlung mit Lidocain 5 %
Sechs der 7 Patienten hatten zuvor Lidocainpflaster eingesetzt. Diese waren 4-mal unwirksam, bei 2 Patienten hilfreich, davon aber 1-mal unverträglich. Die beiden Patienten mit Schmerzlinderung berichteten diese auch unter Ambroxol. Umgekehrt profitierten aber zusätzlich alle 4 Patienten ohne vorherige Lidocainwirkung dennoch von einer Ambroxolwirkung.
Vorbehandlung mit Capsaicin 8 %
Drei der 7 Patienten hatten auch Capsaicin 8 % zur topischen Behandlung erhalten. Bei 2 Patienten war dies hilfreich, bei einem Patienten wird es weiterhin eingesetzt. Beide Patienten mit Linderung unter Capsaicin 8 % erfuhren diese auch unter Ambroxol. Umgekehrt profitierte aber auch der Patient ohne Capsaicinwirkung von Ambroxol.
Kasuistiken
Kasuistik 1 (neuropathische Vorfußschmerzen)
Der 1942 geborene Patient stellte sich im Oktober 2010 mit (klinisch) neuropathischen Schmerzen beider Füße vor. Er hatte das Gefühl, über Kohlen zu laufen, der rechte Fuß schien wie in einem Schraubstock. Laufen oder Gartenarbeit waren fast unmöglich. Orthopädisch konnten die Fußschmerzen weder röntgenologisch noch als Folge einer Spondylodese des vierten und fünften Lendenwirbelkörpers im Jahr 2007 erklärt werden, neurographisch konnte keine Polyneuropathie nachgewiesen werden, die Problematik wurde als „eher vertebragen“ interpretiert. Klinisch bestand eine ausgeprägte dynamische Allodynie und Pinprick-Hyperalgesie des rechten Fußrückens, geringfügig auch links. Die bisherige Gabe von Gabapentin wurde bis 3-mal 600 mg aufdosiert, ergänzt durch Buprenorphin 20 µg/h, Steigerungen waren jeweils nicht möglich. Topische Lidocain-5 %-Pflaster waren nicht hilfreich.
Im Juni 2011 erfolgte der erste Behandlungsversuch mit topischem Ambroxol. Der Verlauf war ausgesprochen erfolgreich: Der stechende Schmerz der initialen Stärke von 8/10 auf einer NRS beim Abrollen rechts und die Berührungsempfindlichkeit des Vorfußes verschwanden binnen 5 min vollständig für mehr als 8 h. Die intermittierende Behandlung mit topischem Ambroxol wird bis heute weiter erfolgreich fortgeführt (Abb. 1). Die Schmerzen wurden mittlerweile auch 11-mal erfolgreich mit Capsaicin-8 %-Pflastern behandelt, der Patient nutzt Ambroxolcreme nun weiter in Phasen erneuter Schmerzen bei nachlassender Capsaicinwirkung bis zur nächsten Anwendung. Gabapentin wird nur noch in einer Dosierung von 1-mal 300 mg abends eingenommen, die Opioidtherapie wurde beendet. Laufen und Gartenarbeit sind wieder möglich. Während der jetzt 4-jährigen, unverändert wirksamen Behandlung traten weder Hauterscheinungen noch andere Nebenwirkungen auf. Die Kasuistik ist mehrfach videodokumentiert.
Kasuistik 2 (Kältephantomschmerz)
Der Patient stellte sich mit ungewöhnlichen Schmerzen vor: Er beklagte extrem schmerzhafte Kältegefühle im Phantom beider amputierter Füße. Im Jahr 2008 war eine Unterschenkelamputation links bei peripherer arterieller Verschlusskrankheit und Diabetes mellitus notwendig geworden, 2009 auch rechts. Die Kälteschmerzen der Stärke 7–9/10 auf einer NRS traten sporadisch mehrfach pro Woche auf, dauerten Minuten bis viele Stunden und weckten den Patienten nachts häufig auf. Er beschrieb einen Wechsel der Kälte zwischen Zehen und Fußballen, Wärme am Stumpf konnte bedingt helfen. Der Kältephantomschmerz konnte durch Umgebungskälte ausgelöst werden, aber auch durch optisch wahrgenommene Kälte, z. B. Bilder von Schnee. Ein Kältegefühl vor Amputation im Sinne einer Präamputationserinnerung bestand nicht, der Stumpf selbst war meist warm. Der Stumpf zeigte eine diskret gesteigerte Kältewahrnehmung distal-lateral beidseits, rechts zusätzlich eine dynamische Allodynie (ohne Pinprick-Hyperalgesie).
Die nach vielen erfolglosen Therapien inklusive der Gabe von Opioiden und Antikonvulsiva eingesetzte topische Ambroxol-20 %-Creme konnte das Problem relevant beeinflussen: Das extreme Kältegefühl im Phantom ließ nach etwa 15 min für einige Stunden deutlich nach, das Phantom wurde wärmer. Diese Wirkung ist ohne Änderung nun bereits über 11 Monate erreichbar. Es traten keinerlei Hautveränderungen am Stumpf oder andere Nebenwirkungen auf, die Kasuistik ist videodokumentiert.
Kasuistik 3 (neuropathischer Schmerz nach Knietotalendoprothese)
Die 58-jährige Patientin erhielt im November 2010 eine Knietotalendoprothese, wonach erhebliche Schmerzen persistierten. Klinisch bestanden eine großflächige dynamische Allodynie und Pinprick-Hyperalgesie medial als Zeichen einer zentralen Sensibilisierung. Entzündungszeichen oder bewegungsabhängige Schmerzen fanden sich nicht.
Die bestehende Therapie mit Buprenorphin 10 ug/h war wegen des neuropathischen Schmerzcharakters durch Tapentadol ersetzt worden, womit der Schmerz jedoch nicht besser behandelt war. Nach Verwendung von Capsaicin-8 %-Pflastern waren die Schmerzen etwas seltener und kürzer geworden. Da bis April 2014 die Knieschmerzen in erheblichem Maße fortbestanden und Lidocainpflaster ebenfalls keine wesentliche Linderung erbrachten, wurde während der Sprechstunde topisches Ambroxol 20 % eingesetzt. Bereits nach 15 min berichtete die Patientin eine klare Schmerzlinderung: Brennen und Stechen hatten deutlich nachgelassen, ein im Knie „tobendes Gefühl“ war fast erloschen. Sie beobachtete in den kommenden Monaten bei wiederholten Anwendungen nach jeweils etwa 30 min eine Schmerzreduktion für 4–6 h von im Mittel 8/10 vor Behandlung auf 4/10 (auf NRS; Abb. 2), gelegentlich sogar bis auf 1/10. Bei stärksten Schmerzen (10/10 auf NRS) erlebte sie, dass die Schmerzen danach nicht mehr auf das Ausgangsniveau zurückkehrten. Die Anwendung von topischer Ambroxol-20 %-Creme erfolgt nun seit 11 Monaten regelmäßig und ohne Nebenwirkungen oder Hauterscheinungen. Die Kasuistik ist videodokumentiert.
Kasuistik 4 (Deaffenzierungsschmerz)
Der 38-jährige Patient stellte sich im April 2014 wegen Deafferenzierungsschmerzen im linken Arm nach Plexusläsion (Motorradunfall 1997) vor. Im Verlauf trat eine Berührungsüberempfindlichkeit von Hand und Unterarm auf. Eine Nerventransplantation war erfolglos, ebenso Ketamin, Gabapentin und eine Lidocaininfusion. Eine Spiegeltherapie endete mit einer Schmerzverschlechterung für Tage, Amitriptylin war zu sedierend. Cannabis konnte im Rahmen einer Studie die Schmerzen zwar um 60 % senken, die mentale Beeinträchtigung war jedoch erheblich. Die Medikation bestand nun aus Pregabalin 2-mal 300 mg und Duloxetin 60 mg. Eine geringe Innervation von M. bizeps und Schulterelevation war möglich, auch eine mentale Phantommotorik. Im Arm bestanden drei Schmerzqualitäten: ein „brennender Schmerz“ (durch Kälteanwendung an der Hand auszulösen), ein „gepresster Grundschmerz“ (ohne Auslöser) und „einschießend-kribbelnde Schmerzen“. Die Schmerzstärke lag bei 4–8/10 auf einer NRS, es bestand eine dynamische Allodynie am Ellbogen. Sensationen im Phantomarm ließen sich durch Kältereize subklavikulär und als Übertragungsschmerzen aus Triggerpunkten von M. subclavius und pectoralis auslösen.
Lidocainpflaster änderten lediglich die Schmerzqualität, Triggerpunktbehandlungen und Tapentadol wurden nicht toleriert. Es erfolgte daher ein Versuch mit topischer Ambroxol-20 %-Creme über dem M. pectoralis, was die einschießenden und kribbelnden Schmerzen von meist 8/10 auf 4/10 (NRS) gut lindern konnte. Die Wirkung wird seither jeweils beginnend nach etwa 15 min für 4–6 h beschrieben, was v. a. hinsichtlich des Schlafens entscheidende Bedeutung bekam. Der „tiefe Grundschmerz“ blieb aber unbeeinflusst. Besonders froh war der Patient darüber, dass nun spontan und ohne Auslöser immer wieder auftretende Spasmen und Krämpfe sistierten, sodass alltägliche Verrichtungen in diesen Momenten fortgeführt werden konnten. Die Beschreibungen des Patienten sind videodokumentiert.
Kasuistik 5 (thorakale Postzosterneuralgie)
Der damals 55-jährige Patient stellte sich im August 2008 mit einer seit 2 Monaten bestehenden Postzosterneuralgie des rechten Thorax vor (Stärke 5/10 auf einer NRS). WHO-I- und WHO-II-Analgetika senkten den Schmerz nur wenig, Lidocainpflaster waren recht gut wirksam. Klinisch bestand eine fast zirkuläre dynamische Allodynie auf Höhe der Brustwirbel 6–8 rechts. Zuerst wurde mit Erfolg Gabapentin aufdosiert und der Nachtschlaf mit Amitriptylintropfen verbessert. Da andere sedierende Substanzen nicht möglich waren und Capsaicin 8 % erfolglos blieb, erfolgte im April 2012 der Einsatz von topischer Ambroxol-20 %-Creme. Diese konnte zwar den Schmerz allein nicht ausreichend beherrschen, senkte ihn aber doch beginnend nach 30 min und über eine Dauer von 4–6 h von 6/10 auf 4/10 (NRS; Abb. 3). Der Patient nutzt die Applikation für Schmerzattacken und diejenigen Flächen, die durch das weiterhin genutzte Lidocainpflaster nicht gut abgedeckt sind. Während der nun mehr als 3-jährigen Anwendung wurden keine unerwünschten Wirkungen oder Hauterscheinungen berichtet.
Kasuistik 6 (Mononeuropathia multiplex)
Der pensionierte Patient stellte sich im November 2013 mit neuropathischen Schmerzen des linken Fußrückens bei Multiplexneuritis infolge einer Vaskulitis vor. Er beschrieb zwei Schmerzarten: Ein dauerhafter Grundschmerz störte erheblich bei Alltagsaktivitäten, ferner traten heftige Schmerzattacken auf, besonders abends beim Fernsehen und nachts mit einer Stärke bis 8/10 auf einer NRS. Eine Depression wurde mittlerweile mit Duloxetin 60 mg und Lithium behandelt. Lidocainpflaster, periphere Analgetika und niedrig dosiertes Tilidin waren bereits erfolglos versucht worden. Der Nachtschlaf wurde nun mit Amitriptylintropfen vertieft, Tilidin vorsichtig weiter aufdosiert.
Da bereits bei der zweiten Visite im Dezember 2013 die Grenzen zentralnervöser Belastbarkeit erreicht waren, erfolgte ein Versuch mit topischem Ambroxol. Dies war ausgesprochen effektiv: Der Patient berichtete, seine abendlichen, neuropathischen Schmerzen beginnend nach 15 min für mehr als 6 h von 6/10 auf 2/10 auf einer NRS senken zu können. Ungestörtes Fernsehen wurde möglich, der Nachtschlaf war nun – nach unmittelbar vorheriger Anwendung – meist gut. Lange eingesetztes Zolpidem wurde entbehrlich. Bei schmerzbedingtem Erwachen führte erneutes Eincremen wieder zur schnellen Schmerzlinderung. Nach 4 Monaten der Anwendung verschwand der dauerhafte Grundschmerz tagsüber fast völlig. Bemerkenswert ist, dass bei diesem Patienten vor Behandlung keinerlei Allodynie auf dynamische Reize oder Hyperalgesie auf Pinprick-Reize bzw. Kälte oder Zugluft bestand. Nach einer Anwendung seit nun 17 Monaten führt der Patient die Behandlung weiterhin fort (Abb. 4) und berichtete bisher keinerlei Hauterscheinungen oder Nebenwirkungen. Die Aussagen des Patient wurden mehrfach videodokumentiert.
Kasuistik 7 (trigeminale Postzosterneuralgie)
Nach einer Zosterinfektion V2 links im Juni 2014 beklagte eine 91-jährige Seniorin Gesichtsschmerzen bis zu einer Stärke von 8/10 auf einer NRS. Die affektive Schmerzwahrnehmung war erheblich, der Nachtschlaf massiv gestört. Diclofenac, Tramadol und Novaminsulfon waren nicht ausreichend. Der Nachtschlaf konnte initial mit wenigen Amitriptylintropfen verbessert werden, eine Tramadolsteigerung scheiterte an Obstipation und Sedation. Lidocainpflaster waren wirksam, mussten aber wegen einer fraglichen Hautreaktion beendet werden.
Da Gabapentin 100 mg ebenfalls nur begrenzt aufdosiert werden konnte und Capsaicin 8 % bei der betagten Frau nicht angezeigt erschien, wurde Ambroxol-20 %-Creme versucht. Die Patientin verwendet diese nun seit 11 Monaten und beschreibt den Effekt als klar schmerzlindernd, die Wange wird jeweils nach etwa 15 min „ruhiger“. Erwacht sie nachts, kann sie einige Zeit nach der erneuten Anwendung wieder schmerzarm einschlafen. Auch diese Anwendung über nun 10 Monate erfolgt weiterhin ohne unerwünschte Wirkungen und ist videodokumentiert.