Die folgenden Ausführungen stellen ein Diskussionspapier dar, das auf einer Expertenkonferenz der Österreichischen Schmerzgesellschaft (R. Likar, Präsident der ÖSG; M. Bach, designierter Präsident der ÖSG, H.-G. Kress, Mitglied des Vorstandes der ÖSG; J. Sandkühler, Mitglied des Vorstandes der ÖSG), der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes (R.-D. Treede, designierter Präsident der DGSS, H.R. Casser, Schatzmeister der DGSS) sowie der Interdisziplinären Gesellschaft für orthopädische und unfallchirurgische Schmerztherapie (H. Brunner, Präsident der IGOST, W. Steinleitner, Geschäftsführer der IGOST, H.R. Casser, Vizepräsident der IGOST, D. Schöffel, Leiter der Fortbildungsakademie der IGOST) basiert.

Eine Schmerztherapie kann mit Nebenwirkungen und Risiken behaftet sein. Die Gefahren und Risiken einer Schmerztherapie dürfen aber nicht Anlass sein, auf eine solche Therapie zu verzichten. Der Arzt muss sich der Risiken einer Schmerztherapie bewusst sein. Seine Aufgabe ist es, mögliche Verfahren bzgl. Indikation und Risiken gegeneinander abzuwägen und diese Risikoabwägung mit dem Patienten zu besprechen. Üblicherweise werden invasive Verfahren als komplikationsträchtiger eingeschätzt als konservative; dies kann dazu führen, dass invasive Verfahren erst bei Versagen anderer, nichtinvasiver, vermeintlich weniger komplikationsträchtiger Verfahren eingesetzt werden.

Schmerzen aus Furcht vor Risiken nicht oder nicht angemessen zu behandeln, kann zu einer Chronifizierung der Schmerzen beitragen. Deshalb stellt auch die Nichtbehandlung von Schmerzen ein Risiko dar.

Oberstes Prinzip der Therapie von Schmerzen muss sein, die Grunderkrankung zu behandeln, wenn eine kausale Therapie möglich ist. Dazu muss eine klare Diagnose vorhanden sein. Auch Unschärfen in der diagnostischen Zuordnung von Krankheiten können zu einem Versagen der Schmerztherapie beitragen.

Schließlich ist eine Schmerztherapie auf die Kooperation des Patienten angewiesen. Bei inadäquater Kommunikation zwischen Behandler und Patient kann der Erfolg der Therapie in Frage gestellt sein und es können sich zusätzliche spezifische Risiken der eingeleiteten Therapie ergeben.

Risiken der Nichtbehandlung von Schmerzen

Krankheitsverständnis und Diagnose bei chronischen Schmerzerkrankungen

Das Phänomen, dass nicht oder nicht ausreichend behandelte Schmerzen zu einer Schmerzchronifizierung führen können, ist gerade bei Rückenschmerzen häufig zu beobachten. Dabei sind einerseits Chronifizierungsmechanismen zu bedenken, zum anderen die Stigmatisierung eines Patienten durch inadäquate Diagnosen.

Wichtig erscheint es, Patienten mit einem hohen Chronifizierungsrisiko frühzeitig zu identifizieren und bei dieser Gruppe frühzeitig eine intensive Schmerztherapie – und dies nicht nur auf dem Gebiet der medikamentösen Schmerztherapie – einzuleiten. Während der Fragebogen der DGSS ein wichtiges diagnostisches Instrument zur Zuordnung der Erkrankung auch in Bezug auf die psychische Komorbidität darstellt, dient der Fragebogen „HKF-R10“ (Heidelberger Kurzfragebogen Rückenschmerz; [31]) der frühzeitigen Abschätzung des Risikos der Chronifizierung von Rückenschmerzen.

Bedeutung einer adäquaten Diagnose

Eine inadäquate Diagnose hat für den Patienten weiterreichende Auswirkungen als Fehler bei einzelnen therapeutischen Maßnahmen. Es besteht dabei nicht nur das Problem einer möglichen Fehlbehandlung, sondern auch das Risiko der Stigmatisierung, die zu einer iatrogenen Chronifizierung der Schmerzen führt.

Der Begriff der „Schmerzen ohne organisches Korrelat“ zeigt mitunter das Unvermögen des Arztes, eine klare diagnostische Zuordnung zu treffen. Er drückt aus, dass der behandelnde Arzt vor einem Krankheitsbild steht, für das in seinem Krankheitsverständnis keine adäquate Zuordnung existiert. Dies ist manchmal nicht zu vermeiden; mitunter werden aber eine inadäquate Therapie oder das Ausbleiben einer adäquaten Therapie die Folge sein. Noch gravierender kann eine falsche Zuordnung von Schmerzen (z. B. inadäquate Zuordnung der Schmerzen zu einem „Bandscheibenvorfall“) sein, da sie die Therapie in eine falsche Richtung führen kann und eine adäquate Therapie z. B. bei psychosomatischen Erkrankungen verhindern kann.

Vermieden werden muss auch der Mechanismus, dass ein Untersucher, sobald er die Schmerzsymptomatik im Gedankengebäude seines eigenen Fachgebiets nicht unterbringen kann, eine „nichtorganische Genese“, eine psychosomatische Genese oder gar eine Aggravation oder Simulation unterstellt.

Schließlich ist die „Schmerzkrankheit“ definitionsgemäß losgelöst von ihrer Warnfunktion und korreliert damit nicht mehr mit fassbaren Organbefunden; auch diese diagnostische Zuordnung muss korrekt erfolgen.

Es ist vorstellbar – wenn auch medizinisch sicher nicht ganz korrekt – dass bei demselben Patienten ein Orthopäde „funktionelle Störungen mit multiplen Insertionstendopathien“ diagnostiziert, während der Rheumatologe die Erkrankung als „Fibromyalgie“ klassifiziert, der Psychosomatiker als „somatoforme Schmerzstörung“, der Psychiater als „larvierte Depression“ und der Manualtherapeut „multiple Blockierungen“ feststellen wird. Sicher ist, dass aus den unterschiedlichen Diagnosen unterschiedliche Therapieversuche resultieren, die z. T. nicht erfolgreich sein werden.

Eine differenzierte Diagnostik eines chronischen Schmerzpatienten sollte zumindest 3 Ebenen der Diagnostik beinhalten und diese in der Diagnose – für das weitere Vorgehen wäre der Begriff der Arbeitshypothese sinnvoller – ausdrücken:

  • Die organpathologische Diagnostik, bestehend aus objektivierbaren Organbefunden, Röntgenbildern, Labor etc. Dazu gehört auch die klinische neurologische Diagnostik, insbesondere die Sensibilitätsprüfung der lemniskalen und spinothalamischen Funktionen.

  • Die klinisch funktionelle Diagnostik, die z. B. Fehlfunktionen beschreibt.

  • Die psychosoziale Diagnose, die u. a. Angst und Depressivität, aber auch psychosoziale Komponenten und Auswirkungen erfasst.

Wäre es möglich, dass sich alle mit chronischen Schmerzpatienten befassten Ärzte auf eine Diagnose – oder Arbeitshypothese – einigen könnten, die alle 3 Ebenen berücksichtigt, wäre eine gemeinsame Sprache gefunden, um zum Wohle des Patienten gezielter eine Therapie einleiten zu können. Dabei wird es dem Psychiater oder Psychosomatiker besser gelingen, die psychosoziale Komponente zu beschreiben, der manualtherapeutisch geprägte Orthopäde wird zu einer präziseren Einordnung auf seinem Fachgebiet kommen. In vielen Fällen wird man sich der Mithilfe andere Disziplinen bedienen müssen.

Wenn aber, und dies ist heute üblich, der Versuch unterbleibt, eine derartige „ganzheitliche“ Zuordnung des chronischen Schmerzgeschehens vorzunehmen und in einer gemeinsamen Sprache zu einer multidimensionalen Diagnose zu kommen, besteht das Risiko einer Fehlbehandlung und weiteren Chronifizierung des Patienten.

Bei Schmerzen, die von Seiten der Organbefunde nicht in ihrer ganzen Dimension fassbar sind, sollte der Behandler auch die neurophysiologischen Mechanismen der Chronifizierung kennen und beachten. Gerade die Neurophysiologie hat unser Verständnis für chronifizierte Schmerzen in den vergangenen Jahren extrem bereichert.

Neurophysiologische Mechanismen der Schmerzchronifizierung

Bei nicht oder unzureichend behandelten Schmerzen kommt es häufig zu einer Steigerung der Schmerzempfindlichkeit, sodass ursprünglich harmlose Reize starke Schmerzempfindungen auslösen (Hyperalgesie). Bei der Aufklärung der ursächlichen Mechanismen wurden wichtige Fortschritte erzielt.

Starke oder anhaltende Schmerzreize können die Nozizeption lang anhaltend verändern. Durch rechtzeitige und adäquate analgetische Maßnahmen können diese Vorgänge vermindert oder verhindert werden. Schmerz, insbesondere nicht behandelter Schmerz, ist also ein Risikofaktor für die Chronifizierung von Schmerzen.

Für diese Form der krankhaft gesteigerten Schmerzempfindlichkeit ist offenbar eine zahlenmäßig kleine Gruppe von Nervenzellen im oberflächlichen Rückenmark, der Lamina I, verantwortlich. Die selektive Zerstörung der betreffenden Zellen führt bei Versuchstieren zu einer deutlichen Abschwächung der Hyperalgesie und Allodynie [32, 39]. Die alte Vorstellung, wonach nur hochfrequente, d. h. starke Entladungen zur LTP (synaptische Langzeitpotenzierung) im Schmerzsystem führen, niederfrequente Entladungen in Schmerzfasern, wie sie für Entzündungen typisch sind, aber keine Wirkung auf die synaptische Übertragung hätten oder sie sogar hemmen, muss revidiert werden. Neue Daten belegen, dass gerade der unterschwellige lang anhaltende „nörgelnde“ Schmerz erheblich zu einer Chronifizierung beitragen und sie unterhalten kann. Denkbar ist auch, dass durch den „nörgelnden Schmerz“ affektive Komponenten stärker involviert und über eine Verminderung der deszendierenden Hemmung für die zunehmende Sensibilisierung verantwortlich sind [39].

Jede Verletzung führt potenziell zu einer Gedächtnisspur im Zentralnervensystem [21]. Ein einfaches Löschen des Schmerzgedächtnisses scheint nicht möglich. Das Schmerzgedächtnis kann jedoch korrigiert werden durch ein „Überschreiben“ derjenigen Information, die einen bestimmten Auslöser mit der Information „Schmerz“ korreliert. Das Überschreiben des Schmerzgedächtnisses ist als „Relearning“ ein aktiver Prozess. Durch pharmakologische Interventionen, z. B. eine starke Sedierung, kann er behindert werden [3, 4, 5, 27, 50]

Es ist als Risiko einer Schmerztherapie mit sedierenden Substanzen anzusehen, dass ein Relearning nicht möglich ist. Eine Schmerztherapie sollte initial damit beginnen, dass eine möglichst effektive Schmerzreduktion bewirkt wird. In einer zweiten Phase muss aber ein Relearning ermöglicht werden. Findet in dieser Phase eine anhaltende Sedierung statt, ist ein Relearnig nicht möglich.

Risiken medikamentöser Therapieverfahren

Nichtopioidanalgetika

NSAR werden oft als die wichtigste Medikamentengruppe der Schmerztherapie angesehen. Im WHO-Stufenschema sind sie als typische Stufe-1-Analgetika in allen Ebenen vertreten. Gemeinsam ist den NSAR die Hemmwirkung auf die Prostaglandinsynthese, aber auch eine Reihe von Nebenwirkungen auf Gastrointestinaltrakt, Leber, Nieren und Herz.

Die Wirkung auf die Schleimhaut des Gastrointestinaltrakts ist die wichtigste Nebenwirkung. Die Schädigung hängt von der Dauer der Anwendung, der Dosis und der eingesetzten Substanz ab. Schon im ersten Monat der Anwendung findet sich ein erhebliches Risiko für gastrointestinale Ulzera, Blutungen und Perforationen; statistisch ist das Risiko anschließend eher geringer.

Singh u. Triadafilopoulos [43] gehen von jährlich 16.500 Todesfällen in den USA durch gastrointestinale Nebenwirkungen der NSAR aus. Die Letalität liegt damit bei einem Todesfall/788 Anwender. Tramer et al. [46] errechneten im europäischen Raum eine Letalität von 1/1220 Anwendern (Anwendung länger als 2 Monate). Hauptrisikofaktoren sind das Alter und eine Ulkusanamnese [29] sowie Nikotinkonsum und Oberbauchbeschwerden [23]. Unter laufender Medikation mit NSAR ist das Risiko 5-fach gegenüber Placebo erhöht, normalisiert sich aber schon 8 Tage nach Absetzen der NSAR [23].

Mit Entdeckung der Isoenzyme der Cyclooxygenase wurde die Hypothese entwickelt, dass man zwischen der protektiven Cyclooxygenase 1 (COX 1) und der entzündungsinduzierten Cyclooxygenase 2 (COX 2) unterscheiden könne. Man postulierte, dass eine selektive COX-2-Hemmung eine effektive Analgesie erreichen könne, ohne die protektive Wirkung der COX-1-abhängigen Prostaglandine zu unterdrücken.

Durch den Einsatz der Coxibe konnte das gastrointestinale Risiko verringert werden: Eine Verbesserung zeigte sich hier in allen Parametern: Ulkusrate, Zahl der Blutungen, Hämoglobinabfall, Absetzen wegen gastrointestinaler Nebenwirkungen [30]. Das relative Risiko von Komplikationen im oberen Gastrointestinaltrakt ist unter Coxiben gegenüber Placebo nur um den Faktor 1,5 erhöht, für unselektive NSAR jedoch um den Faktor 5,3. (bei Gabe von Low-dose-ASS in der kardioprotektiven Dosis Faktor 3,7). Nicht erhöht ist das Risiko unter Paracetamol und Metamizol.

Aufgrund der Daten der APPROVE-Studie wurde Rofecoxib im September 2004 vom Markt genommen. Die Studie hatte ein verdoppeltes Risiko für Myokardinfarkte und ein erhöhtes Risiko für Schlaganfälle unter einer Langzeitanwendung mit Rofecoxib gezeigt. Ein besonders hohes Risiko hatte Rofecoxib (50 mg täglich) bereits in der VIGOR-Studie gezeigt, bei der die Anzahl der Myokardinfarkte unter Rofecoxib im Vergleich zu Naproxen mindestens 4-mal höher lag.

Wertvolle Daten liefert die Studie von Graham et al. [16], der eine industrieunabhängige Analyse der Daten einer großen amerikanischen Versicherung zugrunde liegt: Celecoxib zeigt hier ein günstiges Profil (RR 0,86); alle anderen Substanzen erhöhen das kardiovaskuläre Risiko, wobei die negativen Auswirkungen von Ibuprofen gering sind (RR 1,09), Rofecoxib in der Standarddosis (25 mg/Tag; RR=1,29) und Diclofenac (RR=1,69) im Mittelfeld liegen und der negative Effekt für hochdosiertes Rofecoxib (50 mg/Tag; RR=3,15) am ausgeprägtesten ist.

Eine aktuelle Metaanalyse [20] aller verfügbaren randomisierten kontrollierten Studien zeigt, dass für Coxibe und unselektive NSAR ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko besteht und zwischen den beiden Gruppen kein wesentlicher Unterschied ist. Eine Ausnahme bildet Naproxen mit einer günstigen, selbst im Vergleich zu Placebo eher protektiven kardiovaskulären Wirkung. Der positive Effekt tritt aber nur in einer Dosierung von 2-mal 500 mg Naproxen täglich auf; diese Dosis wirkt wie ASS thrombozytenaggregationshemmend. Bei Unterschreitung dieser Dosis überwiegen die kardiovaskulären Risiken.

In einem systematischen Review in JAMA [28] zeigte Rofecoxib im Vergleich zu Celecoxib signifikant mehr kardiovaskuläre Risiken. Beim Vergleich von Diclofenac mit Naproxen ist Naproxen bzgl. der kardiovaskulären Daten günstiger. In der aktuellen MEDAL-Studie hatten Diclofenac und Etoricoxib ein vergleichbares kardiovaskuläres Risiko.

Zusammenfassend haben sowohl unselektive NSAR als auch Coxibe ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko. Naproxen und Celecoxib scheinen günstiger abzuschneiden.

Von Seiten der Nierenkomplikationen gibt es keinen Unterschied zwischen Coxiben und NSAR; beide verursachen eine Wasserretention und erhöhen den Blutdruck; sie können darüber hinaus eine interstitielle Nephritis und Papillennekrosen verursachen. Bei Serumkreatininwerten über 2,0 mg/dl sollten NSAR und Coxibe nicht eingesetzt werden.

Das Risiko des Einsatzes von NSAR und Coxiben muss mit jedem Patienten individuell besprochen und abgeklärt werden. NSAR oder Coxibe sollten in einer möglichst niedrigen Dosis für möglichst kurze Zeit eingesetzt werden. Die EMEA [11] hält den Einsatz von Coxiben bei ischämischer Herzerkrankung oder nach Schlaganfall für kontraindiziert. Zudem müsse bei allen Patienten mit Risikofaktoren für eine KHK, d. h. bei arterieller Hypertonie, Rauchen, Hyperlipidämie, Diabetes oder peripherer AVK der Einsatz mit besonderer Rückhaltung geschehen.

Da von Seiten des kardiovaskulären Risikos kein Unterschied zwischen Coxiben und unselektiven NSAR besteht, sind die Coxibe aufgrund des wesentlich geringeren gastrointestinalen Risikos vorzuziehen.

Man wird auf NSAR und Coxibe nicht verzichten können. Die Rolle, die ihnen in allen Ebenen des WHO-Stufenschemas der Schmerztherapie eingeräumt wird, muss aber in Frage gestellt werden. Die antientzündliche Wirkung der NSAR und der Coxibe sollte bewusst eingesetzt werden; wenn eine entzündungshemmende Wirkung nicht notwendig ist, sollte der Einsatz anderer Substanzen (Paracetamol, Metamizol, Opioide) erwogen werden.

Auch diese Substanzen bergen Risiken; das Problem der Agranulozytose durch Metamizol führte in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts dazu, dass die Substanz nur noch selten eingesetzt wurde. Durch granulozytenstimulierende Wachstumsfaktoren hat diese Problematik nur noch einen geringen Stellenwert. Metamizol gilt als gut verträglich, es besteht das Risiko einer Kreislaufdepression bei intravenöser Verabreichung.

Paracetamol, in geringerem Masse auch Flupirtin, ist lebertoxisch. Flupirtin wirkt zudem zentral dämpfend. Es sollte eine Kontrolle der Transaminasen bei längerer Anwendung erfolgen. Paracetamol gilt, insbesondere aufgrund der fehlenden gastrointestinalen und kardiovaskulären Problematik, als ausgezeichnet verträglich. Paracetamol ist jedoch die häufigste Ursache des medikamenteninduzierten Leberversagens in den USA. In einer Studie mit 662 konsekutiven Patienten mit Paracetamol-induziertem Leberversagen starben 27% der Patienten: Ursachen war in 44% eine suizidale Einnahme der Substanz, in 48% eine akzidentelle Einnahme, meist aufgrund von Schmerzen bei gleichzeitiger Einnahme mehrerer Kombinationspräparate [22]. Die US-amerikanischen Daten sind nicht direkt übertragbar; angesichts der zunehmenden Nutzung nicht verschreibungspflichtiger Präparate muss aber auch in Europa diese Problematik beachtet werden.

Opioidanalgetika

Opioide zeichnen sich durch eine geringe Organtoxizität aus; Nebenwirkungen der Opioide können aber zu subjektiven Beeinträchtigungen des Patienten führen. Ernsthafte Nebenwirkungen sind selten, die Entstehung einer Opioidsucht ist in der Schmerztherapie selten [5]. Trotzdem ist in der Bevölkerung, v. a. des deutschsprachigen Raums, immer noch eine Opioidphobie verbreitet. In einer aktuellen Umfrage in Österreich waren 72,3% der befragten Patienten der Meinung, beim Einsatz von Opioiden in der Schmerztherapie komme es in jedem Falle zu einer Sucht. Auch unter den Ärzten ist diese Ansicht leider verbreitet: hier meinten immer noch 22,2%, dass eine Opioidtherapie unweigerlich zur Sucht führe [18]

Opioide sind gut untersucht, und ihre Wirksamkeit auf Schmerzen, aber auch bzgl. der Verhinderung von Chronifizierungsmechanismen, ist belegt [5].

Beim neuropathischen Schmerz zählen die Opioide zu den am besten wirksamen Behandlungsformen; ihre NNT („number needed to treat“) liegt in einer Metananalyse von Finnerup et al. [14] – fast gleichauf mit den trizyklischen Antidepressiva – in der Nähe von 3. Trotzdem stellen Finnerup et al. die Opioide in einem Therapiealgorithmus erst an die dritte Stelle nach den Antidepressiva und den Antikonvulsiva (Pregabablin/Gabapentin).

Kalso et al. [19] analysierten 15 placebokontrollierte Studien zur Wirkung von Opioiden und zeigten dabei beim Nichttumorschmerz eine Schmerzreduktion um 40–60%. Langfristig lag die Schmerzreduktion immer noch im Mittel bei 30%. Zu beobachten war jedoch, dass in der Langzeitanwendung über 50% der Patienten die Behandlung beendet hatten. Der Therapieabbruch erfolgte bei Placebopatienten überwiegend wegen fehlender Wirksamkeit, bei Verumpatienten wegen Nebenwirkungen. Unter den unerwünschten Wirkungen als Ursache der Therapieabbrüche stand die Obstipation im Vordergrund, erst danach folgten Übelkeit und Schläfrigkeit. Andere Gründe für einen Therapieabbrüche waren selten.

Neue Opioidzubereitungen können durch den Zusatz von Naloxon zu Stufe-2-Opioiden (Tilidin/Naloxon) und Stufe-3-Opioiden (Oxycodon/Naloxon) die Obstipation weitgehend verhindern. Obwohl die klinischen Daten hierzu noch spärlich sind, ist aufgrund der pathophysiologischen Mechanismen mit einer deutlichen Verminderung der Obstipation zu rechnen; der Zusatz von Naloxon inhibiert lokal im Darm die obstipierende Wirkung der Opioide. Bei Übertritt von Naloxon in die Blutbahn erfolgt eine umgehende Metabolisierung in der Leber, sodass eine opioidantagonisierende Wirkung auf die Schmerzverarbeitung nicht auftritt.

Bei einem kleinen Teil der Patienten ist die initiale Übelkeit trotz adäquater Komedikation derart ausgeprägt, dass Opioide nicht eingesetzt werden können.

Die weiteren Langzeitnebenwirkungen der Opioide haben eine untergeordnete Bedeutung: Dazu gehören Sedierung, Schwitzen, Juckreiz, Mundtrockenheit, Libidoverlust und Atemdepression. Sedierung und Schwindel können bei älteren Menschen aufgrund der Sturzneigung relevant werden; eine Atemdepression tritt in den üblichen Dosierungen selten auf und auch andere Nebenwirkungen treten erst bei hoch dosierter Anwendung, z. B. bei intrathekaler Gabe, auf.

Bei den Opioiden handelt es sich um eine Substanzgruppe, die durch ihre geringe Organtoxizität einen breiteren Stellenwert haben sollte. Das Nutzen-Risiko-Profil ist günstiger als z. B. bei den NSAR.

Koanalgetika

Psychisch wirksame Medikamente

Psychopharmaka sind die wichtigste Medikamentengruppe der so genannten Koanalgetika. Zum Einsatz kommen v. a. Antidepressiva; andere Psychopharmaka wie Antipsychotika – früher war der Begriff der Neuroleptika gebräuchlich – oder Tranquilizer sollten in der Schmerztherapie keine Rolle spielen. Zwar haben Tranqulizer eine Wirkung auf die Schmerzübertragung, indem sie GABAerge Wirkungen verstärken. Aufgrund der Toleranzentwicklung, dem Suchtpotenzial und der Förderung kognitiver Störungen sollten sie nicht als Koanalgetika eingesetzt werden. Über die sedierende Wirkung ist zudem, entsprechend der aktuellen Konzepte des „Relearning“ als Mechanismus zur Extinktion des Schmerzgedächtnisses, eine Verschlechterung der Langzeitresultate in der Schmerztherapie zu befürchten. Daten sind hierzu nicht bekannt.

Antidepressiva haben eine direkte antinozizeptive Wirkung. Die Wirkung von Antidepressiva bei der Behandlung von Kopfschmerzen, neuropathischen Schmerzen oder auch beim Fibromyalgiesyndrom ist belegt. Ein weiteres Ziel ist die Behandlung komorbider psychischer Störungen, z. B. von Depressionen und Angststörungen, die die Chronifizierungstendenz einer Schmerzerkrankung verschlechtern. Antidepressiva haben eine analgetische, anxiolytische und antidepressive Wirkung.

Unter den Risiken der Antidepressiva in der Schmerztherapie sind Nebenwirkungen, mögliche Interaktionen und die Frage der Suizidalität zu diskutieren.

Kontraindikationen gegen den Einsatz der Antidepressiva bestehen bei gleichzeitiger Anwendung von MAO-Hemmstoffen, beim frischen Myokardinfarkt, beim Delir und anderen Verwirrtheitszuständen sowie im 1. Trimenon der Schwangerschaft. Als relative Kontraindikationen gelten das Engwinkelglaukom, Blasenentleerungsstörungen wie z. B. beim Prostataadenom, höhergradige Herzrhythmusstörungen, eine Epilepsie, schwere Leber- oder Nierenschäden. Damit sind auch einige der typischen Komplikationen beschrieben.

Die Nebenwirkungen lassen sich erklären durch das serotonerge und noradrenerge Wirkungsprofil. Neuere Antidepressiva haben weniger Nebenwirkungen als die älteren Substanzen; aus einer Nebenwirkungsstatistik von Duloxetin seien die häufigsten Nebenwirkungen beschrieben: Übelkeit, Mundtrockenheit, Obstipation, Schwindel, Müdigkeit und Schlaflosigkeit, Appetitstörungen und Schwitzen.

Auch bei den Interaktionen der Antidepressiva mit anderen Medikamenten sind die älteren Antidepressiva wie Amitryptilin oder Chlomipramin ungünstiger. Entscheidend ist hier v. a. die Interaktion mit den Isoenzymen des Cytochrom-P-450-Komplexes.

Bei der gleichzeitigen Gabe niederpotenter Opioide, z. B. Tramadol oder Codein, sind Interaktionen mit dem Cytochrom 2B6 relevant; solche Interaktionen können die Opioidwirkung abschwächen. Tramadol hat zudem eine serotonerge Wirkung, und durch die Kombination von Tramadol mit anderen serotonergen Substanzen besteht die Gefahr eines serotonergen Syndroms [24]. Dieses Syndrom wird verursacht durch eine Überstimulation am postsynaptischen Serotonin-Ia-Rezeptor-Subtyp und zeigt die Symptome Agitation, Schwitzen, Diarrhö, außerdem Fieber, Ataxie, Hyperreflexie, Myoklonien. Von der FDA und von anderen Gesellschaften wird empfohlen, Tramadol nicht mit diesen Antidepressiva zu kombinieren.

Schließlich wird diskutiert, ob Antidepressiva das Suizidrisiko erhöhen. Gregory Simon publizierte im American Journal of Psychiatry 2006 [41, 42], dass mit einem erfolgreichen Suizid pro 3000 depressiven Patienten zu rechnen sei, dass aber das Risiko am höchsten vor Beginn der Therapie mit den neueren Antidepressiva sei und sich unter Therapie vermindere.

Die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) gab 2004 [13] eine offizielle Warnung heraus, dass die Mehrzahl der Antidepressiva mit einem erhöhten Suizidrisiko einhergehen könne. Im Gegensatz dazu stellte die ÖGBP (Österreichische Gesellschaft für Neuropharmakologie und Biologische Psychiatrie) fest, dass es keinen Unterschied der Suizidrate unter Placebo oder antidepressiv wirksamen Substanzen gebe, dass aber bei einer kleinen Patientenuntergruppe möglicherweise doch vermehrte Suizidgedanken auftreten könnten.

Untersuchungen zur Suizidrate unter Antidepressiva gibt es bei Schmerzpatienten nicht. Sowohl depressive Patienten wie auch Patienten mit chronischen Schmerzen weisen bereits im Rahmen ihrer Erkrankung eine erhöhte Suizidalität auf. Die Inzidenz der Suizide ist insgesamt so selten, dass man in Studien extrem hohe Fallzahlen einschließen müsste, um eine valide statistische Aussage machen zu können. Jeder Patient sollte, bevor er auf Antidepressiva eingestellt wird, bzgl. seiner Suizidalität befragt und dieses sollte dokumentiert werden.

Andere Koanalgetika

Kortikosteroide werden aufgrund ihrer koanalgetischen Wirkung als Begleitmedikation in Situationen eingesetzt, in denen eine antiinflammatorische und antiödematöse Wirkung gewünscht wird, so z. B bei Tumorinfiltrationen. Es treten die charakteristischen Nebenwirkungen der Kortikosteroide auf: dabei sind kurzfristig zu beachtende Nebenwirkungen eine Blutzuckererhöhung, Hypokaliämie, Appetitsteigerung, Wasserretention, Erhöhung des Augeninnendrucks sowie bei höherer Dosierung neuropsychiatrische Nebenwirkungen. In der Langzeittherapie treten die Osteoporoseentwicklung, Hautatrophie, Gewichtszunahme und die Steroidkatarakt des Auges auf. In der Schmerztherapie muss besonders an die Potenzierung der ulzerogenen Wirkung der NSAR bei gleichzeitiger Gabe mit Kortikosteroiden gedacht werden.

Bisphosphonate sind wirksame Medikamente bei der Beherrschung von Knochenschmerzen: Dabei ist die analgetische Wirkung bei ossären Metastasen gut belegt (z. B. [34]), die Datenlage zur analgetischen Wirkung bei Osteoporose ist spärlich [1]. Probleme treten v. a. bei der oralen Verabreichung der Bisphosphonate auf. Patienten haben oft Probleme, die strengen Einnahmevorschriften einzuhalten und nach der Einnahme für 30 min eine aufrechte Körperhaltung beizubehalten; aber auch bei Beachtung der Vorgaben finden sich häufig Probleme des oberen Gastrointestinaltrakts, z. T. mit Ulzera. Durch die Möglichkeit der parenteralen Verabreichung bestehen diese Risken nicht mehr.

Bei der ersten Verabreichung von Bisphosphonaten, insbesondere in höherer Dosierung, können grippeähnliche Symptome und Arthralgien auftreten; bei den folgenden Verabreichungen treten diese Symptome nicht mehr auf [7]. Die gefürchteten Kiefernekrosen unter Bisphosphonaten betreffen nach Daten des Zentralregisters in Berlin in 97,6% der Fälle onkologische Patienten. Bisher wurden in Deutschland ca. 300 Fälle von Kiefernekrosen nach Bisphosphonattherapie beschrieben [12]. Sie scheinen bei Zoledronat und Pamidronat häufiger aufzutreten als bei Ibandronat [12].

Antiepileptika werden bei neuropathischen Schmerzen häufig eingesetzt. Am häufigsten werden heute Pregabalin und Gabapentin verwendet, aber auch die älteren Substanzen wie Carbamazepin oder Phenytoin und andere haben noch ihre Indikation. Die sedierende Wirkung ist oft dosislimitierend, weitere häufige Nebenwirkungen sind kognitive Störungen, Tremor und gastrointestinale Störungen. Seltener treten hepatische und hämatologische Störungen auf [43].

Pumpensysteme

Schmerzpumpen sind eine Alternative in der Langzeittherapie von Schmerzen. Intrathekale Pumpensysteme bergen jedoch eine Reihe von Risiken: Hauptrisiken sind eine falsche Indikationsstellung und unkritische Auswahl der Patienten. Funktionsstörungen der heutigen Pumpensysteme sind dagegen selten; Infektionen durch die Systeme sind zwar zahlenmäßig selten, stellen aber u. U. lebensbedrohliche Risiken dar [25].

Intrathekale Pumpensysteme sollten erst dann eingesetzt werden, wenn andere Verfahren, insbesondere die konventionelle medikamentöse Therapie in Kombination mit Physio- und Psychotherapie nicht zu einem befriedigenden Ergebnis geführt haben. Die Indikationsstellung soll immer interdisziplinär erfolgen. Insbesondere beim nichtmalignen Schmerz sollten die folgenden Disziplinen an der Entscheidung zur Pumpenimplantation beteiligt werden:

  • Orthopädie,

  • Neurologie,

  • gegebenenfalls Neurochirurgie,

  • Radiologie,

  • Neurophysiologie,

  • Psychiatrie bzw. Psychosomatik.

Eine strenge Indikationsstellung kann die Risiken mindern. Eine Pumpenimplantation sollte nur dann erfolgen, wenn in einer Testphase eine Besserung der Schmerzen um mindestens 50% erreicht wird.

Durch intrathekale Pumpensysteme ist meist eine gute Schmerzreduktion möglich. Im langfristigen Verlauf ist bei intrathekaler Gabe bei allen Schmerzarten eine Dosissteigerung notwendig; sinnvoll ist dann oft eine Kombinationstherapie [48]. Der initiale Aufwand bei Pumpensystemen ist auch deshalb erheblich, weil nicht nur eine Schulung des Patienten, sondern auch seiner Angehörigen erfolgen muss. Eine gute Schulung kann aber die Risiken minimieren.

Beobachtet wird einerseits eine Toleranzentwicklung, zum anderen tritt selten eine paradoxe Schmerzsteigerung auf, die zu einer Dosisreduktion statt einer Dosiserhöhung zwingt [17].

Typische Nebenwirkungen einer intrathekalen Analgetikagabe sind Übelkeit, Juckreiz, Beinödeme und häufig eine Gewichtszunahme. Weitere Nebenwirkungen sind hormonelle Störungen und ein Libidoverlust [33]. Natürlich sind die unerwünschten Wirkungen von der applizierten Substanz abhängig; deshalb muss der Anwender mit der eingesetzten Substanz vertraut sein [44].

Zu den pharmakologisch bedingten Komplikationen können systembezogene Probleme kommen; auftreten können Dislokationen oder Knickbildungen des Katheters. Obligat ist eine Antibiotikaprophylaxe bei der Implantation; aber auch im späteren Verlauf kann es zu infektiösen Komplikationen kommen. Diese können leicht sein und nur die Pumpentasche betreffen, es treten aber auch Meningitiden auf. Die totale Infektionsrate ist mit unter 5% der implantierten Systeme gering; unter diesen sind 0–14% Meningitisfälle [15]. Einfache Infektionen lassen sich mit konservativen Maßnahmen – lokale Drainage und Antibiotikagabe – beherrschen; in der Mehrzahl der Fälle (55–80%) muss aber das System explantiert werden. In der Wartezeit von ca. 3 Monaten bis zur Implantation eines neuen Systems ist die Schmerztherapie schwierig [37]

Eine Granulombildungen an der Katheterspitze steht im Zusammenhang mit der Freisetzung hochkonzentrierten Morphins und tritt bei niedrigeren Konzentrationen nicht auf [28], die Prävalenz liegt bei 0,1%.

Um die Komplikationsrate bei intrathekalen Pumpensystemen niedrig zu halten und Komplikationen beherrschen zu können, muss eine derartige Therapie spezialisierten Zentren vorbehalten sein.

Invasive Schmerztherapie

Es gibt eine Reihe invasiver Techniken in der Schmerztherapie. Diese Techniken in ihrer Vielfalt kritisch zu diskutieren, übersteigt die Möglichkeiten dieser Zusammenfassung. Zudem handelt es sich häufig um Techniken, die organspezifisch und eher der ursächlichen Schmerztherapie zuzuordnen sind. Zu nennen ist das gesamte Spektrum der wirbelsäulennahen minimalinvasiven Eingriffe.

Gemeinsam ist diesen Maßnahmen, dass eine Reihe von Voraussetzungen erfüllt sein muss, um einen ausreichenden analgetischen Erfolg zu gewährleisten:

Die Therapieform ist nie Therapie der ersten Wahl, sondern kommt erst im weiteren Verlauf einer Erkrankung zur Anwendung, wenn konservative Maßnahmen nicht zu einer ausreichenden Schmerzlinderung führten. Vor einer Facettenkoagulation müssen mindestens 2 erfolgreiche Facetteninfiltrationen mit Lokalanästhetika, ggf. unter Kortikosteroidbeigabe erfolgt sein, um die Facetten als Ursache der Beschwerden identifizieren zu können [8]. Wie bei allen invasiven Maßnahmen unterliegen auch die minimalinvasiven wirbelsäulennahen Interventionen der Verpflichtung zur Aufklärung über die vorgesehenen Maßnahme und differenzialtherapeutische Maßnahmen. Außerdem muss beim Anwender eine entsprechende Erfahrung im Umgang mit dem Verfahren vorausgesetzt werden können.

Unter den genannten Voraussetzungen können die meisten Verfahren als komplikationsarm angesehen werden. Einschränkend ist aber zu sagen, dass für die Mehrzahl der Verfahren die Datenlage zu Wirkung und Nebenwirkungen nicht eindeutig ist.

Noncompliance in der Schmerztherapie

In fast allen Gebieten der Medizin besteht ein erhebliches Risiko der Noncompliance seitens der Patienten. Etwa 50% der Schmerzpatienten nehmen Medikamente nicht so ein, wie sie vom Arzt verordnet wurden. Die Arzt-Patienten-Beziehung kann die Compliance eines Patienten wesentlich beeinflussen; das bedeutet, dass nicht nur die Einstellung des Patienten zu einer schlechten Compliance beitragen kann, sondern auch das Verhalten des Arztes Widerstände des Patienten fördern kann: Kritisieren, Moralisieren und Drohen sind Verhaltensweisen, die den Patienten unter Druck setzen und seinen Widerstand fördern. Das direkte Hinterfragen von Widerständen wie „Warum wollen Sie das jetzt nicht nehmen?“ ist ebenso ungünstig wie Zynismus oder Sarkasmus oder ein Überreden des Patienten zu einem bestimmten Verhalten. Folge ist das Risiko, dass der Patient die Behandlung nicht oder nicht konsequent verfolgt.

Interdisziplinäre multimodale Schmerztherapie

Die Interdisziplinäre multimodale Schmerztherapie wurde von der Ad-hoc-Kommission „Multimodale Schmerztherapie“ der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes (DGSS) als eine „gleichzeitige, inhaltlich, zeitlich und in der Vorgehensweise integrierte und konzeptionell abgestimmte Behandlung von Patienten mit chronifizierten Schmerzsyndromen“ bezeichnet. Zentrales Behandlungsziel ist die Wiederherstellung der objektiven und subjektiven Funktionsfähigkeit („functional restoration“) mit nachhaltiger Steigerung der Kontrollfähigkeit, des Kompetenzerlebens und der Selbstwirksamkeit des Betroffenen [36]

In Frage für eine multimodale Schmerztherapie kommen chronische Schmerzpatienten mit Risikofaktoren für eine weitere Schmerzchronifizierung und Patienten mit hoher Erkrankungsschwere mit erheblichen biopsychosozialen Konsequenzen. Die Auswahl geeigneter Patienten und des Zeitpunkts für eine multimodale Schmerztherapie müssen richtig gewählt sein: Mit Hilfe des Heidelberger Kurzfragebogens (HKF-R-10; [32]) oder des Örebro-Fragebogens [26] können Patienten mit einem entsprechenden Risikoprofil erfasst werden. Der Zeitpunkt sollte früh genug – beim Auftreten von Chronifizierungsrisikofaktoren – sein, da die Prognose des chronifizierten Schmerzes umso schlechter ist, je später eine multimodale Behandlung einsetzt.

Spezifische Gefahren sind bei der multimodalen Schmerzbehandlung nicht zu erwarten. Vielmehr besteht das Risiko einer iatrogen ausgelösten Schmerzchronifizierung und auch Perseveration, wenn an monodisziplinären bzw. monomodalen Konzepten trotz Schmerzpersistenz festgehalten und die Einleitung eine interdisziplinären multimodalen Programms verzögert wird [9]. Wird andererseits die Indikation nicht ausreichend streng gestellt, besteht das Risiko, dass die Allokation der erheblichen Ressourcen, die für die multimodalen Schmerztherapie notwendig sind, in eine falsche Richtung erfolgt und die Mittel bei Patienten fehlen, die von dieser aufwendigen Therapie in höherem Maße profitieren könnten.

Ein Beispiel: Die osteoporotische Wirbelkörperfraktur

Das Beispiel der schmerzhaften osteoporotischen Wirbelkörperfraktur wird gewählt, weil hier die Notwendigkeit einer intensiven Schmerztherapie außer Frage steht. Die Schmerztherapie ist notwendig, um gerade den älteren Patienten mobilisieren zu können.

In den Leitlinien des DVO (Dachverband der deutschsprachigen osteologischen Fachgesellschaften [36]) wird eine Schmerztherapie entsprechend dem WHO-Stufenschema empfohlen. Flankiert werden die Maßnahmen durch eine Therapie der Osteoporose, z. B. durch Bisphosphonate, zusätzlich wird die „Basistherapie“ mit Kalzium und Vitamin D eingesetzt, ggf. auch eine geeignete Orthesenversorgung.

NSAR können tierexperimentell die Frakturheilung hemmen [6] was bei einem frakturierten Wirbelkörper durchaus relevant sein kann. In großen Studien ist aber keine Frakturhäufung durch den Einsatz von NSAR beschrieben [47]. Möglicherweise wird durch den Einsatz von Protonenpumpenhemmern – eingesetzt zur Prophylaxe gastrointestinaler Nebenwirkungen der NSAR – das Risiko erhöht, eine Hüftfraktur zu erleiden [49]. Opioide können die Knochenneubildung hemmen und das Sturzrisiko aufgrund einer Beeinträchtigung der Vigilanz erhöhen [10]. Unter den meisten Opioiden sind erhöhte Frakturraten dokumentiert, die v. a. der erhöhten Sturzneigung infolge des Schwindels und der verminderten Vigilanz zuzurechnen sein dürften [46]

Eine Ballonkyphoplastie oder Vertebroplastie, die nach den heute gültigen Leitlinien des Dachverbandes der deutschsprachigen osteologischen Gesellschaften (DVO; [35]) erst nach Versagen einer medikamentösen Schmerztherapie durchgeführt werden sollte, kann die Schmerzsymptomatik dramatisch bessern. Obwohl invasiv, sind die Risiken der Ballonkyphoplastie bei richtiger Anwendung als gering anzusehen, während bei der kostengünstigeren Vertebroplastie ein etwas höheres Nebenwirkungsrisiko besteht. Analysen, die das Risiko einer Ballonkyphoplastie in Beziehung zum Risiko einer medikamentösen Therapie setzen, gibt es nicht. Heute sollten Vertebroplastie und Ballonkyphoplastie dann eingesetzt werden, wenn durch eine medikamentöse Schmerztherapie eine Schmerzreduktion und Mobilisierung nicht erreicht werden können.

Fazit

Spezifische Risiken von NSAR, Opioiden, Antidepressiva, Pumpen- und Stimulationssystemen sowie den invasiven Verfahren sind bekannt. Diese Risiken müssen mit dem Patienten besprochen und individuell gegen das Risiko einer Nichtbehandlung abgewogen werden.