Der vorliegende Fall hat zu Fragen darüber geführt, ob die vom Oberarzt vorgenommene Extubation rechtmäßig war und er die Todesbescheinigung korrekt ausgestellt hat.

Maßgeblich dafür, ob eine indizierte lebenserhaltende Behandlung wie vorliegend die Beatmung über einen Tubus eingestellt werden darf oder sogar muss, ist allein die Übereinstimmung mit dem Willen der Patientin. Daher kann zu den unter 2., 3. und 5. angestellten Erwägungen klar Stellung bezogen werden. Vorstellungen Dritter, hier also die Wertvorstellungen der Mitarbeiter, etwaige Behandlungsvorgaben des Hauses oder angebliche berufsrechtliche oder ethische Regeln können eine dem (vorausverfügten) Willen der Patientin widersprechende (Weiter‑)Behandlung nicht rechtfertigen: Voluntas aegroti suprema lex! Der BGH (Bundesgerichtshof) hat schon 2005 festgestellt,Footnote 1 dass weder ein mit dem Patienten geschlossener Heimvertrag noch die Gewissensfreiheit des Pflegepersonals dazu berechtigen, sich über dessen Selbstbestimmungsrecht hinwegzusetzen. Immer noch wird in der Praxis übersehen, dass jede medizinische (Weiter‑)Behandlung einen rechtfertigungsbedürftigen Eingriff in Rechtsgüter des Patienten darstellt, über die grundsätzlich nur er verfügen darf. Da das Selbstbestimmungsrecht auch die Befugnis umfasst, eine vital indizierte Behandlung abzulehnen, ja sogar ein Grundrecht auf eine freiverantwortliche Selbsttötung bestehtFootnote 2, kann ein auf die bloße Lebensverlängerung reduzierter Grundsatz nihil nocere nicht gegen eine mit dem Patientenwillen übereinstimmende Therapiebegrenzung ins Feld geführt werden. Und schließlich folgt aus der Zustimmung zum Therapiebeginn keinesfalls, dass der Patient ungeachtet des Therapieverlaufs auch alle weiteren aus ärztlicher Sicht erforderlichen Maßnahmen zu „tolerieren“ hat, sondern es muss die Behandlung zu jedem Zeitpunkt von seiner Einwilligung gedeckt sein. Dies kann entgegen einer nach wie vor verbreiteten Vorstellung dazu führen, dass eine lebenserhaltende Behandlung durch aktives Tun eingestellt werden muss.Footnote 3 Rechtlich als solches nicht zu beanstanden ist ferner die „Einsamkeit“ der oberärztlichen Entscheidung, denn er und nicht das Team trägt die ärztliche Entscheidungsverantwortlichkeit.

Entscheidend für die Beurteilung der unter 1. und 4. angezweifelten Rechtmäßigkeit der Extubation ist damit, ob sie dem Willen der Patientin entsprach. Auch hier fällt die Wertung eindeutig aus. Die Patientin hatte unter dem Eindruck ihrer fortschreitenden Tumorerkrankung schriftlich verfügt, dass sie eine Intubation sowohl als Maßnahme einer erweiterten Intensivbehandlung als auch im Falle von Komplikationen ablehnt. Damit liegt eine Patientenverfügung vor, welche die in § 1827 Abs. 1 S. 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch, vormals § 1901a Abs. 1 S. 1 BGBFootnote 4) genannten und vom BGH präzisierten AnforderungenFootnote 5 an eine hinreichende Bestimmtheit erfüllt, nämlich die genaue Bezeichnung der untersagten ärztlichen Maßnahmen (Wiederbelebung, Intubation) und die konkrete Beschreibung der Behandlungssituation (Intensivpflichtigkeit, Komplikationen), in der die Verfügung gelten soll. Es ist auch die in der Patientenverfügung beschriebene Konstellation eingetreten, wobei es nicht darauf ankommen dürfte, ob die zur Intubation führende Komplikation möglicherweise – der Sachverhalt ist hier unklar – durch einen Behandlungsfehler verursacht wurde. Ebenso wenig musste abgewartet werden, ob sich die Patientin wieder „berappelt“. Vielmehr hat der Oberarzt durch die Extubation eine Behandlungsmaßnahme in Übereinstimmung mit der Beurteilung des Willens der Patientin durch deren BevollmächtigenFootnote 6 beendet, die durch das Notfallteam bei Beachtung der Patientenverfügung gar nicht erst hätte ergriffen werden dürfen.Footnote 7

Die wirklichen Probleme des Falls liegen in der Ausstellung der Todesbescheinigung. Versterben Patient*innen infolge der wunschgemäßen Einstellung einer lebenserhaltenden Behandlung oder ist eine solche Behandlung mangels Indikation beendet worden, ist das als natürlicher Tod zu werten, da der tödlich verlaufenden Erkrankung nicht weiter entgegengetreten wird.Footnote 8 Anders liegen die Dinge, wenn die Behandlungsbedürftigkeit fremdverschuldet, also etwa Folge eines Unfalls oder einer vorsätzlichen StraftatFootnote 9 ist, aber auch dann, wenn ein Behandlungsfehler und damit ebenfalls eine äußere Einwirkung (Schelling 2020, S. A 39; Hefer und Wenning 2006, S. 18)Footnote 10 zum Tod geführt hat. Zwar dürfte der nicht substantiierte und nach den Gesamtumständen eher fernliegende Vorwurf einer fehlerhaft durchgeführten Magenspiegelung nicht ausreichen, um (vorsorglich) einen nicht natürlichen Tod anzugeben.Footnote 11 Die Besonderheit des Falles besteht jedoch darin, dass der Oberarzt nicht lediglich eine laufende Behandlung eingestellt und damit der Grunderkrankung ihren Lauf gelassen, sondern den Atemantrieb durch eine tiefe Narkose gedämpft hat. Damit war nicht eine Aspirationspneumonie, sondern die medikamentös herbeigeführte Unterdrückung des Atemreflexes und folglich wiederum eine äußere Einwirkung todesursächlich. Dies ändert zwar nichts an der Rechtmäßigkeit der nur so leidensfrei durchführbaren Extubation, hätte aber zu der Angabe „nicht natürlicher Tod“ aufgrund einer Ateminsuffizienz führen müssen. Damit hätte der Oberarzt sein Verhalten wahrheitsgemäß dokumentiert und einer juristischen Überprüfung durch die Staatsanwaltschaft zugänglich gemacht, was keineswegs als Eingeständnis fehlerhaften Verhaltens zu verstehen gewesen wäre. So zu verfahren hätte auch angesichts der Empfehlung nahe gelegen, dass die Todesbescheinigung nicht von dem Arzt ausgestellt werden sollte, der in die zum Tod führende Behandlung involviert ist (Schelling 2020, S. A 39). Die unrichtige Ausstellung des Todesscheins oder das sich anschließende Nicht-Verständigen der Polizei können nach den Bestattungsgesetzen der Länder als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.Footnote 12