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Klinische Ethik

Entlastung durch ethische Kommunikation?

Clinical Ethics

Easing the burden by ethical communication?

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Ethik in der Medizin Aims and scope Submit manuscript

Zusammenfassung

Der heutige Arbeitsalltag im medizinischen Betrieb ist durch verschiedene Belastungsfaktoren gekennzeichnet: 1) die Tempobeschleunigung und die Komplexitätssteigerung der medizinischen Entwicklung allgemein sowie 2) eine zunehmende moralische Verunsicherung des Personals in Bezug auf das Verhältnis von Möglichkeiten und Notwendigkeiten bestimmter therapeutischer Verfahren. Die in diesem Aufsatz vorgelegten Beobachtungen, die aus einem Projekt am Lehrstuhl für Ethik der Georg-August-Universität Göttingen resultieren, machen noch einen weiteren Punkt geltend, so dass 3) bereits die unterschiedliche Einschätzung rein sachlicher Fragen zu einem Dissens führen kann, der als moralischer empfunden wird. Aus diesen drei Momenten erwächst ein allgemeiner Bedarf an ethischer Handlungsorientierung. Allerdings ist die Entlastung, die durch ethische Kommunikation, beispielsweise in klinischen Ethik-Komitees, erreicht wird, anderer Art als zunächst in der Regel erwartet. Denn die Leistung liegt nicht so sehr in der Lösung von Problemen als vielmehr in deren Beschreibung.

Abstract

Definition of the problem

Everyday work in the medical business today is characterized by several stress-causing factors: (1) the increasing pace and complexity of medical developments in general, and (2) an increasing moral insecurity amongst personnel regarding the differentiation between the possibilities of and necessity for certain therapeutic treatments.

Arguments

This paper—resulting from a project of the Ethics Chair in the Georg-August-University Göttingen—presents observations which elucidate another point (3), a third stress-causing factor: varying assessments of purely technical questions can lead to dissent, which is then construed as a moral disagreement. These three factors lead to a general need for an ethical course of action.

Conclusion

However, for the most part, ethical communication procedures, as for example in clinical ethics committees, have resulted in a different kind of stress relief than expected. This is because the achievement of such communication is not a solution to the problem, but a description of the problem.

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Notes

  1. Der zuvorderst zu nennende Grund für die Schwierigkeiten einer exakten Bezifferung ist die nach wie vor anhaltende Gründungsdynamik. Eine erste Umfrage wurde im Jahr 2000 durch die Göttinger Akademie für Ethik in der Medizin (AEM) vorgenommen. Zwei Jahre darauf ermittelte eine weitere Befragung seitens des Deutschen Evangelischen Krankenhausverbandes allein für die evangelischen Krankenhäuser eine Anzahl von 32 entsprechenden Einrichtungen. Eine eigene Einschätzung rechnet mit mehr als 65 bestehenden Ethik-Komitees an deutschen Krankenhäusern (Vgl. [9], S. 7–15, insbesondere S. 11). Ein weiterer Hinderungsgrund für die Ermittlung der exakten Verbreitungsziffer liegt in der häufig uneinheitlichen Betitelung und Funktionsbestimmung ethischer Beratungsgremien an Krankenhäusern. Insofern ist durch die bloße Bezeichnung eines Gremiums als „klinisches Ethik-Komitee“ noch keine hinreichende Bestimmung eines spezifischen Aufgabenspektrums gegeben.

  2. Der im Förderungsverfahren verwendete vollständige Titel des Projekts lautet: „Klinische Ethik-Komitees: Weltanschaulich-konfessionelle Bedingungen und kommunikative Strukturen ethischer Entscheidungen in Organisationen“ (Na 307/4–1). Beteiligte des Projektes sind das Münchener Institut für Soziologie (Prof. Dr. Armin Nassehi) sowie der Lehrstuhl für Praktische Theologie und Diakoniewissenschaften (Prof. Dr. Michael Schibilsky †) der Ludwig-Maximilians-Universität und der Lehrstuhl für Ethik (Prof. Dr. Reiner Anselm) der Theologischen Fakultät der Georg-August-Universität.

  3. Eine materiale Wiedergabe der zugrunde liegenden Interview-Äußerungen kann an dieser Stelle unterbleiben. Sie wird an anderer Stelle erfolgen. Mitarbeiter des Instituts für Soziologie, München, bereiten zurzeit die Publikation einer detaillierten Auswertung entsprechender Interviewbefunde vor.

  4. Zumindest in ihrer oberflächlichen und populären Erscheinungsgestalt hat die bisher geführte Autonomiedebatte offenbar vornehmlich den unproblematischen Durchlaufpatienten im Blick; weitaus schwieriger verhält es sich jedoch im Falle von Patienten mit nicht bestehender Einwilligungsfähigkeit oder infauster Prognose.

  5. Erhält die moralische Kommunikation darüber hinaus die Form eines methodisch reflektierten Vorgehens, lässt sich von einer ethischen Problembearbeitung sprechen. Als solche transzendiert sie die Ebene moralischer Primäreinstellungen in der Absicht, den zugrunde liegenden Sachverhalt in kategorialer Hinsicht zu durchdringen und einer differenzierten Betrachtung zuzuführen.

  6. Entsprechend bildet die Integration der Systemperspektiven der im Bezugsfeld des Krankenhauses interagierenden Professionen ein konstitutives Merkmal der klinischen Ethik-Komitees. „Die von Erfahrung und Berufspraxis geprägten Ärzte und Pflegenden können ihre Standpunkte und berufsethische Überzeugungen (...) aktiv in den Entscheidungsfindungsprozeß einbringen, ohne eine ideologische Zensur ihrer Weltanschauung befürchten zu müssen. Im Spiegel der Standpunkte anderer Teilnehmer lernen sie ihren eigenen Standpunkt besser verstehen und artikulieren.“ ([5], S. 12 f.)

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Ley, F. Klinische Ethik. Ethik Med 17, 298–309 (2005). https://doi.org/10.1007/s00481-005-0393-7

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