Die Beiträge zu diesem Themenschwerpunkt behandeln das Thema der Übertragungsliebe aus unterschiedlichen Blickwinkeln, setzen aber ähnliche Schwerpunkte: Sie alle beschreiben den zunächst defensiven, sogar ängstlichen Umgang der Analytiker mit der Liebe in der Übertragung, vielleicht (gefördert) durch Freuds widersprüchlichen Umgang mit der Übertragungsliebe: Einerseits, meinte er, habe der Analytiker nicht das Recht, „der in der analytischen Behandlung zutage tretenden Verliebtheit den Charakter einer ‚echten‘ Liebe abzustreiten“ (Freud 1914, S. 316), andererseits möge er die Liebesübertragung als „etwas Unreales“ (ebd. S. 313) behandeln.

Die erste Analytikergeneration um und nach Freud fürchtete sich vor der Übertragungsliebe. Sebastian Krutzenbichler beschreibt in seinem Beitrag, wie „endlose sexuelle Entgleisungen“ in jener Zeit zu einem „toxischen Schweigen“ über das Thema führten. Er zeigt, dass die bis heute verbreitete Neigung, die Übertragungsliebe als gefährlichen Widerstand aufzufassen, in der Angst der Analytiker vor der Verstrickung gründet. Es mag ja sein, fährt er fort, dass sich der Widerstand der Übertragungsliebe bedient, aber gefährlich wird es erst dann, wenn sich der Analytiker „der eigenen Liebe oder der des Analysanden verschließt“ und dadurch zu einem gemeinsamen Widerstand auffordert.

Alle vier Autoren befassen sich mit der Frage, ob es einen grundlegenden Unterschied zwischen Übertragungsliebe und „echter“ Liebe geben könne (oder müsse?). Kai Rugenstein zeigt in seiner differenzierten Analyse, dass Freud selbst diese Frage in der Schwebe ließ, und zwar schon deswegen, weil seine Arbeiten derart kategoriale Unterscheidungen wie die zwischen „normaler“ Liebe und Übertragungsliebe (sowie auch die zwischen normaler und perverser Sexualität) infrage stellen. Denn „auch die normale Liebe trägt Spuren des vermeintlich Unnormalen“ und, so könnte man hinzufügen: Lässt sich eine Verliebtheit ohne die Mitwirkung von Übertragungsphänomenen überhaupt denken?

Was folgt daraus für den methodischen Umgang mit der Übertragungsliebe? Rugenstein erinnert daran, dass jeder Beziehung ein subjekthafter Beziehungsentwurf zugrunde liegt, der Gegenstand der Analyse werden soll, sodass wir die Beziehungswirklichkeit dort so betrachten, als wäre sie ein Spiel, also fiktive Realität.

Wie also arbeiten wir mit (oder „in“) der Übertragungsliebe? Bernd Nissen verdeutlicht seinen Standpunkt anhand eines ausführlich erzählten Fallbeispiels, das er vor dem Hintergrund metapsychologischer Überlegungen interpretiert. Nach seiner Beobachtung fürchten sich viele Analytiker vor der Übertragungsliebe, neigen vielleicht zu rekonstruktiven, also eher abweisenden Deutungen oder sprechen überhaupt „aus der Position der Überlegenheit, Distanzierung oder Unbeteiligtheit“, womit sie den Analysanden kränken oder beschämen. Klar ist für ihn: Der Analytiker sitzt nicht in der Theaterloge und schaut zu, sondern er muss, wie Alfred Lorenzer schrieb, die Bühne selbst betreten.

Aber wo soll er ansetzen? Nissen erinnert an Balints „Neubeginn“ und zitiert: „Die Entwicklung muss dort fortgesetzt werden, wo sie durch das Trauma von der ursprünglichen Richtung abgelenkt wurde“. Das wäre ein (biografischer) Ansatzpunkt für die therapeutische Arbeit, auch wenn fortdauernd „schwer zu entscheiden [ist], ob wir uns in einem Entwicklungs- oder Verwicklungsprozess befinden.“ Und: „Das polymorph-perverse Erbe werden wir nicht los.“

Wohin führt die Analyse der Übertragungsliebe? Können wir darauf hoffen, dass sie sich als „Zwang und Täuschung“ zeigt, „die mit Beendigung der Analyse zerfließe“ (Freud 1895, S. 310)? Gewiss nicht.

Ilka Quindeau befasst sich in ihrem Beitrag auch anhand anregender Fallgeschichten mit dem Prozess des Analysierens und den Zielen dieser therapeutischen Arbeit. Auch sie äußert sich – ähnlich wie die anderen Autoren – kritisch zu der verbreiteten Praxis, Analysanden durch rekonstruktive Deutungen abzuweisen („Sie meinen nicht mich“), und mahnt, die Übertragungsliebe als einen „universellen Teil der therapeutischen Beziehung“ anzuerkennen. Sie rät, Liebesäußerungen „angemessen und wahrhaftig“ aufzunehmen, allerdings: Es gehe für den Patienten darum, „das Begehren gerade in seiner Unerfüllbarkeit zu spüren“. Das heißt, dass der Patient „sinnlich-körpernahe Erfahrungen ohne konkrete körperliche Berührungen“ erleben kann und soll.

Wenn Quindeau schreibt, dass die Beteiligten im analytischen Prozess „Erfüllung und Versagung zusammendenken“ sollen, ähnelt sie Krutzenbichler, der hofft, dass sich der „Hiatus zwischen ‚nicht mehr‘ und ‚noch nicht‘ öffnet, in eine progediente Richtung“. Auch Nissen hat ein Ziel vor Augen: „Die Patientin muss entdecken, dass der Analytiker seinen eigenen ödipalen Raum hat, der für sie verschlossen bleibt“. Und Rugenstein fordert: Der Patient muss die Beziehung als fiktive Realität anerkennen.

Wir alle hoffen, dass sich diese Erwartungen erfüllen lassen.