Notes
Der „Zweck“ liege „als zwischenmenschliche ‚Praxis‘ bereits im Vollzug der Tätigkeit“, da die „zwischenmenschliche Verständigung… an sich bereits einen Aspekt der personalen Selbstverwirklichung [darstellt]“.
Nebenbei: Schon Freud bediente sich einer nachrichtentechnischen Metapher, und meinte, dass das Unbewusste wie ein „receiver“ sei.
Es sei daran erinnert, dass die Psychoanalyse gewissermaßen neurowissenschaftliche Wurzeln hat. Bereits 1895 versuchte Freud in seinem „Entwurf einer Psychologie“ eine Psychologie mit neurowissenschaftlicher Fundierung zu formulieren, basierend auf Beschreibungen von Prozessen des Nervensystems – „in genialer Vorausahnung“, wie Roth (2008, S. 10) meint. Das eingeschränkte neurowissenschaftliche Wissen der damaligen Zeit reichte dafür aber nicht aus, sodass er das so enthusiastisch begonnene Projekt bald enttäuscht aufgab (Levin 1991). Man darf sich fragen: Was würde Freud wohl mit der Neurobiologie von heute anfangen?
Die Sichtweise, dass das denkende und handelnde Subjekt bei Annahme der psychologisch-materialistischen Betrachtungsweise „verschwinden“ würde, ist meist eher unter Theologen anzutreffen, die den Geist/Seele-Körper-Dualismus durch die Postulierung des Denkens als reinen Prozess der Emergenz aus neuronaler Aktivität angegriffen sehen (Brown 2002). Das ist vom Standpunkt der Theologen aus betrachtet durchaus vernünftig, stellt diese Sichtweise doch eine stringente Ableitung aus ihrem Glaubenssystem dar. Dualistisches Denken in medizinischen und psychologischen Debatten hingegen wirkt gekünstelt und fehl am Platz. Vor dem Hintergrund einer dualistischen Denkweise tendiert man dazu, den Körper nur als Gefäß des Geistes zu betrachten. Dualistische Überzeugungen werden von Wissenschaftsphilosophen wie Mario Bunge (2010) als „prähistorischer Mythos“ bezeichnet.
Literatur
Brown W (2002) Nonreductive physicalism and soul finding resonance between theology and neuroscience. Am Behav Sci 45:1812–1821
Bunge M (2010) Matter and mind. Springer, Berlin, S 143–157
Elliott R, Watson JC, Goldman RN, Greenberg LS (2008) Praxishandbuch der Emotions-Fokussierten Therapie. CIP-Medien, München
Freud S (1915) Triebe und Triebschicksale, GW Bd 10, S 209–232
Freud S (1923) Das Ich und das Es, GW Bd 13, S 237–289
Herpertz SC (2009) Neurobiologische Prozesse und Psychotherapie. Z Psychiatr Psychol Psychother 57(2):73–75
Krause R (2012) Psychodynamische Aspekte der Gedächtnisfunktionen. Forum Psychoanal 28:11–25
Leuzinger-Bohleber M, Pfeifer R (2006) Recollecting the past in the present: memory in the dialogue between psychoanalysis and cognitive science. In: Mancia M (Hrsg) Psychoanalysis and neuroscience. Springer, Berlin
Richter M (2012) Brauchen wir eine Neuropsychotherapie? Forum Psychoanal 28(l):27–49
Rogers CR (1987) Eine Theorie der Psychotherapie, der Persönlichkeit und der zwischen-menschlichen Beziehungen. GwG, Köln
Roth G (2001) Fühlen, Denken, Handeln. Wie das Gehirn Verhalten steueri. Frankfurt/a. M.:Suhrkamp
Roth G (2007) Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten. Warum es schwierig ist, sich und andere zu verändern. Klett-Cotta, Stuttgart
Roth G (2008) Geist, Seele, Gehirn. Vorwort zur deutschen Ausgabe. In: Kandel ER (Hrsg) Psychiatrie, Psychoanalyse und die neue Biologie des Geistes. Suhrkamp, Frankfurt a. M.
Sachse R (2005) Von der Gesprächspsychotherapie zur Klärungsorientierten Psychotherapie: Kritik und Weiterentwicklung eines Therapiekonzepte: Lengerich Pabst.
Walter H, Berger M, Schnell K (2009) N europsychotherapy: conceptual, empirical and neuroethical issues. Eur Arch Psychiatry Clin Neurosci 259(2):173–182
Yalom ID (1989) Existentielle Psychotherapie. Edition Humanistische Psychotherapie, Köln
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Additional information
Kommentar zu den neurokritischen Texten von M. Richter und W. Hübner, deren Stellungnahmen hierzu im nächsten Band publiziert werden.
Rights and permissions
About this article
Cite this article
Benecke, C., Billhardt, F. & Alhabbo, S. Wozu all das Neuro-Bashing?. Forum Psychoanal 29, 435–443 (2013). https://doi.org/10.1007/s00451-013-0160-1
Published:
Issue Date:
DOI: https://doi.org/10.1007/s00451-013-0160-1