In den letzten Jahren haben die Zahlen invasiver elektrophysiologischer Leistungen in Deutschland ein im internationalen Vergleich beachtliches Niveau erreicht. Nach Angaben des White Books der European Heart Rhythm Association (EHRA) [3] wurden 2008 in Deutschland in über 1000 Zentren mehr als 98.000 Schrittmacher und mehr als 21.000 ICDs implantiert, rund 1200 Schrittmacher und mehr als 260 ICDs pro Millionen Einwohner. Mehr als 300 Zentren implantierten fast 10.000 biventrikuläre Systeme zur kardialen Resynchronisation und rund 350 Zentren führten etwa 30.000 Katheterablationen durch, davon (geschätzt) 8500 Ablationen bei Vorhofflimmern.

Dies stellt eine erfreuliche Entwicklung dar, die dokumentiert, dass der deutschen Bevölkerung aufgrund eines leistungsstarken Gesundheitssystems zumindest quantitativ elektrophysiologische Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen wie in kaum einem anderen Land der Welt. In Großbritannien etwa sind im gleichen Zeitraum in nur 120 Implantationszentren (100% von Kardiologen) lediglich 38.500 Schrittmacher, 4500 ICDs und 4700 biventrikuläre Systeme implantiert worden, 632 Schrittmacher und 74 ICDs pro Millionen Einwohner. Auch die Zahl der Ablationen steht mit rund 7300 (davon nur 1200 wegen Vorhofflimmerns) weit hinter den deutschen Zahlen zurück.

Es stellt sich die Frage: Implantieren und abladieren wir zu viel, oder tun dies andere zu wenig [6]? Auch wenn man als kritischer Zeitgenosse geneigt ist, den Fehler zuerst bei sich selbst zu suchen: Die Daten zum Überleben bei Herzinsuffizienz sprechen eine andere Sprache. Innerhalb britischer Verwaltungsbezirke ist eine niedrige ICD-Implantationsrate mit einer höheren kardiovaskulären Mortalität assoziiert [16]. Kalifornische Patienten mit deutlich reduzierter Ventrikelfunktion, die trotz Indikation keinen ICD erhielten (in der Mehrzahl, weil niemand daran gedacht hatte), hatten eine doppelt so hohe Mortalität wie Patienten, bei denen primärprophylaktisch ein ICD implantiert wurde [2]. „Non-Referral“, d. h. die nicht erfolgende Zuweisung eines Patienten zur ICD-Implantation in ein Zentrum mit dieser Möglichkeit, wird als Problem für die flächendeckende Versorgung mit ICDs in Großbritannien betrachtet [18].

Mit der Ausweitung der Indikation für Implantationen und Ablationen und mit der erfreulichen Zunahme der Zentren, die dies anbieten, ergeben sich jedoch auch Probleme: Zum einen müssen Zentren, die eine invasive Therapie neu anbieten bzw. in denen Personal neu eingearbeitet wird, erreichen, dass sie die erforderlichen Kenntnisse und praktischen Qualifikationen hierfür besitzen. Zum anderen muss unter dem bestehenden Kostendruck nachgewiesen werden, dass die vergleichsweise teuren elektrophysiologischen Therapieverfahren, bei denen es auch zu Komplikationen kommen kann, tatsächlich einen Nutzen für den Patienten erbringen. Gerade vor dem Hintergrund teilweise einseitig dargestellter Komplikationen (z. B. ICD-Elektrodenfrakturen, inadäquate Schocktherapien, Komplikationen bei Pulmonalvenenablation) ist die exakte Abbildung der realen Häufigkeit dieser Probleme wichtig. Drittens erfordern komplexere Ablations- und Implantationstechniken (z. B. kardiale Resynchronisationstherapie, Pulmonalvenenisolation) wie auch eine komplexere Nachsorge eine spezielle theoretische und praktische Ausbildung.

Diese Punkte sind in der jüngsten Vergangenheit in Deutschland (nach einiger Latenz) vorbildlich gelöst worden, auch wenn die damit verbundene, oft bürokratische Mehrarbeit Kopfschmerzen bereitet:

Die Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung (BQS) sammelt und publiziert jährlich die Daten zu Indikation, Implantation und Akutkomplikationen von stationären Schrittmacher- und seit 2010 auch ICD-Implantationen [10, 11]. Dieses verpflichtende Register ist für die Sicherung einer adäquaten, standardisierten Qualität der elektrophysiologischen Patientenversorgung in Deutschland erforderlich. Zudem ist es wichtig für die Verhandlungen mit Institutionen wie den Spitzenverbänden der Krankenkassen, der Bundesärztekammer oder der Deutsche Krankenhausgesellschaft. Wenn die Kardiologie kein leistungsstarkes Qualitätsregister vorlegt, wird dies eine andere Institution übernehmen mit mutmaßlich erheblich mehr unerwünschten Nebenwirkungen. Schließlich sind bei allen Limitationen auch medizinisch wichtige Daten aus diesem Register zu erheben [10, 11, 15], die das BQS-Register zu einer wichtigen Datenbank für die wissenschaftliche Aufarbeitung der elektrophysiologischen Versorgung in Deutschland machen [14]. In der vorliegenden Ausgabe von H & E ist diesem Thema ein Beitrag gewidmet [19]. Die Bedeutung einer Registerarbeit wird durch die in dieser Ausgabe erscheinenden Ergebnisse des AFNet unterstrichen [12].

Für eine elektrophysiologische Ausbildung muss eine einheitliche, verpflichtende Struktur vorhanden sein. Dies war bis vor kurzem nicht der Fall: Die Ausbildung ist in den Weiterbildungsordnungen der Landesärztekammern organisiert, die von Landstrich zu Landstrich unterschiedlich ausgestaltet sind [4, 5]. Sie sind zudem dadurch limitiert, dass sie den Nachweis einer Qualifikation so unscharf formulieren, dass er juristisch (z. B. bei Prozessen wegen Kunstfehler oder Regress) problematisch sein kann, weil allein durch den Facharzt für Kardiologie nicht nachgewiesen werden kann, dass eine ausreichende Ausbildung zur Implantation, Gerätenachsorge oder Ablation besteht. Unzeitgemäß ist auch das Fehlen einer geregelten Weiterbildung zum Elektrophysiologen in Deutschland, was in anderen europäischen Ländern mit ungläubigem Staunen quittiert wird. Um dieses Problem zu lösen, ist eine spezielle Sachkunde für die Herzschrittmacher- und ICD-Therapie entwickelt worden. In den beiden Curricula ist eine exakte Angabe der Inhalte formuliert, welche für diese Therapien bekannt sein und beherrscht werden müssen [1, 8].Die Curricula bilden die Grundlage für die Sachkundekurse der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, in denen die entsprechende Sachkunde erworben werden kann. Der Nachweis einer entsprechenden Qualifikation ist erforderlich, um die Auflagen des Medizinproduktegesetzes zu erfüllen. Wie dieses System aus Curricula und Sachkundekursen entstand, warum es von zunehmender Wichtigkeit ist und wie es von Kardiologen und anderen Ärzten angenommen wird, berichtet Herr Krämer in dieser Ausgabe [9]. Begleitet wird die Sachkunde „Devices“ von einer Fachkunde, die durch eine kontinuierliche praktische Tätigkeit unter qualifizierenden Bedingungen erworben wird, wie es im „Strukturpapier“ formuliert und 2009 publiziert wurde [5]. Frau Rybak stellt die Entwicklung, Erfahrungen und die Zukunft der strukturierten Fachkunde Herzschrittmacher und ICD dar [17].

Über den „Tellerrand“ der nationalen Alltagsprobleme mit Bürokratie in der Medizin, Engpässen in der Ausbildung, Fachkräftemangel etc. hinaus ist es wichtig, Konzepte für eine Elektrophysiologie der Zukunft zu entwickeln. Da der Jugend die Zukunft gehört, ist eine der maßgeblichen Aufgaben, die begabten und motivierten jungen Kräfte und deren Zusammenarbeit in der Elektrophysiologie besonders zu fördern. Genau dies hat sich das „Fellowship“-Programm vorgenommen, das Herr Neuzner, einer der Väter dieser Initiative, in dieser Ausgabe vorstellt [13]. Eine internationale Perspektive ergibt sich für eine standardisierte und optimierte Qualität der Ausbildung und damit zukünftig auch der Anwendung durch die in den letzten Jahren wesentlich intensivierten Aktivitäten der EHRA. Durch die Einrichtung eines „Educational Committee“ und eines EHRA-Examens (das sich praktisch zu 100% an den deutschen Curricula orientiert) soll die Ausbildung und Qualität der Elektrophysiologie europaweit verbessert und standardisiert werden [7].

Diese Ausgabe von H & E widmet sich der Registerarbeit, Qualitätssicherung und Optimierung der Ausbildung in der Elektrophysiologie in Deutschland. Viele der diesbezüglichen Bemühungen sind bei elektrophysiologisch arbeitenden Kardiologen wenig oder gar nicht bekannt, weshalb die Publizierung diesbezüglicher Informationen mir besonders wichtig erscheint. Es wäre schön, wenn dies zu einer Verbesserung der Information deutscher Kardiologen und einer verbesserten Nutzung der Möglichkeiten zur Qualitätsoptimierung in der Elektrophysiologie beitragen könnte.