FormalPara Originalpublikation

Lukas Klemm et al (2023) Impact of pulsatile pulmonary blood flow on cardiopulmonary exercise performance after the Fontan procedure. JTCVS Open, Volume 16, Pages 811–822, https://doi.org/10.1016/j.xjon.2023.08.012.

Zusammenfassung der Originalstudie

Hintergrund.

Die kinderkardiologisch und kinderherzchirurgisch erzielten Behandlungserfolge bei Kindern mit angeborenem Herzfehler haben dazu geführt, dass mehr als 90 % der Patienten heutzutage das Erwachsenenalter erreichen. Eine besondere Patientengruppe sind dabei die Kinder mit einer Einkammerpalliation, die sog. Fontan-Patient*Innen. Die Besonderheit der Kreislaufsituation dieser Patient*Innen ist, dass sie als pumpenden Systemventrikel einen anatomisch rechten oder linken Ventrikel besitzen, ihnen aber komplett der subpulmonale Ventrikel für den Lungenkreislauf fehlt. Der passive Antrieb des venösen Rückflusses in den Lungenkreislauf wird durch die Atemarbeit und den pumpenden Systemventrikel gewährleistet, was auf Kosten eines erhöhten zentralen Venendrucks geschieht, der bei diesen Patient*Innen dem Pulmonalisdruck entspricht. Insbesondere bei Belastungssituationen mit den Erfordernissen eines höheren Herzzeitvolumens ist dies für Patienten mit einer Fontan-Zirkulation durchaus ein Problem. Der rein passive venöse Zustrom in die Lungen führt zu einem inadäquaten Anstieg des Herzzeitvolumens bei Belastung für alle Fontan-Patient*Innen. Selbst Patient*Innen mit einem optimal funktionierendem Fontan-Kreislauf können in solchen Situationen ihr Herzzeitvolumen nur auf das Doppelte steigern, wohingegen Herzgesunde locker das Fünffache ihres „cardiac output“ bei Belastung erreichen können. Die Situation sieht für Patient*Innen mit einem marginalen Fontan-Kreislauf sogar noch viel ungünstiger aus [1]. (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Steigerung des Herzzeitvolumens mit und ohne Fontan-Kreislauf bei Belastung. (Aus Gewillig und Brown [1])

Die Autoren des Artikels aus dem Deutschen Herzzentrum München haben sich in ihrer Studie einem besonderen historischen Subkollektiv ihrer Fontan-Patient*Innen, die sich einer Fontan-Björk- bzw. einer Fontan-Kreutzer-Operation unterzogen haben, gewidmet. Die Besonderheit dieser Modifikationen ist, dass noch ein rudimentärer rechter Ventrikel (RV) in den subpulmonalen Kreislauf eingeschaltet sein kann, sodass ein Teil der Patient*Innen bei entsprechender RV-Entwicklung noch einen pulsatilen pulmonalen Blutfluss im Langzeitverlauf besitzt. Diese hämodynamisch günstige Situation war nur für 11 (4,8 %) der 227 in der Studie berücksichtigten Patient*Innen der Fall.

Methode.

Die in der Studie untersuchten Patient*Innen wurden nach einem median Follow-up von 17,7 Jahren nach ihrer Fontan-Komplettierung untersucht und nach einem standardisierten Protokoll belastet.

Ergebnisse.

Patient*Innen mit einem pulsatilen pulmonalen Blutfluss konnten ihr Herzzeitvolumen („peak VO2“) unter Belastung im Vergleich zu Patient*Innen ohne pulsatilen pulmonalen Blutfluss signifikant besser steigern.

Diskussion.

Die Wahrscheinlichkeit, im Laufe des Lebens herzinsuffizient zu werden oder aufgrund eines Kreislaufversagens zu sterben, ist für Patient*Innen mit einem Einkammerherzen im Vergleich zur Normalbevölkerung und gegenüber Patient*Innen mit einem korrigierten angeborenem Herzfehler und einer Zweikammerzirkulation erhöht. Die Herztransplantation ist für sie die Endstrecke einer lebenslang palliativen Behandlung, die zu einem bestimmten Zeitpunkt zu einem Versagen des Fontan-Kreislaufs („failing Fontan“) führt. Als ein wesentlicher Faktor in der Entstehung eines Fontan-Versagens im Langzeitverlauf wird von vielen Autoren der für den pulmonalen Kreislauf fehlende subpulmonale Ventrikel, also die fehlende Pulsatilität, angeschuldigt. Sie führt u. a. zu so schwer wiegenden Krankheitsbildern wie Eiweißverlustsyndromen in den Darm („protein-losing enteropathy“) oder den Atemwegen (Bronchitis plastica), die letztendlich letal enden.

Eine Inkorporation eines funktionierenden pulsatil arbeitenden rechten Restventrikels in die Pulmonaliszirkulation scheint im Langzeitverlauf für eine selektionierte Subgruppe fast so etwas wie die Hämodynamik einer funktionierenden Zweikammerzirkulation zu erzeugen. Eine derartige hämodynamische Konstellation ist anhand der ermittelten Belastungsuntersuchungen und Herzkatherdaten im Langzeitverlauf von Vorteil und sollte in der chirurgischen Behandlungsstrategie, wann immer, möglich Berücksichtigung finden.

Kommentar

Patient*Innen mit einer Einkammerzirkulation können nach erfolgreicher Fontan-Palliation mit einer relativ guten Lebensqualität und Leistungsfähigkeit bis in das Erwachsenenalter überleben. Aus der Erfahrung der täglichen klinischen Praxis ist prinzipiell der Kreislauf dieser palliierten Patient*Innen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit dazu prädestiniert, im Laufe des Lebens zu versagen, sodass zu irgendeinem Zeitpunkt im Leben eine Transplantation erfolgen muss, was aufgrund der vielen Voroperationen und des allgemeinen Organmangels fast aussichtslos bzw. unrealistisch anmutet. Die vorliegende Arbeit der Münchner Arbeitsgruppe scheint nahezulegen, dass eine Pulsatilität im Lungenkreislauf die Leistungsfähigkeit erhöht und in gewisser Form vor einem Kreislaufversagen schützt. Ein zusätzliches positives Votum für eine Pulsatilität ergibt sich aus der klinischen Behandlung von Failing-Fontan-Patient*Innen mit pulsatilen Rechtsherzunterstützungssystemen [2, 3]. Die Inkorporation eines pulsatilen rechten Ventrikels in den Kreislauf der Patient*Innen beseitigte auf Kosten der Assist-Implantation fast alle Symptome der schweren Rechtsherzinsuffizienz, was ein weiterer Beleg für das von den Münchner Kolleg*Innen getroffene Votum für eine Pulsatilität im Fontan-Kreislauf ist. Leider ist eine derartige Konstellation nur für wenige der betroffenen Patient*Innen zu erreichen. Die Untersuchungen der Münchner Kolleg*Innen wurden an einem „historischen Kollektiv“ vorgenommen, und viele der heute tätigen Kolleg*Innen kennen diese Art der Operationen nur aus der Operationslehre oder alten Publikationen. Die große Frage ist auch: Wie viel Pulsatilität ist für den Fontan-Kreislauf gut? Ohne eine gute Klappenfunktion dazwischen kann sie nämlich auch durchaus zu einem Rückstau in den Fontan-Kreislauf führen, weshalb später das Konzept des laminaren, nichtpulsatilen Flusses im Fontan-Kreislauf für eine gewisse Zeit favorisiert wurde [4]. Auch ist es nicht gut, wenn man für die Inkorporation einer Pulsatilität in den Fontan-Kreislauf ein klappentragendes Conduit, welches im Laufe der Zeit degeneriert und zu einer Klappeninsuffizienz (Rückstau im Kreislauf) oder einer Obstruktion (Stenose im Kreislauf) führt, benötigt.

Nachdem sich die Inkorporation einer Pulsatilität in den Pulmonaliskreislauf positiv auswirkt oder, provokativer formuliert, das Vorhandensein einer gewissen rechtsventrikulären Funktion in den Lungenkreislauf zu einer merklichen funktionellen Verbesserung des Fontan-Kreislaufs beiträgt, ist darüber nachzudenken, wie man eine brauchbare Langzeitlösung für alle anatomischen Varianten der Einkammerzirkulation erreichen kann. Also, wie man es technisch schaffen könnte, den Fontan-Kreislauf auf der Lungenseite zu „dynamisieren“. Wahrscheinlich ist ein miniaturisiertes Fontan-RVAD-Assist-System die brauchbarste Langzeitlösung für betroffene Patient*Innen. Die Arbeitsgruppe von Rodefeld geht davon aus, dass ein nichtpulsatiles Fontan-Assist-System mit einer Leistung von ca. 2,0–4,4 l/min vollkommen ausreichend wäre, und versucht, die weitere Forschung zu einem derartigen Implantat über Crowdfunding zu finanzieren [5]. Andere Forschergruppen arbeiten daran, ein implantierbares „continuous-flow-RVAD“ bei allen Fontan-Patient*Innen zu implantieren, und hoffen, dadurch ein besseres Langzeitoutcome für diese Patienten zu erreichen [6]. Welcher Weg am Ende zielführend ist, wird sich in der Zukunft zeigen.